Index
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;Norm
EStG 1972 §36;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und den Senatspräsidenten Dr. Karger sowie die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn und Dr. Robl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Racek, über die Beschwerde des JG in P, vertreten durch Dr. Stefan Glaser, Rechtsanwalt in 4910 Ried im Innkreis, Hauptplatz 17, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich, Berufungssenat I, vom 26. Juni 1998, RV 114/1-6/1998, betreffend Einkommensteuer für das Jahr 1995, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen von 332 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der im Jahr 1934 geborene Beschwerdeführer war seit dem Jahr 1969 als nicht protokollierter Einzelunternehmer tätig, wobei er Erlöse aus der Gewinnung von Schotter, aus Transporten, aus Straßenreinigungen, aus Schneeräumungen, aus Baggerarbeiten und aus einer Tankstelle erzielte. In der Eröffnungsbilanz für das Jahr 1992 wies der Beschwerdeführer ein negatives Kapital von rund 4,3 Mio S aus. In den Jahren 1992 bis 1994 erwirtschaftete der Beschwerdeführer insgesamt Verluste von rund 1,5 Mio S.
Am 31. Juli 1995 stellte der Beschwerdeführer seine gewerbliche Tätigkeit ein, legte gleichzeitig alle ihm erteilten Gewerbeberechtigungen zurück und bezog ab diesem Zeitpunkt nur mehr Einkünfte aus einer Pension sowie aus Vermietung und Verpachtung.
In der zum 31. Juli 1995 erstellten Bilanz wies der Beschwerdeführer bei einem negativen Kapital von rund 7,7 Mio S ua Verbindlichkeiten an Banken, Lieferanten, das Finanzamt, die Gebietskrankenkasse, Arbeitnehmer, seinen Sohn und seine Ehefrau, mit denen bereits seit dem Jahr 1977 bzw 1988 Dienstverhältnisse bestanden, von insgesamt rund 8,5 Mio S aus. Der Beschwerdeführer erwirtschaftete im entsprechenden Rumpfwirtschaftsjahr einen laufenden Verlust von rund 0,6 Mio S. Aus dem Verkauf des Firmenwertes sowie eines Teiles des Anlage- und des gesamten Umlaufvermögens an eine GmbH, in deren Firma der Name des Sohnes des Beschwerdeführers aufscheint (in der Folge nur: GmbH), einer Siebanlage zur Schottergewinnung an einen anderen Unternehmer und der Entnahme des bisher für Zwecke des Einzelunternehmens genutzten Gebäudes sowie eines Laders und eines Baggers erzielte der Beschwerdeführer einen Aufgabegewinn von rund 3,6 Mio S, für den er die Anwendung der Begünstigungsbestimmungen der §§ 24 und 37 EStG 1988 beantragte. Darüber hinaus wies der Beschwerdeführer einen außerordentlichen Ertrag aus dem Erlass von Verbindlichkeiten an Banken und Lieferanten von rund 1,3 Mio S aus, wobei er beantragte, diesen Ertrag als Sanierungsgewinn gemäß § 36 EStG 1988 steuerfrei zu belassen. Schließlich erklärte der Beschwerdeführer noch negative Einkünfte aus der Vermietung des Laders und des Baggers an die GmbH sowie gemeinsam mit seiner Ehefrau erzielte positive Einkünfte aus der Vermietung des ehemals für Zwecke des Einzelunternehmens genutzten Gebäudes an die GmbH.
Die GmbH war am 28. Juli 1995 gegründet worden. Im Zeitpunkt der Gründung war der Sohn des Beschwerdeführers als alleiniger Geschäftsführer zu 98 % an der GmbH beteiligt. Gegenstand des Unternehmens der GmbH ist die Ausübung des Transport- und Mietwagengewerbes. Der Sitz der GmbH befindet sich in dem ehemals für Zwecke des Einzelunternehmens genutzten Gebäude. Die GmbH erwirtschaftete in den Jahren 1995 und 1996 insgesamt Verluste von rund 0,2 Mio S.
