TE Vwgh Erkenntnis 2003/3/18 2002/18/0187

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Veröffentlicht am 18.03.2003
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Index

19/05 Menschenrechte;
24/01 Strafgesetzbuch;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1997 §36 Abs1 Z1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
FrG 1997 §47 Abs3 Z1;
FrG 1997 §49 Abs1;
MRK Art8 Abs2;
StGB §70;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des B, geboren 1967, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 27. Juni 2002, Zl. St 45/02, betreffend Aufhebung eines unbefristeten Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 41,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1.1. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Steyr vom 13. November 1996 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen jugoslawischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 sowie §§ 19 bis 21 des Fremdengesetzes aus 1992 ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer halte sich seit November 1988 im Bundesgebiet auf. Ein am 2. Dezember 1988 gestellter Asylantrag sei rechtskräftig abgewiesen worden. In der Folge seien dem Beschwerdeführer Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz erteilt worden.

Mit seit 29. August 1996 rechtskräftigem Urteil sei der Beschwerdeführer nach § 15 StGB, § 12 Abs. 1 vierter Fall, Abs. 2 erster Fall und Abs. 3 Z. 3 Suchtgiftgesetz, §§ 37 Abs. 1 lit. a und 38 Abs. 1 lit. a Finanzstrafgesetz sowie §§ 127, 129 Z. 1 und Z. 2 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von vier Jahren und zu einer Geldstrafe von S 250.000,-- (EUR 18.168,21) verurteilt worden.

Bei der Interessenabwägung gemäß § 19 und § 20 Abs. 1 des Fremdengesetzes aus 1992 sei zu Gunsten des Beschwerdeführers dessen Aufenthalt seit Ende 1988 zu berücksichtigen. Seine Gattin und seine beiden Kinder lebten ebenfalls in Österreich. Auf Grund des überaus schwerwiegenden Fehlverhaltens des Beschwerdeführers sei das Aufenthaltsverbot im Grund der genannten Bestimmungen gerechtfertigt.

1.2. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 27. Juni 2002 hat die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (die belangte Behörde) den Antrag des Beschwerdeführers auf Aufhebung des Aufenthaltsverbots gemäß § 44 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, abgewiesen.

Der Beschwerdeführer habe den Aufhebungsantrag im Wesentlichen mit seiner Haftentlassung im Juli 1999 und seiner Änderung zum Positiven begründet. Er würde seither einer Arbeit nachgehen. Überdies wäre mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 24. April 2001 seiner Gattin und den beiden gemeinsamen Kindern die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen worden. Ein weiteres Kind wäre unterwegs.

Aus dem Urteil vom 2. Jänner 1996 gehe hervor, dass der Beschwerdeführer am 13. Juli 1995 gewerbsmäßig Suchtgift in einer Menge, die das 25-fache der in § 12 Abs. 1 Suchtgiftgesetz angeführten großen Menge ausmache, nämlich 1138,6 Gramm Heroin mit einer Reinsubstanz von 388 Gramm in Verkehr zu setzen versucht habe. Ferner habe der Beschwerdeführer im Jahr 1994 Einbruchsdiebstähle begangen.

Vom Oberlandesgericht Linz sei am 29. August 1996 die Freiheitsstrafe von drei Jahren auf vier Jahre hinaufgesetzt worden. Dieses Gericht habe hervorgehoben, dass von einer bloß untergeordneten Tatbeteiligung des Beschwerdeführers keine Rede sein könnte. Weiters habe das Oberlandesgericht besonders hervorgestrichen, dass der Beschwerdeführer die "übergroße Menge" nach dem Suchtgiftgesetz noch um das zehnfache überschritten habe.

