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41/02 Staatsbürgerschaft;Norm
AlVG 1977 §33 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Köller und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Nichtowitz, über die Beschwerde des K in G, vertreten durch Dr. Martin Lichtenegger, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Andreas-Hofer-Platz 9/II, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 19. November 2001, Zl. 2- 11. K/ 827 - 01/9, betreffend Verleihung der Staatsbürgerschaft und Erstreckung derselben, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft und die damit verbundenen Anträge auf Erstreckung der Verleihung auf seine Ehegattin und die drei gemeinsamen mj. Kinder gemäß §§ 10 Abs. 1, 11, 16, 17 Abs. 1 Z 1 und 18 iVm § 39 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) ab.
Der Beschwerdeführer, ein am 15. Jänner 1970 geborener türkischer Staatsangehöriger, sei erstmals am 21. Dezember 1989 im Bundesgebiet zur Anmeldung gelangt und erfülle daher die zehnjährige Wohnsitzdauer nach § 10 Abs. 1 Z 1 StbG. Der ihn betreffenden Versicherungszeitenbestätigung sei Folgendes zu entnehmen:
"02.05.1990 - 03.08.1996
KBO Kunststoff-Pulverbeschichtung, Hart bei Graz
12.10.1995 - 31.03.1996
Krankengeldbezug
22.04.1996 - 01.05.1996
Krankengeldbezug
17.07.1996 - 21.07.1996
Krankengeldbezug
04.08.1996 - 11.08.1996
Krankengeldbezug
16.03.1998 - 30.03.1998
Bacsich GesmbH, Restaurant Mc Donald's, Kumberg
31.03.1998 - 22.03.1999
Weitzer-Hotels-BetriebsgesmbH, Graz
31.03.1999 - 01.04.1999
SD Bäckereibetriebs-GmbH, Graz
11.10.1999 - 09.11.1999
GetWork, PersonaldienstleistungsgmbH, Wien
10.11.1999 - 12.12.1999
Krankengeldbezug
15.05.2000 - 18.06.2000
Arbeitsmarktservice Stmk. (Arbeitslosengeld)
19.06.2000 - 22.06.2000
Krankengeldbezug
23.06.2000 - 12.07.2000
Arbeitsmarktservice Stmk. (Arbeitslosengeld)
04.09.2000 - 14.10.2000
MPS Personal-Service und Handel, Raaba
05.02.2001 - 11.03.2001
Arbeitsmarktservice Stmk. (Arbeitslosengeld)
12.03.2001 - 06.04.2001
Krankengeldbezug
22.04.2001 - 23.04.2001
Cityhotel Erzherzog Johann, Graz"
Wie das Ermittlungsverfahren ergeben habe, beziehe der Beschwerdeführer derzeit Notstandshilfe und eine Versehrtenrente auf Grund einer Berufskrankheit mit einer 30 %igen Minderung der "Erwerbstätigkeit". In einer Stellungnahme vom 29. Oktober 2001 habe er angeführt, dass er als Bezieher einer Unfallrente und Behinderter im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes kaum eine Chance habe, einen dauerhaften Arbeitsplatz zu erhalten und dass er die ersten sechs Jahre seines Aufenthaltes in Österreich durchgehend gearbeitet habe.
Dem Beschwerdeführer sei zwar - so die belangte Behörde weiter - 1997 auf Grund eines Lungenleidens eine 30 %ige Minderung der "Erwerbstätigkeit" zuerkannt worden. Daraus lasse sich jedoch schließen, dass eine Vermittlung am Arbeitsmarkt nicht gänzlich unmöglich sei. Dennoch habe der Beschwerdeführer, wie sich aus seinen Versicherungszeiten ergebe, nur kurzzeitige, tageweise und zum Teil geringfügige Beschäftigungen - ab 23. April 2001 überhaupt keine mehr - angenommen. Zwischenzeitig habe sich der Beschwerdeführer zudem im Ausland befunden, was bestätige, dass er mit seinem Lungenleiden sogar Flugreisen bewältigen könne. Laut Mitteilung des Arbeitsmarktservice habe überdies in der Zeit zwischen 23. Mai und 4. Juni 2001 "eine Nichtmeldung" vorgelegen.
