Index
E000 EU- Recht allgemein;Norm
31985R3820 Harmonisierung best Sozialvorschriften Strassenverkehr Art2 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Beck und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. König, über die Beschwerde des GHA in N, Deutschland, vertreten durch Dr. Stefan Hornung, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Hellbrunner Straße 11, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich, Außenstelle Wiener Neustadt, vom 23. April 2002, Zl. Senat-BL-01- 1018, betreffend Übertretungen des Kraftfahrgesetzes 1967, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde gegen die Punkte 1. lit. b und 8. (der von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid übernommenen Zählweise der Behörde erster Instanz) wird sowohl hinsichtlich des Schuld-, des Straf- und des Kostenausspruches als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerde gegen die Punkte 2., 5., 6. und 7. wird abgewiesen, soweit sie sich gegen den Schuldspruch richtet.
Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich des Straf- und Kostenausspruches in den Punkten 1. lit. a, 2., 5., 6. und 7. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 23. April 2002 wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, es sei am 19. Februar 2000 im Gemeindegebiet B, B 9, Richtung B, Ausreisekontrolle, Grenzkontrollstelle B, festgestellt worden, dass er als Lenker eines dem Kennzeichen nach näher bestimmten, in Deutschland zugelassenen Sattelzugfahrzeuges und Sattelanhängers
1. ...
b) die tägliche Ruhezeit von neun, elf bzw. zwölf Stunden innerhalb von 24 Stunden (bzw. acht Stunden innerhalb von 30 Stunden bei Zweifahrerbesetzung) nicht eingehalten habe, weil diese vom 15. Februar auf den 16. Februar 2000 nur neun Stunden 54 Minuten betragen habe,
2. die Tageslenkzeit von neun bzw. zweimal wöchentlich zehn Stunden zwischen zwei Ruhepausen nicht eingehalten habe, weil diese
a) vom 18. Februar auf den 19. Februar 2000 zwölf Stunden 13 Minuten und
b) vom 16. Februar auf den 17. Februar 2000 zehn Stunden 33 Minuten betragen habe,
...
5. a) am 18. Februar bis 19. Februar, b) am 15. Februar bis 16. Februar, c) am 13. Februar bis 14. Februar und d) am 12. Februar bis 13. Februar 2000 das Schaublatt vor Ende der täglichen Arbeitszeit entnommen habe,
6. die Unterbrechung der Lenkzeit/Lenkpause nach bzw. innerhalb von 4,5 Stunden nicht eingehalten habe, weil diese
a) am 18. Februar auf den 19. Februar 2000 insgesamt nur 39 Minuten
b)
am 17. Februar insgesamt nur 34 Minuten
c)
am 13. Februar auf den 14. Februar 2000 insgesamt nur 30 Minuten und
d) am 12. Februar auf den 13. Februar 2000 insgesamt nur 15 Minuten betragen habe,
7. als Fahrzeuglenker nicht dafür gesorgt habe, dass das Schaublatt vom
-
17. bis 18. Februar 2000 (falsches Datum),
-
16. Februar bis 17. Februar 2000 (falsches Datum),
-
12. Februar bis 13. Februar 2000 (Kilometerstand)
ordnungsgemäß ausgefüllt gewesen sei,
8. am 12. Februar bis 13. Februar 2000 das Schaublatt über den dafür bestimmten Zeitraum (24 Stunden) hinaus verwendet habe.
Er habe Verwaltungsübertretungen gemäß § 134 Abs. 1 KFG iVm Art. 8 Abs. 1 EG-VO 3820/85 (Pkt. 1.), Art. 6 Abs. 1 EG-VO 3820/85 (Pkt. 2.), Art. 15 Abs. 2 EG-VO 3821/85 (Pkt. 5. und 8.), Art. 7 Abs. 1 EG-VO 3820/85 (Pkt. 6.) sowie Art. 15 Abs. 5b und d EG-VO 3821/85 (Pkt. 7.), begangen.
