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50 GewerberechtNorm
B-VG Art144 Abs1 / AnlaßfallLeitsatz
Anlaßfallwirkung der Aufhebung der Einkaufszentren-V, BGBl II 69/1998, mit E v 02.12.99, G96/99, V50/99 ua.Spruch
Die beschwerdeführende Gesellschaft ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in ihren Rechten verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten) ist schuldig, der beschwerdeführenden Gesellschaft zu Handen ihres Rechtsvertreters die mit S 29.500,- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1.1. Die beschwerdeführende Gesellschaft betreibt seit 1989 in Pasching (OÖ) das Einkaufszentrum Plus-City. Sie brachte am 23. November 1998 ein Ansuchen um Änderung der bestehenden Betriebsanlage im Standort Pasching ein und wurde von der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land in der Folge aufgefordert, die erforderlichen Projektsunterlagen gemäß §77 Abs6 GewO 1994 und §4 Einkaufszentren - Verordnung (im folgenden EKZ - VO) vorzulegen oder das Ansuchen zurückzuziehen. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land übermittelte der beschwerdeführenden Gesellschaft eine Stellungnahme der Abteilung Raumordnung und Bautechnischer Sachverständigendienst des Amtes der Oberösterreichischen Landesregierung, wonach der Standort Plus-City nicht als Stadt- und Ortskerngebiet angesehen werde.
Die beschwerdeführende Gesellschaft teilte mit, dass sie ihr Ansuchen weiterhin aufrechterhalte und die Auffassung vertrete, dass sich der Standort sehr wohl im Stadt- oder Ortskerngebiet befinde. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land forderte die beschwerdeführende Gesellschaft am 20. Mai 1999 neuerlich auf, die erforderlichen Beurteilungsgrundlagen vorzulegen, insbesondere eine genaue Aufstellung der einzelnen Handelsbereiche, aus der hervorgehe, welcher Teil der Verkaufsfläche dem Verkauf welcher Warengruppe diene. Die beschwerdeführende Gesellschaft stellte in der Folge einen Antrag auf Fristerstreckung zur Einholung eines Sachverständigengutachtens.
1.2. Mit Bescheid vom 14. Juni 1999 hat die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land das Ansuchen der beschwerdeführenden Gesellschaft vom 23. November 1998 mangels Vorlage der angeforderten Unterlagen zurückgewiesen ohne über den Fristerstreckungsantrag zu entscheiden. Der Landeshauptmann von Oberösterreich hat mit dem angefochtenen Bescheid der dagegen erhobenen Berufung keine Folge gegeben.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung näher bezeichneter verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte sowie die Verletzung in Rechten durch Anwendung rechtswidriger genereller Normen (in concreto des §77 Abs5 bis 8 GewO 1994 und der Einkaufszentren-Verordnung, BGBl. II Nr. 69/1998) geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
3. Der Landeshauptmann von Oberösterreich legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der er die Abweisung der Beschwerde beantragt.
4. Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten teilte mit, "dass die im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof G96/99, V50/99 erstattete Äußerung vom 12. August 1999 (...) auch zur Stellungnahme im gegenständlichen Verfahren erhoben" werde.
Dazu ist zu bemerken, dass ein bloßer Verweis auf einen in einem anderen - nicht verbundenen - Verfahren erstatteten Schriftsatz unzulässig ist (vgl. VfSlg. 8602/1979, 11.611/1988, 12.698/1991).
II. Aus Anlass der Beschwerde zu B2000/98 hat der Verfassungsgerichtshof von Amts wegen gemäß Art140 Abs1 B-VG mit Beschluss vom 10. Juni 1999 ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Worte "keine Gefährdung der Nahversorgung der Bevölkerung mit Konsumgütern und Dienstleistungen im Einzugsbereich sowie" im §77 Abs5 Z2 sowie der Abs6 und 8 des §77 GewO 1994 idF BGBl. I Nr. 63/1997 eingeleitet.
Weiters hat der Verfassungsgerichtshof gemäß Art139 Abs1 B-VG ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit der Einkaufszentren-Verordnung, BGBl. II Nr. 69/1998, eingeleitet.
In der nichtöffentlichen Sitzung am 2. Dezember 1999, protokolliert zu G96/99, V50/99 u.a., hat der Verfassungsgerichtshof von den in Prüfung gezogenen gesetzlichen Bestimmungen nur §77 Abs8 GewO 1994 als verfassungswidrig und die in Prüfung gezogene Verordnung zur Gänze als gesetzwidrig aufgehoben.
III. 1. Gemäß Art139 Abs6 B-VG wirkt die Aufhebung einer Verordnung auf den Anlassfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlassfalles so vorzugehen, als ob die als gesetzwidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrundegelegten Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.
Dem in Art139 Abs6 B-VG genannten Anlassfall (im engeren Sinn), anlässlich dessen das Normenprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind all jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Verordnungsprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (VfSlg. 10.616/1985, 11.711/1988).
Die nichtöffentliche Beratung im Normenprüfungsverfahren zu G96/99, V50/99 u.a. begann am 13. Oktober 1999. Die vorliegende Beschwerde ist beim Verfassungsgerichtshof am 24. September 1999 eingelangt, war also zum Zeitpunkt des Beginns der nichtöffentlichen Beratung im Verfahren zu G96/99, V50/99 u.a. schon anhängig; der Fall ist somit einem Anlassfall gleichzuhalten.
Die belangte Behörde wendete bei Erlassung des angefochtenen Bescheides die als gesetzwidrig aufgehobene Verordnung an, da sich der der beschwerdeführenden Gesellschaft erteilte Mängelbehebungsauftrag auf §13 Abs3 AVG iVm §4 EKZ-VO stützte. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, dass diese Anwendung für die Rechtsstellung der beschwerdeführenden Gesellschaft nachteilig war. Die beschwerdeführende Gesellschaft wurde somit wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in ihren Rechten verletzt.
Der Bescheid ist daher aufzuheben.
2. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG 1953 abgesehen.
3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VerfGG 1953. In den zuerkannten Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von S 4.500,-
und eine Eingabegebühr von S 2.500,- enthalten. Darüber hinaus waren keine Kosten zuzusprechen.
Schlagworte
VfGH / AnlaßfallEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2000:B1579.1999Dokumentnummer
JFT_09999772_99B01579_00