TE Vwgh Erkenntnis 2003/3/18 2001/11/0286

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.03.2003
beobachten
merken

Index

L94808 Bestattung Friedhof Leichenbestattung Totenbeschau Vorarlberg;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §8;
LeichenbestattungsG Vlbg §12 Abs2 idF 1996/041;
LeichenbestattungsG Vlbg §12 Abs3 idF 1996/041;
LeichenbestattungsG Vlbg §26 Abs1 idF 1996/041;
LeichenbestattungsG Vlbg §26 Abs1;
LeichenbestattungsG Vlbg §26 Abs2 idF 1996/041;
LeichenbestattungsG Vlbg §26 Abs2;
LeichenbestattungsG Vlbg §26 Abs3 idF 1996/041;
LeichenbestattungsG Vlbg §3 Abs1 idF 1996/041;
LeichenbestattungsG Vlbg §3 Abs1;
LeichenbestattungsG Vlbg §3 Abs2 idF 1996/041;
LeichenbestattungsG Vlbg §3 Abs2;
LeichenbestattungsG Vlbg §3 Abs3;
LeichenbestattungsG Vlbg §3 Abs6 idF 1996/041;
LeichenbestattungsG Vlbg §3 Abs6;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf, Dr. Gall, Dr. Pallitsch und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde der E in N, vertreten durch Dr. Eva Schneider und Dr. Christoph Schneider, Rechtsanwälte in 6700 Bludenz, Bahnhofstraße 8a, gegen den (im Namen der Vorarlberger Landesregierung erlassenen) Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bludenz vom 17. Juli 2001, Zl. I- 5/3/Sta/01, betreffend Zurückweisung einer Vorstellung in einer Angelegenheit nach dem Bestattungsgesetz (mitbeteiligte Partei: Gemeinde Stallehr), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Vorarlberg hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist Witwe nach dem am 8. Februar 2000 verstorbenen W.E., der am 11. Februar 2000 auf dem Friedhof der mitbeteiligten Gemeinde (im Folgenden: mbG.) beerdigt wurde.

Anwaltlich vertreten stellte die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 4. Juli 2000 beim Bürgermeister der mbG. den Antrag auf Enterdigung und auf Umbettung nach Schruns. Begründend führte sie aus, vor seinem Tod habe der Verstorbene ihr gegenüber mehrfach erklärt, in Schruns beerdigt sein zu wollen.

Mit Bescheid vom 3. Mai 2001 gab die Gemeindevertretung (Beschluss 2. Mai 2001) der mbG. erkennbar einem Devolutionsantrag der Beschwerdeführerin statt und wies den Antrag der Beschwerdeführerin auf Enterdigung der Leiche des W.E. im Friedhof der mbG. gemäß § 26 Abs. 2 des Bestattungsgesetzes (BestG) ab, den Antrag auf Verlegung nach Schruns hingegen als unzulässig zurück. Begründend führte die Gemeindevertretung aus, W.E. sei am 8. Februar 2000 verstorben. Auf Anordnung seiner Kinder B.E., C.Ö. und G.E. sei der Verstorbene auf dem Friedhof in Stallehr beerdigt worden. Die Beschwerdeführerin habe sich zur Anordnung über den Bestattungsort nicht geäußert, obwohl sie vom Tod ihres getrennt lebenden Ehegatten informiert gewesen sei. Erst 14 Tage nach der Beerdigung habe sie den Wunsch nach einer Bestattung in Schruns gegenüber dem Bürgermeister der Stadt Bludenz geäußert. Sowohl C.Ö. als auch G.E. hätten sich gegen den Wunsch ihrer Mutter ausgesprochen. Die Beschwerdeführerin behaupte, dass eine Anordnung ihres verstorbenen Ehegatten über die Bestattung in Schruns vorliege. Nach Ansicht der mbG. könne zwar im Vorliegen einer Anordnung durchaus ein wichtiger Grund im Sinne des § 26 Abs. 2 des Bestattungsgesetzes gesehen werden, aus dem Sachverhalt lasse sich jedoch "nicht zweifelsfrei" das Vorliegen einer solchen Anordnung erkennen. Da das Bestattungsgesetz lediglich die Enterdigung, nicht jedoch die Anordnung einer Verlegung in eine andere Grabstätte vorsehe, sei der diesbezügliche Teil des Antrags der Beschwerdeführerin als unzulässig zurückzuweisen gewesen.