Es wurden im angefochtenen Bescheid gemäß § 134 KFG folgende Strafen verhängt:
"1. lit. a, b jeweils EUR 29,06 (Ersatzfreiheitsstrafen je 24 Stunden)
2. lit. a, b jeweils EUR 29,06 (Ersatzfreiheitsstrafen je 12 Stunden)
5. lit. a, b, c, d jeweils EUR 21,80 (Ersatzfreiheitsstrafen je 6 Stunden)
6. lit. a, b, c, d jeweils EUR 21,80 (Ersatzfreiheitsstrafen je 6 Stunden)
7. lit. a, b, c jeweils EUR 14,53 (Ersatzfreiheitsstrafen je 8 Stunden)."
Weiters wurde die zu 8. von der Behörde erster Instanz verhängte Strafe von S 400,-- (das entspricht EUR 29,06;
Ersatzfreiheitsstrafe von 24 Stunden) bestätigt.
Es wurde gemäß § 64 Abs. 2 VStG ein "Kostenbeitrag zum
Berufungsverfahren mit EUR 66,84 festgesetzt".
Zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes stützte sich
die belangte Behörde auf die Ergebnisse der durchgeführten mündlichen Verhandlung.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:
I. Zum Strafausspruch in Pkt. "1. lit. a":
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde u.a. der Berufung des Beschwerdeführers hinsichtlich des Punktes 1. lit. a des Straferkenntnisses Folge gegeben, das Straferkenntnis in diesem Punkt aufgehoben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 2 VStG eingestellt. Dennoch verhängte die belangte Behörde in diesem Punkt eine Geldstrafe von EUR 29,06 (Ersatzfreiheitsstrafe von 24 Stunden). Da die Verhängung dieser Geldstrafe des Schuldspruches entbehrt, erweist sie sich als inhaltlich rechtswidrig.
II. Zu allen übrigen Punkten des Schuldspruches des angefochtenen Bescheides:
Die im gegenständlichen Fall maßgeblichen Rechtsvorschriften lauten:
§ 134 Kraftfahrgesetz (KFG) 1967 (in der Fassung BGBl. I Nr. 146/1998):
"(1) Wer diesem Bundesgesetz, den auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen, Bescheiden oder sonstigen Anordnungen, den Art. 5 bis 9 der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 über die Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr, ABl. Nr. L 370 vom 31. Dezember 1985, S 1 sowie der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 über das Kontrollgerät im Straßenverkehr, ABl. Nr. L 370 vom 31. Dezember 1985, S 8, geändert durch Verordnung (EWG) Nr. 3572/90, ABl. Nr. L 353 vom 17. Dezember 1990, S 12, zuwiderhandelt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 30 000 S, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu sechs Wochen zu bestrafen. Bei der Einbringung von Fahrzeugen in das Bundesgebiet sind solche Zuwiderhandlungen auch strafbar, wenn sie auf dem Wege von einer österreichischen Grenzabfertigungsstelle, die auf ausländischem Gebiet liegt, zur Staatsgrenze begangen werden. Wurde der Täter wegen der gleichen Zuwiderhandlung bereits einmal bestraft, so kann an Stelle der Geldstrafe Arrest bis zu sechs Wochen verhängt werden. Wurde der Täter wegen der gleichen Zuwiderhandlung bereits zweimal bestraft, so können Geld- und Arreststrafen auch nebeneinander verhängt werden. Die Verhängung einer Arreststrafe ist in diesen Fällen aber nur zulässig, wenn es ihrer bedarf, um den Täter von weiteren Verwaltungsübertretungen der gleichen Art abzuhalten. Auch der Versuch einer solchen Zuwiderhandlung ist strafbar.
