TE Vwgh Erkenntnis 2003/3/25 2001/01/0470

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Veröffentlicht am 25.03.2003
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1997 §28;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
AVG §45;
AVG §60;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
FrG 1997 §57;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Köller und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Nichtowitz, über die Beschwerde des P in Wien, geboren 1971, vertreten durch Dr. Schubert & Partner, Rechtsanwaltsgesellschaft m.b.H. in 1070 Wien, Lerchenfelderstraße 39, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 23. August 2001, Zl. 212.737/0-III/07/99, betreffend §§ 7 und 8 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der (damaligen) Bundesrepublik Jugoslawien und seinen Behauptungen zufolge am 25. September 1998 in das Bundesgebiet eingereist. Er stammt aus dem Kosovo und gehört der serbischen Volksgruppe an. Seinen Asylantrag vom 25. September 1998 begründete er im Wesentlichen damit, dass er bei der Polizei in Podujevo/Kosovo beschäftigt gewesen und zuletzt mit Entscheidung des serbischen Innenministeriums zum "Referenten" befördert worden sei; als "Reservist bei der Polizei" habe er befürchtet, zu einem Einsatz gegen Menschen, mit denen er bisher zusammen gelebt habe, herangezogen zu werden, weshalb er seine Heimat verlassen habe. Im Fall der Rückkehr würde er für Freunde und Nachbarn als Verräter der Serben gelten, außerdem hätte er, weil er als Deserteur gelte - er habe von den Polizeibehörden eine Uniform und eine Waffe bekommen - mit Problemen seitens der serbischen Polizei zu rechnen, man würde ihn sicher inhaftieren.

Das Bundesasylamt wies den Asylantrag des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 4. August 1999 gemäß § 7 AsylG ab und sprach aus, dass seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die BR Jugoslawien gemäß § 8 AsylG zulässig sei. Dabei ging das Bundesasylamt davon aus, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht glaubwürdig sei.

In der gegen den Bescheid des Bundesasylamtes erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer ua. aus, dass er nicht an den gewaltsamen Auseinandersetzungen im Kosovo - dabei handle es sich um "ethnische Säuberungen" - habe teilnehmen wollen. Der Beginn der Auseinandersetzungen mit der UCK sei für ihn ein Signal gewesen, die Polizei zu verlassen. Das sei nur möglich gewesen, indem er Jugoslawien verlassen habe. Flucht und Desertion seien schwere Straftaten, sodass seine Ausreise ins Ausland die einzige Möglichkeit gewesen sei. Die Ereignisse im Kosovo hätten die Richtigkeit seiner Entscheidung, seine Heimat zu verlassen, bestätigt. Jetzt könne er weder in den Kosovo noch nach Jugoslawien zurück. Seine Entscheidung, die serbische Polizei zu verlassen, ziehe schwere Folgen nach sich, vor allem eine strafrechtliche Verfolgung; das sei gleichzeitig die konkreteste Drohung gegen seine Person. In einer Stellungnahme vom 15. Juni 2000 machte er weiters ergänzend geltend, dass seine Tante im Zuge von polizeilichen Ermittlungen, die wegen eines gegen sie gerichteten Attentats geführt worden seien, zur Person des Beschwerdeführers befragt worden sei; dabei hätten sich die serbischen Polizisten sinngemäß dahingehend geäußert, dass der Beschwerdeführer ein Verräter sei; sie (die Tante) wisse, wie schmutzig die Feinde der serbischen Polizei seien und was die serbische Polizei mit Verrätern tun müsse. Für den Beschwerdeführer bestehe daher auch von serbischer Seite Lebensgefahr; die serbische Polizei wisse, dass er sich in Österreich aufhalte, befrage Zeugen nach seiner genauen Adresse und kündige bereits unverblümt Aktionen gegen ihn an. Umgekehrt würde er als ehemaliger serbischer Polizist in "Albanien" eine Zielscheibe albanischer Terroristen darstellen, Mitglieder der serbischen Polizei seien in "Albanien" aktueller Lebensgefahr ausgesetzt.