Die dagegen erhobene Vorstellung wies die Bezirkshauptmannschaft Bludenz mit Bescheid vom 17. Juli 2001 in Namen der Vorarlberger Landesregierung (§ 92 Abs. 2 des Gemeindegesetzes in Verbindung mit § 1 der Verordnung der Vorarlberger Landesregierung über die Ermächtigung der Bezirkshauptmannschaften zur Entscheidung über Vorstellungen, LGBl. Nr. 70/1985) gemäß § 83 Abs. 7 des Gemeindegesetzes als unzulässig zurück. In der Begründung führte die Bezirkshauptmannschaft Bludenz aus, die Kognitionsbefugnis der Aufsichtsbehörde beschränke sich auf die Prüfung des Vorliegens oder Nichtvorliegens einer Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte der Einschreiter. Eine Verletzung von anderen als subjektivöffentlichen Rechten dürfe von der Vorstellungsbehörde nicht zum Anlass genommen werden, den bei ihr angefochtenen Bescheid aufzuheben. Aus dem Gemeindeakt sei zu ersehen, dass W.E. am 8. Februar 2000 verstorben und dessen Leiche auf Grund einer Anordnung seiner Kinder in die mbG. überführt und dort am 11. Februar 2000 bestattet worden sei. Die Beschwerdeführerin habe erstmals am 9. Februar 2000 telefonisch von ihrer Tochter G.E. vom Tod ihres Ehegatten erfahren und bereits in diesem Gespräch mitgeteilt, dass der Verstorbene in Schruns habe bestattet werden wollen. Da sie jedoch zu diesem Zeitpunkt davon ausgegangen sei, dass eine Beerdigung im Wohnort (Bludenz) stattfinden müsse, habe sie bis auf weiteres keine Veranlassungen unternommen. Gemäß § 22 Abs. 1 BestG müsse jede Leiche spätestens 72 Stunden nach Eintritt des Todes oder nach ihrer Auffindung bestattet werden. Eine spätere Bestattung dürfe nur mit Genehmigung des Bürgermeisters vorgenommen werden. Dies bedeute auch, dass eine Anordnung in Bezug auf den Bestattungsort nach § 3 Abs. 2 BestG ebenfalls innerhalb dieses Zeitraumes - bzw. im Falle des zweiten Satzes des § 22 Abs. 1 BestG jedenfalls noch vor der Bestattung - gegenüber der zuständigen Behörde getroffen werden müsse. Als Zwischenergebnis sei deshalb festzuhalten, dass zum Zeitpunkt der Bestattung lediglich eine Anordnung der Kinder des Verstorbenen vorgelegen sei, die - an sich bevorrechtete - Beschwerdeführerin habe sich hingegen bis dahin verschwiegen. Die Beschwerdeführerin bringe nun vor, dass sie sich - nachdem sie erfahren habe, dass der Verstorbene in Bludenz und nicht in der mbG. polizeilich gemeldet gewesen sei - am 15. oder 16. Februar 2000 mit dem Bürgermeister der Stadt Bludenz in Verbindung gesetzt habe. Dieser habe sie, da der Verstorbene zwischenzeitlich in der mbG. bestattet worden sei, zuständigkeitshalber an den dortigen Bürgermeister verwiesen. Diesem habe sie mitgeteilt, der Verstorbene habe ihr gegenüber angegeben, dass er in Schruns beerdigt sein wolle. Mit Eingabe vom 4. Juli 2000 sei anschließend der Antrag auf Genehmigung einer Enterdigung und auf Verlegung des Leichnams nach Schruns gestellt worden. In diesem Zusammenhang sei festzuhalten, dass es im Ergebnis dahingestellt bleiben könne, ob - wie im bekämpften Bescheid dargestellt - die obige Mitteilung erst 14 Tage nach der Bestattung oder - wie die Beschwerdeführerin