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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AlVG 1977 §36 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Beck und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. König, über die Beschwerde der JC in W, vertreten durch Dr. Harald Hohenberg, Rechtsanwalt in Graz, Schönaugasse 4, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Steiermark vom 25. März 1999, Zl. LGS600/RALV/1218/1999-Dr.Puy/S, betreffend Rückforderung von Notstandshilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird, soweit er sich auf die Festsetzung eines Rückforderungsbetrages in Höhe von S 134.764.-- bezieht, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Deutschlandsberg (kurz: AMS Deutschlandsberg) vom 6. Oktober 1998 wurde gemäß § 38 in Verbindung mit § 24 Abs. 2 AlVG, der Bezug der Notstandshilfe für den Zeitraum vom 1. August 1993 bis 31. August 1998 widerrufen "bzw. die Bemessung rückwirkend berichtigt" und die beschwerdeführende Partei gemäß § 38 in Verbindung mit § 25 Abs. 1 AlVG zur Rückzahlung der unberechtigt empfangenen Notstandshilfe im Gesamtbetrag von S 181.451.-verpflichtet.
In der Begründung dieses Bescheides wird u.a. ausgeführt, die beschwerdeführende Partei habe die Leistung aus der Arbeitslosenversicherung für den Zeitraum vom 1. August 1993 bis 2. Oktober 1993 und vom 4. Oktober 1993 bis 31. August 1998 zu Unrecht bezogen, weil sie nicht gemeldet habe, dass sie eine Unterhaltsleistung erhalte.
Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei Berufung.
Mit Bescheid vom 25. März 1999 gab die belangte Behörde der Berufung teilweise statt. Die beschwerdeführende Partei brauche S 46.687.- nicht zurückzuzahlen und der Rückforderungsbetrag vermindere sich daher auf S 134.764.--.
In der Begründung dieses Bescheides wird u.a. ausgeführt, aus den vorgelegten Unterlagen habe sich ergeben, dass die beschwerdeführende Partei vor dem 1. Dezember 1995 keine regelmäßigen Zahlungen erhalten habe, sodass erst ab 1. Jänner 1996 der monatliche Betrag von S 3.000.- anzurechnen sei. Vor diesem Zeitpunkt sei jeweils im Folgemonat der entsprechend angewiesene Betrag anzurechnen bzw. habe bei Nichtzahlung für einen Monat keine Anrechnung zu erfolgen. Auf Grund der im Bescheid näher ausgeführten Neuberechnung sei der Betrag um insgesamt S 46.686,81 (aufgerundet 46.687,--) zu reduzieren. Die beschwerdeführende Partei habe entgegen ihren Ausführungen in der Berufung den Erhalt von Unterhaltsleistungen in ihrem Antrag auf Notstandshilfe nicht angegeben und auch nicht gemeldet (wohl aber die Rente aus der Schweiz) und sie sei daher zur Rückzahlung der zu Unrecht bezogenen Notstandshilfe zu verpflichten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Die beschwerdeführende Partei wendet u.a. ein, das Einkommen des geschiedenen Ehepartners bleibe ex lege unberücksichtigt. Ob der geschiedene Ehepartner unterhaltsverpflichtet sei oder nicht, werde letztlich im gerichtlichen Verfahren festgestellt. Es sei daher auch nicht zu berücksichtigen, ob und in welchem Ausmaß der Unterhaltsverpflichtete tatsächlich zahle oder allenfalls zahlungsunfähig sei. Einkommen im Sinne des AlVG sei nur jenes regelmäßig bezogene Einkommen, das aus selbstständiger oder unselbstständiger Tätigkeit oder z.B. aus Vermietung und Verpachtung zuzuordnen sei. Die Einbeziehung von Unterhalt des geschiedenen Ehegatten sei hier ebenso nicht zu berücksichtigen, wie ein allfälliger subsidiärer Unterhaltsanspruch gegenüber den volljährigen Kindern. Weil die belangte Behörde den vom geschiedenen Ehegatten zu leistenden Unterhalt bei der Feststellung der Leistung aus dem AlVG mit berücksichtigt habe, habe sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.