Auf Grund dieses Sachverhaltes, insbesondere auf Grund der "Nichtbeschäftigung" in den letzten Jahren, sei zu erkennen, dass die berufliche Integration des Beschwerdeführers noch nicht in ausreichendem Maß gegeben bzw. abgeschlossen sei. Ungeachtet seiner 30 %igen Erwerbsminderung wäre es ihm zumutbar, eine für ihn geeignete Beschäftigung anzunehmen; hiezu sei er jedoch, wie sich auf Grund dessen, dass er sich beim Arbeitsmarktservice zwecks Vermittlungsgesprächen nicht gemeldet habe, nicht bereit. Im Hinblick darauf habe die gebotene Ermessensentscheidung nach § 11 StbG nicht zu Gunsten des Beschwerdeführers getroffen werden können, was in weiterer Folge auch die Abweisung der Erstreckungsanträge nach sich ziehen müsse.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Die belangte Behörde ging erkennbar davon aus, dass der Beschwerdeführer die Einbürgerungserfordernisse des § 10 Abs. 1 StbG erfülle. Sie vertrat jedoch die Auffassung, dass sie das ihr bei Vorliegen aller Verleihungsvoraussetzungen eingeräumte Ermessen im Hinblick auf § 11 StbG nicht zu Gunsten des Beschwerdeführers üben könne, weil er - auch unter Bedachtnahme auf die festgestellte 30 %ige Minderung der Erwerbsfähigkeit - in Österreich nicht ausreichend beruflich integriert sei.
In ihre Überlegungen zur beruflichen Integration des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde einfließen lassen, dass dieser nicht bereit sei, eine für ihn geeignete Beschäftigung anzunehmen. Diese Beurteilung steht allerdings im Widerspruch zur Feststellung, der Beschwerdeführer beziehe derzeit Notstandshilfe. Die Gewährung von Notstandshilfe setzt nämlich (ua.) voraus, dass der Betreffende arbeitswillig ist (§ 33 Abs. 2 iVm § 7 Abs. 2 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977), was der Annahme, der Beschwerdeführer sei nicht bereit, eine für ihn geeignete Beschäftigung aufzunehmen, entgegen steht (vgl. § 9 leg. cit.). Unabhängig von diesem Umstand wird in der Beschwerde ausgeführt, dass beim Beschwerdeführer tatsächlich eine 70 %ige Minderung der Erwerbsfähigkeit - und nicht bloß eine solche im Ausmaß von 30 % - vorliege, was die belangte Behörde bei Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens hätte feststellen müssen. Zum Beweis dafür ist der Beschwerde die Kopie eines auf den Beschwerdeführer ausgestellten Behindertenpasses vom 16. Februar 2001 beigelegt, demzufolge eine Minderung der Erwerbsfähigkeit im Ausmaß von 70 % gegeben sei. Wenn die belangte Behörde dazu in ihrer Gegenschrift erwidert, eine 70 %ige Minderung der Erwerbsfähigkeit sei vom Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren nicht behauptet worden, so trifft dies nach der Aktenlage zu. Dessen ungeachtet lagen der belangten Behörde Anhaltspunkte vor, die es erfordert hätten, über den im Verfahren verwerteten Bescheid der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt, Landesstelle Graz, vom 12. Februar 1997 hinaus - in diesem Bescheid ist der Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit des Beschwerdeführers mit 30 % angegeben - weitere Ermittlungsschritte zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers zu setzen. Zum einen wurde mit dem besagten Bescheid vom 12. Februar 1997 eine vorläufige Versehrtenrente gemäß § 209 Abs. 1 ASVG gewährt, der eine bloß temporäre Beurteilung der Folgen der beim Beschwerdeführer festgestellten Berufskrankheit immanent ist. Zum anderen aber hat der Beschwerdeführer in seiner im Verfahren erstatteten Stellungnahme vom 29. Oktober 2001 darauf hingewiesen, dass er Behinderter im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes sei, was ausgehend von § 2 des genannten Gesetzes einen Grad der Behinderung von mindestens 50 % nahe legte. Dazu kommt, dass schon im Verwaltungsverfahren Hinweise auf ein Verfahren zur Erlangung einer Invaliditätspension vorlagen (im "Erhebungsbogen" ist ein Pensionsvorschuss angeführt, in der Stellungnahme des Arbeitsmarktservice Steiermark vom 7. August 2001 wird darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer eine "I-Pension" anstrebe), was im Übrigen die Überlegungen in der behördlichen Gegenschrift, der Beschwerdeführer werde die für eine Pension "erforderlichen Pensionszeiten nicht erarbeiten", schon vom Ansatz her als verfehlt erscheinen lässt.
