Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
GütbefG 1995 §23 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winter, über die Beschwerde des K, vertreten durch Dr. Brigitte Weirather, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Andreas-Hofer-Straße 34/II, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 24. Oktober 2002, Zl. VwSen-110286/20/Le/Ni, betreffend Übertretung des Güterbeförderungsgesetzes 1995, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1.1. Mit hg. Erkenntnis wurde die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 23. Oktober 2001 wegen Übertretung des Güterbeförderungsgesetzes 1995 hinsichtlich des Schuldspruches als unbegründet abgewiesen, im Übrigen, also hinsichtlich des Ausspruches über die verhängte Strafe und die diesbezüglichen Kosten des Berufungsverfahrens, wurde dieser Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben. Hinsichtlich der Vorgeschichte wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf das hg. Erkenntnis vom 3. September 2002, Zl. 2001/03/0415, verwiesen.
1.2. Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen den von der belangten Behörde im fortgesetzten Verfahren erlassenen Bescheid, mit dem der Berufung des Beschwerdeführers gegen die Höhe der Strafe keine Folge gegeben und das vor der belangten Behörde angefochtene Straferkenntnis diesbezüglich mit der Maßgabe bestätigt wurde, dass der Strafbetrag anstelle von S 20.000,-- nunmehr EUR 1.453,46 zu lauten habe.
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass auf den Fall des Beschwerdeführers die Novelle zum Güterbeförderungsgesetz 1995 BGBl. I Nr. 106/2001 deshalb nicht anzuwenden sei, weil sie erst nach Erlassung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses in Kraft getreten sei. Für die Bemessung der Strafe sei nach § 23 Abs. 1 Einleitungssatz des Güterbeförderungsgesetzes 1995 ein Strafrahmen "von Null bis S 100.000,--" ausschlaggebend, wobei nach dem Euro-Umstellungsgesetz anstelle des Betrages von S 100.000,-- ein Betrag von EUR 7.267,-- zu treten habe. Die belangte Behörde sei auch der Auffassung, dass die Strafbemessung durch die Erstbehörde - die eine Geldstrafe in der Höhe von S 20.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 10 Tagen) verhängt hätte - entsprechend den Grundsätzen des § 19 VStG erfolgt sei und eine Herabsetzung dieser Strafe nicht in Betracht komme. Im Beitrittsvertrag Österreichs zur Europäischen Union (damals noch Europäische Wirtschaftsgemeinschaft) seien nach langen Verhandlungen Transitbeschränkungen hinsichtlich des Lkw-Transitverkehrs durch Österreich in dem erklärten Wunsch vereinbart worden, die internationale Zusammenarbeit und den internationalen Austausch durch eine koordinierte Europäische Verkehrspolitik zu fördern, aber auch (unter anderem) in der Erwägung, die bestehenden quantitativen und auch qualitativen Belastungen schnellstens abzubauen. Auf das Protokoll Nr. 9 des Beitrittsvertrages aufbauend seien die Verordnung (EG) Nr. 3298/94 der Europäischen Kommission vom 21. Dezember 1994 erlassen und darin die verfahrenstechnischen Einzelheiten im Zusammenhang mit dem System von Transitrechten (Ökopunkten) festgelegt worden. Durch die vorliegende Tat seien die mit der genannten Verordnung geschützten Interessen Österreichs besonders geschädigt bzw. gefährdet worden: Die Ökopunkteregelung habe den Zweck, Transitfahrten mit Lastkraftwagen nach Österreich zu beschränken, um den schädlichen Umweltauswirkungen durch die Belastungen von Straßen- und Verkehrssicherheit durch den Lkw-Verkehr auf ein erträgliches Maß zu beschränken. Wenn Lastkraftwagen im Transitverkehr durch Österreich führen, ohne die erforderlichen Ökopunkte zu entrichten, so würden sie diese Schutzgüter über das "von der EU" genehmigte Ausmaß hinaus belasten, weil damit zusätzliche Fahrten bis zum Aufbrauchen der Ökopunkte möglich würden. Überdies sei gemäß § 19 VStG bei der Strafbemessung auf das Ausmaß des Verschuldens besonders Bedacht zu nehmen: es sei als straferhöhend zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer diese Tat vorsätzlich begangen habe. Diesbezüglich werde auf den Bescheid der belangten Behörde vom 23. Oktober 2001 verwiesen, der nach dem eingangs genannten hg. Erkenntnis rechtskräftig sei. Als einziger Milderungsgrund sei die absolute Unbescholtenheit zu berücksichtigen gewesen. Ebenso seien bereits von der Erstbehörde die erhobenen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse berücksichtigt worden, denen der Beschwerdeführer im Berufungsverfahren nicht widersprochen habe. In Anbetracht der vorsätzlichen Tatbegehung und der "mehrfachen Verletzung der durch die Ökopunkteverordnung geschützten Interessen (Umwelt, Straßenzustand, Verkehrssicherheit)" sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
1.3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.
