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L37156 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §68 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofer, über die Beschwerde der K KG in G, vertreten durch Eisenberger - Herzog - Nierhaus - Forcher & Partner, Rechtsanwaltssozietät in Graz, Hilmgasse 10, gegen den Bescheid der Berufungskommission der Landeshauptstadt Graz vom 2. April 2001, Zlen. A - 17 - 2.269/2001 - 1 und A - 17 - 2.268/2001 - 1, betreffend die Zurückweisung von Bauansuchen wegen entschiedener Sache, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Landeshauptstadt Graz hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Vorgeschichte des Beschwerdefalles ist dem hg. Erkenntnis vom 5. Dezember 2000, Zl. 99/06/0196, zu entnehmen. Es geht um eine bebaute Liegenschaft in Graz, welche die Beschwerdeführerin (die nach ihrem damaligen Vorbringen elektrisch betriebene Einfahrts- und Hallentore herstellt) zu Betriebszwecken nützt. Die nun verfahrensgegenständlichen Bauvorhaben betreffen offensichtlich den Bereich des "neuen Lagers" (wie das eine Bauwerk, um welches im vorangegangenen Beschwerdeverfahren ging, im Erkenntnis vom 5. Dezember 2000 bezeichnet wurde), und ein Tor zur Straße.
Mit dem am 24. September 1999 bei der Behörde eingebrachten Antrag kamen die Beschwerdeführerin sowie H. K. um Erteilung der baubehördlichen Bewilligung zur Errichtung einer Lärmschutzwand (einschließlich eines Lärmschutztores zur Straße) und eines Flugdaches ein. Dieses Gesuch wurde mit dem erstinstanzlichen Bescheid vom 15. Dezember 1999 abgewiesen. Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die im Plan als "Lärmschutzwand und Flugdach" bezeichneten Bauteile nicht bewilligungsfähig seien, weil ein Gebäude vorliege, welches auf Grund seiner Größe (von mehr als 30 m2) kein Nebengebäude darstelle und somit nicht den Abstandsbestimmungen gemäß § 13 des Stmk BauG 1995 entspreche. Die im Plan und im Baugesuch als "Flugdach und Lärmschutzwand" bezeichneten Bauteile stellten auf Grund ihrer raumbildenden Ausführung (eine dreiseitig umschlossene, geschlossene Fläche von ca. 107 m2, offen seien ca. 67 m2) und ihrer Größe (von über 100 m2) zweifelsfrei ein Gebäude (und zwar ein Hauptgebäude) dar, welches die erforderlichen Mindestabstände von 7,00 m zum Gebäude auf dem Nachbargrundstück und von mindestens 3,0 m (nämlich im konkreten Fall 4,0 m, weil das Objekt zweigeschossig an der Grundstücksgrenze in Erscheinung trete) zur Grenze nicht einhalte. Es sei auch festzuhalten, dass der Baubehörde die mit Erledigung vom 1. Oktober 1999 abgeforderten Angaben über die Konstruktion und Wirkung der "Lärmschutzwand" weder fristgerecht noch acht Wochen danach vorgelegt worden seien.
Dieser Bescheid wurde am 17. Dezember 2000 zugestellt und blieb unbekämpft.
Zwischenzeitig war die Beschwerdeführerin mit dem bei der Behörde am 15. Dezember 2000 eingelangten Antrag vom 4. Dezember 2000 um die baubehördliche Bewilligung zur Errichtung eines Flugdaches eingekommen; mit weiterem Gesuch vom selben Tag, welches bei der Behörde am 20. Dezember 2000 einlangte, beantragte sie die baubehördliche Bewilligung zur Errichtung einer Lärmschutzwand und eines Lärmschutztores (diese beiden Anträge sind nun beschwerdegegenständlich).
Mit dem erstinstanzlichen Bescheid vom 9. Jänner 2001 wurden beide Gesuche ohne weiteres Verfahren gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Begründend heißt es, die beiden Gesuche unterschieden sich von jenem, welches mit dem Bescheid vom 15. Dezember 1999 rechtskräftig abgewiesen worden sei, nur durch den unwesentlichen Nebenumstand, dass das ursprüngliche Ansuchen "zerstückelt" worden sei. Die Pläne seien jedoch ident mit den ursprünglichen Einreichplänen. Diese "Zerstückelung" ändere aber nichts am rechtserheblichen Sachverhalt. Damit decke sich das Parteienbegehren somit mit den früheren, weshalb die Ansuchen zurückzuweisen gewesen seien.
Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Berufung, die mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen wurde. Begründend heißt es insbesondere, es sei lediglich das Ansuchen um Errichtung der Lärmschutzwand und des Flugdaches auf zwei Ansuchen getrennt worden, es seien jedoch die gleichen Pläne vorgelegt worden, wobei lediglich die Bezeichnung der Lärmschutzwand und des Flugdaches abgeändert worden sei. Wenn nun die Beschwerdeführerin einwende, dass es sich hier um zwei Bauansuchen handle, sei ihr zu entgegnen, dass mit dem rechtskräftigen Bescheid vom 15. Dezember 1999 bereits einmal das Ansuchen um Bewilligung eines Flugdaches und einer Lärmschutzwand abgewiesen worden sei. Wäre die Behörde (damals) der Meinung gewesen, dass es sich hiebei um zwei Bauansuchen handle, so hätte sie bereits im früheren Verfahren eine Trennung der Bauvorhaben vornehmen müssen und allenfalls eine der Baumaßnahmen bewilligen können. Die Behörde habe jedoch "beide Bauansuchen" rechtskräftig abgewiesen.
Die nun allein vorgenommene Trennung des Ansuchens "auf Flugdach und Lärmschutzwand", wobei die Beschwerdeführerin die Pläne insoweit falsch eingereicht habe, als die nicht bewilligten Maßnahmen bereits als Bestand eingetragen worden seien, sei kein Umstand, welcher eine neuerliche Sachentscheidung zulassen könnte. Die nunmehrigen Bauansuchen bezweckten (vielmehr) offenbar die Aufrollung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens (einschließlich jener betreffend das Baugesuch vom 24. September 1999) vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 68 Abs. 1 AVG ist ein Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 (die hier nicht vorliegen) die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet (was hier ebenfalls nicht der Fall ist). Ansuchen, die offenbar die Aufrollung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache bezwecken, sind auch dann, wenn das Begehren nicht ausdrücklich dahin lautet, wegen "res judicata" zurückzuweisen. Die Rechtskraft eines Bescheides erfasst jedoch nicht einen Sachverhalt, der sich nach Erlassung des Bescheides geändert hat, es sei denn, dass sich das neue Parteibegehren von dem mit rechtskräftigem Bescheid abgewiesenen Begehren nur dadurch unterscheidet, dass es in für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unwesentlichen Nebenumständen modifiziert worden ist. Die Wesentlichkeit einer Sachverhaltsänderung ist dabei nach der Wertung zu beurteilen, die das geänderte Sachverhaltselement in der seinerzeitigen rechtskräftigen Entscheidung erfahren hat. Die für die Beachtung der Rechtskraft im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG maßgebende Identität der Sache liegt auch dann vor, wenn sich das neue Parteibegehren von dem mit rechtskräftigem Bescheid bereits abgewiesenen nur dadurch unterscheidet, dass eine bisher von der Partei nicht ins Treffen geführte Rechtsfrage aufgegriffen wird oder die Behörde in dem bereits rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren die Rechtsfrage auf Grund eines mangelhaften Ermittlungsverfahrens oder einer unvollständigen oder unrichtigen rechtlichen Beurteilung entschieden hat (zu all dem siehe dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Juni 1994, Zl. 92/06/0270, unter Hinweis auf Judikatur).
Gemäß dem Bescheid vom 15. Dezember 1999 wurde das Baugesuch vom 24. September 1999 deswegen abgewiesen, weil - ungeachtet der Bezeichnung des Vorhabens - die Herstellung eines Gebäudes geplant sei, dieses Gebäude aber die erforderlichen Abstände (zur Grundgrenze wie zum Nachbargebäude) nicht einhalte (überdies bemängelte die Behörde, dass die damaligen Bauwerber bestimmte Angaben unterlassen hätten).