angebe - bereits am 15. oder 16. Februar 2000 gegenüber dem Bürgermeister der Stadt Bludenz abgegeben worden sei. Die Leiche des Verstorbenen sei nämlich entsprechend der Vorschrift des § 22 Abs. 1 BestG bereits am 11. Februar 2000 bestattet worden. § 26 Abs. 2 BestG nenne als jene Personen, die einer Enterdigung zustimmen müssen, die Angehörigen nach § 3 Abs. 2 BestG. Wer als Angehöriger zu gelten hat, ergebe sich aus der Legaldefinition dieses Begriffes im Abs. 6 dieser Regelung. Dort werde im letzten Satz bestimmt, dass die nach den Abs. 1 bis 3 zustehenden Rechte, und damit auch das Recht, die Zustimmung zu einer Enterdigung zu erteilen, nur jenen Angehörigen zukomme, die rechtzeitig ihrer Verpflichtung nach Abs. 1 nachgekommen seien. Aus dem Gemeindeakt sei nun ersichtlich, dass die im § 3 Abs. 1 BestG auferlegte Verpflichtung von den Kindern der Beschwerdeführerin übernommen worden sei. Diese hätten sich jedoch gegen eine Enterdigung ausgesprochen. Eine Genehmigung dürfe nach dem klaren Wortlaut des § 26 Abs. 2 BestG nur dann erteilt werden, wenn sämtliche im Abs. 2 angeführten Voraussetzungen kumulativ erfüllt seien. Fehle es bereits an einer Voraussetzung, sei das Vorliegen der übrigen Voraussetzungen nicht mehr zu prüfen. Zum Antrag auf Umbettung sei festzuhalten, dass das Bestattungsgesetz diesbezüglich keine gesonderte Bestimmung enthalte. Mit § 26 Abs. 2 BestG habe der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass in der Genehmigung zur Enterdigung implizit auch jene zur Umbettung gelegen sei. Ein eigener (selbstständiger) Antrag sei aus diesem Grunde nicht notwendig, ja gar nicht möglich. Die Zurückweisung dieses Antrages sei deshalb rechtmäßig. § 26 BestG enthalte über die Parteistellung keine ausdrückliche Bestimmung. Die Frage der Parteistellung sei somit anhand § 8 AVG zu beantworten. Aus dem Regelungszusammenhang des § 3 Abs. 2 und 6 und des § 26 Abs. 2 BestG ergebe sich, dass eine (nicht behördlich angeordnete) Enterdigung der Zustimmung jener Angehörigen bedürfe, die die Verpflichtung des § 3 Abs. 1 BestG wahrgenommen haben. Das bedeute, das im Verfahren über die Genehmigung einer Enterdigung grundsätzlich nur diesem eingeschränkten Personenkreis Parteistellung zukommen könne, weil ein prozessuales Recht als Mittel der Rechtsverfolgung nicht weiter gehen könne als das dahinter stehende materielle Recht, das im Prozess durchgesetzt werden soll. Damit sei auch das Recht der Beschwerdeführerin in gleicher Weise umfänglich begrenzt. Die Gemeindevertretung von Stallehr hätte daher auch den Antrag auf Enterdigung mangels Parteistellung als unzulässig zurückweisen müssen. Ein Bescheid, in dem eine negative Sachentscheidung getroffen worden sei, obwohl kein Anspruch auf meritorische Entscheidung gegeben sei, stelle jedoch keine Rechtsverletzung dar, die zur Aufhebung zu führen habe. Da der Beschwerdeführerin im gegenständlichen Verfahren keine Parteistellung zukomme, könne diese auch nicht in ihren subjektiv öffentlich-rechtlichen Rechten verletzt sein, weshalb spruchgemäß zu entscheiden gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