1.4. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
2. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
2.1. Zunächst ist festzuhalten, dass die belangte Behörde bei der Erlassung ihres den Beschwerdeführer betreffenden Bescheides vom 23. Oktober 2001 § 23 Abs. 2 des Güterbeförderungsgesetzes 1995 nicht nur in seiner Fassung vor der im angefochtenen Bescheid genannten Novelle BGBl. Nr. 106/2001, sondern auch noch vor seiner partiellen Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof (vgl. die Kundmachung BGBl. I Nr. 37/2002) anzuwenden hatte und daher im Fall des Beschwerdeführers jedenfalls die damals dort vorgesehene Mindeststrafe verhängt hatte. Daran vermag der Hinweis der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid, in ihrem Bescheid vom 23. Oktober 2001 sei in Anbetracht der Tatumstände und der Verschuldensform des Vorsatzes die damals mit S 20.000,-- festgesetzte Geldstrafe im Strafrahmen bis zu S 100.000,-- vergleichsweise gering bemessen worden, und sie habe dabei keinen Bezug auf die damals geltende Mindeststrafenregelung nehmen wollen, nichts zu ändern.
2.2. Gemäß § 19 Abs. 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46 VStG) sind nach Abs. 2 der genannten Bestimmung überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung der Geldstrafen zu berücksichtigen. Die Strafbemessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens stellt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Ermessensentscheidung dar. Gemäß Art. 130 Abs. 2 B-VG liegt im Bereich des verwaltungsbehördlichen Ermessens Rechtswidrigkeit dann nicht vor, wenn die Behörde von diesem Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat. Demgemäß obliegt es der Behörde, in Befolgung der Anordnung des § 60 AVG, der gemäß § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwenden ist, in der Begründung ihres Bescheides die für die Ermessensübung maßgeblichen Umstände und Erwägungen insoweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfung des Ermessensaktes auf seine Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes erforderlich ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 12. Dezember 2001, Zlen. 2001/03/0027, 0392, mwH).
Die belangte Behörde hat ausgeführt, dass dem Beschwerdeführer "als einziger Milderungsgrund" "seine absolute Unbescholtenheit" zugute kommt. Von daher ist aber die von der belangten Behörde festgesetzte Strafe von EUR 1.453,46 - wobei sie infolge des besagten Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes die angesprochene Mindeststrafenregelung nicht mehr anzuwenden hatte - im Grunde des § 19 VStG als überhöht anzusehen, ist diese doch - wenngleich im Strafrahmen von bis zu S 100.000,- (nach der Behörde nunmehr EUR 7.267,--) im unteren Bereich festgelegt - von ihrer Höhe her nicht als dem Milderungsgrund der absoluten Unbescholtenheit Rechnung tragend einzustufen.
Ungeachtet dessen ist anzumerken, dass die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid den Unrechtsgehalt der dem Beschwerdeführer zur Last liegenden Tat nicht richtig gewertet hat. Der Gesetzgeber hat die Reduktion des Strafrahmens für das dem Beschwerdeführer vorgeworfene Delikt auf Geldstrafen bis zu
S 10.000,-- (somit einer Höchststrafe, die nur mehr die Hälfte der ursprünglich vorgesehenen Mindeststrafe beträgt) mit der schon genannten Änderung des Güterbeförderungsgesetzes 1995 mit Bundesgesetz BGBl. I Nr. 106/2001 damit begründet, dass ein solches Vergehen "vorwiegend im wirtschaftlichen Interesse des Unternehmers" liege (vgl. die Erläuterungen zur RV 668 BlgNR
21. GP, Besonderer Teil, Zu Z 20 (§ 23)). Aus dieser Reduktion und dieser Begründung ist erkennbar, dass der mit einer solchen Übertretung verbundenen Gefährdung öffentlicher Interessen ein viel geringerer Unwert beizumessen ist, als dies durch die belangte Behörde im vorliegend angefochtenen Bescheid erfolgte. Vergleichbare Überlegungen werden (näher) auch in dem schon angesprochenen Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 14. Dezember 2001, G 181/01 ua, (vgl. Punkt III.2.2, wo auch auf die genannten Gesetzesmaterialien verwiesen wird) angestellt. Wenn auch diese Überlegungen vom Gesetzgeber (bzw. vom Verfassungsgerichtshof) erst nach der Tat des Beschwerdeführers angestellt wurden, hätte die belangte Behörde diese bei ihrer infolge der Aufhebung ihres Bescheides vom 23. Oktober 2001 nunmehr vorliegend vorzunehmenden Strafbemessung berücksichtigen müssen, zumal sie wie erwähnt die angesprochene Mindeststrafenregelung - die den hohen Unrechtsgehalt der vorgeworfenen Tat nahelegte - nicht mehr anzuwenden hatte.
2.3. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
2.4. Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 19. März 2003
Schlagworte
Erschwerende und mildernde Umstände AllgemeinEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2002030293.X00Im RIS seit
07.05.2003