TE Vwgh Erkenntnis 2003/3/18 2002/18/0171

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Veröffentlicht am 18.03.2003
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1997 §12 Abs3;
FrG 1997 §38 Abs1 Z4;
FrG 1997 §38 Abs2;
FrG 1997 §48 Abs1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):2002/18/0172

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerden des S, geboren 1970, vertreten durch Rechtsanwaltsgemeinschaft Mory & Schellhorn OEG in 5020 Salzburg, Wolf-Dietrich-Straße 19, gegen die Bescheide der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg vom 11. Juni 2002, Zl. Fr-266/1/01, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbots (hg. Zl. 2002/18/0171) und vom 12. Juni 2002, Zl. Fr-266/2/01, betreffend Versagung einer Niederlassungsbewilligung (hg. Zl. 2002/18/0172), zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.816,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1.1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg (der belangten Behörde) vom 11. Juni 2002 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 48 Abs. 1 und § 39 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer halte sich mit einigen - teilweise längerfristigen - Unterbrechungen seit 1978 in Österreich auf. Nach seinen eigenen Angaben sei er im Jahr 1997 in die Türkei zurückgekehrt, habe sich dort von seiner ersten Frau scheiden lassen und habe schließlich am 27. April 1999 seine nunmehrige Gattin, eine österreichische Staatsangehörige, geheiratet. Zuletzt sei ihm von der Bundespolizeidirektion Salzburg am 2. Februar 2000 ein Sichtvermerk mit einer Gültigkeitsdauer bis 30. Dezember 2000 erteilt worden.

Am 22. Mai 2001 sei der Beschwerdeführer wegen §§ 27 Abs. 1 und 28 Abs. 2 Suchtmittelgesetz zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zehn Monaten, davon sieben Monate unter bedingter Strafnachsicht, rechtskräftig verurteilt worden. Nach dem Urteilsinhalt habe der Beschwerdeführer von Ende Jänner 1997 bis Mitte 1998 in Salzburg an zahlreiche unbekannte Personen Suchtgift in einer großen Menge verkauft.

Auf Grund dieser Verurteilung sei der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG, welcher als Orientierungsmaßstab heranzuziehen sei, erfüllt.

Zum Berufungsvorbringen, wonach der Beschwerdeführer seit drei Jahren zur Gänze suchtgiftentwöhnt wäre, sei auszuführen, dass er nach dem weiteren Inhalt des Urteils in der Zeit von 1996 bis Mai 2001 Suchtgift erworben, besessen und konsumiert habe.

Die Verwaltungsübertretungen des Beschwerdeführers gemäß § 99 Abs. 1 iVm § 5 Straßenverkehrsordnung 1960 aus den Jahren 1996 und 1997 könnten zwar für sich allein eine Aufenthaltsbeendigung nicht begründen, sie seien jedoch in Verbindung mit der dem Beschwerdeführer ebenfalls zur Last liegenden Verweigerung eines Alkotests am 12. August 2001 geeignet, ein negatives Charakterbild zu skizzieren.

Angesichts des dargestellten Gesamtfehlverhaltens und insbesondere auf Grund der evident hohen Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität werde durch den weiteren Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung und Sicherheit in höchstem Maß gefährdet. Dieser Gefährdung müsse durch die Verhängung eines Aufenthaltsverbots begegnet werden.

Auf Grund des langjährigen inländischen Aufenthalts des Beschwerdeführers, seiner Ehe mit einer österreichischen Staatsangehörigen und des Umstandes, dass nahezu seine gesamte Familie in Österreich niedergelassen sei, sei mit dem Aufenthaltsverbot ein massiver Eingriff in das Privat- und Familienleben verbunden. Auf Grund des dargestellten Gesamtfehlverhaltens sei die Erlassung dieser Maßnahme jedoch zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Gesundheit) dringend geboten. Zudem wögen die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbots wesentlich schwerer als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie. Die Behörde sei überdies überzeugt, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbots gegen den Beschwerdeführer als begünstigten Drittstaatsangehörigen im Einklang mit der bisher dazu ergangenen Rechtsprechung des EuGH stehe.