1.1. Gemäß § 1 Abs. 1 der Verordnung der Landesregierung über die Ermächtigung der Bezirkshauptmannschaften zur Entscheidung über Vorstellungen, LGBl. Nr. 70/1985, sind die Bezirkshauptmannschaften ermächtigt, über Vorstellungen gegen Bescheide der ihrem Verwaltungsbezirk angehörenden Gemeinden und Gemeindeverbände in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches aus dem Bereich der Landesvollziehung im Namen der Landesregierung zu entscheiden. Diese Ermächtigung hat die belangte Behörde im Beschwerdefall in Anspruch genommen. Ihre Entscheidung ist als solche in erster und letzter Instanz zu verstehen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 11. Februar 1992, Zl. 91/11/0049). Die Beschwerde erweist sich daher als zulässig.

1.2. Im Beschwerdefall ist das BestG in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 41/1996 maßgeblich. Die einschlägigen Bestimmungen lauten (auszugsweise):

"I. Hauptstück

Allgemeines

§ 3

Verfügung über die Leiche

(1) Die Angehörigen eines Verstorbenen sind berechtigt und verpflichtet, für die Bestattung (§ 22) der Leiche einschließlich der vor der Bestattung erforderlichen Maßnahmen, wie Bergung, Aufbahrung, Einsargung und Beförderung der Leiche, zu sorgen. Diese Verpflichtung besteht nicht, wenn die Bestattung der Leiche, insbesondere deren Bergung, nur mit erheblichen Schwierigkeiten durchführbar ist oder wenn zweifelsfrei feststeht, dass andere Personen für die Bestattung der Leiche sorgen. Gesetzliche, vertragliche oder sonstige Verpflichtungen zur Übernahme der Bestattungskosten werden hiedurch nicht berührt.

(2) Sofern keine Anordnung des Verstorbenen vorliegt oder die Befolgung einer solchen Anordnung nicht durchführbar oder zumutbar ist, obliegt den Angehörigen insbesonders die Festlegung der Bestattungsart und des Bestattungsortes sowie die Erteilung der Zustimmung zur Vornahme einer nicht vom Strafgericht oder vom Bürgermeister angeordneten oder nicht in § 12 Abs. 3 vorgesehenen Leichenöffnung sowie zur Vornahme einer nicht vom Strafgericht oder vom Bürgermeister angeordneten Enterdigung. Falls andere Personen als die Angehörigen ohne deren Einwand die Verpflichtungen nach Abs. 1 auf sich nehmen, sind diese berechtigt, Bestattungsart und Bestattungsort zu bestimmen.

...

(6) Angehörige im Sinne dieses Gesetzes sind der Ehegatte, die Verwandten des Verstorbenen in gerader Linie, der Lebensgefährte und die Geschwister des Verstorbenen. Die den Angehörigen nach diesem Gesetz auferlegten Verpflichtungen obliegen der Reihenfolge nach dem Ehegatten, den Nachkommen vor den Vorfahren, und zwar nach dem Grad der Verwandtschaft, dem Lebensgefährten und schließlich den Geschwistern. Sind demnach mehrere Personen verpflichtet, die zum Verstorbenen im gleichen Verwandtschaftsverhältnis standen, so hat den Verpflichtungen nach diesem Gesetz der an Jahren älteste Verwandte nachzukommen. Diese Reihenfolge gilt auch hinsichtlich der den Angehörigen zukommenden Rechte. Die Rechte nach Abs. 1 bis 3 stehen nur den Angehörigen zu, die rechtzeitig der Verpflichtung nach Abs. 1 nachkommen oder nachgekommen sind.

...