(1a) Übertretungen der Artikel 5 bis 9 der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 über die Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr, ABl. Nr. L 370 vom 31. Dezember 1985, S 1 sowie der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 über das Kontrollgerät im Straßenverkehr, ABl. Nr. L 370 vom 31. Dezember 1985, S 8, geändert durch Verordnung (EWG) Nr. 3572/90, ABl. Nr. L 353 vom 17. Dezember 1990, S 12, sind auch dann als Verwaltungsübertretung strafbar, wenn die Übertretung nicht im Inland, sondern auf einer Fahrtstrecke innerhalb des Geltungsbereiches dieser Bestimmungen begangen worden ist (Art. 2 der Verordnung 3820/85). Als Ort der Übertretung gilt in diesem Falle der Ort der Betretung im Inland, bei der die Übertretung festgestellt worden ist. Von einer Bestrafung ist jedoch abzusehen, wenn die Übertretung im Bundesgebiet nicht mehr andauert und der Lenker nachweist, dass er wegen dieses Deliktes bereits im Ausland bestraft worden ist."
(11d) Auf Fahrten, für die das Europäische Übereinkommen über die Arbeit des im internationalen Straßenverkehr beschäftigten Fahrpersonals (AETR), BGBl. Nr. 518/1975, in der Fassung BGBl. Nr. 203/1993, gilt, bestimmen sich das Mindestalter sowie die Lenk- und Ruhezeiten nach Maßgabe der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 über die Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr, Abl. Nr. L 370 vom 31. Dezember 1985, S 1."
Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 des Rates vom 20. Dezember 1985 über die Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr (in der Folge: VO 3820/85):
"Geltungsbereich
Artikel 2
(1) Diese Verordnung gilt für innergemeinschaftliche Beförderungen im Straßenverkehr im Sinne von Artikel 1 Nummer 1.
(2) Das Europäische Übereinkommen über die Arbeit des im internationalen Straßenverkehr beschäftigten Fahrpersonals (AETR) gilt anstelle der vorliegenden Vorschriften für Beförderungen im grenzüberschreitenden Straßenverkehr
-
von und/oder nach Drittländern, die Vertragsparteien dieses Übereinkommens sind, oder im Durchgang durch diese Länder auf der gesamten Fahrstrecke, wenn die Beförderungen mit Fahrzeugen durchgeführt werden, die in einem Mitgliedstaat oder in einem dieser Drittländer zugelassen sind;
-
von und/oder nach einem Drittland, das nicht Vertragspartei des Übereinkommens ist, mit Fahrzeugen, die in einem solchen Drittland zugelassen sind, auf allen Fahrstrecken innerhalb der Gemeinschaft.
Lenkzeiten
Artikel 6
(1) Die nachstehend 'Tageslenkzeit' genannte Gesamtlenkzeit zwischen zwei täglichen Ruhezeiten oder einer täglichen und einer wöchentlichen Ruhezeit darf 9 Stunden nicht überschreiten. Sie darf zweimal pro Woche auf 10 Stunden verlängert werden.
Der Fahrer muss nach höchstens sechs Tageslenkzeiten eine wöchentliche Ruhezeit im Sinne von Artikel 8 Absatz 3 einlegen.
Die wöchentliche Ruhezeit kann bis zum Ende des sechsten Tages verschoben werden, falls die Gesamtlenkzeit während der sechs Tage nicht die Höchstdauer übersteigt, die sechs Tageslenkzeiten entspricht.
...
Unterbrechungen und Ruhezeit
Artikel 7
(1) Nach einer Lenkzeit von 4 1/2 Stunden ist eine Unterbrechung von mindestens 45 Minuten einzulegen. Sofern der Fahrer keine Ruhezeit nimmt.
...
Artikel 8
(1) Der Fahrer legt innerhalb jedes Zeitraums von 24 Stunden eine tägliche Ruhezeit von mindestens 11 zusammenhängenden Stunden ein, die höchstens dreimal pro Woche auf nicht weniger als 9 zusammenhängende Stunden verkürzt werden darf, sofern bis zum Ende der folgenden Woche eine entsprechende Ruhezeit zum Ausgleich gewährt wird.