Zum Berufungsvorbringen, wonach sich der Beschwerdeführer seit nahezu 30 Jahren im Bundesgebiet aufhalten würde, werde ausgeführt, dass dieser Aufenthalt durch mehrere, teils langfristige Unterbrechungen gekennzeichnet sei. Der Beschwerdeführer habe selbst angegeben, im Jahr 1997 zu seiner Großmutter in die Türkei gezogen zu sein, sich dort von seiner ersten Frau scheiden lassen zu haben und schließlich am 27. April 1999 in der Türkei seine nunmehrige Gattin geheiratet zu haben. Überdies sei aus der Aktenlage ersichtlich, dass der Beschwerdeführer für diesen Zeitraum keinen Aufenthaltstitel besessen habe. Im Hinblick auf die damit bewirkte relevante Unterbrechung des Aufenthalts sei das Aufenthaltsverbot auch im Grund der §§ 38 und 35 FrG zulässig.

1.2. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 12. Juni 2002 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 18. Jänner 2001 auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung zum Zweck der Familiengemeinschaft mit Österreichern gemäß § 49 Abs. 1 iVm § 47 Abs. 2 FrG abgewiesen.

Der Beschwerdeführer gefährde entgegen seinem Berufungsvorbringen die öffentliche Ordnung und Sicherheit. Die Erstbehörde habe ihrem Bescheid den Sachverhalt zu Grunde gelegt, der auch zur Verhängung des Aufenthaltsverbots geführt habe. Das Aufenthaltsverbot sei vor allem auf die rechtskräftige Verurteilung des Beschwerdeführers vom 22. Mai 2001 wegen §§ 27 Abs. 1 und 28 Abs. 2 Suchtmittelgesetz zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von zehn Monaten gestützt worden. Nach dem Urteilsinhalt habe der Beschwerdeführer den bestehenden Vorschriften zuwider von Ende Jänner 1997 bis Mitte 1998 in Salzburg an zahlreiche unbekannte Personen Suchtgift in einer großen Menge verkauft. Dem Berufungsvorbringen, wonach der Beschwerdeführer seit drei Jahren suchtgiftfrei wäre, sei entgegenzuhalten, dass er nach dem weiteren Urteilsinhalt in der Zeit von 1996 bis Mai 2001 den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift erwoben, besessen und konsumiert habe.

Auf Grund dieses Fehlverhaltens sei die Annahme gerechtfertigt, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährde.

2. Gegen diese beiden Bescheide richten sich die jeweils Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machenden Beschwerden mit dem Begehren, den jeweils angefochtenen Bescheid aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete jeweils eine Gegenschrift mit dem Begehren, die Beschwerden abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Verbindung der beiden Verfahren zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung erwogen:

1. Zur Beschwerde gegen den Aufenthaltsverbotsbescheid

1.1. Gemäß § 38 Abs. 1 Z. 4 FrG darf ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden, wenn der Fremde von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist.

Zum ersten Tatbestandselement dieser Bestimmung "von klein auf im Inland aufgewachsen" wurden in der hg. Judikatur folgende Grundsätze entwickelt:

Die besagte Wendung ist so zu deuten, dass sie jedenfalls für eine Person, die erst im Alter von vier Jahren oder später nach Österreich eingereist ist, nicht zum Tragen kommen kann. Aber auch eine Person, die zwar vor Vollendung ihres vierten Lebensjahres nach Österreich eingereist ist, sich aber (kurz) danach wieder für längere Zeit ins Ausland begeben hat und somit nicht schon im Kleinkindalter sozial in Österreich integriert wurde, wird man von dieser Regelung nicht als erfasst ansehen können. (Vgl. den Beschluss vom 17. September 1998, Zl. 96/18/0150, und das Erkenntnis vom 2. März 1999, Zl. 98/18/0244, je mit ausführlicher Begründung.)