II. Hauptstück

Bestimmungen über Leichen

...

Zweiter Abschnitt

Leichenöffnung

§ 12

Allgemeines

(1) Falls die Todesursache voraussichtlich nur durch eine Leichenöffnung geklärt werden kann und nicht die Voraussetzungen für die Anordnung einer Leichenöffnung durch das Strafgericht gegeben sind, hat der Bürgermeister eine Leichenöffnung anzuordnen.

(2) Ohne Anordnung des Strafgerichtes oder des Bürgermeisters und bei Fehlen der Voraussetzungen nach Abs. 3 darf eine Leichenöffnung nur vorgenommen werden, wenn der Verstorbene der Leichenöffnung zugestimmt hat oder eine schriftliche Zustimmung der Angehörigen nach § 3 Abs. 2 vorliegt.

...

Vierter Abschnitt

Bestattung und Enterdigung

§ 22

Bestattungspflicht

(1) Jede Leiche muss spätestens 72 Stunden nach Eintritt des Todes oder nach ihrer Auffindung oder Enterdigung bestattet werden. ... .

...

§ 26

Enterdigung

(1) Eine nicht behördlich angeordnete Enterdigung darf nur mit Genehmigung des Bürgermeisters vorgenommen werden. Als Enterdigung im Sinne dieses Gesetzes gilt die Öffnung eines belegten Erdgrabes, die Öffnung eines in einer Gruft beigesetzten Sarges oder die Öffnung einer Urne.

(2) Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn die Zustimmung der Angehörigen nach § 3 Abs. 2 vorliegt, die Enterdigung zum Zwecke der Umbettung der Leiche in eine andere Grabstätte, zur Feststellung der Todesursache oder aus sonstigen wichtigen Gründen vorgenommen werden soll und durch die Enterdigung weder die Gesundheit noch die Pietät verletzt wird. Wenn es zur Hintanhaltung von Gefahren für die Gesundheit und zur Wahrung der Pietät erforderlich ist, ist die Genehmigung unter entsprechenden Auflagen und Bedingungen zu erteilen.

(3) Enterdigungen, die von der Friedhofverwaltung zum Zwecke der Umbettung der Leiche in eine andere innerhalb des Friedhofes befindliche Grabstätte vorgenommen werden, bedürfen keiner Genehmigung nach Abs. 1. Sie sind dem Bürgermeister anzuzeigen, wenn sie vor Ablauf der nach der Friedhofordnung vorgesehenen Mindestruhezeit durchgeführt werden. Der Bürgermeister hat, wenn es zur Hintanhaltung von Gefahren für die Gesundheit erforderlich ist, entsprechende Vorkehrungen anzuordnen.

...

IV. Hauptstück

Schlussbestimmungen

§ 58

Eigener Wirkungsbereich

Die in diesem Gesetz geregelten Aufgaben der Gemeinde sind mit Ausnahme jener der §§ 4 Abs. 2 und 3 sowie 20 solche des eigenen Wirkungsbereiches."

1.3. § 83 des Gemeindegesetzes (GG.), LGBl. Nr. 40/1985, lautet (auszugsweise):

"§ 83

Vorstellung

(1) Wer durch den Bescheid eines Gemeindeorgans in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, kann nach Erschöpfung des Instanzenzuges innerhalb von zwei Wochen Vorstellung an die Aufsichtsbehörde erheben. ... .

...

(6) Unzulässige oder verspätet eingebrachte Vorstellungen sind von der Aufsichtsbehörde zurückzuweisen.

(7) Wenn durch den Bescheid Rechte des Einschreiters verletzt wurden, hat die Aufsichtsbehörde den Bescheid aufzuheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zurück zu verweisen. ... ."