Die Ruhezeit kann an den Tagen, an denen sie nicht nach Unterabsatz 1 verkürzt wird, innerhalb von 24 Stunden in zwei oder drei Zeitabschnitten genommen werden, von denen einer mindestens 8 zusammenhängende Stunden betragen muss. In diesem Falle erhöht sich die Mindestruhezeit auf 12 Stunden."
(Artikel 9 ist im Beschwerdefall ohne Belang)
Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 des Rates vom 20. Dezember 1985 über das Kontrollgerät im Straßenverkehr (in der Folge: VO 3821/85):
"Artikel 3
(1) Das Kontrollgerät muss bei Fahrzeugen eingebaut und benutzt werden, die der Personen- oder Güterbeförderung im Straßenverkehr dienen und in einem Mitgliedstaat zugelassen sind; ...
Artikel 15
...
(2) Die Fahrer benutzen für jeden Tag, an dem sie lenken, ab dem Zeitpunkt, an dem sie das Fahrzeug übernehmen, Schaublätter. Das Schaublatt wird erst nach der täglichen Arbeitszeit entnommen, es sei denn, eine Entnahme ist auf andere Weise zulässig. Kein Schaublatt darf über den Zeitraum, für den es bestimmt ist, hinaus verwendet werden.
Wenn die Fahrer sich nicht im Fahrzeug aufhalten und daher nicht in der Lage sind, das in das Fahrzeug eingebaute Gerät zu betätigen, müssen die in Absatz 3 zweiter Gedankenstrich Buchstaben b), c) und d) genannten Zeiträume von Hand, durch automatische Aufzeichnung oder auf andere Weise lesbar und ohne Beschmutzung des Schaublatts oder (die) (eine) Fahrerkarte(n) eingetragen werden.
...
(5) Der Fahrer hat auf dem Schaublatt folgende Angaben einzutragen:
...
b) bei Beginn und am Ende der Benutzung des Blattes: den Zeitpunkt und den Ort;
...
d) den Stand des Kilometerzählers:
-
vor der ersten auf dem Blatt verzeichneten Fahrt,
-
am Ende der letzten auf dem Blatt verzeichneten Fahrt,
-
im Falle des Fahrzeugwechsels während des Arbeitstags
(Zähler des vorherigen Fahrzeugs und Zähler des neuen Fahrzeugs);
..."
Der Beschwerdeführer rügt, die belangte Behörde habe keine Feststellungen zu den vom Beschwerdeführer im Zeitraum 12. Februar 2000 bis 19. Februar 2000 durchgeführten Fahrten getroffen. Er setzt fort:
"Diese Feststellungen wären allerdings von entscheidungswesentlicher Bedeutung gewesen, da gemäß Art. 2 Abs. 1 der VO 3820/85 dieselbe nur für innergemeinschaftliche Beförderungen im Straßenverkehr im Sinne von Art. 1 Nummer 1 leg. cit. gilt. Wenn und soweit Fahrten und/oder nach Drittländern unternommen wird/werden, gilt insofern das Europäische Übereinkommen über die Arbeit des im internationalen Straßenverkehr beschäftigten Fahrpersonals (AETR). Schließlich für rein lokale Fahrten gelten nur nationale Vorschriften. Gleiches gilt für den Anwendungsbereich der VO 3821/85.
Auf Grund der fehlenden Feststellungen steht sohin gar nicht fest, welche Rechtsvorschriften Anwendung finden."
Wie sich aus den im Verwaltungsakt einliegenden Schaublättern des im gegenständlichen Fall als Kontrollgerät verwendeten Fahrtenschreibers ergibt, führten die Fahrten des Beschwerdeführers u.a. auch nach Bratislava. Die Slowakei ist Vertragsstaat des AETR (BGBl. Nr. 309/95).
