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90/02 Führerscheingesetz;Norm
FSG 1997 §3 Abs1 Z3 idF 2002/I/032;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf, Dr. Gall, Dr. Pallitsch und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des O in W, vertreten durch Dr. Josef Bock, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Daffingerstraße 4, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 24. August 2001, Zl. MA 65 - 8/387/2000, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 25. Juli 2000 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 24 Abs. 1 Z. 1 und § 25 Abs. 2 FSG die ihm am 12. Juli 1972 für die Klassen A, B, C, F und G erteilte Lenk(er)berechtigung für die Dauer der gesundheitlichen Nichteignung gerechnet ab Zustellung des Bescheides entzogen. Einer eventuellen Berufung wurde die aufschiebende Wirkung gemäß § 64 Abs. 2 AVG aberkannt. In der Begründung führte die Behörde aus, auf Grund der anlässlich der amtsärztlichen Untersuchung vom 24. Juli 2000 festgestellten psychischen Erkrankung sei der Beschwerdeführer aus gesundheitlichen Gründen derzeit nicht zum Lenken von Kraftfahrzeugen geeignet.
In seiner dagegen erhobenen Berufung bemängelte der Beschwerdeführer das dem Bescheid zu Grunde gelegte amtsärztliche Gutachten als unschlüssig. Die Behörde habe es auch unterlassen, eine psychiatrische fachärztliche Stellungnahme einzuholen.
Die belangte Behörde holte in der Folge ein Gutachten einer Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie vom 12. Dezember 2000 ein, in welchem zusammenfassend ausgeführt wird:
"Herr (Beschwerdeführer) wird erstmals bezüglich seiner Verkehrseignung ho. ambulant untersucht. Als Zweck der Untersuchung wird vom Magistrat der Stadt Wien ein Führerscheinentzug im Juli 2000 wegen unbehandelter Psychose und Zustand nach Polytrauma 1983 angegeben. Zu dem Führerscheinentzug kam es, da der Untersuchte im Polizeikommissariat H. auffällig wurde. Am Gendarmerieposten H. liegt ein Schreiben an die BH H. vor, aus dem hervorgeht, dass der Untersuchte Anzeige erstatten wolle, da er sich seit 1983 bedroht fühle. Auch bei der heutigen Exploration berichtet der Untersuchte ausführlich über einen am 21. Juni 1983 vorgefallenen Unfall mit nachfolgender stationärer Aufnahme im Lorenz-Böhlerkrankenhaus und anschließender Bedrohung durch bestimmte Personen, die i(h)m vorwarfen, am Tode eines anderen Patienten schuld zu sein. Außerdem berichtet er über Streitigkeiten mit seinen Nachbarn. Aus der Art und Weise wie der Patient Sachverhalte darstellt, scheint es sich von psychopathologischer Seite um eine paranoide wahnhafte Entwicklung zu handeln, die vor vielen Jahren ihren Ausgangspunkt nahm. Dies alleine wäre allerdings noch kein Grund, den Führerschein zu entziehen. Ein EEG-Befund vom 20. 11. 2000 zeigte ein normales EEG, allerdings bei eingeschränkter Beurteilbarkeit wegen Artefakte, eine Kontrolle des EEG wird daher empfohlen. Die Blutbefunde zeigen ein normales Blutbild, die Leberenzyme sind bis auf ein geringfügig erhöhtes Gamma-GT ebenfalls ohne Befund. Das CDT zur Feststellung eines chronischen Alkoholabusus in den letzten Wochen bewegt sich ebenfalls innerhalb des Referenzbereiches. Die klinisch-psychodiagnostische Untersuchung zur Feststellung der Reaktionsfähigkeit und der kognitiven Leistungen des Untersuchten zeigten, dass der Patient zum Zeitpunkt der Untersuchung über reduzierte Reaktionssicherheit auf komplexe Reizfolge im Sinne einer Verlangsamung und mangelnden Umstellbarkeit unter geringem und mittlerem Zeitdruck und erhöhter Fehlerneigung unter hohem Zeitdruck verfügte. Die Reaktionsfähigkeit auf einfache Reize im optischen und im akustischen Sinnesbereich war durchschnittlich. Die durchschnittliche Daueraufmerksamkeitsbelastbarkeit und Konzentrationsfähigkeit über längere Zeitdauer war durchschnittlich. Die Aufmerksamkeitsleistung über kurze Zeit zeigte eine Verminderung, während die Konzentrationsfähigkeit über kurze Zeitdauer durchschnittlich war. Die unspezifische kortikale Aktiviertheit war leicht erhöht, die verbale Mnestik war nicht beeinträchtigt. Die psychovisuelle Merkfähigkeit lag im Normbereich. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass es sich bei dem Untersuchten um eine paranoide wahnhafte Entwicklung über viele Jahre handelt. Es bestehen doch deutliche Defizite was die Reaktionssicherheit und die Aufmerksamkeitsleistung anbelangt.