Bei späteren Heimataufenthalten eines vor Vollendung des vierten Lebensjahres in das Bundesgebiet eingereisten Fremden kommt es darauf an, ob diese in ihrer Gesamtheit dazu geführt haben, dass der Fremde mit diesem Land ähnlich wie ein ständig dort Lebender vertraut ist, es somit tatsächlich als seine Heimat angesehen werden kann. Dabei kommt es jedenfalls primär auf die Dauer dieser Aufenthalte (in Relation zum Lebensalter des Fremden) an; nicht unwesentlich ist aber auch, in welchen Lebensabschnitt diese Aufenthalte jeweils fallen. (Vgl. das Erkenntnis vom 30. November 1999, Zl. 99/18/0112.)

Nicht als von klein auf im Inland aufgewachsen kann ein Fremder angesehen werden, der zwar vor Vollendung des vierten Lebensjahres nach Österreich eingereist bzw. in Österreich geboren ist, jedoch einen Zeitraum von siebendreiviertel Jahren, der nahezu die gesamte Pflichtschulzeit (vgl. das zitierte Erkenntnis, Zl. 99/18/0112) oder einen zumindest etwa siebenjährigen Zeitraum, der die gesamte Kindergarten- und Volksschulzeit umfasst hat (vgl. das Erkenntnis vom 13. März 2001, Zl. 2000/18/0124), in seiner Heimat verbracht hat. Ein Fremder, der während eines Zeitraumes von etwa vierdreiviertel Jahren in der Heimat die Volksschule besucht hat, ist hingegen von klein auf im Inland aufgewachsen (vgl. das Erkenntnis vom 21. September 2000, Zl. 2000/18/0136).

1.2. Der Beschwerdeführer hat in seiner Stellungnahme zur beabsichtigten Erlassung eines Aufenthaltsverbots vom 24. Juli 1997 (OZ 93 der Verwaltungsakten) vorgebracht, dass er bereits im Jahr 1973 mit seinen Eltern nach Österreich eingereist sei. Seit damals hätten er und seine Familie mit Ausnahme von vier Jahren ständig in Österreich gelebt. Er habe auch seine Schulpflicht in Österreich erfüllt. In der Berufung hat er vorgebracht, sich "faktisch" seit seinem ersten Lebensjahr mit geringfügigen Unterbrechungen in Österreich aufzuhalten.

Nach dem Beschwerdevorbringen sei der Beschwerdeführer "schon im frühkindlichen Lebensjahr" von seinen Eltern nach Österreich gebracht worden und habe - allerdings ohne polizeiliche Meldung - seit dieser Zeit bei seinen Eltern in Österreich gelebt. Vor dem Eintritt in die Volksschule habe er teilweise jedoch auch bei Verwandten in der Türkei gelebt. Von 1977 bis 1982 habe er in Salzburg die Volksschule besucht. Der Beschwerdeführer und seine Geschwister hätten sich bis zum Jahr 1982 überwiegend in Österreich aufgehalten. Von 1982 bis 1987 habe der Beschwerdeführer mit seinen Geschwistern in der Türkei gelebt, jedoch Schwierigkeiten gehabt, sich an die dortigen Lebensverhältnisse anzupassen. 1987 sei er nach Österreich zurückgekehrt.

3. Die belangte Behörde hat dazu lediglich festgestellt, dass sich der Beschwerdeführer - mit Unterbrechungen - seit 1978, also seit seinem 9. Lebensjahr, im Bundesgebiet aufhalte. Im angefochtenen Bescheid wird nicht begründet, warum dem dargestellten Vorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren betreffend eine wesentlich frühere - jedenfalls noch vor Vollendung des vierten Lebensjahres erfolgte -

Einreise in das Bundesgebiet kein Glaube geschenkt wurde. Nähere Feststellungen zur Anzahl und Dauer der "Unterbrechungen" des Inlandsaufenthalts während der Kindheit und Jugend des Beschwerdeführers fehlen zur Gänze.