Sohin bestimmen sich nach § 102 Abs. 11d KFG 1967 u.a. die Lenk- und Ruhezeiten nach der VO 3820/85, wobei ein Verstoß gegen die diesbezüglichen Artikel 6 bis 9 nach § 134 Abs. 1 KFG strafbar ist (vgl. auch die Erläuterungen RV 861 BlgNR 18. GP, Seiten 5, 6, 8 und 9; AB 1039 BlgNR 18. GP, S 1). Gemäß § 134 Abs. 1a KFG ist für diese Tatbestände auch in Fällen mit Auslandsbezug Tatort der Ort der Betretung im Inland, bei der die Übertretung festgestellt worden ist.
Daraus ergibt sich eine vollständige Gleichstellung sämtlicher im Straßenverkehr begangener Übertretungen der Art. 5 bis 9 VO 3820/85. Daher ist es für die Strafbarkeit gemäß § 134 Abs. 1 und die Bestimmung des inländischen Tatortes gemäß § 134 Abs. 1a KFG gleichgültig, ob die Übertretung auf einer Fahrtstrecke
-
die zur Gänze im Inland gelegen ist,
-
im grenzüberschreitenden Straßenverkehr von und/oder nach Drittländern, die Vertragsparteien des AETR sind, oder im Durchgang durch diese Länder auf der gesamten Fahrtstrecke, wenn die Beförderungen mit Fahrzeugen durchgeführt werden, die in einem Mitgliedstaat oder in einem dieser Drittländer zugelassen sind,
-
im grenzüberschreitenden Straßenverkehr von und/oder nach einem Drittland, das nicht Vertragspartei des AETR ist, mit Fahrzeugen, die im Inland, im EU-Ausland, in einem Vertragsstaat des AETR oder in einem Drittland, das nicht Vertragspartei des AETR ist,
begangen wurde.
Damit ist bei Übertretungen des § 134 KFG iVm der Art. 5 bis 9 der VO 3820/85 weder die Fahrtstrecke festzustellen, noch in den Spruch aufzunehmen, weil alle Übertretungen der gegenständlichen Art auf allen möglichen Fahrtstrecken in gleicher Weise unter Strafe gestellt sind und als Tatort immer der Ort der Betretung gilt.
Hinsichtlich der VO 3821/85 gilt Gleiches, weil diese Verordnung in ihrem Art. 3 Abs. 1 bestimmt, dass das Kontrollgerät bei allen der Personen- oder Güterbeförderung im Straßenverkehr dienenden und in einem Mitgliedstaat zugelassenen Fahrzeuge (eingebaut und) benutzt werden muss (mit hier nicht zutreffenden Ausnahmen). Damit erübrigt sich auch bei Übertretungen nach einem der in dieser Verordnung genannten Tatbestände die Ermittlung der Fahrtstrecke bzw. deren Aufnahme in den Spruch.
Zur Tatumschreibung in den Punkten 1.b) und 5.) ist vorweg anzumerken, dass der Spruch zwar zunächst nicht klar erscheint, bei verständiger Gesamtbetrachtung des Spruchinhaltes (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. Juni 1995, Zl. 95/02/0042), insbesondere vor dem Hintergrund der von der belangten Behörde gegebenen Begründung, die bei unklarem Spruch zur Auslegung herangezogen werden darf (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Oktober 2002, Zl. 2001/15/0077), aber ausreichend verständlich ist. So ist durch die Begründung zu Punkt 1.b) klar, dass die Ruhezeit von neun Stunden und 54 Minuten nicht zusammenhängend genommen wurde, was aber eine der Bedingungen für die Verkürzung der grundsätzlich elfstündigen Ruhezeit des Art. 8 Abs. 1 VO 3820/85 auf neun Stunden ist. Punkt 5.) ist so zu verstehen, dass der Beschwerdeführer das jeweilige Schaublatt von einem (datumsmäßig umschriebenen) Tag auf den nächsten (datumsmäßig umschriebenen) Tag vor Ende der täglichen Arbeitszeit entnommen habe.
