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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
FrG 1997 §36 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winter, über die Beschwerde des M, vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh und Dr. Hanno Lecher, Rechtsanwälte in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 1. März 2000, Zl. Fr-4250a-4/94, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina (nach einem Teil der Verwaltungsakten: von Kroatien), gemäß § 36 Abs. 1 Z. 1, Abs. 2 Z. 1 und Abs. 3 und den §§ 37 und 39 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot. Zur Begründung dieser Maßnahme verwies sie auf die rechtskräftige Verurteilung des Beschwerdeführers durch das Amtsgericht Kempten vom 3. Mai 1994 wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten. Dieser Verurteilung sei zu Grunde gelegen, dass der Beschwerdeführer am 27. November 1993 mit seinem Bruder gegen die Brüder D vorgegangen sei. Der Bruder des Beschwerdeführers habe mit Hilfe der Beifahrertür eines PKW Miloslav D zu Boden gestoßen und auf den am Boden Liegenden eingetreten. Der Beschwerdeführer habe ein unter dem Fahrersitz liegendes Beil hervorgenommen, das Fahrzeug verlassen und mit dem Beil auf den gerade hochkommenden Miloslav D eingeschlagen, sodass dieser seitlich am Auge verletzt worden sei. Letztlich habe der Beschwerdeführer Miladin D, der ihn mit einem Verkehrsschild beworfen habe, verfolgt und mit dem Beil seitlich auf den Oberarm geschlagen, sodass dieser dort erhebliche Prellungen erlitten habe. Diese Verurteilung sei gemäß § 73 StGB einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht gleichzuhalten und es sei somit der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt. Gemäß § 36 Abs. 1 FrG sei die Annahme gerechtfertigt, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährden würde, zumal der Beschwerdeführer nicht davor zurückgeschreckt habe, ein Beil als Tatwaffe zu verwenden, woraus auf ein hohes Maß an krimineller Energie und auf die Bereitschaft, Andere an der Gesundheit zu gefährden, geschlossen werden müsse.
Dem Beschwerdeführer - so die belangte Behörde weiter - sei erstmals im Jahr 1991 ein befristeter Sichtvermerk erteilt worden, welcher dann letztmalig bis zum 31. Dezember 1993 verlängert worden sei. Nach einem kurzen Aufenthalt in Kroatien im Jahr 1994 habe sich der Beschwerdeführer bis 1996 in Österreich aufgehalten. Derzeit halte er sich in Kroatien auf; die Großmutter, zwei Brüder und eine Schwägerin des Beschwerdeführers seien in Vorarlberg wohnhaft. Die familiären Bindungen des Beschwerdeführers in Österreich seien von nicht allzu großem Gewicht und es sei das Aufenthaltsverbot nach § 37 Abs. 1 FrG dringend geboten und im Sinn der Interessenabwägung nach § 37 Abs. 2 FrG zulässig.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Gemäß § 36 Abs. 1 FrG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z. 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Z. 2). Als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder von einem inländischen Gericht u.a. zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten rechtskräftig verurteilt worden ist (Abs. 2 Z. 1). Gemäß Abs. 3 liegt eine gemäß Abs. 2 maßgebliche Verurteilung vor, wenn sie durch ein ausländisches Gericht erfolgte und den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht.
Diese letztgenannte Voraussetzung wird in der Beschwerde ebenso wenig bestritten wie die dadurch erfolgte Verwirklichung des Tatbestandes des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG.
Mit Recht wendet sich die Beschwerde aber gegen die von der belangten Behörde im Sinn des § 36 Abs. 1 FrG zu Lasten des Beschwerdeführers getroffene Annahme. Wenn auch die Straftat des Beschwerdeführers nicht verharmlost werden darf, so ist doch zu berücksichtigen, dass es bei einem einmaligen Vorfall geblieben ist und zum einen unbestritten der Beschwerdeführer seither keine weiteren gerichtlichen Straftaten gesetzt hat und zum anderen der Straftat eine körperliche Auseinandersetzung zwischen dem Beschwerdeführer und Miloslav D vorangegangen ist, welcher Umstand auch vom Gericht als Milderungsgrund herangezogen wurde.
Vor allem angesichts des seit der Tat bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides verstrichenen Zeitraums von ca. sechseinhalb Jahren unterlag die belangte Behörde einem Rechtsirrtum, dass sie allein aus dem einmaligen Fehlverhalten des Beschwerdeführers auf die Annahme schloss, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit (weiterhin) gefährden würde.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben; eine Prüfung der von der belangten Behörde nach § 37 FrG vorgenommenen Interessenabwägung konnte unterbleiben.
Von der beantragten Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG abgesehen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.
Wien, am 18. März 2003
Schlagworte
Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2000210081.X00Im RIS seit
05.05.2003