Nun ist es zwar richtig, dass im Hinblick auf das Prozesshindernis der entschiedenen Sache das angestrebte Ziel, nämlich die Bewilligung dessen, was bereits Gegenstand des früheren Antrages war, nicht dadurch erreicht werden kann, dass das frühere Baugesuch (in einer Art "Salamitaktik") in zwei Gesuche "zerlegt" wird. Daraus ist aber für sich allein im Beschwerdefall für die belangte Behörde nichts zu gewinnen. Durch die Einbringung von zwei Gesuchen ist unmissverständlich klargestellt, dass die Beschwerdeführerin ihr Vorhaben für teilbar hält. Es sind daher beide Ansuchen jeweils unabhängig voneinander dahin zu prüfen, ob das, was jeweils hergestellt werden soll, bereits als Gebäude im Rechtssinn anzusehen ist (darum geht es entscheidend). Ist dies nicht der Fall, besteht das Hindernis der entschiedenen Sache - vorerst - (gar) nicht. Ist daher das Flugdach (dieses dürfte den Beschwerdeausführungen zufolge prioritär erscheinen) nach dem nunmehrigen Antrag - für sich allein gesehen - nicht als Gebäude zu qualifizieren, darf dieser Antrag rechtens nicht wegen entschiedener Sache zurückgewiesen werden. Kommt es zu einer Bewilligung des Flugdaches (für sich allein, wie nun Gegenstand des einen Antrages), kann aber dieses Hindernis dann hinsichtlich des zweiten Antrages bestehen, wenn nun damit insgesamt (also in einem zweiten Schritt zusätzlich zur ersten Bewilligung) etwas hergestellt werden soll, was hinsichtlich der eingangs beschriebenen rechtlich erheblichen Momente betreffend das Vorliegen der entschiedenen Sache dem Vorhaben entspricht, welches bereits rechtskräftig abgewiesen wurde. Das Gleiche gilt sinngemäß umgekehrt, sollte zunächst das zweite nun verfahrensgegenständliche Ansuchen (betreffend die Errichtung einer Lärmschutzwand und eines Lärmschutztores) behandelt werden. Richtigerweise wäre daher die Beschwerdeführerin aufzufordern gewesen, sich dahin zu erklären, welches der beiden Baugesuche vom 4. Dezember 2000 zunächst in Behandlung genommen werden soll (und zwar auch dann, wenn etwa aus technischen Gründen eine bestimmte Reihenfolge ohnedies klar oder zumindest sinnvoll erscheint, weil es Sache des Bauwerbers ist, sich hinsichtlich seiner Prioritäten zu deklarieren und gegebenenfalls damit eine Umplanung eines oder beider Vorhaben in Kauf zu nehmen). Im Übrigen wäre vor diesem Hintergrund auch die Teilung des einen Vorhabens hinsichtlich des Lärmschutztores zu prüfen, welches ja wohl nicht als Gebäude qualifiziert werden kann.
Was den Rechtsbegriff "Gebäude" anlangt, ist im Übrigen für die Beschwerdeführerin aus ihrem Vorbringen, dass darunter nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ein nach den Regeln der Baukunst allseits umschlossener Raum verstanden werde, nichts zu gewinnen. Sie übersieht nämlich die Legaldefinition des § 4 Z 28 des Stmk. BauG 1995, LGBl. Nr. 59, wonach ein "Gebäude" eine bauliche Anlage ist, die mindestens einen oberirdischen überdeckten Raum bildet, der an den Seitenflächen allseits oder überwiegend geschlossen ist (wobei auch offene Garagen als "Gebäude" gelten). Der hier maßgebliche Gebäudebegriff unterscheidet sich damit von der zum Begriff "Gebäude" entwickelten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (siehe dazu die Anmerkung 44 zu § 4 BauG in Hauer/Trippel, Stmk. Baurecht3).
Zusammenfassend war es daher rechtswidrig, beide Baugesuche vom 4. Dezember 2000 vorweg ohne weiteres Verfahren wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.
Dadurch, dass die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 20. März 2003
Schlagworte
Baubewilligung BauRallg6 Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der Behörde Zurückweisung wegen entschiedener SacheEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2001060050.X00Im RIS seit
05.05.2003