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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AsylG 1997 §5 Abs1 idF 1999/I/004;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Sulzbacher, Dr. Grünstäudl und Dr. Berger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Nichtowitz, über die Beschwerde des B in Wien, geboren 1974, vertreten durch Mag. Dr. Oskar Wanka, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 27/6, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 9. Februar 2001, Zl. 220.885/1-I/02/01, betreffend § 5 Abs. 1 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsbürger und Angehöriger der Volksgruppe der Kurden, reiste am 26. August 2000 von Italien kommend (illegal) in das Bundesgebiet ein und beantragte mit Schreiben vom 28. August 2000 die Gewährung von Asyl.
Dieser Asylantrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 22. Jänner 2001 "ohne in die Sache einzutreten" gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen. Diese Entscheidung wurde mit der Feststellung verbunden, für die Prüfung des Asylantrages sei gemäß Art. 6 und Art. 11 Abs. 4 des Dubliner Übereinkommens (DÜ), BGBl. III Nr. 165/1997, Italien zuständig. Unter einem wurde die Ausweisung des Beschwerdeführers "nach Italien" ausgesprochen. Die dagegen erhobene Berufung wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid vom 9. Februar 2001 gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ab.
Über die gegen diesen Berufungsbescheid eingebrachte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Die Asylbehörden haben die Annahme, für die Prüfung des vorliegenden Asylantrages sei Italien zuständig, auf Art. 6 in Verbindung mit Art. 11 Abs. 4 DÜ gestützt. Nach Abs. 1 der erstgenannten Bestimmung ist - wenn der Asylwerber aus einem Drittstaat die Grenze eines Mitgliedstaats illegal auf dem Land-, See- oder Luftweg überschritten hat - der Mitgliedstaat für die Antragsprüfung zuständig, über den der Asylwerber nachweislich eingereist ist. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, über Italien, wohin der Beschwerdeführer nach seinen Angaben unter Umgehung der Grenzkontrolle von einem Nicht-EU-Mitgliedstaat kommend gelangt war, illegal nach Österreich eingereist zu sein. Schon daraus folgt für den vorliegenden Fall, dass die Asylbehörden zu Recht die Zuständigkeit Italiens, das nach der Aktenlage unter Bezugnahme auf das fristgerechte (Art. 11 Abs. 1 DÜ) Aufnahmeersuchen des Bundesasylamtes mit Note des Innenministers vom 26. Februar 2001 die Überstellung des Beschwerdeführers auch ausdrücklich "akzeptiert" hat, zur Prüfung des gegenständlichen Asylantrages angenommen haben.
Das wird auch in der Beschwerde nicht in Frage gestellt. Der Beschwerdeführer wendet jedoch ein, er habe im Verwaltungsverfahren darauf verwiesen, dass er von Italien in die Türkei - ohne Durchführung eines Asylverfahrens - zurückgeschoben werde, wo er auf Grund seiner kurdischen Volkszugehörigkeit um Freiheit und Leben fürchten müsse. Die belangte Behörde habe sich in keiner Weise mit der "spezifischen Situation" des Beschwerdeführers befasst. Mit diesen Ausführungen bezieht sich der Beschwerdeführer auf seine bereits in erster Instanz und in der Berufung in diesem Sinn vorgetragenen Behauptungen.
Diesem Vorbringen wäre im Hinblick auf die im hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 23. Jänner 2003, Zl. 2000/01/0498, angestellten Erwägungen Bedeutung zugekommen. Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Erkenntnis in Anlehnung an die im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 8. März 2001, G 117/00 ua., vertretene Ansicht ausgeführt, er halte an seinen Rechtssätzen, wonach § 5 AsylG keiner verfassungskonformen Auslegung im Sinn einer Bedachtnahme auf Art. 3 und 8 EMRK zugänglich sei und dem Asylbewerber (Antragsteller) kein subjektivöffentliches Recht auf Eintritt eines nach dem Wortlaut des Dubliner Übereinkommens unzuständigen Mitgliedstaates (Österreich) in die Prüfung des Asylantrages zustehe, nicht fest, sondern schließe sich der (dort näher wiedergegebenen) Ansicht des Verfassungsgerichtshofes an. Gemäß § 43 Abs. 2 VwGG wird auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen (vgl. zur unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 EMRK beurteilten "Kettenabschiebung" auch das hg. Erkenntnis vom 18. Februar 2003, Zl. 2000/01/0386, und die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom 11. Juni 2001, B 1541/00, darauf verweisend B 1351/00 und B 308/00).
Da sich die belangte Behörde mit dem erwähnten Vorbringen des Beschwerdeführers - dessen Relevanz unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 EMRK nicht von vornherein ausgeschlossen erscheint - in der Begründung des angefochtenen Bescheides überhaupt nicht auseinandergesetzt hat, war dieser wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.
Wien, am 20. März 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2001200288.X00Im RIS seit
08.05.2003