Des Weiteren bringt der Beschwerdeführer vor, dass bei einer Übertretung des Art. 15 Abs. 2 VO 3821/85 eine "genaue Zeitangabe der Entnahme des Schaublattes für die Erfüllung des Konkretisierungsgebotes des § 44a VStG jedenfalls erforderlich" sei, "da andernfalls die Gefahr einer Doppelbestrafung nicht auszuschließen" sei. Dieses Vorbringen richtet sich offenbar gegen Pkt. 3., Pkt. 5. und Pkt. 8. des erstinstanzlichen Straferkenntnisses. Hinsichtlich Pkt. 3. übersieht der Beschwerdeführer, dass das Straferkenntnis der Behörde erster Instanz in diesem Punkt ohnehin aufgehoben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 2 VStG eingestellt worden ist.
Insoweit sich der Einwand auf das zu Pkt. 5. angelastete Fehlverhalten richtet, ist er aus folgenden Gründen unberechtigt:
Wie sich aus der Anzeige ergibt, wurden die jeweiligen Schaublätter jeweils für kurze Zeit entnommen und wieder eingelegt, obwohl die tägliche Arbeitszeit des Beschwerdeführers nicht beendet war. Theoretisch könnte dieser Vorgang durch einen Fahrer mehrmals täglich wiederholt werden. Es kann dahingestellt bleiben, ob es sich in einem solchen Fall um jeweils selbständig zu ahndende Übertretungen handelte, denn wird der Fahrer für eine vorzeitige Entnahme des Schaublattes für einen datumsmäßig umschriebenen Zeitraum - wie im gegenständlichen Fall - bestraft, so ist er während dieses (gesamten) Zeitraumes davor geschützt, doppelt bestraft zu werden.
Hinsichtlich des unter Pkt. 8. angelasteten Tatbestandes ist keine Gefahr der Doppelbestrafung gegeben, weil Art. 15 Abs. 2 erster Fall VO 3821/85 anordnet, dass ein Fahrer "für jeden Tag", an dem er lenke, ein Schaublatt zu benutzen habe und kein Schaublatt über den Zeitraum, für den es bestimmt sei, hinaus verwendet werden dürfe. Daraus ergibt sich die maximale Verwendungsdauer von 24 Stunden pro Schaublatt. Es ist ausgeschlossen, dass der Zeitraum von 24 Stunden an zwei unmittelbar aufeinander folgenden Kalendertagen mehr als einmal überschritten werden kann.
Das Vorbringen des Beschwerdeführers, es liege eine Doppelbestrafung durch die Pkte. 5. und 8. des erstinstanzlichen Straferkenntnisses vor, weil es sich um eine "Scheinkonkurrenz" handle, ist mangels näherer Ausführungen nicht nachvollziehbar. Auf Grund des klaren Wortlautes der Normen, wonach die Entnahme des Schaublattes einerseits vor Ende der täglichen Arbeitszeit untersagt ist, andererseits kein Schaublatt über den Zeitraum von maximal 24 Stunden hinaus verwendet werden darf, ergibt sich, dass es sich bei den in den Punkten 5. und 8. des erstinstanzlichen Straferkenntnisses um zwei voneinander getrennte Tatbestände handelt.
Der Beschwerdeführer rügt die Anwendung des Art. 8 Abs. 1 VO 3820/85 im Pkt. 1 des Schuldspruches als unrichtig, weil die Ruhezeit "innerhalb von 24 Stunden in zwei oder drei Abschnitten genommen werden" dürfe. Mit diesem Vorbringen verkennt der Beschwerdeführer, dass der zweite Satz leg. cit. - auf den er sich offenbar bezieht -, nach seinem unmissverständlichen Wortlaut nur für unverkürzte Ruhezeiten gilt ("... an denen sie nicht nach Unterabsatz 1 verkürzt wird ..."). Sein Einwand ist demnach unberechtigt.
Der Beschwerdeführer rügt zu Pkt. 2 des Schuldspruches einen Rechenfehler, ohne darzulegen, worin dieser bestehen solle. Der Beschwerdeführer behauptet nicht, dass die in der Anzeige dargestellten, aus den jeweiligen Schaublättern entnommenen Anfangs- und Endzeiten der jeweiligen Lenkvorgänge unrichtig seien. Die daraus erfolgte Berechnung der Lenkzeit ergibt aber keinen Rechenfehler.