Nach dem Gesagten steht dem Beschwerdevorbringen, beim Beschwerdeführer liege eine 70 %ige Minderung der Erwerbsfähigkeit vor, das Neuerungsverbot nicht entgegen. Legt man dieses Vorbringen zu Grunde, so lässt sich die Beurteilung, der Beschwerdeführer sei nicht bereit, eine für ihn geeignete Beschäftigung aufzunehmen, ungeachtet des eingangs zur Notstandshilfe Ausgeführten keineswegs aufrecht erhalten. Jedenfalls dann wäre aber auch der behördlichen Auffassung, der Beschwerdeführer weise mangels beruflicher Verankerung in Österreich ein maßgebliches Integrationsdefizit auf, der Boden entzogen. "Berufliche Integration" in der im bekämpften Bescheid zu Grunde gelegten Form (Teilnahme am inländischen Arbeitsmarkt) kann nämlich im Kontext des StbG nur insoweit maßgeblich sein, als der betreffende Einbürgerungswerber nach seinen Lebensverhältnissen (freilich ohne Berücksichtigung rechtlicher Beschränkungen) am inländischen Arbeitsmarkt auch teilhaben kann. Wie schon im hg. Erkenntnis vom 4. April 2001, Zl. 2000/01/0258, ausgeführt, kann nicht davon ausgegangen werden, dass sich das StbG ausschließlich am Typus des erwerbstätigen Fremden orientiert. Demgemäß kann etwa dem kindererziehenden Fremden nicht mangels Ausübung einer Erwerbstätigkeit eine relevante Integration abgesprochen werden. Umso weniger kommt das bei jemandem in Betracht, der aus gesundheitlichen Gründen nicht oder nur sehr eingeschränkt arbeitsfähig ist, wobei im Fall des Beschwerdeführers als integrationsverstärkend heranzuziehen wäre, dass - wie dem erwähnen Bescheid der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt Landesstelle Graz zu entnehmen ist - seine Berufskrankheit auf eine mehrjährige inländische Beschäftigung zurückzuführen ist.
Die eben angestellten Erwägungen zeigen, dass die Überlegungen der belangten Behörde zur mangelnden beruflichen Integration des Beschwerdeführers am Boden der bisherigen Verfahrensergebnisse nicht haltbar sind. Dazu kommt, dass die belangte Behörde - im Hinblick auf die persönlich-soziale Situation des Beschwerdeführers - in ihre Ermessensentscheidung hätte miteinfließen lassen müssen, dass neben dem Beschwerdeführer auch seine Familie in Österreich lebt, dass seine beiden jüngeren Kinder in Österreich geboren wurden und dass die beiden schulpflichtigen Kinder hier die Schule besuchen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 3. Dezember 2002, Zl. 2002/01/0214). Weiters hätte die belangte Behörde die nach den Verwaltungsakten guten Deutschkenntnisse des Beschwerdeführers in ihre Überlegungen einbeziehen müssen. Auch von da her ist der bekämpfte Bescheid mit einem Mangel behaftet. Nach dem Gesagten war er wegen der prävalierenden Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.
Wien, am 25. März 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2001010607.X00Im RIS seit
05.05.2003