Zweifellos sei die Tatsache, dass den Angehörigen des Beschwerdeführers die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen worden sei, besonders zu beachten. Ebenso die Tatsache, dass ein weiteres Kind unterwegs sei. Schon im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität, insbesondere des Suchtgifthandels, sei die Erlassung des Aufenthaltsverbots auch bei ansonsten voller sozialer Integration eines Fremden dringend geboten, weil das maßgebliche öffentliche Interesse in diesen Fällen unverhältnismäßig schwerer wiege. Ein rigoroses Vorgehen gegen Suchtgiftdelikte sei schon deshalb dringend geboten, weil der immer größer werdende Konsum von Suchtgiften zu verheerenden Schäden und Folgen in der Gesellschaft, vor allem bei Jugendlichen, führe. Auch die mit dem Genuss von Suchtgiften einhergehende Kriminalität nehme bereits Dimensionen an, die zu einer eklatanten Gefährdung der öffentliche Ordnung führe. Dass die notorischen, gesundheitlichen und wirtschaftlichen Belastungen, die mit Suchtgiftmissbrauch regelmäßig verbunden seien, hinreichend Anlass zu konsequenter Wahrnehmung der verfügbaren Abwehrmöglichkeiten böten, bedürfe keiner weiteren Erörterung. Schon im Hinblick auf den Schutz der Gesellschaft, vor allem der Jugend, sei eine in das Privat- und Familienleben des Täters eingreifende Maßnahme dringend erforderlich. Bei Suchtgiftdeliktein sei die Wiederholungsgefahr besonders groß.

Zwar seien die vom Beschwerdeführer nunmehr vorgebrachten persönlichen bzw. familiären Umstände sowohl bei der Erlassung des Aufenthaltsverbots als auch im gegenständlichen Verfahren nicht unbeachtlich, insgesamt seien die Änderungen jedoch nicht von derartigem Gewicht, dass sie zu einem anderen Ergebnis der Interessenabwägung führten. Der Beschwerdeführer werde noch über einen längeren Zeitraum durch rechtstreues und anständiges Verhalten beweisen müssen, dass tatsächlich jene "Umkehr" in seiner persönlichen und charakterlichen Einstellung stattgefunden habe, die als Grundlage für eine günstige Prognose herangezogen werden könne. In Anbetracht der Schwere des Verbrechens sei jedoch der bisher verstrichene Zeitraum des Wohlverhaltens zu kurz für eine günstige Prognose. Diesbezüglich sei zu beachten, dass sich der Beschwerdeführer bis 1999 in Haft befunden habe und sich der Zeitraum des Wohlverhaltens auf etwa drei Jahre reduziere.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 44 FrG ist ein Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann ein solcher Antrag nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit der Erlassung des Aufenthaltsverbots die dafür maßgebenden Umstände zu Gunsten des Fremden geändert haben, wobei im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag auch auf die nach der Verhängung des Aufenthaltsverbots eingetretenen und gegen die Aufhebung der Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen ist. Bei der Beurteilung nach § 44 FrG ist maßgeblich, ob eine Gefährlichkeitsprognose dergestalt (weiterhin) zu treffen ist, dass die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbots erforderlich ist, um eine vom Fremden ausgehende erhebliche Gefahr im Bundesgebiet abzuwenden und ob die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbots im Grund des § 37 FrG zulässig ist. Bei einem Fremden, der seit der Erlassung des Aufenthaltsverbots die Stellung eines EWR-Bürgers oder eines begünstigten Drittstaatsangehörigen erlangt hat, ist bei der Gefährlichkeitsprognose zu beachten, dass die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbots nur im Grund des § 48 Abs. 1 FrG zulässig ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 2001, Zl. 2000/18/0041). Für den Beschwerdeführer, dessen Gattin unstrittig die österreichische Staatsangehörigkeit verliehen worden ist, gelten gemäß § 49 Abs. 1 iVm § 47 Abs. 3 Z. 1 FrG die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige, somit auch § 48 Abs. 1 leg. cit. 2. Der Beschwerdeführer hat am 13. Juli 1995 versucht, eine Menge von 1138,6 Gramm Heroin in Verkehr zu setzen. Hiebei handelt es sich um eine "übergroße Menge" die zumindest das 25-fache - im konkreten Fall nach dem Inhalt des Strafurteils das 258-fache - der u.a. unter Bedachtnahme auf die Eignung, in großem Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen herbeizuführen, festzusetzenden "großen Menge" ausmacht. Bei dieser Straftat ging der Beschwerdeführer in der Absicht vor, sich durch die wiederkehrende Begehung derartiger Straftaten eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (gewerbsmäßig gemäß § 70 StGB).