In der Berufungsverhandlung vom 21. August 2001 gab der Beschwerdeführer gemäß dem in den Verwaltungsakten erliegenden Verhandlungsprotokoll ua. Folgendes an (VL = Verhandlungsleiter, BW = Beschwerdeführer):

"VL: Sie haben angegeben, dass Sie bei einer Rückkehr nach Jugoslawien befürchten, wegen Wehrdienstverweigerung bestraft zu werden, da Sie als Deserteur gelten würden. Es gibt ein neues Amnestiegesetz vom 26.02.2001, wonach Wehrdienstverweigerung und Desertion bis zum 07.10.2000 amnestiert werden.

BW: Das ist mir aus der Presse bekannt. Aber von meiner Tante weiß ich, dass ich nach wie vor von der Polizei gesucht werde. Im Herbst 1999 hat sie mehrmals bei der Polizei vorsprechen müssen. Man hat sie nach meinem Aufenthaltsort befragt. Sogar eine Gerichtsladung wurde ihr zugestellt. Angeblich wirft man mir vor, Waffen verkauft zu haben. Jedenfalls hat mir meine Tante gesagt, dass ich auf keinen Fall nach Jugoslawien zurückkehren darf. Außerdem ist eine Rückkehr für mich auch deswegen unmöglich, weil ich aus dem Kosovo stamme. Es ist allgemein bekannt, dass jeder Serbe mit dem Leben bezahlt, wenn er dorthin zurückgeht. Das gilt für mich umso mehr, als ich beim Ministerium angestellt war und zudem auch Reservist der Armee war.

...

BW: Ich bin mir jetzt nicht sicher, aber gilt dieses Amnestiegesetz nicht nur für Armeeangehörige und nicht für Polizisten?

VL: Auch Polizisten haben im Kriegsfall Kombattantenstatus, sodass dieses Amnestiegesetz auch für Reservisten der Polizisten gilt (Beilage C).

...

VL: Wann haben Sie denn erfahren, dass man Ihnen vorgeworfen

hat, dass sie mit Waffen gehandelt haben?

BW: Im Herbst 1999.

VL: Wie war das genau? Erzählen Sie mir genau von diesem Vorwurf?

BW: Das habe ich telefonisch von meiner Tante erfahren. ... Ich habe dann erfahren, dass das Gericht in Kosune Anklage gegen mich erhoben hat. Meine Tante hat mir das mitgeteilt. Sie war bei der Polizei und auch bei Gericht. Dort wurde sie gefragt, ob ihr bekannt sei, dass ich Waffen an die Albaner verkauft habe. Außerdem werde ich auch von meinen früheren Freunden und Nachbarn dafür verurteilt, dass ich geflohen bin. Sie halten mich für einen Verräter, weil ich nicht so gekämpft habe, wie sie. Das ist dann vielleicht noch ärger, als ein Urteil von einem kommunistischen Gericht.

VL: Haben Sie jemals eine Anklageschrift oder ein Urteil des Gerichtes gesehen?

BW: Nein, das hat sie mir nur telefonisch mitgeteilt.

VL: Haben Sie Waffen an die Albaner verkauft?

BW: Ich hatte meine Dienstwaffe in der Wohnung zurückgelassen, samt meiner Polizeiuniform. Ich habe nie Waffen verkauft. Als ich geflohen bin, hatte ich aber nicht mehr die Möglichkeit, die automatische Waffe und die Uniform zurückzugeben.

...

VL: Wie ist die Geschichte mit der Polizei ausgegangen? Was ist mit dem Verfahren jetzt?

BW: Es wird sicher noch im Gange sein. Sicher bin ich nicht,

aber ich glaube, es wird noch anhängig sein.

VL: Haben Sie sich nicht dafür interessiert?

BW: Ich will ganz ehrlich sein, mich interessiert es überhaupt nicht, weil ich auf keinen Fall zurückgehen kann.

VL: Wenn Sie zurückkehren würden, könnten Sie vor Gericht aufklären, dass Sie hinsichtlich des Vorwurfs des Waffenhandels unschuldig sind.

BW: Ich habe überhaupt keine Beweise, mit denen ich nachweisen könnte, dass ich die Dienstwaffe nicht verkauft habe.

Wie sollte ich das nachweisen können?

     VL: Andererseits kann aber auch niemand beweisen, dass Sie

die Waffe verkauft haben.

     BW: Das stimmt sicher, was Sie sagen. Selbst wenn ich Waffen

verkauft hätte, könnte es mir niemand heute nachweisen. Heute ist es so, dass Albaner und Serben eigene getrennte Evidenzen führen und nicht zusammenarbeiten. Die alten Unterlagen sind heute gar nicht mehr verfügbar.