Das Finanzamt sah den außerordentlichen Ertrag aus dem Erlass von Verbindlichkeiten an Banken und Lieferanten mangels effektiver Sanierung des Einzelunternehmens nicht als Sanierungsgewinn an. Dem Erlass von rund 1,3 Mio S stünden nämlich nach wie vor Verbindlichkeiten von insgesamt rund 8,5 Mio S gegenüber. Überdies habe die offenkundige wirtschaftliche Zerrüttung zur sofortigen Aufgabe des Einzelunternehmens nach dem gewährten Erlass geführt, weswegen von einer Sanierung keine Rede sein könne.
Im Berufungsverfahren brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, bei Lösung der Frage, ob ein Schulderlass zu einem Sanierungsgewinn führe, komme es keineswegs auf das Verhältnis des nachgelassenen Betrages zu den verbliebenen Schulden an. Auch ein 20 %iger Schulderlass könne zur Sanierung eines Unternehmens ausreichen. Wie sich aus dem Cash-Flow der GmbH in den Jahren 1995 bis 1997 ergebe, reichten deren vorhandene Mittel aus, um die anlässlich des Erwerbes seines Einzelunternehmens aufgenommenen Kredite zu bedienen, was für die gelungene Sanierung spreche. Es sei stets geplant gewesen, sein Einzelunternehmen seinem Sohn zu übergeben. Da sein Einzelunternehmen überschuldet und illiquid gewesen sei, wäre es für seinen Sohn wirtschaftlich untragbar gewesen, auch die Passiva zu übernehmen. Es sei daher unter Mithilfe seines Steuerberaters und seines Rechtsanwaltes ein Sanierungsplan erstellt worden. Dieser Sanierungsplan sei fast zur Gänze verwirklicht worden. Allerdings hätten nicht alle Gläubiger dem geplanten 50 %igen außergerichtlichen Ausgleich zugestimmt. Insbesondere jene Banken, deren Forderungen grundbücherlich besichert gewesen seien, hätten nur einen geringen oder gar keinen Teil ihrer Forderungen nachgelassen. Er habe die nach dem Verkauf des Einzelunternehmens verbliebenen Schulden in sein Privatvermögen übernommen, wobei er diese mit den ihm bzw seiner Ehefrau von der GmbH bezahlten Mieten und mit der ihm zufließenden Pension bedient habe. Das Einzelunternehmen sei im Gegensatz zu den Ausführungen des Finanzamtes keineswegs wegen der wirtschaftlichen Zerrüttung sofort aufgegeben worden. Vielmehr seien die wesentlichen Grundlagen des Einzelunternehmens auf die den Betrieb weiter führende GmbH übergegangen, weswegen von einer Aufgabe der gewerblichen Tätigkeit keine Rede sein könne. Das Einzelunternehmen sei daher durch den Schulderlass erfolgreich saniert worden, weswegen der so erzielte außerordentliche Ertrag gemäß § 36 EStG 1988 steuerfrei zu belassen sei. Daran vermöge der Umstand, dass das Einzelunternehmen nach erfolgter Sanierung veräußert worden sei, nichts zu ändern.
Im nunmehr angefochtenen Bescheid weist die belangte Behörde zunächst darauf hin, von einem steuerfrei zu belassenden Sanierungsgewinn könne nur die Rede sein, wenn Schulden im Rahmen allgemeiner Sanierungsmaßnahmen bei gegebener Sanierungsbedürftigkeit in Sanierungsabsicht erlassen würden, wobei die Sanierungsmaßnahmen geeignet sein müssten, das Not leidende Unternehmen vor dem Zusammenbruch zu bewahren und wieder ertragsfähig zu machen. Dazu müsse der Schulderlass vor allem ausreichend sein. Ein starkes Indiz für die mangelnde Sanierbarkeit sei die unmittelbar nach der (versuchten) Sanierung erfolgende Einstellung des Unternehmens. Richtig sei, dass ein zu sanierendes Unternehmen nicht notwendigerweise unter der bisherigen Rechtsform fort geführt werden müsse. Unter Umständen reiche auch die Übernahme und die Fortführung des Betriebes durch ein anderes Unternehmen aus, um so die steuerliche Begünstigung des Sanierungsgewinnes anzuwenden. Von einem ausreichenden Schulderlass, der zur Sanierung des Einzelunternehmens geführt habe, könne jedoch keine Rede