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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §67c Abs2 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Köller und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Nichtowitz, über die Beschwerde des Bundes (Bundesminister für Inneres), vertreten durch die Finanzprokuratur, Singerstraße 17-19, 1011 Wien, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 31. August 2000, Zl. UVS-02/P/09/76/99, betreffend behauptete Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (hier: wegen Zuspruch von Kostenersatz; mitbeteiligte Partei: N in Wien, vertreten durch Prader & Plaz OEG, Rechtsanwaltspartnerschaft in 1070 Wien, Seidengasse 28), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat dem Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Kostenersatzbegehren der belangten Behörde wird abgewiesen.
Begründung
In Hinblick auf ein fremdenpolizeiliches Einschreiten von Beamten der Bundespolizeidirektion Wien am 2. Juli 1998 in einem namentlich genannten China-Restaurant erhob der Mitbeteiligte Beschwerde an den Unabhängigen Verwaltungssenat Wien (die belangte Behörde). Darin brachte er im Wesentlichen vor, dass man ihn - weil er ohne Personalausweis angetroffen und weil sein Ansinnen, den Ausweis aus der Wohnung zu holen, abgelehnt worden sei - verhaftet und zum Mitgehen aufgefordert habe. Er sei daraufhin von der Lokalbesitzerin gebeten worden, noch einmal in die Küche zu gehen, um den Gasherd abzudrehen. Als er dieser Bitte nachgekommen sei, habe ihn ein ihm nachfolgender Beamter von hinten gewürgt und völlig grundlos mit der Faust ins Gesicht und auf den Brustkorb geschlagen. Er sei in den "Schwitzkasten" genommen, aus der Küche gezogen und mehrmals auf den Kopf und auf den Brustkorb geschlagen worden. Nach einer kurzen Rangelei, an der auch andere Personen beteiligt gewesen seien, habe sich die Situation kurzfristig beruhigt und er (der Mitbeteiligte) sei aus dem "Schwitzkasten" entlassen worden. In der Folge habe der Polizeibeamte die Lokalbesitzerin attackiert, wiederum den Mitbeteiligten festgehalten und diesem schließlich Handfesseln angelegt. Dann habe man den Mitbeteiligten an den Ketten der Handfesseln aus dem Lokal gezogen und zur Fremdenpolizei verbracht.
Unter "II. Beschwerdepunkte" führte der Mitbeteiligte weiter aus, er erachte sich dadurch,
"dass er am 2.7.1998 durch Organe der Fremdenpolizei durch Schläge, Stöße und Tritte ... misshandelt und am Körper verletzt wurde, dadurch, dass er ohne gesetzliche Grundlage festgenommen wurde, ihm Handfesseln angelegt wurden und er bis zum nächstfolgenden Tag unverhältnismäßig lange angehalten wurde, dadurch, dass er nicht die Toilette benutzen durfte, dass ihm in der Handzelle die Handfesseln nicht abgenommen wurden, er stundenlang verhört wurde, misshandelt und am Körper verletzt wurde, und dadurch, dass ihm das Recht auf Akteneinsicht verweigert wurde, in seinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten, keiner unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung gem. Art. 3 EMRK unterzogen zu werden und in seinem Recht auf persönliche Freiheit gem. Art. 5 EMRK und Art. 1 PersFrG und in seinem Recht auf ein faires Verfahren gemäß Art. 6 EMRK verletzt.
..."
Er stelle sohin die Anträge, die belangte Behörde möge
"...
4. feststellen, dass die Festnahme des BF durch Organe der Fremdenpolizei an 2.7.1998 rechtswidrig war und der BF damit in seinem Recht auf persönliche Freiheit gem. Art. 5 EMRK und Art. PersFrG verletzt worden ist;
5. feststellen, dass der BF dadurch, dass er von Organen der Bundespolizeidirektion Wien am 2.7.1998 angehalten wurde, in seinem Recht auf persönliche Freiheit gem. Art. 5 EMRK und Art. 1 PersFrG verletzt worden ist;
..."
Über Verbesserungsauftrag der belangten Behörde formulierte der Mitbeteiligte seine Anträge - soweit im Folgenden von Relevanz - dahingehend, dass "die Festnahme und die nachfolgende Anhaltung am 2.7.1998 durch Organe der Fremdenpolizei" für rechtswidrig erklärt und insbesondere festgestellt werden möge, "dass die Festnahme und nachfolgende Anhaltung am 2.7.1998 durch Organe der Fremdenpolizei den Beschwerdeführer in seinem Recht auf persönliche Freiheit gem. Art. 5 EMRK und Art. 1 PersFrG verletzt" habe.