VL: Was würde Ihnen konkret passieren, wenn Sie zurückkehren würden? Wegen Ihrer Wehrdienstverweigerung würde Ihnen wie gesagt keine Strafe drohen, wegen dieser Geschichte mit dem Waffenhandel würde Ihnen offensichtlich auch keine Strafe drohen und einer Gefährdung seitens der Albaner und seitens ehemaliger Bekannter könnten Sie entgehen, indem Sie sich in einen anderen Landesteil Jugoslawiens begeben. Was befürchten Sie sohin im Fall einer Rückkehr?

BW: Ich fürchte mich nach wie vor davor, dass dieses Gerichtsverfahren noch im Gange ist. Wahrscheinlich würde ich auch von der Polizei verhört werden und schließlich auch bestraft werden. Mit Serbien habe ich im Grunde genommen sehr wenig zu tun, weil ich aus dem Kosovo stamme und deswegen wenig Möglichkeiten sehe, in einen anderen Teil Serbiens zu gehen.

..."

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG ab (Spruchpunkt 1.). Weiters stellte sie gemäß § 8 AsylG iVm § 57 FrG fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Bundesrepublik Jugoslawien zulässig sei (Spruchpunkt 2.).

Die belangte Behörde stellte fest, dass der Beschwerdeführer seit November 1992 zunächst als Lagerarbeiter und dann als Nachtportier bei der serbischen Polizei beschäftigt gewesen sei. Eine Ausbildung, insbesondere an einer Waffe, habe der Beschwerdeführer bei der Polizei nicht erhalten, im Juli 1998 sei er jedoch zum "Referenten" ernannt worden, womit eine Bürotätigkeit in der polizeilichen Verwaltung verbunden gewesen wäre. Der Beschwerdeführer habe in der Folge diese Funktion nicht bekleidet, sondern, nachdem Auseinandersetzungen zwischen der UCK und der Polizei stattgefunden hätten, sein Heimatland verlassen, weil er an gewaltsamen Aktionen im Kosovo nicht habe teilnehmen wollen. Er gelte - seinen Angaben zufolge - als Deserteur. Im Herbst 1999 habe er von seiner Tante erfahren, dass ihm seitens der Behörden seines Heimatstaates vorgeworfen worden sei, Waffenhandel betrieben zu haben. Der Beschwerdeführer wisse nicht, ob diesbezüglich ein Strafverfahren gegen ihn anhängig sei, vermute das jedoch. Tatsächlich habe er niemals mit Waffen gehandelt und wäre es auch nicht möglich, ihm ein solches Delikt nachzuweisen. Der aus dem Kosovo stammende Beschwerdeführer habe entfernte Verwandte in Kosune, sonst jedoch keine Bindungen zu Serbien.

Die belangte Behörde stellte weiters fest, dass Reservisten der Polizei im Kriegsfall Kombattantenstatus hätten und dass am 5. März 2001 in der Bundesrepublik Jugoslawien ein - zur Gänze wörtlich wiedergegebenes - Amnestiegesetz in Kraft getreten sei. Dieses werde unterschiedslos auf den im Gesetz genannten Personenkreis angewendet, es finde keine nachträgliche Gewissensprüfung statt, es gäbe keine Hinweise dafür, dass bei der Anwendung dieses Amnestiegesetzes ethnische Gesichtspunkte eine Rolle spielten und es könne bestätigt werden, dass bereits einige Hundert Personen amnestiert und aus der Haft entlassen worden seien.

