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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
AVG §69 Abs1 Z2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Hargassner, Mag. Heinzl, Dr. Fuchs und Dr. Büsser als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Ginthör, über die Beschwerde des G in E, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat IA) vom 26. Juni 1997, Zl. RV/106-15/06/97, betreffend Abweisung eines Antrages auf Wiederaufnahme der Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuerverfahren für die Jahre 1990 bis 1993, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 332 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Wiederaufnahme der Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuerverfahren für die Jahre 1990 bis 1993 ab. In den genannten, mit Bescheid vom 27. Jänner 1997 abgeschlossenen Verfahren war die Behörde ausgehend von einer festgestellten Vermögensunterdeckung in Würdigung der ihr vorliegenden Beweise - die Anschaffung und Erhaltung der Lkw seien aus den erklärten Betriebsergebnissen nicht zu decken gewesen, der Beschwerdeführer habe anfänglich die Überlassung an den Bruder eingestanden, die damalige Lebensgefährtin des Beschwerdeführers habe eine Fahrzeugüberlassung an den Bruder bestätigt und Treibstoffabrechnungen, wie sie den vom Prüfer festgestellten auffallend hohen Jahreskilometerleistungen entsprachen, hätten in den betrieblichen Aufzeichnungen gefehlt - u.a. zur Ansicht gelangt, dass der Beschwerdeführer seine zum Betrieb des Obst- und Gemüsehandels verwendeten Klein-Lkw seinem Bruder für Beförderungen nach Bulgarien entgeltlich zur Verfügung gestellt habe.
In seinem Antrag auf Wiederaufnahme der Verfahren hat der Beschwerdeführer ausgehend davon, dass Ausgangspunkt für die abgabenbehördlichen Schätzungen Angaben seiner ehemaligen Lebensgefährtin Edith W. gewesen seien, ausgeführt, dass Edith W. ihm gegenüber am 18. März 1997 schriftlich bestätigt habe, dass sie mit ihren Angaben bei der Abgabenbehörde offensichtlich missverstanden worden sei. Tatsächlich habe der Beschwerdeführer lediglich den weißen VW-Bus im Jahr 1990 seinem Bruder verkauft. Die im Jahre 1990 gekauften zwei Ford Transit-Busse seien gekauft worden, um Zustellfahrten für sein eigenes Unternehmen durchzuführen. Diese beiden Busse seien keineswegs an den Bruder des Beschwerdeführers "weitergegeben" worden und es habe der Beschwerdeführer mit diesen Bussen auch keinesfalls gegen Entgelt Transportfahrten durchgeführt. Seine Lebensgefährtin habe weiters bestätigt, dass sie den Beschwerdeführer während ihrer Lebensgemeinschaft gelegentlich bei seinen Fahrten mit den Ford Transit-Bussen begleitet habe und diese Zustellfahrten für sein Unternehmen durchgeführt worden seien. Dieses Beweismittel sei geeignet, unter Berücksichtigung seiner Angaben im Abgabenverfahren und der von ihm gestellten Beweisanträge eine für ihn positive Entscheidung im Abgabenverfahren herbeizuführen.
Die belangte Behörde begründete die Abweisung des Wiederaufnahmeantrages im Wesentlichen damit, dass ein Beweismittel nur dann neu hervorgekommen sein könne, wenn es als solches im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides existent, aber der Partei nicht bekannt gewesen sei. "Neu entstandene" Beweismittel, wie etwa später zu Stande gekommene Urkunden - wie im gegenständlichen Fall -, bildeten für sich keinen Wiederaufnahmegrund. Somit sei lediglich zu prüfen gewesen, ob durch das neu entstandene Beweismittel Tatsachen hervorgekommen seien, die im Verfahren einen anders lautenden Bescheid hätten herbeiführen können und ob diese Tatsachen im abgeschlossenen Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht hätten geltend gemacht werden können. Der Beschwerdeführer habe in seinem Wiederaufnahmeantrag - entgegen den in der Berufungsentscheidung getroffenen Feststellungen - gemeint, Ausgangspunkt für die abgabenbehördliche Schätzung seien die Angaben seiner ehemaligen Lebensgefährtin gewesen. Diese Auffassung sei nicht begründet worden, weshalb aus diesem Vorbringen nicht erkennbar sei, inwiefern die betreffende Erklärung (der Edith W.) im Spruch anders lautende Bescheide hätte herbeiführen können. Wenn Edith W. nunmehr bestätige, dass sie bei ihren Angaben gegenüber dem Finanzamt, d.h. bei ihrer kurzen und übersichtlichen, bei Unterfertigung leicht überschaubaren Zeugenaussage offensichtlich missverstanden worden sei, ihrer Erklärung somit ein anderer Bedeutungsinhalt als im Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens festgestellt, zu entnehmen sei, so stelle dies jedenfalls keine neu hervorgekommene Tatsache dar. Eine durch den erkennenden Senat erfolgte andere Würdigung eines von einer Zeugin bekannt gegebenen Sachverhaltes als durch diese sei nicht geeignet, einen Wiederaufnahmegrund zu bilden. In der Erklärung sei überdies weder ein Widerruf der bei der Einvernahme unter Wahrheitsverpflichtung gemachten Angaben erfolgt, noch würden diese im Wesentlichen inhaltlich direkt durch die nun gemachten Angaben berührt. Nach Auffassung der belangten Behörde habe ein offener Widerspruch zu den ursprünglichen Angaben vermieden werden sollen. Für die belangte Behörde sei nicht erkennbar, inwieweit sich durch die