Index
L94059 Ärztekammer Wien;Norm
ÄrzteG 1998 §111;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf, Dr. Gall, Dr. Pallitsch und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des Dr. E in K, vertreten durch Kindel & Kindel, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Rosenbursenstraße 4, gegen den Bescheid des (im verwaltungsgerichtlichen Verfahren durch Dr. Friedrich Spitzauer & Dr. Georg Backhausen, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Stock-im-Eisen-Platz 3, vertretenen) Beschwerdeausschusses des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien vom 27. November 2001, B 48/01, betreffend Fondsbeitrag, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat der Ärztekammer für Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 26. April 2001 schrieb der Verwaltungsausschuss des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien (im Folgenden: Verwaltungsausschuss) einen Beitragsrückstand des Beschwerdeführers für den Beitrag zum Wohlfahrtsfonds für das Jahr 2000 in Höhe von S 62.915,-- vor.
Mit Schreiben vom 21. September 2001 brachte der Beschwerdeführer gegenüber dem Wohlfahrtsfonds vor, auf Grund seiner Ausgaben sei er nicht in der Lage, den Fondsbeitrag 2000 zu zahlen. Im Verwaltungsakt findet sich eine Mitteilung über ein Telefonat mit dem Beschwerdeführer, in dem davon die Rede ist, dass dieser um Erlass des offenen Fondsbeitrages 2000 ersuche, weil "er Alleinverdiener sei, seine Frau studiere und er nur Pflegegutachten mache". Er habe im Jahr 2000 einen Umsatz von rund S 520.000,-- erzielt.
Der Verwaltungsausschuss wies den Antrag des Beschwerdeführers auf "Erlass des offenen Fondsbeitrags 2000 wegen berücksichtigungswürdigen Umständen" gemäß § 10 Abs. 3 der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien (im Folgenden: Satzung) in Verbindung mit § 111 des Ärztegesetzes 1998 (ÄrzteG 1998) ab. Begründend wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer habe vorgebracht, er habe an laufenden monatlichen Kosten ca. S 5.100,-- für die Wohnung (inklusive Betriebskosten, zuzüglich Warmwasser und Strom) ca. S 4.280,-- für Steuervorauszahlungen, S 1.500,-- für eine Rentenversicherung, ca. S 800,-- für Telefon und weitere rund S 2.350,-- für Sozialversicherungsbeiträge zu bezahlen. Für den Ankauf eines Laptops habe er im Februar 2001 S 12.000,-- ausgegeben, die Kfz- und Haushaltsversicherungen hätten eine jährliche Prämie von S 14.118,-- bzw. S 4.846,--. Der Beschwerdeführer sei seit 1. Juni 1997 als Wohnsitzarzt tätig und habe laut den vorliegenden Einkommensunterlagen im Jahr 2000 ein Einkommen aus selbstständiger ärztlicher Tätigkeit von rund S 260.000,-- gehabt. Zwar verkenne der Verwaltungsausschuss nicht die Einkommenssituation des Beschwerdeführers, sei aber dennoch der Ansicht, dass der Wohlfahrtsfonds eine Versorgungseinrichtung sei, deren vorrangiger Zweck die finanzielle Versorgung der Fondsmitglieder selbst sowie ihrer anspruchsberechtigten Hinterbliebenen im Alter und für den Fall der Invalidität oder des Todes sei. Unberücksichtigt müssten hierbei jedoch jedenfalls anderweitige Risken wie z.B. die Ausfallshaftung für ein geringes Jahreseinkommen oder vorhandene Sorgepflichten gegenüber Angehörigen sein. Der Verwaltungsausschuss sei auch der Ansicht, dass das Einkommen des Beschwerdeführers einen berücksichtigungswürdigen Umstand im Sinn von § 10 Abs. 3 der Satzung für einen gänzlichen Erlass der Beitragspflicht nicht darzulegen vermöge. Dies sei laut Erfahrung vergleichbar mit dem Einkommen, welches Turnusärzte erhielten, die jedoch mit denselben Belastungen kämpften. Der Verwaltungsausschuss sei ebenso der Ansicht, dass es dem Beschwerdeführer zumindest zumutbar sei, den offenen Beitrag mittels Raten zu begleichen, zumal monatliche Abzüge auch für rein angestellte Ärzte und einkommensschwache Turnusärzte verpflichtend vorgeschrieben seien. Was die Sorgepflicht für die Ehefrau betreffe, so halte der Verwaltungsausschuss fest, dass der Wohlfahrtsfonds gerade für Witwen eine besonders starke Absicherung vorsehe. Es könne nicht so sein, dass auf der einen Seite die Sorgepflichten von Seiten des Beschwerdeführers als Belastungsmoment angeführt würden, auf der anderen Seite aber der Wohlfahrtsfonds im Leistungsfalle Versicherungsleistungen zu erbringen hätte.