Die im Verfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien belangte Bundespolizeidirektion Wien erstattete eine Gegenschrift, in der sie u.a. ausführte, dass der Mitbeteiligte zunächst gemäß § 35 Z 1 VStG festgenommen worden sei. In der Folge habe er einen der einschreitenden Beamten während der Amtshandlung tätlich angegriffen, weshalb dann eine Festnahme gemäß § 177 Abs. 1 Z 1 iVm § 175 Abs. 1 Z 1 StPO erfolgt sei.
Die belangte Behörde erkannte über die "Maßnahmenbeschwerde" des Mitbeteiligten mit dem bekämpften Bescheid wie folgt:
"1) Der gegen die Amtshandlung vom 2.7.1998 gerichteten Beschwerde wird, soweit sie sich gegen die Festnahme des Beschwerdeführers um 21.05 Uhr durch Organe der Bundespolizeidirektion Wien, FrB, richtet, Folge gegeben und die Festnahme zu diesem Zeitpunkt für rechtswidrig, hingegen ab
21.15 Uhr für rechtmäßig erklärt. Soweit sich die Beschwerde gegen die Verweigerung der Benutzung der Toilette und des Abnehmens der Handfesseln richtet, wird sie mangels Vorliegens der behaupteten Maßnahmen zurückgewiesen, soweit sich die Beschwerde gegen verbale Beleidigungen richtet, als unzulässig zurückgewiesen, im übrigen jedoch als unbegründet abgewiesen.
2) Die gegen die Verweigerung der Akteneinsicht am 8.5.1998 gerichtete Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.
Gemäß § 79a AVG iVm der Aufwandersatzverordnung UVS hat der Bund (BMI) dem Beschwerdeführer ad 1) ATS 18.980,-- (ATS 8.400,-- für Schriftsatzaufwand, ATS 10.000,-- für Verhandlungsaufwand, ATS 180,-- Bundesstempelmarke) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu leisten.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (BMI) ad 2) ATS 2.800,-- für Schriftsatzaufwand binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu leisten."
Die Kostenentscheidung begründete die belangte Behörde damit, dass die Festnahme(n) und Anhaltung sowie die im Zuge dieser Vorgänge geltend gemachten Beschwerdepunkte als ein einziger Verwaltungsakt zu sehen seien. Dem Mitbeteiligten seien daher die im Spruch ersichtlichen und beantragten Kosten zuzusprechen. Die ebenfalls in Beschwerde gezogene, zu einem späteren Zeitpunkt erfolgte Verweigerung der Akteneinsicht sei (hingegen) eine davon unterscheid- und trennbare Handlung, zu der die BPD Wien in ihrem Schriftsatz ebenfalls Stellung genommen habe. Mit der (darauf bezugnehmenden) Zurückweisung sei der Mitbeteiligte daher zur Erstattung eines Schriftsatzaufwandes zu verpflichten gewesen.
Ausschließlich gegen "die Kostenentscheidung" richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, diese Kostenentscheidung insoweit abzuändern, als dem Bund (Bundesministerium für Inneres) zusätzlich zum zuerkannten Schriftsatzaufwand in Höhe von S 2.800,-- ein weiterer Schriftsatzaufwand von S 2.800,-- sowie ein Verhandlungsaufwand von S 3.500,-- zugesprochen werden möge.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über diese Beschwerde - nach Erstattung einer Gegenschrift seitens des Mitbeteiligten - erwogen:
Der Beschwerdeführer, der im Hinblick auf § 42 Abs. 1 und 2 VwGG jedenfalls ein verfehltes Begehren gestellt hat, vertritt die Auffassung, dass die belangte Behörde über drei Verwaltungsakte, nämlich über zwei Festnahmen und eine Verweigerung der Akteneinsicht, abgesprochen habe. Gemäß § 52 Abs. 1 VwGG hätte daher neben dem Schriftsatzaufwand hinsichtlich der Verweigerung der Akteneinsicht überdies Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand in Bezug auf die für rechtmäßig erklärte Festnahme um 21.15 Uhr (nach den Bestimmungen der StPO) zuerkannt werden müssen.
