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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §66 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Köller und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der A in W, vertreten durch Dr. Michael Mathes und Mag. Laurenz Strebl, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Falkestraße 1, gegen den Bescheid des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen vom 10. August 2000, Zl. 121.479/2-7/98, betreffend Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem GSVG (mitbeteiligte Partei: Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84-86), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, soweit er über die Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung vom 1. bis 30. Juni 1995 abspricht; im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin war persönlich haftende Gesellschafterin (Komplementärin) der mit Gesellschaftsvertrag vom 12. Mai 1991 gegründeten W KEG. Mit Abtretungsvertrag vom 30. Dezember 1992 trat sie ihren Gesellschaftsanteil an dieser KEG ab. Die Abtretung wurde von der Generalversammlung am 2. März 1993 genehmigt. Mit dem am 9. März 1993 beim Handelsgericht Wien als Firmenbuch eingelangten Schriftsatz legte die KEG eine Gesellschafterliste vor (Punkt 1.), gab die Änderung der Firma (Punkt 2.) und der Zustell- und Geschäftsadresse (Punkt 3) bekannt und meldete die Liquidation an (Punkt 4.).
Mit Beschluss vom 13. April 1993 forderte das Handelsgericht Wien die einschreitende KEG auf, innerhalb einer bestimmten Frist einen konkreten Antrag zu stellen (die Anmeldung hat die begehrte Eintragung bestimmt zu bezeichnen). Mit weiterem Beschluss vom 15. September 1993 wurde die Frist zur Verbesserung erstreckt. Mit Beschluss vom 16. November 1993 wies das Handelsgericht Wien den Antrag ab.
Am 1. Juni 1995 langte neuerlich ein Gesuch der KEG beim Handelsgericht Wien als Firmenbuch ein. Mit diesem Gesuch wurde die Löschung der Eintragung der Beschwerdeführerin als Komplementärin begehrt. Diesem Antrag wurde mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 6. Juli 1995 Folge gegeben.
Die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt sprach mit Bescheid vom 8. April 1998 - soweit für das Beschwerdeverfahren von Bedeutung - aus, dass die Pflichtversicherung der Beschwerdeführerin in der Pensionsversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z. 2 GSVG vom 31. Jänner 1992 bis 31. Mai 1995 bestanden habe. In der Begründung wurde dazu ausgeführt, die Pflichtversicherung sei auf Grund des Antrages auf Löschung der Gesellschaftsanteile der Beschwerdeführerin im Firmenbuch vom 1. Juni 1995 mit 31. Mai 1995 beendet worden.
Die Beschwerdeführerin erhob Einspruch, soweit ihre Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung vom 9. März 1993 bis 31. Mai 1995 festgestellt wurde. Sie führte aus, die Löschung ihrer Eintragung als Gesellschafterin sei am 9. März 1993 beantragt worden. Ihre Pflichtversicherung sei sohin mit 31. März 1993 erloschen. Der Umstand, dass der Antrag abgewiesen worden sei, weil die Eingabe nicht von sämtlichen Gesellschaftern (auch der Kommanditisten) unterschrieben worden sei, könne das Ende der Pflichtversicherung nicht hindern. Diese erlösche mit dem Letzten des Kalendermonates, in dem der Antrag gestellt worden sei. Auf die tatsächliche Eintragung komme es nicht an. Auch die Tatsache, dass in der Folge ein weiterer Antrag auf Löschung gestellt worden sei, könne das Ende der Pflichtversicherung nicht hindern.
Der Landeshauptmann von Wien wies mit Bescheid vom 17. August 1998 den Einspruch als unbegründet ab. Als Firmenbucheingabe, deren Einlangen beim Firmenbuch die Pflichtversicherung beende, könne nur eine solche gewertet werden, die nicht in weiterer Folge abgewiesen würde. Der zur Löschung führende Antrag sei am 1. Juni 1995 beim Firmenbuch eingelangt. Die Pflichtversicherung ende daher erst mit 30. Juni 1995. Da die mitbeteiligte Partei jedoch über die Versicherungspflicht der Beschwerdeführerin nur bis 31. Mai 1995 abgesprochen habe, sei hinsichtlich des nach dem 31. Mai 1995 liegenden Zeitraumes nicht abzusprechen gewesen.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde über Berufung der Beschwerdeführerin in Abänderung des Einspruchsbescheides festgestellt, dass die Pflichtversicherung der Beschwerdeführerin in der Pensionsversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z. 2 i.V.m. § 7 Abs. 2 Z. 2 GSVG am 30. Juni 1995 ende. In der Begründung wurde nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens ausgeführt, dass sich der eingangs dargestellte unstrittige Sachverhalt aus dem Beitragsakt der mitbeteiligten Partei ergebe. Der am 9. März 1993 beim Handelsgericht Wien eingelangte Antrag auf Löschung der Beschwerdeführerin als Gesellschafterin der KEG sei mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 16. November 1993 abgewiesen worden. Demnach könne dieser Antrag nicht mehr Gegenstand eines Antrages im Sinne des § 7 Abs. 2 Z. 2 GSVG sein. Erst der am 1. Juni 1995 neuerlich beim Handelsgericht eingelangte Antrag, welcher die Formerfordernisse erfüllt habe, könne damit als rechtswirksamer Antrag im Sinne des § 7 Abs. 2 Z. 2 GSVG angesehen werden und zur Beendigung der Pensionsversicherung nach dem GSVG führen. Sache des Verfahrens sei die Feststellung der Versicherungspflicht der Beschwerdeführerin in der Pensionsversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z. 2 GSVG bzw. die Feststellung des Endigungszeitpunktes nach § 7 Abs. 2 Z. 2 GSVG. Wie sich aus dem Sachverhalt ergebe, sei der rechtswirksame Antrag am 1. Juni 1995 beim Handelsgericht Wien eingelangt. Demnach könne gemäß § 7 Abs. 2 Z. 2 GSVG der Endigungszeitpunkt nur der 30. Juni 1995 sein. Durch diese Feststellung entscheide die belangte Behörde sachlich nicht über "mehr" oder eine "andere Sache" als Gegenstand der Entscheidung der unteren Instanz gewesen sei. Vielmehr ergebe sich diese Entscheidungsbefugnis der belangten Behörde aus der Tatsache, dass die Berufungsbehörde gemäß § 66 Abs. 4 AVG berechtigt sei, den Bescheid zum Zwecke der Sicherstellung der objektiven Rechtmäßigkeit in jeder Hinsicht abzuändern.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte deren Behandlung ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab (Beschluss vom 4. Oktober 2000, B 1561/00). Vor dem Verwaltungsgerichtshof hält die Beschwerdeführerin einerseits an ihrer bereits im Verwaltungsverfahren vorgetragenen Ansicht fest, bereits der am 9. März 1993 beim Handelsgericht Wien eingelangte Antrag auf Löschung führe zum Ende der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung mit dem 31. März 1993. Andererseits habe die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid aber auch dadurch mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, weil sie erstmals mit dem angefochtenen Bescheid festgestellt habe, dass auch für den Zeitraum 1. Juni bis 30. Juni 1995 Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung bestehe.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, nahm von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand und beantragt die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet. Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift, in der sie ebenfalls die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 7 Abs. 2 Z. 2 GSVG endet die Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung beim Ausscheiden des Gesellschafters aus der Gesellschaft mit dem Letzten des Kalendermonates, in dem die Löschung der Eintragung des Gesellschafters im Firmenbuch beantragt worden ist.
Im vorliegenden Fall ist das Tatbestandserfordernis des Ausscheidens der Beschwerdeführerin als Gesellschafter aus der KEG nicht strittig. Nach § 143 HGB ist das Ausscheiden eines Gesellschafters zur Eintragung ins Firmenbuch anzumelden. Für das Ende der Pflichtversicherung ist nach § 7 Abs. 2 Z. 2 GSVG lediglich das Einlangen des Löschungsgesuches beim Firmenbuchgericht entscheidend (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 31. Mai 2000, 98/08/0070). Im vorliegenden Fall ist das der am 1. Juni 1995 beim Handelsgericht Wien eingelangte Antrag. Der Hinweis der Beschwerdeführerin auf das am 9. März 1993 bei dem genannten Gericht eingelangte Gesuch geht fehl, weil damit kein Antrag auf Löschung der Eintragung der Beschwerdeführerin als Gesellschafterin gestellt wurde.
Gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat die Berufungsbehörde außer in den im Abs. 2 dieser Bestimmung erwähnten Fall, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Dies berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid in jeder Richtung abzuändern. Der Abspruch über die Versicherungspflicht ist stets zeitraumbezogen zu beurteilen und insoweit auch teilbar. Die belangte Behörde war daher nur insoferne berechtigt, die Entscheidung des Landeshauptmannes in jeder Richtung abzuändern, als über den betreffenden Zeitraum im Verfahren bereits in bestimmter Weise entschieden worden ist. Was Sache des Rechtsmittelverfahrens ist, wird in erster Linie vom Gegenstand des erstinstanzlichen Bescheides bestimmt, der durch das Rechtsmittel einer Partei zwar weiter eingeschränkt, nicht aber erweitert werden kann. Was Gegenstand des erstinstanzlichen Bescheides ist, ergibt sich aus dessen Spruch und Begründung.
Es gab weder einen Antrag einer Partei an die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt, die Versicherungspflicht über den 31. Mai 1995 hinaus auch für den Monat Juni festzustellen, noch war die Versicherungspflicht für Juni 1995 strittig. Auch ist der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides nicht zu entnehmen, dass mit der Beendigung der Versicherungspflicht mit 31. Mai 1995 auch über die Versicherungspflicht für Juni 1995 (implicit) in abweislichem Sinne entschieden werden sollte, sodass die Beendigung der Versicherungspflicht mit 31. Mai auch in Verbindung mit der Begründung des Bescheides weder als implicite Abweisung eines Mehrbegehrens noch (anders gewendet) als teilweise Stattgebung eines Ansuchens gedeutet werden kann. Die Versicherungspflicht für Juni 1995 war daher nicht Sache des Verfahrens. Die belangte Behörde handelte daher rechtswidrig, wenn sie den Einspruchsbescheid hinsichtlich des unangefochten gebliebenen Zeitraumes vom 1. bis 30. Juni 1995 änderte.
Der angefochtene Bescheid war daher in diesem Teil gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Im Übrigen war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Das Mehrbegehren hinsichtlich der Umsatzsteuer war abzuweisen, weil neben dem pauschalierten Schriftsatzaufwand ein Kostenersatz unter dem Titel von Umsatzsteuer nicht zusteht (vgl. Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Auflage, 686) und dieser pauschalierte Schriftsatzaufwand nach der zitierten Verordnung EUR 908,-- beträgt.
Wien, am 19. März 2003
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die SacheEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2000080172.X00Im RIS seit
08.05.2003Zuletzt aktualisiert am
24.09.2012