1.4. Die Regierungsvorlage eines Gesetzes über das Leichen- und Bestattungswesen, 10. Beilage im Jahre 1969 zu den Sitzungsberichten des XX. Vorarlberger Landtages, lautet (auszugsweise):

"Zu § 3:

Die in den Abs. 1, 4 und 5 vorgesehenen Vorschriften bestimmen, wer die Sorge für die Bestattung der Leiche eines Verstorbenen zu tragen hat.

Nach Abs. 1 soll diese Pflicht zunächst die Angehörigen des Verstorbenen treffen, entspricht es doch dem sittlichen Empfinden, dass die Personen, die für das Wohl eines Familienmitgliedes zu Lebzeiten zu sorgen haben, sich auch dessen irdischer Überreste annehmen. Der Begriff 'Angehörige' wird im Abs. 6 umschrieben. Die Sorge für die Bestattung der Leiche schließt auch alle der eigentlichen Bestattung vorausgehenden Maßnahmen wie Bergung, Aufbahrung und Versargung sowie Beförderung der Leiche ein.

Im zweiten Satz des Abs. 1 wird die Pflicht der Angehörigen, für die Bestattung der Leiche zu sorgen, gewissen Einschränkungen unterworfen. So soll diese Pflicht den Angehörigen nicht auferlegt sein, wenn die Bestattung der Leiche, insbesondere deren Bergung, nur mit erheblichen Schwierigkeiten durchführbar ist.

Schließlich sollen die Angehörigen von der Sorgepflicht frei sein, wenn andere Personen sich um die Bestattung kümmern, wie Hausgenossen oder Freunde des Verstorbenen, Vereine, Religionsgemeinschaften oder bei Toten, die sich besondere Verdienste um die Allgemeinheit erworben haben, eine Gemeinde, das Land oder der Bund. Von der Sorgepflicht sind die Angehörigen allerdings nur dann entbunden, wenn zweifellos feststeht, dass die Bestattung von anderen Personen veranlasst wird.

...

Der nach Abs. 1 den Angehörigen obliegenden Verpflichtung entspricht andererseits auch das Recht, allein für die Bestattung zu sorgen und andere Personen von der Bestattung auszuschließen.

Für die Bestattungsart und den Bestattungsort sollen nach Abs. 2 entsprechende Anordnungen des Verstorbenen maßgebend sein. Liegen derartige Anordnungen nicht vor, so haben die Angehörigen die Bestattungsart und den Bestattungsort zu bestimmen. Dies soll auch dann der Fall sein, wenn der Verstorbene zwar eine Willensäußerung über die Bestattung gemacht hat, seine Anordnungen aber nicht durchführbar oder nicht zumutbar sind. ... . Neben den Angehörigen soll die Festlegung der Bestattungsart und des Bestattungsortes auch den Personen zustehen, die die Sorge um die Bestattung mit ausdrücklicher oder stillschweigender Zustimmung der Angehörigen auf sich nehmen.

Der Abs. 2 regelt ferner die Erteilung der Zustimmung zur Vornahme von Leichenöffnungen und Enterdigungen. Im § 12 Abs. 2 ist vorgesehen, dass Leichenöffnungen nur vorgenommen werden dürfen, wenn der Verstorbene schon zu Lebzeiten der Leichenöffnung zugestimmt hat oder eine schriftliche Zustimmung der Angehörigen vorliegt. ... . In diesem Zusammenhang ergibt sich die Frage, ob auch anderen Personen als den Angehörigen das Recht auf Erteilung der Zustimmung zur Vornahme einer Leichenöffnung zukommen soll. Diese Frage betrifft vor allem die Personen, die freiwillig für die Bestattung sorgen. Da es sich bei der Leichenöffnung - das selbe gilt für die Enterdigung - um Maßnahmen handelt, durch die sehr weitgehend in die Intimsphäre des Verstorbenen eingegriffen wird, erscheint es nicht angängig, anderen Personen als dem Angehörigen derartige Rechte einzuräumen.

...