Aus diesem Grund ist eine Ausfolgung des Führerscheins nur bedingt und begrenzt zu empfehlen. Als Voraussetzung dafür sollte sich der Patient in psychiatrische und auch medikamentöse Behandlung begeben (mit regelmäßigem Nachweis dieser fachärztlichen Besuche)."
Ausgehend von diesem Fachärztlichen Gutachten beurteilte die Amtsärztin den Beschwerdeführer in ihrem Gutachten gemäß § 8 FSG vom 5. Jänner 2001
"wegen einer paranoiden wahnhaften Erkrankung und verminderter kraftfahrspezifischer Leistungsparameter (Verminderung der Reaktionssicherheit und der Aufmerksamkeit) zum Lenken von KFZ der Gruppe 1 gesundheitlich nicht geeignet. Eine medikamentöse Therapie und fachärztliche Behandlung wird angeraten."
In seiner Stellungnahme vom 1. Februar 2001 wies der Beschwerdeführer darauf hin, dass die "Angelegenheit nicht spruchreif" sei und beantragte, "die Universitätsklinik für Psychiatrie möge daher ersucht werden, die empfohlene Kontrolle des EEG vorzunehmen und die Aussage, es bestünden deutliche Defizite, einer Prüfung und Neubeurteilung zu unterziehen". Im Nachhang zu dieser Stellungnahme übermittelte der Beschwerdeführer einen (aktuellen) neurologischen Befund des ihn behandelnden Facharztes für Neurologie und Psychiatrie vom 1. Februar 2001.
In ihrem an die belangte Behörde gerichteten Schreiben vom 22. Februar 2001 teilte die Amtsärztin mit, dass der Beschwerdeführer im Rahmen einer neuerlichen amtsärztlichen Untersuchung am 21. Februar 2001 "massiv aggressiv reagiert" und einer "weiteren Begutachtung in der Universitätsklinik nicht zugestimmt" habe. Der Untersuchungsauftrag habe nicht abgeschlossen werden können.
Nach einer neuerlichen Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 22. März 2001 erstattete die Amtsärztin am 16. Mai 2001 auftragsgemäß folgendes Gutachten:
"Herr (Beschwerdeführer) wurde am 20. 11. 2000 bezüglich der gesundheitlichen Eignung zum Lenken von KFZ an der psychiatrischen Universitätsklinik ambulant begutachtet. Hierbei wurde eine über eine viele Jahre hinweg bestehende paranoide Entwicklung sowie testpsychologisch nachweisbaren Leistungseinbußen (Verminderung der Reaktionssicherheit und der Aufmerksamkeit) festgestellt. Die Ausfolgung des Führerscheines wurde unter der Voraussetzung einer psychiatrischen und medikamentösen Behandlung bedingt und begrenzt vorgeschlagen. Da zum Zeitpunkt der Begutachtung keine psychiatrische und medikamentöse Behandlung nachgewiesen werden konnte, wurde die gesundheitliche Eignung zum Lenken von KFZ von amtsärztlicher Seite nicht bestätigt. Bei einer weiteren Begutachtung am 21. 2. 2001 wurde eine befürwortende Stellungnahme vom 1. 2. 2001, Dr. St. vorgelegt. Angaben über eine regelmäßige Medikamenteinnahme und fachärztliche Betreuung konnten nicht getätigt werden. Auch zeigte sich weiterhin ein psychiatrisch auffälliges Verhalten (siehe Aktenvermerk vom 21. 2. 2001). Von amtsärztlicher Seite ist aus diesem Grund einer Ausfolgung des Führerscheines nicht zuzustimmen. Falls Herr (Beschwerdeführer) weiterhin eine Führerscheinausfolgung anstrebt, ist eine Überprüfung der angeführten Bedingungen (medikamentöse und fachärztliche Behandlung) durch die psychiatrische Universitätsklinik erforderlich. In diesem Zusammenhang wäre auch zu beurteilen, ob die festgestellten Leistungseinbußen durch eine medikamentöse Behandlung einer Besserung zugänglich sind.