sein. Insgesamt seien dem Schulderlass von rund 1,3 Mio S nach wie vor Schulden von insgesamt rund 8,5 Mio S gegenüber gestanden, die der Beschwerdeführer in das Privatvermögen übernommen habe. Der Wert des ebenfalls in das Privatvermögen übernommenen Anlagevermögens habe dem gegenüber nur rund 1,3 Mio S betragen. Wegen der Höhe der verbliebenen Schulden wäre es nicht möglich gewesen, das Einzelunternehmen dauerhaft ertragsfähig zu machen. Dafür spreche auch das Vorbringen des Beschwerdeführers in der Berufung, es wäre für seinen Sohn wirtschaftlich untragbar gewesen, auch die Passiva zu übernehmen. Überdies hätten die dem Beschwerdeführer bzw seiner Ehefrau von der GmbH bezahlten Mieten keineswegs ausgereicht, um die in das Privatvermögen übernommenen Schulden zu bedienen. Vielmehr habe der Beschwerdeführer hiefür auch die ihm zufließende Pension benötigt. Daraus ergebe sich ebenfalls, dass die Ertragskraft des Einzelunternehmens bei dessen Fortführung nicht ausgereicht hätte, um die Schulden bedienen zu können, was unabdingbare Voraussetzung für die Ertragsfähigkeit des Einzelunternehmens gewesen wäre. Mit der (bloßen) Übernahme der Aktiva des Einzelunternehmens durch die GmbH sei der Betrieb des Einzelunternehmens auch nicht im Ganzen übernommen worden, weswegen das Einzelunternehmen nicht fortgeführt worden sei.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Der Erlass betrieblicher Schulden führt, sofern dieser nicht auf einem außerbetrieblichen Vorgang beruht, zu einer gewinnerhöhenden Vermehrung des Betriebsvermögens.
Gemäß § 36 EStG 1988 in der Fassung vor BGBl Nr 201/1996 waren bis zum Jahr 1997 bei der Ermittlung des Einkommens nach Abzug der Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen jene Einkommensteile auszuscheiden, die durch Vermehrungen des Betriebsvermögens infolge eines gänzlichen oder teilweisen Erlasses von Schulden zum Zweck der Sanierung entstanden sind.
Die durch den Erlass betrieblicher Schulden im Rahmen von Sanierungsmaßnahmen entstandene gewinnerhöhende Vermehrung des Betriebsvermögens erhöht den laufenden Gewinn. Von dem unter Einbeziehung des Sanierungsgewinnes ermittelten Gesamtbetrag der Einkünfte werden die Sonderausgaben einschließlich der noch vortragsfähigen Verluste in Abzug gebracht. Verbleibt nach dem Ausgleich mit vortragsfähigen Verlusten und nach Abzug der anderen Sonderausgaben ein positives Einkommen, so ist dieses positive Einkommen um den darin enthaltenen Sanierungsgewinn zu kürzen. Die Anwendung der steuerlichen Begünstigung setzt voraus, dass es sich um den in Sanierungsabsicht vorgenommenen Erlass betrieblicher Schulden im Rahmen allgemeiner Sanierungsmaßnahmen der Gläubiger eines sanierungsbedürftigen Betriebes handelt, wobei die Maßnahmen geeignet sein müssen, den Betrieb vor dem Zusammenbruch zu bewahren und wieder ertragsfähig zu machen. Wird ein Betrieb nach erfolgtem Schulderlass wegen seiner offenkundigen wirtschaftlichen Zerrüttung eingestellt, liegt keine Sanierung vor. Ein zu sanierendes Unternehmen muss jedoch nicht notwendigerweise unter der bisherigen Rechtsform fort geführt werden. Unter Umständen reicht auch die Übernahme und die Fortführung des Betriebes durch ein anderes Unternehmen aus, um so die steuerliche Begünstigung des Sanierungsgewinnes anzuwenden. Es müssen hiebei jedoch die wesentlichen Grundlagen des zu sanierenden Unternehmens auf das andere Unternehmen übertragen werden (vgl das hg Erkenntnis vom 25. Februar 2003, 98/14/0151, mwA).
Es ist daher zunächst zu prüfen, ob der von der belangten Behörde gezogene Schluss, der gewährte Schulderlass habe nicht ausgereicht, um das Einzelunternehmen zu sanieren, der Prüfung durch den Verwaltungsgerichtshof stand hält.