Der Abs. 6 enthält eine Umschreibung des Begriffes 'Angehörige'. Gleichzeitig wird bestimmt, in welcher Reihenfolge die Angehörigen die ihnen obliegenden Pflichten zu erfüllen haben bzw. die ihnen zustehenden Rechte ausüben können. Die Ausübung von Rechten nach Abs. 1 bis 3 soll nur den Angehörigen zustehen, die die entsprechenden Verpflichtungen erfüllen oder schon erfüllt haben.

...

Zu § 26:

Nicht von der Behörde angeordnete Enterdigungen sind genehmigungspflichtig (Abs. 1). Die Genehmigung darf nur aus wichtigen Gründen erteilt werden, um zu verhindern, dass Enterdigungen leichtfertig, so zur bloßen Befriedigung der Neugier, durchgeführt werden.

Von der Genehmigungspflicht ist die Umbettung von Leichen innerhalb eines Friedhofes ausgenommen (Abs. 3). Dem Bürgermeister ist jedoch eine Umbettung anzuzeigen, wenn sie vor Ablauf der Mindestruhezeit durchgeführt wird ... ."

2. Wie sich sowohl aus dem Spruch des angefochtenen Bescheides als auch aus seiner Begründung ergibt, hat die belangte Behörde die Vorstellung der Beschwerdeführerin als unzulässig zurückgewiesen, dies mit der Begründung, die Beschwerdeführerin habe durch den von ihr bekämpften Bescheid der Gemeindevertretung der mbG. schon deswegen nicht in subjektivöffentlichen Rechten verletzt sein können, weil ihr in dem von ihr angestrengten Verwaltungsverfahren auf Bewilligung der Enterdigung bzw. der Überführung der Leiche des verstorbenen W.E. nach Schruns keine Parteistellung zugekommen sei. Diese Auffassung der belangten Behörde kann nicht geteilt werden.

Anders als § 12 Abs. 2 BestG, der für Leichenöffnungen kein Bewilligungsverfahren vorsieht, sondern die Zulässigkeit einer Leichenöffnung (ohne Anordnung des Strafgerichtes oder des Bürgermeisters und bei Fehlen der Voraussetzungen nach § 12 Abs. 3 BestG) von der (vor seinem Tod erteilten) Zustimmung des Verstorbenen oder der Angehörigen nach § 3 Abs. 2 BestG abhängig macht, sieht § 26 Abs. 1 BestG ausdrücklich eine Genehmigung des Bürgermeisters für nicht behördlich angeordnete Enterdigungen vor. Nach § 26 Abs. 2 BestG ist die Genehmigung zu erteilen, wenn die Zustimmung der Angehörigen nach § 3 Abs. 2 vorliegt und weitere Voraussetzungen erfüllt sind. Dem Gesetzgeber stand hinsichtlich

§ 26 BestG unmissverständlich vor Augen, dass über Anträge auf Vornahme einer Enterdigung nach Durchführung eines Verwaltungsverfahrens durch Bescheid zu entscheiden sein sollte.

§ 26 BestG nennt allerdings nicht denjenigen Personenkreis, der die diesbezüglichen Anträge stellen darf, sondern setzt einen solchen voraus. Dass § 26 Abs. 1 und 2 BestG nicht etwa ausschließlich Enterdigungen erfasst, die von der Friedhofsverwaltung vorgenommen werden, ergibt sich aus § 26 Abs. 3 erster Satz leg. cit., worin von der Friedhofverwaltung zum Zweck der Umbettung der Leiche in eine andere innerhalb des Friedhofs befindliche Grabstätte vorgenommene Enterdigungen ausdrücklich erwähnt werden und angeordnet wird, dass es diesbezüglich keiner Genehmigung des Bürgermeisters bedürfe. Da