nunmehrigen Angaben der Edith W. die Grundlagen für die im abgeschlossenen Verfahren vorgenommene Schätzung geändert haben sollten. Inwiefern die Angaben der Zeugin, der Beschwerdeführer habe den Bruder bei Dolmetscherarbeiten unterstützt und ihm für Transporte nach Bulgarien die Transporter (VW-Bus und Ford Transit) zur Verfügung gestellt, missverstanden worden sein sollten, sei für die belangte Behörde aus der vorliegenden Erklärung nicht ersichtlich. Die Angaben in der Erklärung, lediglich der weiße VW sei an den Bruder verkauft worden, die Ford Transit-Busse seien gekauft worden, um Zustellfahrten für sein eigenes Unternehmen durchzuführen und keinesfalls an seinen Bruder "weitergegeben" worden und der Beschwerdeführer habe damit für seinen Bruder keine Transportfahrten gegen Entgelt durchgeführt, stünden nicht im Widerspruch zum entscheidungswesentlichen Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens, weil im abgeschlossenen Verfahren weder festgestellt worden sei, dass die beiden im Jahre 1990 angeschafften Ford Transit-Lkw an den Bruder verkauft worden seien, noch dass der Beschwerdeführer Transportfahrten für diesen gegen Entgelt durchgeführt hätte. Diese Angaben seien somit nicht geeignet, einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeizuführen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde erwogen:
Gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO (in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung vor Einfügung des § 303a BAO durch BGBl. I Nr. 28/1999) ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im abgeschlossenen Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte. Es entspricht der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass eine Verfahrenswiederaufnahme nach § 303 Abs. 1 lit. b BAO nur unter bestimmten Voraussetzungen zu erfolgen hat, deren Vorliegen vom Wiederaufnahmewerber aus eigenem Antrieb in seinem Antrag konkretisiert und schlüssig darzulegen ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 2001, 99/15/0018).
Diesem Erfordernis wird der Wiederaufnahmeantrag schon deshalb nicht gerecht, weil darin davon ausgegangen wird, dass Grundlage der abgabenbehördlichen Schätzungen Angaben der Lebensgefährtin des Beschwerdeführers gewesen seien. Dem gegenüber weist die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid - vom Beschwerdeführer unwidersprochen - darauf hin, dass Ausgangspunkt der abgabenbehördlichen Schätzungen die im Rahmen der abgabenbehördlichen Prüfung festgestellte Vermögensunterdeckung war.
Aber selbst bei Vernachlässigung dieses Umstandes zeigte der Beschwerdeführer in seinem Wiederaufnahmeantrag nicht auf, inwiefern die - nunmehrigen - Angaben der Edith W. in der vom Beschwerdeführer in seinem Wiederaufnahmeantrag als neu hervorgekommenes Beweismittel bezeichneten Erklärung - in der Beschwerde wird die Ansicht, die Erklärung der Edith W. sei ein neu hervorgekommenes Beweismittel, zu Recht nicht mehr aufrechterhalten - als allenfalls neu hervorgekommene Tatsachen geeignet sein sollten, allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens im Spruch anders lautende Bescheide herbeizuführen. Der Beschwerdeführer übersieht, dass die belangte Behörde im abgeschlossenen Verfahren in Würdigung verschiedener ihr vorliegender Beweismittel - (nur) eines davon war die Aussage der Edith W. vom 26. Mai 1994 - zur Ansicht gelangt war, dass der Beschwerdeführer seine im Betrieb des Obst- und Gemüsehandels verwendeten Klein-Lkw seinem Bruder für Beförderungen nach Bulgarien entgeltlich zur Verfügung gestellt habe. Die nunmehrigen Angaben der Edith W., wonach der Beschwerdeführer Ende 1990 nach dem Verkauf eines VW-Busses zwei Ford Transit-Busse gekauft habe, um Zustellfahrten für sein eigenes Unternehmen durchzuführen, stehen mit diesem von der Behörde im abgeschlossenen Verfahren als erwiesen angenommenen Sachverhalt nicht im Widerspruch, weil die Behörde weder die diesbezügliche Absicht noch die tatsächliche Verwendung der Busse auch zu diesem Zweck verneint hat. Der Beschwerdevorwurf, die Annahme im abgeschlossenen Verfahren, der Beschwerdeführer hätte Einkünfte aus Transportfahrten für seinen Bruder erzielt und diese nicht deklariert, sei "damit" jedenfalls nicht mehr haltbar, ist auch deshalb verfehlt, weil die Behörde im abgeschlossenen Verfahren nicht als erwiesen angenommen hat, dass der Beschwerdeführer (selbst) für seinen Bruder mit den genannten Bussen entsprechende Transportfahrten durchgeführt habe.
Nicht nachvollziehbar ist vor dem (oben dargestellten) Inhalt des angefochtenen Bescheides auch die nur allgemeine Beschwerdebehauptung, die belangte Behörde sei auf den konkreten Inhalt der vorgelegten Erklärung der Edith W. nicht eingegangen und habe sich mit den Argumenten seines Wiederaufnahmeantrages sowie mit den konkreten Feststellungen des (abgeschlossenen) Abgabenverfahrens nicht auseinander gesetzt. Konkrete Begründungsdefizite des angefochtenen Bescheides bringt der Beschwerdeführer nicht zur Darstellung.
Die Beschwerde erweist sicht daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 26. März 2003
Schlagworte
Inhalt des WiederaufnahmeantragesEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:1998130142.X00Im RIS seit
07.05.2003