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62 Arbeitsmarktverwaltung;Norm
AlVG 1977 §10 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des K in W, vertreten durch Dr. Christian Nurschinger, Rechtsanwalt in 1150 Wien, Hütteldorfer Straße 81 B/Top 8, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 20. April 2000, Zl. LGSW/Abt. 10- AlV/1218/56/1999-1959, betreffend Verlust des Anspruches auf Notstandshilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde gemäß § 10 i.V.m. § 38 AlVG der Verlust des Anspruches des Beschwerdeführers auf Notstandshilfe für die Zeit vom 11. August 1999 bis 21. September 1999 ausgesprochen. Nach Gesetzeszitaten führte die belangte Behörde aus, die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice habe mit Bescheid vom 30. August 1999 den Verlust des Anspruches auf Notstandshilfe für den genannten Zeitraum ausgesprochen, weil sich der Beschwerdeführer geweigert habe, an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung ins Berufsleben teilzunehmen. Der Beschwerdeführer habe in seiner Berufung ausgeführt, nicht er habe sich geweigert, an dieser Maßnahme teilzunehmen, sondern das Arbeitsmarktservice habe ihm die Teilnahme am Kurs verweigert.
Im Rahmen des Berufungsverfahrens sei festgestellt worden, dass der Beschwerdeführer am 11. August 1999 an der Maßnahme "Vermittlungspool zur Wiedereingliederung ins Berufsleben" teilgenommen habe. Die Teilnahme an dieser Wiedereingliederungsmaßnahme sei dem Beschwerdeführer auf Grund eines mit ihm vereinbarten Betreuungsplanes zugewiesen worden, um Bewerbungsdefizite zu beheben und Hilfestellungen für Bewerbungen im Baugewerbe zu bieten. Die konkrete Maßnahme sei somit geeignet gewesen, das Beschäftigungsproblem des Beschwerdeführers längerfristig zu lösen.
Am 12. August 1999 sei bei der regionalen Geschäftsstelle mit dem Beschwerdeführer eine Niederschrift aufgenommen worden. Demnach habe der Beschwerdeführer angegeben, er habe am 11. August 1999 ein Vorstellungsgespräch geführt und habe daher an diesem Tag am Kurs nur eine halbe Stunde teilnehmen können.
Nach der im Zuge des Berufungsverfahrens mit ihm aufgenommenen Niederschrift habe er an diesem Tag nicht länger als zwei Stunden am Kurs teilgenommen. Dann sei er sich vorstellen gegangen. Am 12. August 1999 sei er wieder in den Kurs gegangen. Dort sei er gefragt worden, was aus seinem Job geworden sei. Der Beschwerdeführer hätte geantwortet, das werde sich erst herausstellen. Daraufhin sei er von der Trainerin des Kurses zum Arbeitsmarktservice geschickt worden. Dort sei ihm mitgeteilt worden, dass er an der Maßnahme nicht mehr teilzunehmen brauche und der Leistungsbezug für sechs Wochen gesperrt werde. Der Beschwerdeführer habe in dieser Niederschrift auf eine schlechte Gesprächsbasis mit der Trainerin des Kurses hingewiesen. Diese habe von ihm eine Zeitbestätigung betreffend das Vorstellungsgespräch eingefordert. Er habe eine solche nicht vorgelegt, weil sie vorher von ihm nicht verlangt worden sei.
Die Projektleiterin des Kurses habe dazu angegeben, der Beschwerdeführer habe nach Kurseröffnung durch den Poolmanager ohne Angabe von Gründen und unter lauten Protestkundgebungen über die Sinnlosigkeit des Jobcoachings die Kursräume verlassen. Aus diesem Grunde sei er vom Kurs abgemeldet worden.