Wenn sich die Zuerkennung oder die Bemessung des Arbeitslosengeldes nachträglich als gesetzlich nicht begründet herausstellt, ist nach § 24 Abs. 2 AlVG die Zuerkennung zu widerrufen oder die Bemessung rückwirkend zu berichtigen.
Nach § 25 Abs. 1 erster Satz AlVG ist bei Einstellung, Herabsetzung, Widerruf oder Berichtigung einer Leistung der Empfänger des Arbeitslosengeldes zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn er den Bezug durch unwahre Angaben oder durch Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt hat oder wenn er erkennen musste, dass die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte.
Soweit in diesem Abschnitt nichts anderes bestimmt ist, sind nach § 38 AlVG auf die Notstandshilfe die Bestimmungen des Abschnittes 1 sinngemäß anzuwenden. Zu diesen Bestimmungen des Abschnittes 1 zählen u.a. auch die vorzitierten Regelungen des § 24 Abs. 2 und des § 25 Abs. 1 erster Satz AlVG.
Gemäß § 33 Abs. 1 AlVG kann Arbeitslosen, die den Anspruch auf Arbeitslosengeld oder Karenzgeld erschöpft haben, auf Antrag Notstandshilfe gewährt werden.
Nach § 33 Abs. 3 AlVG liegt Notlage vor, wenn dem Arbeitslosen die Befriedigung der notwendigen Lebensbedürfnisse unmöglich ist.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist der geltend gemachte Anspruch auf Notstandshilfe zeitraumbezogen zu beurteilen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. Juli 2002, Zl. 2000/08/0196).
Unbestritten ist, dass die beschwerdeführende Partei die Behörde erst nachträglich (anlässlich der Antragstellung am 24. September 1998) - wie im angefochtenen Bescheid näher dargestellt - von der Unterhaltsleistung ihres geschiedenen Ehegatten informierte und erst in der Folge auch entsprechende Bestätigungen über die monatlichen Unterhaltszahlungen der Behörde vorlegte, wodurch grundsätzlich eine Rückforderung einer allenfalls zu hoch bezogenen Notstandshilfe nach § 25 Abs. 1 i. V.m. § 38 AlVG möglich war. Die beschwerdeführende Partei hat daher den Bezug einer allenfalls in zu hohem Ausmaß bezogenen Notstandshilfe jedenfalls durch Verschweigung maßgebender Tatsachen im Sinne des § 25 Abs. 1 erster Satz AlVG herbeigeführt. Dabei ist jedoch gemäß § 25 Abs. 6 erster Satz i.V.m. § 38 AlVG zu beachten, dass eine Verpflichtung zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen einschließlich der Aberkennung des Anspruches auf Arbeitslosengeld gemäß Abs. 2 oder eine Verfügung zur Nachzahlung für Zeiträume unzulässig ist, die länger als fünf Jahre, gerechnet ab Kenntnis des maßgeblichen Sachverhaltes durch die regionale Geschäftsstelle, zurückliegen.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 12. Dezember 1995, Zl. 95/08/0133, in Bezug auf den Einkommensbegriff zur Rechtslage nach § 36 Abs. 3 lit. a AlVG vor Inkrafttreten des Strukturanpassungsgesetzes (kurz: Strukturanpassungsgesetz 1995), BGBl. Nr. 297/1995, (konkret ging es damals um einen Beurteilungszeitraum vom 7. Februar 1992 bis 4. April 1995) in Verbindung mit § 2 Abs. 1 und § 5 der Notstandshilfeverordnung, BGBl. Nr. 352/1973 in der jeweils geltenden Fassung näher ausgeführt hat, ist der Begriff des Einkommens - wie er damals im AlVG verwendet wurde - darin nicht definiert. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch - unter Bedachtnahme des fachlichen Sprachgebrauchs im Bereich der Nationalökonomie - ist Einkommen die einer Wirtschaftseinheit in einer Zeitperiode als Gegenleistung für ihre Beteiligung am volkswirtschaftlichen Produktionsprozess zufließenden Geldbeträge, Güter oder Nutzungen, die ohne Schmälerung des Vermögens zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse verwendet werden können. Selbst der umfassende fiskalische Einkommensbegriff umfasst grundsätzlich nur solche Einkünfte als Einkommen, welche die Leistungsfähigkeit einer Wirtschaftseinheit erhöhen (vgl. zum Ganzen das vorzitierte hg. Erkenntnis vom 12. Dezember 1995).