Ergänzend sollte im Hinblick auf das erhöhte (krankheitsbedingte) Aggressionspotential eine Überprüfung der Bereitschaft zur Verkehrsanpassung durch eine verkehrspsychologische Untersuchungsstelle erfolgen."
In dem genannten Aktenvermerk vom 21. Februar 2001 wird von der Amtsärztin u. a. festgehalten, dass der Beschwerdeführer anlässlich der amtsärztlichen Untersuchung den Untersuchungsfragebogen zerrissen und unter Androhung von Konsequenzen türknallend den Untersuchungsraum verlassen hat.
Der Beschwerdeführer gab zum amtsärztlichen Gutachten vom 16. Mai 2001 eine Stellungnahme ab, in der er u. a. ausführt, dass und warum er eine "medikamentöse Behandlung mit Psychopharmaka" ablehnt.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. In der Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, Befund und Gutachten der Amtsärztin stimmten hinsichtlich der psychischen Erkrankung des Beschwerdeführers und deren Auswirkung, insbesondere im Zusammenhang mit den festgestellten kraftfahrspezifischen Defiziten auf die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen völlig überein. Sie seien daher in ihrer Gesamtheit als schlüssig und nachvollziehbar anzusehen und nach den derzeitigen medizinischen Erkenntnissen erstellt. Der Beschwerdeführer sei dem Gutachten nicht mit einem auf gleicher wissenschaftlicher Ebene stehenden Gegengutachten entgegengetreten. Auch habe der Beschwerdeführer die ihm mehrmals gebotene Gelegenheit zu einer neuerlichen fachärztlichen Untersuchung zur Beurteilung, ob die festgestellten Leistungseinbußen durch eine medikamentöse Behandlung einer Besserung zugänglich sind, abgelehnt. Mit der allgemeinen, nicht durch entsprechende Unterlagen (Gegengutachten) gestützten Behauptung, es liege keine gesundheitliche Beeinträchtigung, insbesondere keine psychische Erkrankung vor, habe der Beschwerdeführer nicht das auf einem fachärztlichen Befund beruhende amtsärztliche Gutachten vom 5. Jänner 2001 zu entkräften vermocht. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, die im Bereich der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit festgestellten geringfügigen Defizite der Reaktionssicherheit und der Aufmerksamkeitsleistung hätten keinen Einfluss auf das Lenken eines Kraftfahrzeuges, sei entgegenzuhalten, dass nach dem Gutachten der amtsärztlichen Sachverständigen die festgestellten Defizite in direkter Verbindung mit der beim Beschwerdeführer bestehenden psychischen Erkrankung stehen. Überdies zeige der Beschwerdeführer weiterhin ein psychiatrisch auffälliges Verhalten. Auch im fachärztlichen Befund vom 12. Dezember 2000 werde auf Grund der doch deutlichen Defizite hinsichtlich Reaktionssicherheit und Aufmerksamkeitsleistung im Zusammenhang mit einer paranoiden wahnhaften Entwicklung des Beschwerdeführers eine Ausfolgung des Führerscheines erst nach einer psychiatrischen und medikamentösen Behandlung empfohlen. Dass sich der Beschwerdeführer einer solchen kontrollierten Behandlung unterzogen habe, sei auf Grund der Aktenlage nicht erkennbar. Der Beschwerdeführer sei einen diesbezüglichen Nachweis auch schuldig geblieben. Auch die Kontrolle des EEG sei nicht erforderlich, da dieses keine andere Befundung hinsichtlich der Erkrankung der kraftfahrspezifischen Schwächen des Beschwerdeführers erwarten lasse. Aus diesen Gründen sei die Erstbehörde zu Recht von einem Mangel der gesundheitlichen Eignung im Sinne des § 3 Abs. 1 FSG in Verbindung mit § 13 FSG-GV ausgegangen. Aufgabe der Behörde sei es, eine Gefährdung der übrigen Straßenbenützer durch eine als gesundheitlich nicht geeignet erkannte Person rasch und wirksam zu verhindern. Da bei Zuwarten mit der Maßnahme während eines länger dauernden Rechtszuges deren Zweck vereitelt würde, habe die Behörde erster Instanz zutreffend einer Berufung gegen den Entziehungsbescheid die aufschiebende Wirkung aberkannt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Für den Beschwerdefall sind folgende Bestimmungen des Führerscheingesetzes - FSG (im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides in der Fassung vor der Änderung des FSG durch BGBl. I Nr. 32/2002) maßgebend:
"Allgemeine Voraussetzungen für die Erteilung einer Lenkberechtigung
§ 3. (1) Eine Lenkberechtigung darf nur Personen erteilt werden, die:
...
