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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AVG §1;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2000/21/0174Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winter, über die Beschwerden des B in St. Pölten, vertreten durch Mag. Reinhard Walther, Rechtsanwalt in 3100 St. Pölten, Wiener Straße 3, gegen die Bescheide der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich jeweils vom 6. Juni 2000, Zl. Fr 1518/00, betreffend Zurückweisung einer Berufung (hg. Zl. 2000/21/0173) und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist in Angelegenheit Aufenthaltsverbot (hg. Zl. 2000/21/0174), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 623,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid vom 21. Dezember 1999 erließ die Bundespolizeidirektion St. Pölten gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 2 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein auf zehn Jahre befristetes Aufenthaltsverbot. Dieser Bescheid wurde vom Beschwerdeführer letztlich am 31. Jänner 2000 persönlich übernommen.
Über Vorladung kam der Beschwerdeführer am 13. März 2000 zur genannten Behörde, wo ihm mitgeteilt wurde, dass auf Grund des rechtskräftigen Aufenthaltsverbotes vom 21. Dezember 1999 die Ausweisung (gemeint wohl: Abschiebung) aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich vorgesehen sei. Gemäß der im Akt erliegenden Niederschrift gab der Beschwerdeführer zu Protokoll:
"Ich gebe an, dass durch meinen Rechtsanwalt Dr. K in meinem Namen eine Berufung eingebracht werden sollte. Wie mir mitgeteilt wurde, befindet sich jedoch kein Berufungsantrag bei dem Akt. Der Antrag wurde über Ersuchen der Frau S von der Bewährungshilfe dem Rechtsanwalt übermittelt und mit diesem vereinbart, fristgerecht die Berufung zu beantragen. An RA Dr. K hätte ich eine Anzahlung zu leisten gehabt, welche ich jedoch erst in diesen Tagen beglichen habe. Möglicherweise hat daher mein Rechtsvertreter keine Berufung eingebracht."
Am 27. März 2000 gab der Beschwerdeführer den Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist zur Post, in welchem vorgebracht wurde:
"Infolge eines Missverständnisses ging meine Bewährungshelferin Frau S davon aus, dass Rechtsanwalt Dr. K fristgerecht in meiner Rechtssache eine Berufung an die BPD St. Pölten gerichtet hätte. Eine Bevollmächtigung des Herrn Rechtsanwalt Dr. K scheiterte aber auf Grund der Tatsache, dass ich den von ihm verlangten Kostenvorschuss nicht bezahlen konnte, ich im Übrigen nicht in der Lage war, die Kosten seines Einschreitens auch später abdecken zu können. Meine Bewährungshelferin Frau S ging jedoch davon aus, dass Rechtsanwalt Dr. K eine entsprechende Berufung an die Bundespolizeidirektion Linz eingebracht hatte. Obwohl ich mit Frau S darüber gesprochen hatte, berücksichtigte sie dies nicht. Ich war der Meinung, dass nunmehr die Bewährungshilfe St. Pölten für mich tätig wäre, insbesondere auch auf Grund der Tatsache, dass mir Frau S auch bezüglich meiner Verlängerungsanträge betreffend meine Niederlassungsbewilligung schon mit Rat und Tat zur Seite gestanden hatte. Ich verließ mich auf die vermeintliche Zusage meiner Bewährungshelferin Frau S, dass sie fristgerecht Berufung an die Bundespolizeidirektion St. Pölten erheben würde."
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 6. Juni 2000 (hg. Zl. 2000/21/0173) wies die belangte Behörde die mit dem genannten Wiedereinsetzungsantrag erhobene Berufung wegen verspäteter Einbringung zurück. Da die Rechtsmittelfrist (jedenfalls) am 14. Februar 2000 geendet habe, sei die erst am 27. März 2000 zusammen mit dem Wiedereinsetzungsantrag eingebrachte Berufung verspätet.
Mit weiterem Bescheid vom 6. Juni 2000 (hg. Zl. 2000/21/0174) wies die belangte Behörde im Instanzenzug den genannten Wiedereinsetzungsantrag gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG ab. Zur Begründung führte sie nach Wiedergabe des entsprechenden Vorbringens des Beschwerdeführers und der anzuwendenden Gesetzesbestimmungen aus, dass ein behauptetes Missverständnis zwischen der Partei und einer dritten Person keinen tauglichen Wiedereinsetzungsgrund darstelle. Der Beschwerdeführer habe keinen Grund "wirklich" glaubhaft machen können, dass die Versäumung der Berufungsfrist ohne sein Verschulden infolge eines unvorhergesehenen oder unabwendbaren Ereignisses eingetreten sei. Die Versäumung der Rechtsmittelfrist sei letztendlich nur deshalb eingetreten, weil er sich darauf verlassen habe, dass seine Bewährungshelferin die Berufung fristgerecht einbringen werde. Diese sei jedoch lediglich eine Beraterin gewesen und habe keine Rechtsvertretung übernommen. Außerdem müsse dem Beschwerdeführer bewusst gewesen sein, dass sein Anwalt wegen Nichterlages des Kostenvorschusses nicht tätig werde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat die Rechtssachen zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und über die gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerden nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung von Gegenschriften durch die belangte Behörde erwogen:
In beiden Beschwerden wird vorgebracht, dass es sich bei den "Schriftstücken" vom 6. Juni 2000 nicht um Bescheide im Sinn des AVG handle. Die Erledigung habe offenbar an Stelle des Sicherheitsdirektors OR Mag. W genehmigt. Es werde bestritten, dass dieser Person die Befugnis zukomme, für den Sicherheitsdirektor Bescheidgenehmigungen vorzunehmen und es habe bei einer Akteneinsicht auch keine Originalausfertigung ersehen werden können.