Vor dem Hintergrund der dargestellten hg. Judikatur kann nicht ausgeschlossen werden, dass die belangte Behörde, wäre sie auf das Vorbringen des Beschwerdeführers betreffend eine wesentlich frühere Einreise in das Bundesgebiet eingegangen und hätte sie Feststellungen zu den Zeiträumen des Inlandsaufenthalts getroffen, zu dem Ergebnis gekommen wäre, dass der Beschwerdeführer im Sinn von § 38 Abs. 1 Z. 4 FrG von klein auf im Inland aufgewachsen ist.

In diesem Zusammenhang sei festgehalten, dass es für die Frage, ob ein Fremder von klein auf im Inland aufgewachsen ist - anders als für das zweite Tatbestandselement des § 38 Abs. 1 Z. 4 FrG "langjährig rechtmäßig niedergelassen" -, nicht auf die Rechtmäßigkeit des jeweiligen Inlandsaufenthalts ankommt.

1.4. Zum - kumulativ zu erfüllenden - zweiten Tatbestandselement des § 38 Abs. 1 Z. 4 FrG "langjährig rechtmäßig niedergelassen" wird in § 38 Abs. 2 leg. cit. normiert, dass Fremde jedenfalls langjährig im Bundesgebiet niedergelassen sind, wenn sie die Hälfte ihres Lebens im Bundesgebiet verbracht haben und zuletzt seit mindestens drei Jahren hier niedergelassen sind.

Nach der hg. Judikatur (vgl. das bereits mehrfach zitierte Erkenntnis Zl. 99/18/0112 und das Erkenntnis vom 31. März 2000, Zl. 99/18/0270) ist ein Fremder dann im Sinn von § 38 Abs. 2 FrG "zuletzt" drei Jahre im Bundesgebiet niedergelassen, wenn er die letzten drei Jahre vor Verwirklichung des für die Verhängung des Aufenthaltsverbots maßgeblichen Sachverhalts in Österreich niedergelassen war.

1.5. Die belangte Behörde hat das Aufenthaltsverbot auf die der Verurteilung vom 22. Mai 2001 zu Grunde liegenden Straftaten des Beschwerdeführers gestützt. Da diese Straftaten ab 1996 - eine genauere Eingrenzung ergibt sich weder aus dem angefochtenen Bescheid noch aus der bei den Verwaltungsakten erliegenden Ausfertigung des Strafurteils - gesetzt wurden, erstreckt sich der Zeitraum "zuletzt seit mindestens drei Jahren" von 1993 bis 1996. Aus dem angefochtenen Bescheid ist nicht ersichtlich, ob der Beschwerdeführer in diesem Zeitraum und insgesamt mehr als die Hälfte seines Lebens rechtmäßig in Österreich niedergelassen war, werden doch lediglich "mehrere, teils langfristige Unterbrechungen" des inländischen Aufenthalts festgestellt. Konkret ist lediglich festgehalten, dass der Beschwerdeführer nach seinen eigenen Angaben im Jahr 1997 in die Türkei zurückgekehrt sei, dort am 27. April 1999 seine nunmehrige Gattin geheiratet habe und ihm - nach seiner Rückkehr zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt - zuletzt am 2. Februar 2000 ein Sichtvermerk (nach der Aktenlage: eine Niederlassungsbewilligung) erteilt worden sei. Diesbezüglich besteht im Übrigen ein Widerspruch zur - dem Strafurteil entsprechenden - Feststellung der belangten Behörde, dass der Beschwerdeführer von Ende Jänner 1997 bis Mitte 1998 in Salzburg Suchtgift verkauft habe. Weitere Zeiträume, in denen der Beschwerdeführer nach 1978 nicht im Bundesgebiet niedergelassen war - oder sich nicht rechtmäßig aufgehalten hat - ergeben sich aus dem angefochtenen Bescheid nicht.