3. gesundheitlich geeignet sind, ein Kraftfahrzeug zu lenken (§§ 8 und 9),
...
Gesundheitliche Eignung
§ 8. (1) Vor der Erteilung einer Lenkberechtigung hat der Antragsteller der Behörde ein ärztliches Gutachten vorzulegen, dass er zum Lenken von Kraftfahrzeugen gesundheitlich geeignet ist. Das ärztliche Gutachten darf im Zeitpunkt der Entscheidung nicht älter als ein Jahr sein und ist von einem im örtlichen Wirkungsbereich der Behörde, die das Verfahren zur Erteilung der Lenkberechtigung durchführt, in die Ärzteliste eingetragenen sachverständigen Arzt für Allgemeinmedizin zu erstellen.
(2) Sind zur Erstattung des ärztlichen Gutachtens besondere Befunde oder im Hinblick auf ein verkehrspsychologisch auffälliges Verhalten eine Stellungnahme einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle erforderlich, so ist das ärztliche Gutachten von einem Amtsarzt zu erstellen; der Antragsteller hat diese Befunde oder Stellungnahmen zu erbringen. Wenn im Rahmen der amtsärztlichen Untersuchung eine sichere Entscheidung im Hinblick auf die gesundheitliche Eignung nicht getroffen werden kann, so ist erforderlichenfalls eine Beobachtungsfahrt anzuordnen.
(3) Das ärztliche Gutachten hat abschließend auszusprechen:
'geeignet', 'bedingt geeignet', 'beschränkt geeignet' oder 'nicht geeignet'. Ist der Begutachtete nach dem ärztlichen Befund
1. gesundheitlich zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer oder mehrerer Klassen ohne Einschränkung geeignet, so hat das Gutachten 'geeignet' für diese Klassen zu lauten;
2. zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer oder mehrerer Klassen nur unter der Bedingung geeignet, daß er Körperersatzstücke oder Behelfe oder daß er nur Fahrzeuge mit bestimmten Merkmalen verwendet oder daß er sich ärztlichen Kontrolluntersuchungen unterzieht, so hat das Gutachten „bedingt geeignet'' für die entsprechenden Klassen zu lauten und Befristungen, Bedingungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen der Gültigkeit anzuführen, unter denen eine Lenkberechtigung ohne Gefährdung der Verkehrssicherheit erteilt werden kann; dies gilt auch für Personen, deren Eignung nur für eine bestimmte Zeit angenommen werden kann und bei denen amtsärztliche Nachuntersuchungen erforderlich sind;
...
(4) Wenn das ärztliche Gutachten die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen von der Erfüllung bestimmter Bedingungen, wie insbesondere die Verwendung von bestimmten Behelfen oder die regelmäßige Beibringung einer fachärztlichen Stellungnahme abhängig macht, so ist bei der Erteilung der Lenkberechtigung deren Gültigkeit von der Erfüllung dieser Bedingung abhängig zu machen.
…
(6) Der Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr (nunmehr: Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie) hat im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales (nunmehr: Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen) nach den Erfordernissen der Verkehrs- und Betriebssicherheit, dem jeweiligen Stand der medizinischen Wissenschaft und der Technik entsprechend, durch Verordnung die näheren Bestimmungen festzusetzen über:
1. die ärztliche Untersuchung und die Erstellung des ärztlichen Gutachtens (Abs. 1 und 2); hiebei ist auch festzusetzen, unter welchen Bedingungen oder Beschränkungen Personen, bei denen bestimmte Leiden oder Gebrechen vorliegen, als zum Lenken von Kraftfahrzeugen geeignet zu gelten haben (Abs. 3 Z 2 und 3);
2. die verkehrspsychologische Untersuchung (Abs. 2) und die zu erfüllenden Mindesterfordernisse für den Nachweis der verkehrspsychologischen Eignung;
...
Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung
Allgemeines
§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit
1.
die Lenkberechtigung zu entziehen oder
2.
die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Bedingungen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken. Diese Einschränkungen sind gemäß § 13 Abs. 2 in den Führerschein einzutragen.
...
(4) Vor der Entziehung oder Einschränkung der Gültigkeit der Lenkberechtigung wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung ist ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8, vor der Entziehung wegen mangelnder fachlicher Befähigung ein Gutachten gemäß § 10 einzuholen."
Weiters sind die folgenden Bestimmungen der Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung - FSG-GV (im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides in der Fassung vor der 3. Novelle zur FSG-GV BGBl. II Nr. 427/2002) von Bedeutung:
"Allgemeine Bestimmungen über die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen
§ 3. (1) Als zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer bestimmten Fahrzeugklasse im Sinne des § 8 FSG gesundheitlich geeignet gilt, wer für das sichere Beherrschen dieser Kraftfahrzeuge und das Einhalten der für das Lenken dieser Kraftfahrzeuge geltenden Vorschriften
1. die nötige körperliche und psychische Gesundheit besitzt,
...
4. aus ärztlicher Sicht über die nötige kraftfahrspezifische psychophysische Leistungsfähigkeit verfügt.
Kraftfahrzeuglenker müssen die für ihre Gruppe erforderlichen gesundheitlichen Voraussetzungen gemäß den nachfolgenden Bestimmungen erfüllen. Um die gesundheitliche Eignung nachzuweisen, ist der Behörde ein ärztliches Gutachten gemäß § 8 Abs. 1 oder 2 FSG vorzulegen.
Gesundheit
§ 5. (1) Als zum Lenken von Kraftfahrzeugen hinreichend gesund gilt eine Person, bei der keine der folgenden Krankheiten festgestellt wurde:
...
4. schwere psychische Erkrankungen gemäß § 13 sowie:
...
Psychische Krankheiten und Behinderungen
§ 13. (1) Als ausreichend frei von psychischen Krankheiten im Sinne des § 3 Abs. 1 Z. 1 gelten Personen, bei denen keine Erscheinungsformen von solchen Krankheiten vorliegen, die eine Beeinträchtigung des Fahrverhaltens erwarten lassen. Wenn sich aus der Vorgeschichte oder bei der Untersuchung der Verdacht einer psychischen Erkrankung ergibt, der die psychische Eignung zum Lenken eines Kraftfahrzeuges einschränken oder ausschließen würde, ist eine psychiatrische fachärztliche Stellungnahme beizubringen, die die kraftfahrspezifischen psychophysischen Leistungsfunktionen mitbeurteilt.
(2) Personen, bei denen
1. eine angeborene oder infolge von Krankheiten, Verletzungen oder neurochirurgischen Eingriffen erworbene schwere psychische Störung,
…
4. eine schwere persönlichkeitsbedingte Störung des Urteilsvermögens, des Verhaltens und der Anpassung
besteht, darf eine Lenkberechtigung nur dann erteilt oder belassen werden, wenn das ärztliche Gutachten auf Grund einer psychiatrischen fachärztlichen Stellungnahme, in der die kraftfahrspezifischen psychophysischen Leistungsfunktionen mitbeurteilt werden, die Eignung bestätigt.
...
§ 17. (1) Die Stellungnahme einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle gemäß § 8 Abs. 2 FSG ist im Hinblick auf ein verkehrspsychologisch auffälliges Verhalten insbesondere dann zu verlangen, wenn der Bewerber um eine Lenkberechtigung oder der Besitzer einer Lenkberechtigung Verkehrsunfälle verursacht oder Verkehrsverstöße begangen hat, die den Verdacht
1.
auf verminderte kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit oder
2.
auf mangelnde Bereitschaft zur Verkehrsanpassung
erwecken. ... .
