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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1997 §7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Köller und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Nichtowitz, über die Beschwerde des H in B, geboren am 1974, vertreten durch Dr. Peter Zach, Rechtsanwalt in 8600 Bruck/Mur, Mittergasse 28, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 12. April 2001, Zl. 200.162/0- III/09/98, betreffend § 7 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der (damaligen) Bundesrepublik Jugoslawien aus dem Kosovo, reiste am 16. September 1997 in das Bundesgebiet ein und beantragte am selben Tag die Gewährung von Asyl. Bei seiner ebenfalls an diesem Tag durchgeführten Einvernahme vor dem Bundesasylamt begründete er seine Flucht aus dem Kosovo im Wesentlichen damit, dass er von der (serbischen) Polizei gesucht würde, weil diese ihm den Besitz von Waffen unterstelle. Beim Beschwerdeführer seien wegen des vermuteten Waffenbesitzes auch schon Hausdurchsuchungen durchgeführt worden. Er hätte die Waffen, die er gar nicht besessen habe, bei der Polizei abgeben sollen, andernfalls ihm die Verhaftung angedroht worden sei.
Mit Bescheid vom 26. November 1997 wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 3 Asylgesetz 1991 ab.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung. Die belangte Behörde führte am 16. August 2000 eine Berufungsverhandlung durch, bei der der Beschwerdeführer nach Vorhalt der aktuellen Situation im Kosovo zu seinen persönlichen Fluchtgründen befragt wurde und angab:
"Ich möchte in Österreich bleiben und arbeiten. Ich habe aber
nach wie vor Angst. Ich könnte auch von der albanischen Seite
verfolgt werden, den Grund kann ich aber nicht angeben ... Ich
möchte angeben, dass ich mich in ärztlicher Behandlung im Hinblick
auf meine psychische Verfassung befinde ... Ich möchte in
Österreich bleiben und in Österreich auch weiter behandelt werden."
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers "gemäß § 7 AsylG" ab und begründete dies im Wesentlichen damit, der Beschwerdeführer habe die in der Berufungsverhandlung geäußerte Furcht, von der albanischen Seite verfolgt zu werden, in keiner Weise konkretisiert, weshalb auch keine asylrelevante Verfolgung anzunehmen sei.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Der Beschwerdeführer bringt in seiner Beschwerde vor, er leide an paranoider Psychose und sei am 13. Oktober 2000 aufgrund zunehmender paranoider Ideen in die Landesnervenklinik Graz stationär aufgenommen und am 10. November 2000 in weitgehend stabilem Zustand aus dem Krankenhaus entlassen worden; es bestehe jedoch die Notwendigkeit einer regelmäßigen Therapie. Der belangten Behörde hätte auffallen müssen, dass der Beschwerdeführer wegen seines psychischen Zustandes die Bedeutung und Tragweite des Verfahrens und einzelner prozessualer Vorgänge nicht habe erkennen bzw. verstehen können und sich nicht entsprechend den Anforderungen eines derartigen Verfahrens habe verhalten können. Einem mit der Beschwerde vorgelegten, offenbar anlässlich der Entlassung des Beschwerdeführers aus der Landesnervenklinik Graz verfassten Arztbrief vom 10. November 2000 ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer bereits im Jahre 1999 wegen einer paranoiden Psychose stationär aufhältig gewesen sei. Die Symptomatik - heißt es im Arztbrief - habe
"in der letzten Zeit zugenommen, der Patient geäußert, dass das rechte Auge und Ohr nicht seines wären, einen Mitbewohner beschuldigt, ihm seine Organe genommen zu haben, auch mehrmals gesagt, dass er sich diese zurückholen müsse."
Der psychische Zustand des Beschwerdeführers wurde wie folgt beurteilt:
"Der Patient ist wach, soweit beurteilbar orientiert, im Gedankengang einfach strukturiert, anamnestisch paranoide Ideen, affektive Beteiligung herabgesetzt, Stimmungslage indifferent, eine Fremdgefährdung nicht auszuschließen, Realitätsbezug und Kritikfähigkeit herabgesetzt. Paranoide Verkennungen, Krankheitseinsicht nicht gegeben."
In der Berufungsverhandlung hat der Beschwerdeführer angegeben, er habe Angst, er könnte auch von der albanischen Seite verfolgt werden, könne jedoch den Grund dafür nicht angeben und fügte über Vorhalt des Verhandlungsleiters, dass eine solche unkonkrete Befürchtung keine Relevanz haben könne, hinzu, dass er sich im Hinblick auf seine psychische Verfassung in ärztlicher Behandlung befinde. Im angefochtenen Bescheid wirft die belangte Behörde im Rahmen der Beweiswürdigung dem Beschwerdeführer zwar vor, die in der Berufungsverhandlung geäußerte Befürchtung nicht konkretisiert zu haben, nahm jedoch den Hinweis des Beschwerdeführers auf seinen psychischen Zustand nicht zum Anlass, sich mit diesem Thema näher auseinander zu setzen.
Nach dem der Beschwerde beigelegten Befund litt der Beschwerdeführer zumindest seit dem Jahre 1999 an einer offenbar nicht unerheblichen psychischen Erkrankung, aufgrund derer unter anderem der Realtitätsbezug des Beschwerdeführers und seine Kritikfähigkeit herabgesetzt gewesen sein sollen. Nach dem Beschwerdevorbringen habe dies zur Folge gehabt, dass der Beschwerdeführer die Bedeutung und die Tragweite des Verfahrens nicht habe erkennen bzw. verstehen können; auch sei er nicht geschäftsfähig gewesen.
Der - während des gesamten Berufungsverfahrens anwaltlich nicht vertretene - Beschwerdeführer wies in der Berufungsverhandlung im Zusammenhang damit, keine nähere Begründung für die angebliche Verfolgung "von der albanischen Seite" geben zu können, auf die ärztliche Behandlung wegen seiner psychischen Verfassung hin, sodass es Aufgabe der belangten Behörde gewesen wäre, sich mit dieser Behauptung auseinander zu setzen und zu klären, ob die fehlende Konkretisierung von Verfolgungsgründen auf den Gesundheitszustand des Beschwerdeführers zurückzuführen war. Die belangte Behörde hätte somit der Frage nachgehen müssen, ob der Beschwerdeführer in der Lage gewesen ist - was in der Beschwerde verneint wird -, die Bedeutung der behördlichen Befragung im Rahmen eines Asylverfahrens zu erfassen bzw. ob der Beschwerdeführer aus freiem Willen keine nähere Beschreibung von Verfolgungsgründen vornahm oder ihm dies - etwa als krankheitsbedingte Reaktion - nicht möglich war. Hinzuzufügen ist, dass eine solche Beurteilung nur unter Beziehung eines psychiatrischen Sachverständigen vorgenommen werden kann (vgl. das Erkenntnis vom 18. April 2002, Zl. 2001/01/0023).
Die belangte Behörde hat somit Verfahrensvorschriften außer acht gelassen, bei deren Einhaltung sie - schon im Hinblick auf die Beurteilung der Wirksamkeit bisher gesetzter Verfahrensschritte - zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben war.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.
Wien, am 25. März 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2001010244.X00Im RIS seit
05.05.2003