Zum letztgenannten Einwand ist anzumerken, dass in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakten die Originale der Erledigungen vom 6. Juni 2000 erliegen, unterfertigt mit einer unleserlichen Unterschrift über dem Vermerk: "Für den Sicherheitsdirektor: OR Mag. W".
Gemäß § 18 Abs. 2 AVG erfolgt die Genehmigung einer Erledigung grundsätzlich durch die Unterschrift des Genehmigenden. Entgegen den Beschwerdebehauptungen befinden sich - wie erwähnt - eigenhändig unterfertigte Bescheide in den Verwaltungsakten. In zulässiger Weise (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. November 1999, Zl. 99/18/0023) konnte der Sicherheitsdirektor die Besorgung der betreffenden gesetzlichen Aufgabe einem ihm unterstellten Organwalter übertragen, der vorliegend in Vertretung des Sicherheitsdirektors unterschrieben hat. Die Regelung der Approbation ist eine Angelegenheit der inneren Organisation; die Zuständigkeit und damit das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird dadurch nicht berührt. Die Erteilung der Approbationsbefugnis innerhalb eines Organs ist grundsätzlich an keine Form gebunden, sie kann daher auch mündlich erfolgen und es muss dem Außenstehenden auch nicht bekannt gemacht werden, auf Grund welcher Umstände der die Erledigung Genehmigende zu dieser Genehmigung befugt war (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. Oktober 2001, Zl. 97/08/0078). Umstände, die daran zweifeln ließen, dass Mag. W nicht die für eine Bescheiderlassung erforderliche Ermächtigung zumindest für einen bestimmten Bereich besessen hätte, wurden vom Beschwerdeführer nicht behauptet und sind auch nicht aus den Verwaltungsakten ersichtlich, zumal in der vom Sicherheitsdirektor unterfertigten Gegenschrift das Bestehen einer Approbationsbefugnis bestätigt wird. Der Beschwerdeführer stützte sein Vorbringen lediglich auf den Umstand, dass in den Verwaltungsakten (offenbar der ersten Instanz!) keine Originalerledigungen der belangten Behörde erliegen. In den Verwaltungsakten der zweiten Instanz befinden sich aber - wie bereits ausgeführt - die Bescheidoriginale.
Die angefochtenen Bescheide können auch nicht als rechtswidrig erkannt werden.
Gegen den Bescheid betreffend die Zurückweisung der Berufung bringt der Beschwerdeführer lediglich vor, über die Berufung hätte erst nach Vorliegen einer endgültigen Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag entschieden werden dürfen. Zur Begründung der Unrichtigkeit dieser Ansicht genügt es, gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 23. Oktober 1986, Zl. 85/02/0251, Slg. Nr. 12.275/A, zu verweisen.
Der Wiedereinsetzungsantrag ist ebenfalls nicht berechtigt.
Gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen, und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft. Das Verschulden des Parteienvertreters trifft die von diesem vertretene Partei. Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinn des § 1332 ABGB zu verstehen. (Vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 27. November 2001, Zl. 2001/18/0228.)
Zutreffend folgerte die belangte Behörde aus dem Wiedereinsetzungsantrag, dass dem Beschwerdeführer die Glaubhaftmachung eines unvorhergesehenen oder unabwendbaren Ereignisses im dargestellten Sinn nicht gelungen ist. Aus dem Vorbringen kann nämlich kein tauglicher Wiedereinsetzungsgrund abgeleitet werden. Es wurde in keiner Weise dargelegt, auf Grund welcher Umstände der Beschwerdeführer der Ansicht sein konnte, seine Bewährungshelferin hätte die Erhebung einer Berufung zugesagt. Die Behauptung allein, sie sei ihm schon früher mit Rat und Tat zur Seite gestanden, reicht dazu keinesfalls aus. Am Rande sei darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer bei seiner Vernehmung am 13. März 2000 den Sachverhalt so dargelegt hat, dass an den mit der Berufungseinbringung beauftragten Rechtsanwalt die Anzahlung nicht geleistet worden sei; von einer geplanten Berufungseinbringung durch die Bewährungshelferin war bei dieser Sachverhaltsschilderung (noch) keine Rede.
Da somit den angefochtenen Bescheiden die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, waren die Beschwerden gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001. Der Beschwerdeführer hat dem Bund für eine Aktenvorlage und zwei Gegenschriften Aufwandersatz zu leisten.
Wien, am 18. März 2003
Schlagworte
Behördenorganisation Unterschrift GenehmigungsbefugnisEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2000210173.X00Im RIS seit
05.05.2003