Verkehrspsychologische Untersuchung
§ 18. (1) Die Überprüfung der einzelnen Merkmale ist nach dem jeweiligen Stand der verkehrspsychologischen Wissenschaft mit entsprechenden Verfahren vorzunehmen. Die Relevanz dieser Verfahren für das Verkehrsverhalten muss durch Validierungsstudien wissenschaftlich nachgewiesen werden.
(2) Für die Überprüfung der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit sind insbesondere folgende Fähigkeiten zu überprüfen:
1.
Beobachtungsfähigkeit sowie Überblicksgewinnung,
2.
Reaktionsverhalten, insbesondere die Geschwindigkeit und Sicherheit der Entscheidung und Reaktion sowie die Belastbarkeit des Reaktionsverhaltens,
3.
Konzentrationsvermögen,
4.
Sensomotorik und
5.
Intelligenz und Erinnerungsvermögen.
(3) Für die Erfassung der Bereitschaft zur Verkehrsanpassung ist insbesondere das soziale Verantwortungsbewusstsein, die Selbstkontrolle, die psychische Stabilität und die Risikobereitschaft des zu Untersuchenden zu untersuchen sowie zu prüfen, ob eine Tendenz zu aggressiver Interaktion im Straßenverkehr besteht und ob sein Bezug zum Autofahren kritisch von der Norm abweicht. Zur Überprüfung der Bereitschaft zur Verkehrsanpassung ist neben einem verkehrsbezogenen Persönlichkeitstest auch ein ausführliches Explorationsgespräch durchzuführen. Dieses darf nur von einem gemäß § 20 für Verkehrspsychologie qualifizierten Psychologen geführt werden oder, unter seiner Verantwortung und in seinem Beisein, von einem in Ausbildung zum Verkehrspsychologen befindlichen Psychologen.
...
§ 19. (1) Eine verkehrspsychologische Stellungnahme darf nur von einer vom Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr (nunmehr: Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie) ermächtigten verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle abgegeben werden.
...
(5) Die verkehrspsychologischen Stellungnahmen sind von dem
hierfür verantwortlichen Psychologen abzugeben; ... ."
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer die Lenkberechtigung wegen des Fehlens der gesundheitlichen Eignung infolge Vorliegens einer psychischen Krankheit im Sinne des § 13 FSG-GV entzogen.
Bei Verdacht einer psychischen Erkrankung sieht § 13 Abs. 1 FSG-GV die Einholung einer psychiatrischen fachärztlichen Stellungnahme vor, welche - abweichend von § 19 Abs. 1 FSG-GV, wonach eine verkehrspsychologische Stellungnahme nur von einer ermächtigten verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle abgegeben werden kann - die kraftfahrspezifischen psychophysischen Leistungsfunktionen mitbeurteilt. Dabei handelt es sich um die - eine Voraussetzung der gesundheitlichen Eignung im Sinne des § 3 Abs. 1 FSG-GV bildende - "aus ärztlicher Sicht" gegebene "nötige kraftfahrspezifische psychophysische Leistungsfähigkeit" nach § 3 Abs. 1 Z. 4 FSG-GV, die sich aus der nötigen kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit und der Bereitschaft zur Verkehrsanpassung zusammensetzt (vgl. die hg. Erkenntnisse je vom 28. Mai 2002, Zlen. 2000/11/0169 und 2002/11/0061).
Psychische Krankheiten und Behinderungen im Sinne des § 13 FSG-GV schließen nicht schlechthin die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen aus, sondern nur dann, wenn sie auf das Verhalten der betreffenden Person im Straßenverkehr, somit auf das Fahrverhalten, von Einfluss sein könnten (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom 24. August 1999, Zl. 99/11/0149, und vom 19. Juli 2002, Zl. 2002/11/0051). Ob die festgestellte psychische Krankheit eine Beeinträchtigung des Fahrverhaltens erwarten lässt, hat der Amtsarzt bei Erstattung des Gutachtens gemäß § 8 Abs. 2 FSG unter Berücksichtigung der psychiatrischen fachärztlichen Stellungnahme zu beurteilen.
