TE Vwgh Erkenntnis 2003/3/19 2002/08/0035

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Veröffentlicht am 19.03.2003
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Index

62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §12 Abs6 litd;
ASVG §5 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Köller und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des E in K, vertreten durch Dr. Georg Pertl, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Alter Platz 28/II, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Kärnten vom 25. Oktober 2001, Zl. LGS/Abt. 4/1218/2001, betreffend Widerruf und Rückforderung von Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Am 22. August 2001 wurde von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice mit dem Beschwerdeführer, der im Leistungsbezug von Arbeitslosengeld stand, eine Niederschrift aufgenommen. Demnach gab der Beschwerdeführer bekannt, dass er seiner Ehefrau täglich am Obst- und Gemüsestand helfe, da sie starke Rückenschmerzen habe. Am 20. August 2001 und am 21. August 2001 sei der Beschwerdeführer bei der Arbeit von Herrn P. bzw. Herrn S. gesehen worden. Dass er diese Tätigkeit dem Arbeitsmarktservice melden müsse, sei ihm nicht bekannt gewesen. Er helfe seiner Ehefrau seit ca. Anfang Juni am Stand. Seine Tätigkeit bestehe im Verkauf von Obst und Gemüse.

Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vom 5. September 2001 wurde der Bezug des Arbeitslosengeldes durch den Beschwerdeführer gemäß § 24 Abs. 2 AlVG für den Zeitraum vom 1. Juni 2001 bis 31. Juli 2001 widerrufen bzw. die Bemessung rückwirkend berichtigt und gemäß § 25 Abs. 1 AlVG ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer zur Rückzahlung des unberechtigt empfangenen Arbeitslosengeldes in Höhe des Gesamtbetrages von S 30.256,-- verpflichtet sei. Begründend wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer habe die Leistung aus der Arbeitslosenversicherung für den genannten Zeitraum zu Unrecht bezogen, da er in einem Dienstverhältnis gestanden sei und dies dem Arbeitsmarktservice nicht gemeldet habe.

In seiner Berufung gegen diesen Bescheid führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, er sei rund 19 Jahre ununterbrochen bei dem Unternehmen M. beschäftigt gewesen. Nach seiner Kündigung habe er sich als arbeitslos gemeldet. In der Zeit vom 1. Juni 2001 bis 31. Juli 2001 sei er in keinem Beschäftigungsverhältnis gestanden. Das Arbeitsmarktservice habe den Beschwerdeführer im August 2001 angesprochen, dass eine anonyme Meldung eingelangt sei, er würde einer ständigen Beschäftigung nachgehen. Der Inhalt dieser Mitteilung sei falsch. Die Ehefrau des Beschwerdeführers betreibe einen Obst- und Gemüsestand. Im Rahmen dieses Betriebes sei seit ca. drei Jahren ein Dienstnehmer angestellt. Dieses Dienstverhältnis sei nach wie vor aufrecht. Der Beschwerdeführer habe im Juni und Juli 2001 gelegentlich seiner Ehefrau am Stand geholfen. Diese gelegentlichen unterstützend eingreifenden Tätigkeiten seien kein Dienstverhältnis, das den Anspruch auf das Arbeitslosengeld nehme. Der Beschwerdeführer helfe seiner Ehefrau seit Beginn des Bestandes des Geschäftes, also seit mehr als zehn Jahren, im Rahmen seiner ehelichen Beistandspflicht. Seine Tätigkeiten beschränkten sich auf unterstützende Arbeiten außerhalb seiner üblichen Dienstzeit. Nicht mehr und nicht weniger habe der Beschwerdeführer im Zeitraum zwischen 1. Juni 2001 und 31. Juli 2001 gemacht. Die Ehefrau des Beschwerdeführers leide an Hormonstörungen und einer Schilddrüsenentzündung und habe sich in den Monaten Juni und Juli 2001 in ärztlicher Behandlung befunden. Sie habe einige Male ihren Hausarzt aufsuchen müssen. Wie sich der Beschwerdeführer zu der Zeit, als er noch in einem ständigen Dienstverhältnis zum Unternehmen M. gestanden sei, mit seiner Ehefrau terminlich abgesprochen und ihr dann ausgeholfen habe, wenn sie habe zum Arzt gehen müssen, sei dies in gleicher Weise auch in den Monaten Juni und Juli 2001 geschehen, wobei mangels eines ständigen Dienstverhältnisses das Einspringen im Rahmen der ehelichen Beistandspflicht mehr tagsüber als in den Randstunden erfolgt sei. Die Stundenanzahl und die Art der Arbeitsleistungen entsprächen keinem ständigen Dienstverhältnis und zwar auch keinem Dienstverhältnis, das als geringfügiges Beschäftigungsverhältnis zu qualifizieren sei. Das Arbeitsmarktservice habe den Beschwerdeführer "überredet", sich ab August 2001 als geringfügig Beschäftigter bei seiner Ehefrau anzumelden. Diesem Rat sei er gefolgt, obwohl kein dementsprechender Sachverhalt vorliege. Sollte es sich bei dem zurückgeforderten Betrag um jenen handeln, den der Beschwerdeführer in den beiden Monaten als Arbeitslosengeld bezogen habe, sei er der Höhe nach unrichtig. Wenn das Arbeitsmarktservice eine geringfügige Beschäftigung annehme, dann könne es nur den Differenzbetrag zurückfordern, der zwischen jenem Betrag liege, den der Beschwerdeführer von seiner Ehefrau als geringfügig Beschäftigter zu beziehen gehabt hätte, und jenem, der ihm nach den Bestimmungen des AlVG zustehe. Im Übrigen unterscheide das Arbeitsmarktservice nicht zwischen einer geregelten Beschäftigung und einer im Rahmen der ehelichen Beistandspflicht ausgeübten Tätigkeit. Dazu wäre auch die Ehefrau des Beschwerdeführers einzuvernehmen gewesen.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid gab die belangte Behörde gemäß § 12 Abs. 3 lit. d und § 24 sowie § 25 AlVG der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge. Er wurde zur Rückzahlung des für die Zeit vom 1. Juni 2001 bis 31. Juli 2001 empfangenen Arbeitslosengeldes in der Höhe von S 30.256,-- verpflichtet, da er in diesem Zeitraum nicht arbeitslos gewesen sei. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe am 9. April 2001 die Zuerkennung von Arbeitslosengeld beantragt. Er habe Punkt 5 des Antrages "Ich stehe derzeit in Beschäftigung (z.B. Mitarbeiter im Familienbetrieb)?" mit "nein" angekreuzt. Daraufhin habe der Beschwerdeführer Arbeitslosengeld in der Höhe von S 496,-- täglich ausbezahlt erhalten. Auf Grund einer anonymen Anzeige seien von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice am 20. und am 21. August 2001 Kontrollen beim Stand der Ehefrau des Beschwerdeführers durchgeführt worden. Dort sei er von zwei Angestellten des Arbeitsmarktservice beim Arbeiten beobachtet worden. In weiterer Folge gab die belangte Behörde in der Bescheidbegründung den Inhalt der Niederschrift mit dem Beschwerdeführer vom 22. August 2001 wieder. Auch in der Berufung habe der Beschwerdeführer nicht bestritten, dass er seit Juni 2001 (laut der Niederschrift vom 22. August 2001 täglich) am Stand seiner Ehefrau mitgeholfen habe. Diese Mitarbeit habe er dem Arbeitsmarktservice nicht gemeldet. Die Berufungseinwendungen, wonach der Beschwerdeführer niemals in einem Dienstverhältnis zu seiner Ehefrau gestanden sei, seien begründet, weshalb auf den vorliegenden Sachverhalt nicht § 12 Abs. 3 lit. a, sondern § 12 Abs. 3 lit. d AlVG anzuwenden sei. Die Höhe des rückgeforderten Geldbetrages ergebe sich aus dem täglichen Arbeitslosengeldanspruch von S 496,--, der auch tatsächlich in dieser Höhe zur Auszahlung gekommen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 7 Abs. 1 und 2 AlVG in der hier zeitraumbezogen anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 179/1999 ist eine der Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld, dass Arbeitslosigkeit vorliegt.

§ 12 AlVG in der hier zeitraumbezogen anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 142/2000 hat auszugsweise folgenden Wortlaut:

"Arbeitslosigkeit

§ 12. (1) Arbeitslos ist, wer nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keine neue Beschäftigung gefunden hat.

...

(3) Als arbeitslos im Sinne der Abs. 1 und 2 gilt insbesondere nicht:

a) wer in einem Dienstverhältnis steht;

...

d) wer, ohne in einem Dienstverhältnis zu stehen, im Betrieb des Ehegatten, der Eltern oder Kinder tätig ist;

...

(6) Als arbeitslos gilt jedoch,

a) wer aus einer oder mehreren Beschäftigungen ein Entgelt erzielt, das die im § 5 Abs. 2 ASVG angeführten Beträge nicht übersteigt, wobei bei einer Beschäftigung als Hausbesorger im Sinne des Hausbesorgergesetzes, BGBl. Nr. 16/1970, der Entgeltwert für die Dienstwohnung und der pauschalierte Ersatz für Materialkosten unberücksichtigt bleiben;

...

d) wer, ohne in einem Dienstverhältnis zu stehen, im Betrieb des Ehegatten, der Eltern oder Kinder tätig ist, sofern das Entgelt aus dieser Tätigkeit, würde sie von einem Dienstnehmer ausgeübt, die im § 5 Abs. 2 ASVG angeführten Beträge nicht übersteigen würde;

..."

Gemäß § 24 Abs. 1 AlVG ist, wenn eine der Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld wegfällt, dieses einzustellen. Wenn sich die Zuerkennung oder die Bemessung des Arbeitslosengeldes nachträglich als gesetzlich nicht begründet herausstellt, ist gemäß § 24 Abs. 2 AlVG die Zuerkennung zu widerrufen oder die Bemessung rückwirkend zu berichtigen.

Die belangte Behörde hat ihre Entscheidung nicht darauf gestützt, dass der Beschwerdeführer in einem Dienstverhältnis steht. Sie hat vielmehr § 12 Abs. 3 lit. d AlVG dadurch als erfüllt angesehen, dass der Beschwerdeführer, ohne in einem Dienstverhältnis zu stehen, im Betrieb seiner Ehefrau tätig war. Entgegen der Auffassung der belangten Behörde bewirkt eine solche Tätigkeit aber nicht ohne weiteres, dass Arbeitslosigkeit ausgeschlossen ist. Gemäß § 12 Abs. 6 lit. d AlVG ist dies vielmehr nur dann der Fall, wenn das Entgelt aus dieser Tätigkeit, würde sie von einem Dienstnehmer ausgeübt, die im § 5 Abs. 2 ASVG angeführten Beträge überstiege. Der Gesetzgeber privilegiert daher nicht eine "familienhafte Mitarbeit" gegenüber einem Dienstverhältnis, er stellt beide vielmehr gleich, d.h. dass ein "familienhaft mittätiger" Ehepartner nicht ungünstiger gestellt ist als ein Dienstnehmer.

Die belangte Behörde hätte daher zunächst festzustellen gehabt, in welchem Umfang der Beschwerdeführer tätig gewesen ist. Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer "täglich" tätig gewesen ist, reicht zur Beurteilung der Voraussetzungen des § 12 Abs. 6 lit. d AlVG nicht aus, insbesondere zur Klärung der Frage, ob die Mitarbeit des Beschwerdeführers nach dem fiktiven Maßstab des § 12 Abs. 6 lit. d AlVG geringfügig gewesen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 2000, Zl. 95/08/0205).

Da die belangte Behörde die Rechtslage verkannt und § 12 Abs. 6 lit. d AlVG für ihre Entscheidung nicht herangezogen hat, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben. Damit erübrigt es sich, auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Die Umrechnung der Eingabengebühr erfolgte gemäß § 3 Abs. 2 Z 2 Eurogesetz, BGBl. I Nr. 72/2000. Das offensichtlich auf einen Rechenfehler zurückgehende Mehrbegehren war abzuweisen, da es keinerlei rechtliche Grundlage findet.

Wien, am 19. März 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2002080035.X00

Im RIS seit

08.05.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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