Die Ausführungen des Beschwerdeführers sind hinsichtlich der Geltendmachung eines "entschuldbaren Irrtums" derart unbestimmt, dass er mangelndes Verschulden im Sinne des § 5 Abs. 1 VStG nicht glaubhaft machen kann. Mit dem bloßen, nicht näher ausgeführten Vorbringen, der Beschwerdeführer sei davon ausgegangen, dass die Bestimmungen der VO 3820/85 und 3821/85 keine Anwendung fänden, gelingt es dem Beschwerdeführer ebenfalls nicht, mangelndes Verschulden darzutun, weil er gar nicht behauptet, wie er zu seiner - unrichtigen - Ansicht gekommen sei bzw. welche Erkundigungen er eingeholt habe.
Die Beschwerde war daher, soweit sie den Schuldspruch in den Punkten 2., 5., 6. und 7. betrifft und hinsichtlich der Punkte 1. lit. b und 8. zur Gänze gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
In den Punkten 2., 5., 6. und 7. erweist sich der angefochtene Bescheid im Strafausspruch aber aus folgendem Grund mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet:
Die belangte Behörde hat im Gegensatz zur Behörde erster Instanz, welche jeweils eine Strafe pro arabisch beziffertem Punkt verhängt hatte, in den Punkten 2., 5., 6. und 7. eine Teilung der Strafen vorgenommen und für jeden Tag - als gesonderte Verwaltungsübertretung - jeweils eine selbständige Strafe verhängt. Der Verwaltungsgerichtshof hat allerdings im Erkenntnis vom 29. April 2002, Zl. 2000/03/0103, ausgesprochen, dass bei in engem zeitlichen Konnex stehenden und ineinander greifenden Transporten ein einheitlicher Gesamtplan zu Grunde liegt. Dies rechtfertigt die Annahme eine "Gesamtkonzeptes" im Sinne eines (jeweils) fortgesetzten Deliktes (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 11. Dezember 1996, Zl. 96/03/0247). Ausgehend davon dürfen die Tatbestände der Nichteinhaltung der Tageslenkzeit zwischen zwei Ruhepausen (Punkt 2.), der widerrechtlichen Schaublattentnahme (Punkt 5.), der Nichteinhaltung der Unterbrechung der Lenkzeit (Punkt 6.) und der ordnungswidrigen Ausfüllung von Schaublättern (Punkt 7.) nicht für jeden Tag gesondert gestraft werden, sondern es ist eine Gesamtstrafe pro Tatbestand (so wie dies die Behörde erster Instanz getan hat), zu verhängen.
Der angefochtene Bescheid war daher in diesen Punkten im Strafausspruch (und daher auch im Kostenausspruch) gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Zur Klarstellung sei gesagt, dass sich der jeweilige Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens gemäß § 64 Abs. 2 VStG - sohin jeweils 20 % der verhängten Strafe - berechnet, was auch bei Vorschreibung in einer "Gesamtsumme" bei mehreren Bestrafungen in einem Verfahren - wie im vorliegenden Fall - ohne weiteres nachvollziehbar ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 2001, Zl. 98/02/0277). Dem gemäß sind die Kosten des Berufungsverfahrens zu den Spruchpunkten 1. lit. b und 8. des erstinstanzlichen Straferkenntnisses dem
angefochtenen Bescheid zu entnehmen und der Kostenausspruch in diesen Punkten nicht aufzuheben.
Wien, am 28. März 2003
Schlagworte
"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatort Spruch und Begründung Gemeinschaftsrecht Verordnung Strafverfahren EURallg5/2 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Gemeinschaftsrecht Verordnung EURallg5European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2002020140.X00Im RIS seit
23.05.2003Zuletzt aktualisiert am
05.10.2008