Richtig ist, dass § 79a Abs. 7 AVG bezüglich des Kostenersatzes bei der Entscheidung über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (ua.) § 52 VwGG für anwendbar erklärt. Gemäß Abs. 1 dieser Bestimmung ist, wenn von einem oder mehreren Beschwerdeführern in einer Beschwerde mehrere Verwaltungsakte angefochten werden, die Frage des Anspruches auf Aufwandersatz so zu beurteilen, wie wenn jeder der Verwaltungsakte in einer gesonderten Beschwerde angefochten worden wäre.
Wie schon eingangs dargestellt, geht der Beschwerdeführer davon aus, dass die belangte Behörde über zwei Festnahmen (über eine nach dem VStG um 21.05 Uhr und über eine nach der StPO um
21.15 Uhr) erkannt habe. Gegen diesen Standpunkt ist freilich einzuwenden, dass der Spruch der bekämpften Entscheidung wohl zweimal von einer "Festnahme" spricht, genau betrachtet jedoch nur die erste Festnahme um 21.05 Uhr und die daran anschließende Anhaltung behandelt, ohne die zweite Festnahme als solche einem normativen Abspruch zu unterziehen. Es wird nämlich zwar die Festnahme um 21.05 Uhr für rechtswidrig erklärt, in der Folge jedoch nur zum Ausdruck gebracht, dass sie ab 21.15 Uhr rechtmäßig gewesen sei. Damit kann indes nur die der ursprünglichen Festnahme nachfolgende Anhaltung gemeint sein, weil einer Festnahme als punktueller Maßnahme begriffsnotwendig kein Element der Dauer innewohnt. Die in der Bescheidbegründung erkennbar zu Grunde gelegte zweite Festnahme nach der StPO diente damit zur Abgrenzung der rechtswidrigen von der rechtmäßigen Anhaltung, sie selbst ist aber offenkundig nicht Gegenstand des bekämpften Bescheides geworden. Unabhängig davon übersieht der Beschwerdeführer, dass es nach § 52 Abs. 1 VwGG darauf ankommt, ob mehrere Verwaltungsakte angefochten wurden. Diesbezüglich ist im Sinn der Ausführungen in der Gegenschrift des Mitbeteiligten darauf hinzuweisen, dass der Mitbeteiligte im Verfahren vor der belangten Behörde stets nur eine Festnahme angesprochen hat. Sein Beschwerdevorbringen war zweifellos so zu deuten, dass er die (erste) Festnahme und die dieser Festnahme folgende Anhaltung anfechte, von einer zweiten Festnahme war hingegen weder bei der Umschreibung der angefochtenen Verwaltungsakte (§ 67c Abs. 2 Z 1 AVG) noch in der Darstellung des Sachverhaltes (§ 67c Abs. 2 Z 3 AVG) - und sei es auch nur dem Sinne nach - die Rede. Ausgehend vom Standpunkt des Mitbeteiligten, es sei die der (ersten) Festnahme folgende Anhaltung zur Gänze rechtswidrig gewesen, musste die Anfechtung einer weiteren Festnahme innerhalb des Anhaltezeitraumes im Übrigen keinesfalls als notwendig miteingeschlossen erscheinen. Umgekehrt vermochte die vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien belangte Bundespolizeidirektion Wien durch Aufzeigen einer zweiten Festnahme, welche die bis dahin rechtswidrige Anhaltung rechtmäßig werden ließ, diese Festnahme nicht zum Gegenstand der an die belangte Behörde erhobenen Beschwerde und damit zum angefochtenen Verwaltungsakt zu machen, sodass sich zusammenfassend der Standpunkt des Beschwerdeführers, es wäre ihm im Hinblick auf die für rechtmäßig erklärte Festnahme um 21.15 Uhr weiterer Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand zuzuerkennen gewesen, als verfehlt erweist. Dass die zweifellos zur Gänze angefochtene Anhaltung ihrerseits in mehrere Verwaltungsakte zu gliedern sei, wird auch vom Beschwerdeführer nicht vertreten.
Nach dem Gesagten erweist sich die vorliegende Beschwerde als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001. Das Kostenersatzbegehren der belangten Behörde war abzuweisen, da der Rechtsträger im Sinn des § 47 Abs. 5 VwGG, in dessen Namen sie gehandelt hat, mit dem Beschwerdeführer ident ist.
Wien, am 25. März 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2000010419.X00Im RIS seit
29.05.2003