Im Beschwerdefall stützen sich der Amtsarzt und in der Folge die belangte Behörde bei Beurteilung der gesundheitlichen Eignung des Beschwerdeführers zum Lenken von Kraftfahrzeugen (erkennbar) auf die psychiatrisch fachärztliche Stellungnahme vom 12. Dezember 2000, in der festgehalten wird, dass die beim Beschwerdeführer festgestellte paranoide wahnhafte Entwicklung allein zwar noch keinen Grund für den Führerscheinentzug darstellt, im Zusammenhang mit der festgestellten eingeschränkten Reaktionsfähigkeit und den kognitiven Leistungen jedoch "eine reduzierte Reaktionssicherheit auf komplexe Reizfolge im Sinne einer Verlangsamung und mangelnden Umstellbarkeit unter geringem und mittlerem Zeitdruck und erhöhter Fehlerneigung unter hohem Zeitdruck" vorliegt, die eine Ausfolgung des Führerscheines nur dann rechtfertigen würde, wenn sich der Beschwerdeführer in psychiatrische und auch medikamentöse Behandlung (mit regelmäßigem Nachweis dieser fachärztlichen Besuche) begibt. Da der Beschwerdeführer unstrittig ausdrücklich die in dieser fachärztlichen Stellungnahme geforderte psychiatrische und medikamentöse Behandlung abgelehnt hat, kann in der Annahme der belangten Behörde, der Beschwerdeführer sei infolge seiner psychischen Erkrankung im Sinne des § 13 Abs. 1 FSG-GV gesundheitlich (auch) nicht (bedingt) geeignet ein Kraftfahrzeug zu lenken, ein Rechtsirrtum nicht erblickt werden.
Die Amtsärztin hat in ihr Gutachten vom 16. Mai 2001 - entgegen den Behauptungen in der Beschwerde - den vom Beschwerdeführer vorgelegten neurologischen Befund des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. St. vom 1. Februar 2001 einbezogen. Auch in diesem Befund wird im Zusammenhang mit der bedingten Eignung des Beschwerdeführers zum Lenken eines Kraftfahrzeuges eine antiparanoide medikamentöse Behandlung vorgeschlagen. Ein Widerspruch zur psychiatrischen fachärztlichen Stellungnahme vom 12. Dezember 2000 liegt demnach nicht vor.
Auch mit dem Vorbringen, die belangte Behörde habe ihm eine Untersuchung zwecks Feststellung der Besserung der behaupteten Leistungseinbußen durch eine medikamentöse Behandlung nicht angeboten, vermag der Beschwerdeführer eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufzuzeigen. Der Beschwerdeführer hat - wie bereits oben erwähnt - in seiner Stellungnahme zum amtsärztlichen Gutachten vom 16. Mai 2001 "die medikamentöse Behandlung mit Psychopharmaka" und auch eine "psychologische Behandlung" abgelehnt. Im neurologischen Befund des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie des Dr. St. vom 1. Februar 2001 wurde dem Beschwerdeführer zwar eine medikamentöse Therapie vorgeschlagen, er weigerte sich jedoch, die verschriebenen Medikamente einzunehmen. Die belangte Behörde konnte daher davon ausgehen, dass mit der bloßen Einschränkung der Lenkberechtigung durch Vorschreibung der Einnahme bestimmter Medikamente nicht das Auslangen gefunden werden könnte, weshalb eine Entziehung der Lenkberechtigung vorzunehmen war.
Mit der Behauptung, die Behörde erster Instanz habe es unterlassen, eine psychiatrische fachärztliche Stellungnahme einzuholen, wird kein Verfahrensfehler der belangten Behörde aufgezeigt. Mit der psychiatrischen fachärztlichen Stellungnahme vom 12. Dezember 2000 lag nunmehr der belangten Behörde die in der Beschwerde geforderte Beurteilung der kraftfahrspezifischen psychophysischen Leistungsfunktionen des Beschwerdeführers im Sinne des § 13 Abs. 1 FSG-GV vor.
Auch mit dem Vorwurf, die belangte Behörde hätte nicht innerhalb der im § 29 Abs. 1 FSG festgesetzten Frist über die Berufung entschieden, vermag der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun. Einer Verletzung der Entscheidungspflicht durch die belangte Behörde hätte der Beschwerdeführer mit einem Devolutionsantrag gemäß § 73 Abs. 2 AVG begegnen können.
Aus den dargelegten Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 18. März 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2002110039.X00Im RIS seit
05.05.2003Zuletzt aktualisiert am
12.07.2016