In den Fällen, in denen die belangte Behörde in Ausübung der freien Beweiswürdigung zu ihrer Erledigung gelangt, obliegt dem Verwaltungsgerichtshof die Prüfung, ob die Tatsachenfeststellungen auf aktenwidrigen Annahmen beruhen oder in einem mangelhaften Verfahren zu Stande gekommen sind oder gegen die Denkgesetze oder das allgemeine menschliche Erfahrungsgut verstoßen (vgl beispielsweise das eben erwähnte hg Erkenntnis vom 25. Februar 2003).
Dieser Prüfung hält die Beweiswürdigung der belangten Behörde stand.
Die belangte Behörde konnte auf Grund des im Wesentlichen mit dem Inhalt der vorgelegten Administrativakten, insbesondere mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers im Schreiben vom 19. Mai 1998 an die belangte Behörde im Einklang stehenden Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht unbedenklich davon ausgehen, ein Erlass von rund 13 % der insgesamt aushaftenden Schulden stelle keinen Schulderlass, der zur Sanierung des Einzelunternehmens geführt habe, dar. Denn trotz der Übernahme eines Teiles des Anlagevermögens in das Privatvermögen und Erlösen aus dem Verkauf des Firmenwertes sowie eines Teiles des Anlage- und des gesamten Umlaufvermögens sind dem Beschwerdeführer Schulden von rund 3,8 Mio S verblieben, deren Bedienung im Gegensatz zu der Behauptung in der Beschwerde mit den von ihm bzw seiner Ehefrau von der GmbH bezahlten Mieten allein nicht möglich war (vgl die Ausführungen des Beschwerdeführers im Schreiben vom 19. Mai 1998). Wenn die belangte Behörde in diesem Zusammenhang ausgeführt hat, wegen der Höhe der verbliebenen Schulden wäre es nicht möglich gewesen, das Einzelunternehmen dauerhaft ertragsfähig zu machen, kann ihr in Anbetracht der vom Beschwerdeführer zur Bedienung der verbliebenen Schulden verwendeten Pension, somit von Mitteln, die ihm bei Fortführung des Einzelunternehmens nicht zur Verfügung gestanden wären, nicht entgegentreten werden. Dazu kommt, dass die geplante Übernahme des Einzelunternehmens durch den Sohn nur ohne Übernahme der Passiva wirtschaftlich tragbar gewesen ist.
Mit seinem aktenwidrigen Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Wie sich aus der zum 31. Juli 1995 erstellten Bilanz und den angeschlossenen Beilagen ergibt, hat der Beschwerdeführer nicht 1,3 Mio S, sondern Schulden von rund 3,8 Mio S zurück behalten, die er in der Folge mit im weitesten Sinn aus dem Einzelunternehmen stammenden Mitteln nicht bedienen konnte. Hätte nicht der Beschwerdeführer, sondern die GmbH die Schulden von rund 3,8 Mio S übernommen, hätte deren Ertragskraft - wie auch vom Beschwerdeführer nicht in Abrede gestellt - bei der bereits gegebenen wirtschaftlichen Schwäche nicht ausgereicht, um diese Schulden zu bedienen.
Bei dieser Sach- und Rechtslage kann es dahingestellt bleiben, ob die belangte Behörde auf Grund der Ergebnisse eines mängelfreien Verfahrens zu Recht zu dem Schluss gelangt ist, mit der (bloßen) Übernahme der Aktiva des Einzelunternehmens durch die GmbH sei der Betrieb des Einzelunternehmens auch nicht im Ganzen übernommen worden, weswegen das Einzelunternehmen nicht fortgeführt worden sei.
Ob die Gläubiger in Sanierungsabsicht gehandelt haben, brauchte die belangte Behörde im Gegensatz zur Ansicht des Beschwerdeführers bei dem von ihr dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten Sachverhalt nicht mehr prüfen.
Da der von der belangten Behörde ihrer Entscheidung zugrunde gelegte, im Administrativverfahren unbestrittene Sachverhalt in den vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen Deckung findet und der Beschwerdeführer auch nicht aufzeigt, dass die Beweiswürdigung der belangten Behörde gegen die Denkgesetze oder das allgemeine menschliche Erfahrungsgut verstößt, liegt die behauptete Verletzung von Verfahrensvorschriften nicht vor.
Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl II Nr 501/2001.
Wien, am 31. März 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:1998140128.X00Im RIS seit
22.05.2003