Rechtlich gelangte die belangte Behörde zu dem Schluss, dass der Beschwerdeführer auf Grund des genannten Amnestiegesetzes wegen seiner Weigerung, im Kosovo als Reservist Dienst zu tun, keinerlei strafrechtliche Konsequenzen zu befürchten habe. Selbst wenn er jedoch ein Strafverfahren wegen Wehrdienstverweigerung zu gewärtigen hätte, wären keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass er im Vergleich zu anderen Volksgruppenangehörigen oder aus einem der in der GFK genannten Motive strenger bestraft werden würde als andere, sodass seine Weigerung, an den gewaltsamen Auseinandersetzungen im Kosovo teilzunehmen, seine Flüchtlingseigenschaft "jedenfalls nicht indiziert". Hinsichtlich der ins Treffen geführten Anklage wegen Waffenhandels habe der Beschwerdeführer selbst ausgeführt, dass ihm ein solches Delikt nicht nachgewiesen werden könnte, zumal er tatsächlich nicht mit Waffen gehandelt habe. Es bestünden auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass ein solches Strafverfahren lediglich vorgeschoben werden würde, um den Beschwerdeführer aus asylrechtlich relevanten Motiven zu treffen. Soweit dieser vorbringe, allenfalls seitens ehemaliger Nachbarn und Bekannter als Verräter angesehen zu werden, sei ihm entgegenzuhalten, dass es sich hiebei um bloße Mutmaßungen handle, die nicht geeignet seien, eine konkrete Gefährdung des Beschwerdeführers darzutun. Im Übrigen hätte er die Möglichkeit, sich in ein anderes Gebiet seines Heimatlandes zu begeben, um so ehemaligen Nachbarn und Bekannten auszuweichen. Mit dem Einwand, dass er keine Bindungen zu Serbien habe, habe der Beschwerdeführer jedenfalls nicht dargetan, dass ihm eine innerstaatliche Fluchtalternative - etwa mangels jeglicher Existenzgrundlage - gänzlich unzumutbar wäre. Insgesamt sei sohin nicht zu erkennen, dass ihm seitens seines Heimatstaates (bzw. diesem zurechenbar) aus asylrechtlich relevanten Motiven Verfolgung drohe oder dass er in seinem Heimatland Gefahren iS des § 57 FrG ausgesetzt sein würde.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Die belangte Behörde hat zunächst außer Acht gelassen, dass bezüglich des aus dem Kosovo stammenden Beschwerdeführers nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes von zwei Herkunftsstaaten (dem Kosovo einerseits und der Bundesrepublik Jugoslawien ohne den Kosovo andererseits) auszugehen gewesen wäre (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 9. Juli 2002, Zl. 2001/01/0550). Das belastet jedenfalls - aus den im hg. Erkenntnis vom 18. Februar 2003, Zl. 2001/01/0325, näher dargestellten Gründen, auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird - den auf die gesamte Bundesrepublik Jugoslawien bezogenen Ausspruch nach § 8 AsylG mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, weil für den Kosovo keine substanzielle Prüfung in Richtung § 57 FrG stattgefunden hat; insbesondere hat sich die belangte Behörde mit der im Verwaltungsverfahren mehrfach zur Sprache gebrachten Bedrohung des Beschwerdeführers im Kosovo durch ethnische Albaner überhaupt nicht auseinander gesetzt. Damit blieb im Ergebnis auch die asylrechtliche Beurteilung auf die Bundesrepublik Jugoslawien ohne den Kosovo beschränkt. Eingegangen ist die belangte Behörde hingegen auf das - zweifelsohne in Richtung auf die Bundesrepublik Jugoslawien (ohne den Kosovo) erstattete - Vorbringen, dem Beschwerdeführer drohe wegen seiner "Desertion" strafrechtliche Verfolgung: Eine derartige Verfolgung sei - so die belangte Behörde - im Hinblick auf das am 5. März 2001 in Kraft getretene Amnestiegesetz nicht zu befürchten. Dem ist indes Folgendes zu entgegnen: Die belangte Behörde hat den Text des besagten Amnestiegesetzes zur Gänze wiedergegeben. Demnach umfasst es (Art. 1 Abs. 1) die Art. 201 (Verweigern des Annehmens und des Gebrauchs der Waffe), 214 (Widersetzen gegen den Einberufungsbefehl und Wehrpflichtentziehung), 215 (Wehrpflichtentziehung durch Herbeiführen der Wehruntauglichkeit oder Täuschung), 218 (eigenmächtiges Entfernen und Flucht aus der Armee Jugoslawiens) und 219 (Nichterfüllen der