Auf Grundlage der behördlichen Feststellungen kann somit nicht beurteilt werden, ob der Beschwerdeführer im Sinn des § 38 Abs. 1 Z. 4 FrG im Bundesgebiet "langjährig rechtmäßig niedergelassen" ist.

Der Beschwerdeführer gesteht in der Beschwerde zwar zu, von Oktober 1995 bis zu seiner Ausreise Mitte 1998 über keinen Aufenthaltstitel verfügt zu haben, bringt jedoch vor, rechtzeitig vor Ablauf des letzten Titels einen Verlängerungsantrag gestellt zu haben, über den jahrlang nicht entschieden worden sei. Während des anhängigen - erstinstanzlichen - Verfahrens sei er - gemäß § 6 Abs. 3 Aufenthaltsgesetz - zum Aufenthalt berechtigt gewesen. Das Bestehen eines Aufenthaltsrechts infolge rechtzeitiger Antragstellung entspricht im Übrigen auch dem in den Verwaltungsakten befindlichen Aktenvermerk der Erstbehörde vom 7. Jänner 2001, OZ 108.

In diesem Zusammenhang sei festgehalten, dass sich aus der Wendung in § 38 Abs. 2 FrG, wonach bei Erfüllung der dort genannten Voraussetzungen der Fremde "jedenfalls" langjährig im Bundesgebiet niedergelassen ist, ergibt, dass ein Fremder auch dann als langjährig rechtmäßig niedergelassen gelten kann, wenn er eine dieser Voraussetzungen nicht ganz erfüllt. Dies wird etwa dann der Fall sein, wenn der Fremde in den letzten drei Jahren vor Verwirklichung des für das Aufenthaltsverbot maßgeblichen Sachverhaltes über einen kürzen Zeitraum nicht rechtmäßig niedergelassen war, er aber insgesamt deutlich mehr als die Hälfte seines Lebens in Österreich verbracht hat.

1.6. Da somit Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, und der Sachverhalt in einem wesentlichem Punkt einer Ergänzung bedarf, war der Bescheid der belangten Behörde vom 11. Juni 2002, mit dem gegen den Beschwerdeführer ein befristetes Aufenthaltsverbot verhängt wurde, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

2. Zur Beschwerde gegen den den Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung abweisenden Bescheid

2.1. Gemäß § 12 Abs. 3 FrG darf Fremden wegen eines Sachverhaltes, der keine Ausweisung oder kein Aufenthaltsverbot zulässt, ein weiterer Aufenthaltstitel für denselben Aufenthaltszweck nicht versagt werden.

2.2. Der Beschwerdeführer verfügte nach dem Akteninhalt über eine am 2. Februar 2000 ausgestellte und bis 30. Dezember 2000 gültige Niederlassungsbewilligung zum Zweck "Familiengemeinschaft mit Österreicher". Der gegenständliche Verlängerungsantrag bezieht sich auf die Erteilung einer weiteren Niederlassungsbewilligung für denselben Zweck.

2.3. Die belangte Behörde hat die Abweisung dieses Antrages auf denselben Sachverhalt gestützt wie die Erlassung des Aufenthaltsverbots. Wie dargestellt kann auf Grund von der belangten Behörde unterlaufenen Verfahrensfehlern nicht beurteilt werden, ob dieser Sachverhalt ein Aufenthaltsverbot zulässt. Auf Grund dieser Verfahrensmängel kann daher auch nicht beurteilt werden, ob § 12 Abs. 3 FrG der Versagung der beantragten weiteren Niederlassungsbewilligung für denselben Aufenthaltszweck entgegensteht.

2.4. Aus diesem Grund war auch der Bescheid vom 12. Juni 2002, mit dem der Antrag auf Erteilung einer weiteren Niederlassungsbewilligung abgewiesen wurde, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Von der in der Beschwerde gegen den Aufenthaltsverbotsbescheid beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG abgesehen werden.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 18. März 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2002180171.X00

Im RIS seit

08.05.2003

Zuletzt aktualisiert am

03.07.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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