Von diesem Fehlverhalten geht eine überaus große Beeinträchtigung des sehr gewichtigen öffentlichen Interesses an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität aus.

Durch den versuchten Verkauf des Suchtgifts hat der Beschwerdeführer auch eine Abgabenhehlerei begangen. Weiters hat er nach dem Inhalt des Strafurteils zwischen 8. Oktober und 10. Oktober 1994 aus der Filiale einer Supermarktkette durch Einbruch in ein Gebäude und Aufbrechen mehrerer Kassenladen und eines Wandschrankes Bargeld und Warengutscheine im Gesamtwert von S 23.057,-- (EUR 1.675,62) gestohlen. Dabei hat er überdies einen hohen Sachschaden verursacht.

Vom Verhalten des Beschwerdeführers - der überdies nach der Aktenlage bereits mit Strafverfügung vom 17. Juni 1993 wegen versuchter vorsätzlicher Schlepperei bestraft worden ist - geht somit auch eine Gefährdung der öffentlichen Interessen an der Verhinderung der Eigentumskriminalität, an der Einhaltung der abgabenrechtlichen Vorschriften und an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens aus.

Zum Beschwerdeeinwand des sechsjährigen Wohlverhaltens seit der Tatbegehung ist auszuführen, dass der Beschwerdeführer, der nach dem Inhalt des Strafurteils am 13. Juli 1995 verhaftet worden ist, nach Verbüßung seiner Strafhaft - im vollen Ausmaß von vier Jahren - unstrittig am 13. Juli 1999 aus der Strafhaft entlassen worden ist. Die Verbüßung der Strafhaft ist in den Zeitraum des Wohlverhaltens nicht einzubeziehen, kann doch ein allfälliger Gesinnungswandel des Beschwerdeführers nur daran geprüft werden, ob und wie lange er sich in Freiheit wohl verhalten hat. Auf Grund des Umstandes, dass der Beschwerdeführer gewerbsmäßig mit einer übergroßen Heroinmenge gehandelt hat, ist der seit Haftentlassung verstrichene Zeitraum von nicht ganz drei Jahren zu kurz, um auf einen Wegfall oder eine den Ausschlag gebende Minderung der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahr schließen zu können.

Die in § 48 Abs. 1 erster Satz iVm § 36 Abs. 1 Z. 1 FrG (früher § 18 Abs. 1 Z. 1 FrG aus 1992) umschriebene Annahme ist daher nach wie vor gerechtfertigt.

Bei der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG hat die belangte Behörde dem Beschwerdeführer neben den bereits im Aufenthaltsverbotsbescheid berücksichtigen Umständen (Aufenthalt in Österreich seit 1988, inländischer Aufenthalt von Gattin und zwei Kindern) die "nunmehr vorgebrachten persönlichen bzw. familiären Umstände" zugute gehalten. Sie hat somit berücksichtigt, dass der Gattin und den Kindern zwischenzeitig die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen worden ist, ein weiters Kind unterwegs ist und der Beschwerdeführer im Inland einer Beschäftigung nachgeht. Beim Beschwerdevorbringen, dass das dritte Kind inzwischen geboren sei, handelt es sich um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG). Im Übrigen führte dieser Umstand zu keiner wesentlichen Verstärkung der persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet, denen insgesamt ohnehin ein sehr großes Gewicht zukommt.

Diesen persönlichen Interessen steht gegenüber, dass vom Beschwerdeführer vor allem auf Grund des gewerbsmäßigen Handels mit mehr als einem Kilogramm Heroin, aber auch auf Grund seines weiteren Fehlverhaltens nach wie vor eine große Gefährdung gewichtiger öffentlichen Interessen ausgeht. Von daher kann die von der belangten Behörde vertretene Ansicht, dass die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbots zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Gesundheit, Wahrung des wirtschaftlichen Wohles des Landes, Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung) dringend geboten sei (§ 37 Abs. 1 FrG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen ihrer Aufhebung (§ 37 Abs. 2 leg. cit.), nicht als rechtswidrig erkannt werden.

3. Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 18. März 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2002180187.X00

Im RIS seit

08.05.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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