In seiner dagegen erhobenen Beschwerde brachte der Beschwerdeführer vor, die Mietenvorschreibung für seine Genossenschaftswohnung betrage insgesamt S 161.078,04 pro Jahr, Stromkosten betrügen S 5.730,-- pro Jahr, Haushaltsversicherung S 4.846,-- pro Jahr, Telefonkosten S 10.702,50 pro Jahr. Lebensmittel und Bekleidung für seine Ehefrau und ihn, Reinigungsmittel, Reparaturen von Waschmaschine und Herd betrügen S 144.000,-- pro Jahr, die Rundfunkgebühr S 3.163,20 pro Jahr, eine Rentenversicherung S 18.000,-- pro Jahr. Der Beschwerdeführer gab schließlich noch die jährlich anfallenden Kosten für seinen Pkw an, die Kosten des Studiums seiner Ehefrau sowie Fahrtspesen mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Darüber hinaus gebe er seiner Ehefrau pro Monat S 3.000,-- für ihre privaten Bedürfnisse.
Der Beschwerdeausschuss des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien wies die Beschwerde mit Bescheid vom 27. November 2001 ab und bestätigte den erstbehördlichen Bescheid. Begründend wurde ausgeführt, die Beitragsbelastung des Beschwerdeführers erscheine mit der anderer Ärztegruppen durchaus vergleichbar, sodass daraus kein Anspruch auf Erlass der Fondsbeiträge ableitbar sei. Darüber hinaus vertrete der Beschwerdeausschuss die Auffassung, dass die Kosten der allgemeinen Lebensführung grundsätzlich nicht gegen bestehende Beitragsverpflichtungen gegenüber dem Wohlfahrtsfonds aufgerechnet werden könnten. Vielmehr sei es Aufgabe des Fondsmitgliedes, seine Lebenshaltungskosten so zu gestalten, dass die Erfüllung gesetzlicher Verpflichtungen nicht gefährdet werde.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
1.1. § 111 ÄrzteG 1998 lautet:
"Ermäßigung der Fondsbeiträge
§ 111. Die Satzung kann bei Vorliegen berücksichtigungswürdiger Umstände auf Antrag des
Kammerangehörigen ... nach Billigkeit eine Ermäßigung oder in
Härtefällen den Nachlass der Wohlfahrtsfondsbeiträge vorsehen."
1.2. § 10 der von der Vollversammlung der Ärztekammer für Wien in ihrer Sitzung vom 14. Dezember 1999 beschlossenen und mit Wirkung vom 1. Jänner 1999 in Kraft getretenen Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien (kundgemacht in Wiener Arzt 7/8a ex 2000) lautet (auszugsweise):
"Ermäßigung und Nachlass des Fondsbeitrages
§ 10.
...
(2) Der Verwaltungsausschuss kann auf Antrag für die Dauer
a)
des Präsenzdienstes,
b)
des Zivildienstes,
c)
des Karenzurlaubes nach den Bestimmungen des Mutterschutzgesetzes,
d)
des Karenzurlaubes nach dienstrechtlichen Vorschriften,
e)
im Falle einer über 30 Tage währenden Berufsunfähigkeit,
den Fondsbeitrag ermäßigen oder zur Gänze erlassen. ...
(3) Der Verwaltungsausschuss kann ferner bei Vorliegen sonstiger berücksichtigungswürdiger Umstände über Antrag des Fondsmitgliedes den Fondsbeitrag ermäßigen oder zur Gänze erlassen.
..."
2. Den in § 10 Abs. 2 der Satzung aufgezählten Gründen, die eine Ermäßigung oder einen Erlass der Fondsbeiträge rechtfertigen, liegen überwiegend außergewöhnliche Ereignisse zu Grunde, die außerhalb der Einflusssphäre des Fondsmitglieds liegen und das Fondsmitglied an der Ausübung der ärztlichen Tätigkeit hindern, was regelmäßig einen Einkommensverlust zur Folge hat (die Einbeziehung von Karenzurlauben in die Aufzählung ist als Ausfluss einer rechtspolitischen Wertung zu verstehen). Im Lichte dieser grundsätzlichen Überlegung ist nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes auch § 10 Abs. 3 der Satzung auszulegen. Von einem berücksichtigungswürdigen Umstand im Sinne des § 10 Abs. 3 der Satzung wird nur bei Vorliegen eines außergewöhnlichen Ereignisses gesprochen werden können, das in seiner Schwere und seinen Auswirkungen den im Abs. 2 aufgezählten vergleichbar ist und Auswirkungen auf die Ausübung der ärztlichen Tätigkeit und somit auch auf das Einkommen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. August 2002, Zl. 2000/11/0227).
In seinem Erkenntnis vom 17. Dezember 1998, Zl. 98/11/0176, hat der Verwaltungsgerichtshof etwa das Vorliegen eines berücksichtigungswürdigen Umstandes im Sinne des § 10 Abs. 3 der Satzung bejaht, wenn ein Fondsmitglied durch krankheitsbedingt erheblich zurückgegangene Einnahmen aus seiner ärztlichen Tätigkeit die Kosten der Lebensführung für sich und seine ihm gegenüber unterhaltsberechtigten Familienangehörigen nicht mehr bestreiten kann und sich im Verhältnis von Einkommen und Kosten der Lebensführung eine Deckungslücke von etwa S 100.000,-- ergibt (ungeachtet seiner grundsätzlicher Bejahung des Vorliegens eines berücksichtigungswürdigen Grundes nahm der Verwaltungsgerichtshof freilich an, dass der Fall anders zu beurteilen wäre, wenn ausreichend Ersparnisse vorhanden sind oder das Fondsmitglied trotz seiner eingeschränkten Erwerbsfähigkeit zumutbarerweise höhere Einnahmen aus seiner ärztlichen Tätigkeit beziehen könnte). In dem diesem Erkenntnis zu Grunde liegenden Fall war das Fondsmitglied durch ein außergewöhnliches Ereignis, das außerhalb seiner Sphäre lag, nämlich eine Krankheit, daran gehindert, sich in vollem Umfang der ärztlichen Tätigkeit zu widmen, wodurch ein erheblicher Einkommensverlust entstanden war.
Vor dem Hintergrund dieses Verständnisses der maßgeblichen Rechtsvorschriften kann die (schon mangels Vorliegens eines berücksichtigungswürdigen Umstands erfolgte) Abweisung des Antrags des Beschwerdeführers auf Erlass des Fondsbeitrages nicht als rechtswidrig erkannt werden. Wie der Verwaltungsgerichtshof im oben erwähnten hg. Erkenntnis vom 8. August 2002 dargelegt hat, hat der Beitragspflichtige seine wirtschaftliche Situation grundsätzlich selbst zu verantworten. Im Zusammenkommen relativ hoher Ausgaben des Beschwerdeführers (insbesondere der Wohnkosten, aber auch der Ausbildungskosten seiner Ehefrau) mit einem verhältnismäßig niedrigen Einkommen allein liegt kein außergewöhnliches Ereignis im Sinne der bisherigen Ausführungen vor. Dass den Beschwerdeführer aber ein außergewöhnliches Ereignis daran gehindert hätte, sich einer ein höheres Einkommen erzielenden ärztlichen Tätigkeit, die über seine Tätigkeit als Wohnsitzarzt (§ 47 ÄrzteG 1998) hinausgeht, zu widmen, hat er nicht vorgebracht. Ein berücksichtigungswürdiger Umstand im Sinn des § 10 Abs. 3 der Satzung liegt daher nicht vor.
Bei diesem Ergebnis erweist sich auch die Verfahrensrüge des Beschwerdeführers als unbegründet, weil nicht erkennbar ist, inwieweit die belangte Behörde bei Vermeidung des ihr vorgeworfenen Feststellungsmangels angesichts der fehlenden konkreten Angaben des Beschwerdeführers zu einem anderen Ergebnis hätte gelangen können.
Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
3. Von der Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.
4. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001, BGBl. II Nr. 501.
Wien, am 18. März 2003
Schlagworte
Auslegung unbestimmter Begriffe VwRallg3/4European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2002110009.X00Im RIS seit
05.05.2003Zuletzt aktualisiert am
20.11.2015