Abgabepflicht) des Strafgesetzbuches der Bundesrepublik Jugoslawien sowie (Art. 1 Abs. 2) Art. 118 (Verhinderung des Kampfes gegen den Feind), 124 (bewaffneter Aufstand), 133 (Aufforderung zu gewaltsamer Veränderung der verfassungsmäßigen Ordnung), 136 (Vereinigung zwecks feindlicher Aktivitäten) und 157 (Verletzung des Ansehens der Bundesrepublik Jugoslawien) des Strafgesetzbuches der Bundesrepublik Jugoslawien. Der Beschwerdeführer hat zwar vor dem Bundesasylamt angegeben, er gelte als "Deserteur", weil er sich als "Reservist der Polizei" einem bevorstehenden Einsatz entzogen habe. Dieses Vorbringen kann freilich nicht so verstanden werden, der Beschwerdeführer habe gegen wehrrechtliche Vorschriften verstoßen. Vielmehr ging es erkennbar darum, dass er als "Reservist der Polizei" seine ihn insoweit treffende Verpflichtung, gegebenenfalls "aktiv" an einem Einsatz teilzunehmen, verletzte. "Desertion" war demnach im gegebenen Zusammenhang als "Flucht aus der Polizei" zu verstehen, was nicht zuletzt durch die in der Berufungsverhandlung gestellte Frage des Beschwerdeführers, ob es nicht so sei, dass das Amnestiegesetz nur für Armeeangehörige und nicht auch für Polizisten gelte, belegt wird. Soweit der Beschwerdeführer aber wegen "Flucht aus der Polizei" Strafverfolgung befürchtet, sind seine soeben wiedergegebenen Zweifel bezüglich des Umfangs des Amnestiegesetzes durchaus berechtigt, lässt doch keiner der nach den Feststellungen der belangten Behörde vom Amnestiegesetz erfassten Tatbestände erkennen, dass er auch dieses spezifisch auf die Polizei bezogene Verhalten erfasse. Dass Polizisten im Kriegsfall Kombattantenstatus zukomme (wie dem Beschwerdeführer auf seine zitierte Frage in der Berufungsverhandlung erwidert wurde), macht das nach den Behauptungen des Beschwerdeführers strafbare Entfernen von der Polizei nicht ohne Weiteres zu einem Wehrdelikt, insbesondere kann nicht schlichtweg - so aber wohl die belangte Behörde - davon ausgegangen werden, der Beschwerdeführer habe sich einer "Wehrdienstverweigerung" schuldig gemacht. Konsequenz ist, dass die vom Beschwerdeführer befürchtete Strafverfolgung, soweit sie sich auf seine "Flucht aus der Polizei" bezieht, mit dem Hinweis auf das jugoslawische Amnestiegesetz jedenfalls ohne weitere Ermittlungen nicht entkräftet werden kann. Es lässt sich aber angesichts der amtsbekannten und in der Berufung ausdrücklich erwähnten Übergriffe jugoslawischer Einheiten im Kosovo ("ethnische Säuberung") auch nicht sagen, ein allfälliges Strafverfahren wegen der Weigerung des Beschwerdeführers, an den gewaltsamen Auseinandersetzungen im Kosovo - als Polizist - teilzunehmen, indiziere seine Flüchtlingseigenschaft nicht (vgl. näher die hg. Erkenntnisse vom 22. November 2001, Zl. 98/20/0261, und vom 21. März 2002, Zl. 99/20/0401). Mit den Behauptungen des Beschwerdeführers in seiner Stellungnahme vom 15. Juni 2000, wonach er gemäß den Äußerungen von Polizisten für die serbische Polizei als Verräter gelte und mit "entsprechender" Behandlung zu rechnen habe, hat sich die belangte Behörde nicht auseinander gesetzt. Vor dem Hintergrund dieser Äußerungen - dass ihnen etwa infolge geänderter Verhältnisse keine Aktualität mehr zukomme, hat die belangte Behörde nicht dargetan - bedürfte aber die Annahme, es bestünden keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass ein Strafverfahren wegen Waffenhandels gegen den Beschwerdeführer lediglich vorgeschoben werde, um ihn aus asylrechtlich relevanten Motiven zu treffen, ebenfalls einer näheren Begründung.

Aus den dargestellten Gründen ist der bekämpfte Bescheid auch in seinem Ausspruch nach § 7 AsylG mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet. Er war daher zur Gänze gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Mangels Geltendmachung eines Kostenersatzanspruches war dem Beschwerdeführer kein Aufwandersatz zuzusprechen.

Wien, am 25. März 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2001010470.X00

Im RIS seit

19.05.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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