Der Beschwerdeführer habe zu dieser Stellungnahme trotz Aufforderung keine Äußerung abgegeben. Die belangte Behörde sei daher auf Grund der von der Projektleiterin erfolgten Stellungnahme zur Ansicht gelangt, dass der Beschwerdeführer durch sein Verhalten den Erfolg der Maßnahme im Sinne des § 10 Abs. 1 AlVG vereitelt habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Bezug von Notstandshilfe verletzt. Der Beschwerdeführer wirft der belangten Behörde zusammengefasst vor, sie habe sich mit seinem Vorbringen nicht beschäftigt. Er habe im Verwaltungsverfahren vorgebracht, das sogenannte Jobcoaching sei ineffizient, sinnlos und nicht geeignet, die Vorstellungschancen auch nur eines der Teilnehmer dieses "sogenannten Kurses" zu verbessern. Die belangte Behörde habe diesbezügliche Ermittlungen unterlassen. Unbeschadet dieser seiner Ansicht und seines Vorbringens habe er auch am 12. August 1999 den Kurs wiederum besucht.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 9 Abs. 1 AlVG ist arbeitswillig, wer u.a. bereit ist, sich zum Zwecke beruflicher Ausbildung nach- bzw. umschulen zu lassen oder an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt teilzunehmen.
§ 10 Abs. 1 AlVG bestimmt (u.a.), dass der Arbeitslose für die Dauer der Weigerung, jedenfalls aber für die Dauer der auf die Weigerung folgenden sechs Wochen den Anspruch auf Arbeitslosengeld verliert, wenn er ohne wichtigen Grund die Teilnahme an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt verweigert oder den Erfolg der Maßnahme vereitelt.
Diese Bestimmungen sind nach § 38 AlVG auf die Notstandshilfe sinngemäß anzuwenden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 2000, Zl. 99/03/0132) ausgeführt, es könne aus den §§ 9 Abs. 1 und 10 Abs. 1 AlVG nicht abgeleitet werden, dass es im freien Belieben des Arbeitsmarktservice stünde, einem Arbeitslosen (auch einem Langzeitarbeitslosen) entweder eine Arbeitsstelle zu vermitteln oder ihn einer Nach- oder Umschulung zuzuweisen. Eine solche Zuweisung vermöge sich insbesondere nicht auf die vom Arbeitslosen auch wiederholt an den Tag gelegte Unwilligkeit, eine ihm durch das Arbeitsmarktservice zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen, zu stützen. Für eine solche Maßnahme sei vielmehr Voraussetzung, dass die Kenntnisse und Fähigkeiten des Arbeitslosen für die Vermittlung einer zumutbaren Beschäftigung nach Lage des in Betracht kommenden Arbeitsmarktes nicht ausreichend seien. Das Arbeitsmarktservice habe diese Voraussetzung zu ermitteln und das Ergebnis ihres Ermittlungsverfahrens dem Arbeitslosen - unter Hinweis auf die Rechtsfolgen einer Weigerung - zur Kenntnis zu bringen. Von einer den Verlust des Anspruches auf Arbeitslosengeld nach sich ziehenden ungerechtfertigten Weigerung des Arbeitslosen, an einer ihm zugewiesenen Nach- oder Umschulungsmaßnahme teilzunehmen, könne dem gemäß nur dann gesprochen werden, wenn diese Zuweisung sich konkret auf eine solche Maßnahme beziehe und die Weigerung in objektiver Kenntnis des Inhaltes und der Zumutbarkeit sowie Erforderlichkeit einer solchen Maßnahme erfolge.
Diese Subsidiarität gilt - angesichts des nach wie vor bestehenden Vorranges der Eingliederung bzw. Vermittlung einer dem Arbeitslosen zumutbaren Beschäftigung durch seine eigenen, von ihm zu entfaltenden Bemühungen oder durch das Arbeitsmarktservice - in entsprechender Weise auch im Verhältnis zu einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt. Dem gemäß liegt eine ungerechtfertigte Weigerung eines Arbeitslosen, an einer solchen Maßnahme teilzunehmen, nur dann vor, wenn es sich überhaupt um eine solche Maßnahme handelt, wenn feststeht, dass die Kenntnisse und Fähigkeiten des Arbeitslosen für die Vermittlung einer zumutbaren Beschäftigung nach Lage des in Betracht kommenden Arbeitsmarktes nicht ausreichend sind und es daher solcher Maßnahmen zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt bedarf, und wenn schließlich das Arbeitsmarktservice das Ergebnis des diesbezüglichen Ermittlungsverfahrens dem Arbeitslosen - unter Hinweis auf die Rechtsfolgen einer Weigerung - zur Kenntnis gebracht hat und der Arbeitslose dennoch ohne wichtigen Grund die Teilnahme an dieser Maßnahme ablehnt (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung etwa das hg. Erkenntnis vom 3. Juli 2002, 2002/08/0036).
Nach der Judikatur müssen die Voraussetzungen für die Zuweisung zu einer Maßnahme nicht notwendigerweise im Bescheid über die Verhängung einer Sperrfrist genannt werden. Es ist ausreichend, wenn dem Beschwerdeführer die objektive Notwendigkeit der in Rede stehenden Maßnahme anlässlich der Zuweisung zu der selben, das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens in Ansehung seiner fehlenden Kenntnisse und Fähigkeiten für die Vermittlung einer zumutbaren Beschäftigung nach Lage des in Betracht kommenden Arbeitsmarktes und die Notwendigkeit gerade dieser Maßnahme zur Wiedereingliederung dargelegt werden und er auf die Rechtsfolgen einer Weigerung hingewiesen wird (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 22. Jänner 2003, 2000/08/0041, m.w.N.).
Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage wäre es für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides erforderlich, dass hinsichtlich der objektiven Notwendigkeit der gegenständlichen Maßnahme dem Beschwerdeführer vor der Zuweisung das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens in Ansehung seiner fehlenden Kenntnisse und Fähigkeiten für die Vermittlung einer zumutbaren Beschäftigung nach Lage des in Betracht kommenden Arbeitsmarktes und der Notwendigkeit gerade dieser Maßnahmen zur Wiedereingliederung dargelegt und er auf die Rechtsfolgen einer Weigerung hingewiesen worden wäre. Versäumnisse anlässlich der Zuweisung, hier der Vereinbarung des Betreuungsplanes, können nach Beginn der Maßnahme nicht mehr nachgeholt werden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 8. September 2000, 2000/19/0035, m.w.N.).
Der angefochtene Bescheid enthält keinen Hinweis darauf, dass mit dem Beschwerdeführer die Frage der Sinnhaftigkeit der in Aussicht genommenen Maßnahme erörtert worden wäre und dass er auf die Rechtsfolgen einer Weigerung hingewiesen worden wäre. Anhaltspunkte für eine Belehrung über die Rechtsfolgen können auch dem Akteninhalt nicht entnommen werden. Dem Akt sind Texte über Eintragungen vom 1. Juni 1999 und 13. Juli 1999 angeschlossen, die Auskunft über den von der belangten Behörde angenommenen "vereinbarten Betreuungsplan" geben. Die Eintragung vom 1. Juni 1999 lautet, soweit hier von Bedeutung, wie folgt:
"Weiters Vormerkung Einzelcoaching, um den RS auf diese Art eine Wiederintegration zu ermöglichen, da eine intensive Betreuung sinnvoll erscheint."
Die Eintragung vom 13. Juli 1999 lautet:
"Vermittlung als: Berufsbereich bzw. den Kundenwünschen entsprechend unterstützende Aktivitäten: Vermittlungspool bzw. Gruppencoaching, um Bewerbungsdefizite zu beheben und eine individuelle Entwicklungsperspektive zu erarbeiten.
Eigenaktivitäten: Teilnahme an der Maßnahme unter Beachtung der vereinbarten Betreuungstermine.
Betreuungskontakte/Meldetermine: wöchentliche Kontakte wurden verbindlich nach Maßgabe des § 49 AlVG vereinbart. Diese Vereinbarung gilt bis längstens: Ende der Maßnahme."
Eine Erörterung im oben genannten Sinn und eine Belehrung über die Rechtsfolgen der Weigerung ist diesen Eintragungen nicht zu entnehmen. Auch im angefochtenen Bescheid finden sich keine Feststellungen über eine derartige Belehrung. Die Bescheidfeststellungen sind daher nicht geeignet, dessen Spruch zu tragen.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 19. März 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2000080087.X00Im RIS seit
08.05.2003