§ 26 Abs. 2 BestG die Erteilung der Genehmigung zur Enterdigung von einer Zustimmung der Angehörigen nach § 3 Abs. 2 BestG abhängig macht, das Gesetz aber keine Einschränkung des Antragsrechtes auf Personen aus dem Kreis dieser Angehörigen vornimmt, muss angenommen werden, dass nicht ausgeschlossen werden sollte, dass Anträge auf Enterdigung auch von anderen Personen als Angehörigen nach § 3 Abs. 2 BestG gestellt werden dürfen. Die von der belangten Behörde anscheinend vertretene Auffassung, die Parteistellung im Enterdigungsverfahren sei auf die Angehörigen nach § 3 Abs. 2 BestG beschränkt, erscheint schon deswegen nicht plausibel, weil sich der Gesetzgeber, hätte er eine Beschränkung des Antragsrechts intendiert, zweifellos einer anderen als der gewählten Ausdrucksweise bedient hätte.

Im Beschwerdefall ist es zwar unstrittig, dass die Beschwerdeführerin bis zur Beerdigung ihres verstorbenen Ehegatten am 11. Februar 2000 keine Veranlassungen nach § 3 Abs. 1 BestG getroffen hat und gemäß § 3 Abs. 6 BestG demnach nicht als Angehörige anzusehen ist, der Rechte nach § 3 Abs. 2 BestG zustehen, daraus ist aber für die Frage der Zulässigkeit einer Antragstellung auf Enterdigung nichts zu gewinnen. Der Verwaltungsgerichtshof hegt keinen Zweifel, dass jedenfalls derjenige Personkreis, der im BestG als Angehörige genannt wird (§ 3 Abs. 6), somit auch die Witwe eines Verstorbenen, mag sie auch nicht die spezifisch aus § 3 Abs. 2 BestG erfließenden Rechte erworben haben, als eine derjenigen Personen anzusehen ist, die einen Antrag auf Enterdigung (hier: zum Zwecke der Umbettung der Leiche in den Friedhof einer anderen Gemeinde) stellen darf. Die Parteistellung der Beschwerdeführerin im Enterdigungsverfahren war demnach gegeben. Indem die belangte Behörde dies verkannte und die gegen die abweisende Sachentscheidung der Gemeindevertretung der mbG. erhobene Vorstellung der Beschwerdeführerin als unzulässig zurückwies, verletzte sie die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Sachentscheidung, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die belangte Behörde wird nach den bisherigen Ausführungen im fortgesetzten Verfahren darauf einzugehen haben, ob die Abweisung des Antrags der Beschwerdeführerin auf Enterdigung durch die Gemeindevertretung der mbG. rechtmäßig war. Die in der Begründung des angefochtenen Bescheides (auch) geäußerte Rechtsauffassung der belangten Behörde, diejenigen Angehörigen, die ihrer Verpflichtung nach § 3 Abs. 1 BestG nachgekommen sind und demnach gemäß § 3 Abs. 6 letzter Satz BestG Rechte nach Abs. 1 bis 3 leg. cit., somit auch nach § 3 Abs. 2, erworben haben, seien auch diejenigen, deren Zustimmung es nach § 26 Abs. 1 und 2 BestG bedarf, wird vor dem Hintergrund des Beschwerdefalles vom Verwaltungsgerichtshof - auch im Lichte der oben wiedergegebenen Gesetzesmaterialien - im Übrigen geteilt. Falls die Zustimmung der Angehörigen, denen die Rechte nach § 3 Abs. 2 BestG zukommen, fehlt, käme eine Bewilligung der Enterdigung schon aus diesem Grund nicht in Frage.

3. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001, BGBl. II Nr. 501. Das Mehrbegehren an Ersatz von Stempelgebühren und für die Vollmacht war abzuweisen, weil neben dem pauschalierten Ersatz des Schriftsatzaufwandes und dem Ersatz für die Gebühr nach § 24 Abs. 3 VwGG ein weiterer Aufwandersatz im Gesetz nicht vorgesehen ist.

Wien, am 18. März 2003

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2001110286.X00

Im RIS seit

05.05.2003

Zuletzt aktualisiert am

07.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten