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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
ABGB §435;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des B, vertreten durch die Arnold Rechtsanwalts-Partnerschaft in Wien I, Wipplingerstraße 10, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom 2. Oktober 2001, GZ. RV 370/1-7/00, betreffend Grunderwerbsteuer, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin und zwei Vertragspartner lösten (mit Rücksicht auf eine bei einem dieser beiden Vertragspartner eingetretene Insolvenz) mit Vereinbarung vom 24. Juli 1996 ein den beiden Vertragspartnern im Jahr 1991 auf 30 Jahre eingeräumtes Baurecht einvernehmlich mit Wirkung vom 31. Mai 1996 vorzeitig auf.
Als Gegenleistung für das auf dem betroffenen Grundstück befindliche, zuvor generalrenovierte Gebäude wurde neben der Zahlung eines Geldbetrages die Übernahme eines Kreditobligos vereinbart, wobei eine der übernommenen Verpflichtungen durch einen Annuitätenzuschuss des Landes Steiermark im Ausmaß von 50 % auf die Dauer von 10 Jahren nach dem Steirischen Wohnbauförderungsgesetz 1989 gefördert war.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 2. Oktober 2001 erachtete die belangte Behörde einerseits im Erlöschen des Baurechtes einen nach § 1 Abs. 1 Z. 2 GrEStG steuerbaren Vorgang und andererseits die Einbeziehung des übernommenen Darlehens mit dem Nominale ohne Berücksichtigung der Förderung durch einen Annuitätenzuschuss als der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entsprechend.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, ursprünglich an den Verfassungsgerichtshof erhobene und von diesem nach Ablehnung ihrer Behandlung antragsgemäß an den Verwaltungsgerichtshof abgetretene Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, hilfsweise wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht darauf verletzt, wegen Grunderwerbsteuerfreiheit der Dissolution überhaupt nicht mit Grunderwerbsteuer belastet zu werden, hilfsweise in ihrem Recht auf Ausscheidung der Annuitätenzuschüsse aus der Bemessungsgrundlage.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet begehrt wird.
Die Beschwerdeführerin replizierte auf die Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Primär vertritt die Beschwerde unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BFH (nämlich das Urteil vom 8. Februar 1995, BStBl II 1995, 334) den Standpunkt, die Aufhebung des Baurechtes durch Dissolutionsvertrag habe zum Erlöschen des Baurechtes geführt. Das Baurecht sei in der Folge auch im Grundbuch gelöscht worden. Die Beschwerdeführerin habe nichts erworben; es sei lediglich eine Belastung weggefallen. In zweiter Linie strebt die Beschwerdeführerin die Ausscheidung der Annuitätenzuschüsse aus der Bemessungsgrundlage an.
Nach § 1 Abs. 1 Z. 2 GrEStG unterliegt der Grunderwerbssteuer der Erwerb des Eigentums an einem inländischen Grundstück, wenn kein den Anspruch auf Übereignung begründendes Rechtsgeschäft vorausgegangen ist.
Nach § 2 Abs. 2 leg. cit. stehen den Grundstücken gleich
1.
Baurechte und
2.
Gebäude auf fremdem Boden.
§ 9 BauRG lautet (auszugsweise):
"(1) Bei Erlöschen des Baurechtes fällt das Bauwerk an den
Grundeigentümer... .
(2) Mangels anderer Vereinbarung ist dem Bauberechtigten eine Entschädigung in der Höhe eines Viertelteiles des vorhandenen Bauwertes zu leisten."
Die von der Beschwerde bemühte, oben zitierte Rechtsprechung des BFH betraf einen Fall, in dem es zum Erlöschen des (Erb-)Baurechtes durch Zeitablauf gekommen war. Davon unterscheiden sowohl die Rechtsprechung des BFH als auch die deutsche Literatur einerseits den Fall der vorzeitigen Aufhebung des Baurechtes durch die Parteien und andererseits den des in § 2 Z. 4 der deutschen Verordnung über das Erbbaurecht geregelten des Heimfalles (worunter man eine - dem österreichischen Recht nicht bekannte - Verpflichtung des Bauberechtigten versteht, das Baurecht beim Eintritt bestimmter Voraussetzungen auf den Grundstückseigentümer zu übertragen, wodurch das Baurecht nicht untergeht sondern aufrecht bleibt; vgl. dazu insbesondere Viskorf in Boruttau, GrEStG15, Rz 158 zu § 2 d GrEStG).
Sowohl im Fall der kraft Vereinbarung zwischen dem Grundeigentümer und dem Bauberechtigten vorgenommenen vorzeitigen Aufhebung des Baurechtes als auch im Falle des Heimfalles wird das Bestehen der Steuerpflicht ausdrücklich bejaht (vgl. dazu Viskorf a. a.O., Rz 152 und 154 bzw. Rz 158 und 159 zu § 2d GrEStG mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung des BFH).
Der hier zu entscheidende Fall ist der einer vorzeitigen, rechtsgeschäftlichen Aufhebung des Baurechtes, zu welchem der BFH mit Urteil vom 31. März 1976, BFH E 118, 480; BStBl II 1976, 470, Wert darauf gelegt hatte, dass dabei der Bauberechtigte eines an sich noch nicht beendeten Baurechtes auf sein noch bestehendes Recht am Grundstück zugunsten des Grundeigentümers verzichtet, wodurch der Grundeigentümer das seinerzeit durch die Baurechtseinräumung aufgegebene Vollrecht über sein Grundstück wieder erlangt. Dem hat auch der BFH im Urteil vom 8. Februar 1995 nicht widersprochen.
Für die Steuerbarkeit dieses Vorganges treten in der Österreichischen Literatur Fellner (Gebühren und Verkehrsteuern, Band II, 3. Teil, Grunderwerbsteuergesetz 1987, Rz 51 Abs. 2 zu § 2 GrEStG) und Arnold/Arnold, Komm. z. GrEStG 1987 I, Rz 95 Abs. 6 zu § 2 GrEStG I) ein. Taucher hingegen (in Hofmeister/Rechberger/Zitta, Bauten auf fremdem Grund, Rz 162) folgt dem Urteil des BFH vom 8. Februar 1995 im Wesentlichen mit dem Argument, es finde nach dem Erlöschen des Baurechtes keine Änderung der sachenrechtlichen Zuordnung am Grundstück statt, das "Wiedererstarken" des Eigentümers/des Eigentums zum Vollrecht sei in § 1 GrEStG tatbestandsmäßig nicht erfasst.
Angesichts dieses Meinungsstandes ist nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes zu beachten, dass § 2 Abs. 2 GrEStG 1987 Baurechte und Gebäude auf fremdem Grund (wozu insbesondere Superädifikate gemäß § 435 ABGB gehören; vgl. dazu die bei Fellner, a.a.O, Rz 52 Abs. 3 zu § 2 GrEStG referierte hg. Judikatur) gleich behandelt. Es kann (insbesondere seit der Aufhebung des § 2 BauRG, der den Kreis der Grundstücke, an denen ein Baurecht begründet werden konnte, stark beschränkt hatte), ohne weiteres der gleiche wirtschaftliche Zweck durch Einräumung eines Baurechtes oder durch Verschaffung eines zeitlich begrenzten Benützungstitels am Grundstück (z.B. durch einen Bestandvertrag) verbunden mit dem Recht des Bestandnehmers, auf dem Grundstück ein Superädifikat zu errichten, erreicht werden. Eine grunderwerbsteuerrechtlich unterschiedliche Behandlung des Schicksals von Superädifikaten und jenen Gebäuden, die auf Grund eines Baurechtes errichtet wurden, nach rechtsgeschäftlicher Aufhebung des Benützungstitels am Grundstück scheint daher nicht gerechtfertigt.
Da die vereinbarte Übertragung des Gebäudes nach Aufhebung des zeitlich begrenzten Benützungstitels am Grundstück im Falle von Superädifikaten auf den Grundeigentümer einen grunderwerbsteuerpflichtigen Vorgang darstellt (Fellner, a.a.O., Rz 59 zu § 2 GrEStG; Taucher, a.a.O., Rz 162, Seite 294, letzter Absatz, und Seite 102 Abs. 3 und 4; Arnold/Arnold, a.a.O., Rz 74 bis 77a zu § 2 GrEStG), ist es im Sinne einer am Gleichheitssatz orientierten, verfassungskonformen Auslegung jedenfalls geboten, auch den durch eine einvernehmlich vorgenommene Aufhebung des Baurechtes bewirkten Erwerb des Eigentumes am Gebäude durch den Grundeigentümer der Steuerpflicht gemäß § 1 Abs. 1 Z. 2 GrEStG zu unterziehen (Fellner, a.a.O., Rz 51 Abs. 1 zu § 2 GrEStG), weil damit der Grundeigentümer, der zuvor durch das bestandene Baurecht auf ein sog. "nudum ius" reduziert war, wieder das Vollrecht an seinem Grundstück, vermehrt um das Bestandteil gewordene Gebäude, erhält. Damit wird im Ergebnis auch die von Arnold/Arnold (a.a.O., Rz 95 Abs. 6 zu § 2 GrEStG) zu Recht als sachlich nicht gerechtfertigt bezeichnete Ungleichbehandlung von Gebäuden auf Basis eines Baurechtes gegenüber Superädifikaten vermieden.
Dem angefochtenen Bescheid haftet daher insoferne, als der Vorgang überhaupt der Grunderwerbsteuer unterzogen wurde, keine Rechtswidrigkeit an.
Da darüber hinaus nach der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes die Bewertung einer Darlehensschuld mit dem Nennwert auch dann nicht rechtswidrig ist, wenn dafür im Rahmen von Förderungsmaßnahmen Annuitätenzuschüsse gewährt werden (vgl. dazu die bei Fellner, a.a.O, Rz 38 zu § 5 GrEStG 1987 angeführte Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes), erweist sich der Bescheid insgesamt als frei von der behaupteten Rechtswidrigkeit, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 19. März 2003
Schlagworte
Auslegung Gesetzeskonforme Auslegung von Verordnungen Verfassungskonforme Auslegung von Gesetzen VwRallg3/3European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2002160083.X00Im RIS seit
05.05.2003Zuletzt aktualisiert am
16.05.2013