Unter diesem Gesichtspunkt wertete der Verwaltungsgerichtshof in dem zuletzt zitierten Erkenntnis Abschlagszahlungen für die Überlassung von ehelichem Gebrauchsvermögen im Zuge einer Hausratsteilung anlässlich einer Ehescheidung, sofern die Gegenleistung der Vermögensgegenstände dem Wert dieser Vermögensgegenstände entspricht, nicht als Einkommen in diesem Sinne. Der Verwaltungsgerichtshof wies jedoch darauf hin, dass eine andere Beurteilung nur dann in Betracht käme, wenn die seinerzeit beschwerdeführende Partei ihrem Ehegatten Güter in einem unter dem Wert der Gegenleistung liegenden Ausmaß überlassen hätte, sodass in Wahrheit eine befristete Unterhaltsleistung gewährt werden sollte. Damit gab der Verwaltungsgerichtshof insbesondere zu erkennen, dass nach der damals geltenden Rechtslage des AlVG vor Inkrafttreten der das AlVG ändernden Bestimmungen des Strukturanpassungsgesetzes 1995 Unterhaltsleistungen sehr wohl Einkommen waren. Dies lässt jedenfalls die Berücksichtigung jener Unterhaltsleistungen, die die beschwerdeführende Partei vor dem Inkrafttreten der durch das Strukturanpassungsgesetz 1995 geänderten Bestimmungen des AlVG bezog, in Bezug auf die Rückforderung von Notstandshilfe rechtmäßig erscheinen.
Anders verhält es sich hingegen hinsichtlich des Einkommensbegriffs nach den zeitraumbezogenen Fassungen des § 36a AlVG ab Inkrafttreten der durch das Strukturanpassungsgesetz 1995 geänderten Bestimmungen des AlVG bis zum Inkrafttreten der - im Beschwerdefall jedoch nicht mehr relevanten - Novelle BGBl. I Nr. 87/1999. Der Verwaltungsgerichtshof hat nämlich in seinem Erkenntnis vom 16. März 1999, Zl. 97/08/0554, ausgesprochen, dass die Anrechnung der Unterhaltszahlungen im Gesetz in der für diesen Zeitraum anzuwendenden Fassung keine Grundlage findet. Es wird hinsichtlich der näheren Begründung gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf dieses Erkenntnis verwiesen.
Die belangte Behörde verkannte daher, soweit sie in den von ihr geänderten und - in einer nicht näher aufgeschlüsselten Gesamtsumme - festgelegten Rückforderungsbetrag auch Unterhaltbeiträge einbezog, die ab dem Inkrafttreten der durch das Strukturanpassungsgesetz 1995 geänderten Bestimmungen des AlVG bis einschließlich September 1998 geleistet wurden, mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Angesichts der Festlegung des Rückforderungsbetrages in einer Gesamtsumme war es dem Verwaltungsgerichtshof - entgegen der offenbar von der belangten Behörde in der Gegenschrift vertretenen Rechtsansicht - verwehrt, reformatorisch (berichtigend) in den diesbezüglichen Spruchteil des angefochtenen Bescheides einzugreifen. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG hinsichtlich der Festsetzung des Rückforderungsbetrages aufzuheben. Bei der Erlassung des Ersatzbescheides wird die belangte Behörde auch die vorzitierte Bestimmung des § 25 Abs. 6 erster Satz i.V.m.
§ 38 AlVG zu beachten haben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 28. März 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:1999020134.X00Im RIS seit
05.05.2003