Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AsylG 1997 §23;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Köller und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Nichtowitz, über die Beschwerde des 1982 geborenen T in Wien, vertreten durch Mag. Markus Fellner, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Dominikanerbastei 10, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 16. August 2002, Zl. 215.248/0-XII/37/00, betreffend §§ 7 und 8 des Asylgesetzes 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Republik Kamerun, gelangte am 29. Mai 1999 von Italien kommend in das Bundesgebiet und beantragte am 31. Mai 1999 die Gewährung von Asyl.
Im Rahmen seiner Einvernahme durch das Bundesasylamt (die Erstbehörde) am 19. Oktober 1999 gab er zum Fluchtgrund befragt an, er werde von der Polizei gesucht, weil er als Mitglied der Sicherheitstruppe der Social Democratic Front (SDF) bei der Nationalversammlung vom 15. bis 20. April 1999 die französische Flagge und das Bild des Präsidenten vor laufender Fernsehkamera verbrannt habe. Sei man im Gefängnis, bekomme man dort Spritzen, sodass man sterbe. Ein Verwandter von ihm sei vor drei bis vier Wochen zu einer Haftstrafe von 15 bis 20 Jahren verurteilt worden.
Mit Bescheid vom 19. Jänner 2000 wies die Erstbehörde den Asylantrag gemäß § 7 des Asylgesetzes 1997 (AsylG) ab und sprach gemäß § 8 AsylG aus, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung (des Beschwerdeführers) nach Kamerun zulässig sei. Begründend führte die Erstbehörde aus, an dem vom Beschwerdeführer vorgelegten nationalen Führerschein seien Veränderungen festgestellt worden; mangels Vorlage eines unbedenklichen identitätsbezeugenden Dokumentes sowie auf Grund der Physiognomie des Beschwerdeführers könne seine behauptete Minderjährigkeit keiner Feststellung unterzogen werden. Die von ihm vorgelegte Geburtsurkunde sowie die Teilnahmebestätigung des Pan-Afrikanischen Institutes seien zu einer Identitätsbezeugung nicht geeignet gewesen. Es habe keiner Feststellung unterzogen werden können, dass der Beschwerdeführer in seinem Heimatland für die SDF politisch tätig gewesen sei, an der von ihm behaupteten Versammlung sowie am Verbrennen einer Flagge und eines Präsidentenbildnisses teilgenommen habe. Auch könne nicht festgestellt werden, dass er in seinem Heimatland einer "in der GFK bzw. im FrG" genannten asylrelevanten Verfolgungs- bzw. Bedrohungssituation aus den von ihm vorgebrachten Gründen ausgesetzt gewesen sei; auch könne eine solche Gefährdung im Fall seiner Rückkehr nach Kamerun nicht festgestellt werden. Laut einem Bericht des Belgischen Botschafters in Yaounde vom 12. März 1999 stimmten die EU-Botschafter in Kamerun überein, dass für die Bevölkerung in Kamerun kein politisches Risiko gesehen werden könne. Es gebe dort keine politischen Häftlinge. Die einzige Ausnahme wären ca. fünf bis sechs Personen, die im Zusammenhang mit den schweren Unruhen bei Bamenda mit Angriffen auf militärische Einrichtungen im März 1997 verhaftet worden wären und sich noch immer in Haft befinden würden. Alle übrigen, damals verhafteten Personen wären bereits frei gelassen worden. Es würde vereinzelt zu übereilten Verhaftungen kommen, doch würden die angehaltenen Personen zumeist nach zwei bis drei Tagen freigelassen werden. Auf Grund des Vorbringens müsse dem Beschwerdeführer die Glaubhaftmachung seiner Behauptungen über die Teilnahme an der Versammlung sowie die behauptete Verfolgung auf Grund der angegebenen Geschehnisse abgesprochen werden. Auch könne nicht davon ausgegangenen werden, dass er tatsächlich die von ihm beschriebene politische Tätigkeit ausgeübt habe, weil er zur politischen Organisation lediglich Allgemeines habe vorbringen können und nicht einmal in der Lage gewesen sei, die führende Persönlichkeit der politischen Organisation namentlich aufzuschreiben bzw. richtig und vollständig anzugeben. Seine vagen, undetaillierten Angaben seien weder mit seiner behaupteten schulischen Ausbildung noch mit seinem behaupteten Status innerhalb der Organisation zu vereinbaren. Die Erstbehörde komme zum Schluss, dass sein Vorbringen eine Konstruktion darstelle und um jeden Preis zu einer Asylerlangung führen solle.
In seiner dagegen erhobenen Berufung wandte sich der Beschwerdeführer gegen die Versagung der Glaubwürdigkeit durch die Erstbehörde; zu seiner Person und Mitgliedschaft könne auch der anerkannte Flüchtling aus Kamerun, P.M., wohnhaft Z.-gasse, 1100 Wien, Auskunft geben. In einem ebenfalls als Berufung bezeichneten Schriftsatz brachte der Beschwerdeführer vor, richtigerweise wäre festzustellen gewesen, dass er sehr wohl zur Organisation der SDF in Kamerun gehört habe. Als solches Mitglied liefe er sehr wohl Gefahr, von der Regierung verfolgt und eingesperrt zu werden. Weil der Frage der Mitgliedschaft zur SDF entscheidende Bedeutung beigemessen worden sei, werde die zeugenschaftliche Einvernahme von P.M.-M.M., wohnhaft Z.-gasse X, 1100 Wien, zum Beweis dafür beantragt, dass der Beschwerdeführer sehr wohl Mitglied der SDF gewesen sei und als solches Gefahr liefe, von der herrschenden Regierung verfolgt zu werden. Die SDF stehe in Opposition zur herrschenden undemokratischen Regierung. Unterstützer müssten mit Verfolgung rechnen. Der Zeuge sei selbst Mitglied der SDF, in der Informationsabteilung tätig und bereits in Kamerun mit dem Beschwerdeführer bekannt gewesen. Erst im Jänner sei man einander in Österreich begegnet, weshalb die zeugenschaftliche Einvernahme erst jetzt beantragt werde.
Am 14. Dezember 2000 wurde der Beschwerdeführer in der Verhandlung vor dem unabhängigen Bundesasylsenat (der belangten Behörde) zu seinem Fluchtgrund einvernommen. Er gab an, die Jugendsektion der SDF in Molyko-Buea geführt zu haben. Am 11. Februar 1998 habe eine Demonstration stattgefunden, deren Teilnehmer von Soldaten und Gendarmen angegriffen worden seien. Am 15. April 1998 habe in Yaounde die nationale Versammlung stattgefunden. Etwa 30 Jugendliche, darunter der Beschwerdeführer, hätten die französische Flagge verbrannt und eine Bild des Präsidenten von Kamerun zerstört. Der Vater des Beschwerdeführers, Vorsitzender der Sektion Menka der SDF, sei 1997 verhaftet worden.
Mit Einverständnis des Beschwerdeführers veranlasste hierauf die belangte Behörde Ermittlungen im Wege des österreichischen Honorarkonsulates in Kamerun über die Angaben des Beschwerdeführers. Am 30. Oktober 2001 übermittelte die österreichische Botschaft Lagos folgendes Schreiben im Wege der Telekopie:
"Die Botschaft beehrt sich nachstehend die Stellungnahme des i. G. eingeschalteten Vertrauensanwaltes zur do. Anfrage vom 11. September 2001 wiederzugeben:
zu Frage 1: Nein der Beschwerdeführer war nicht Führer der SDF Jugendsektion in Molyko-Buea. Die Führung des SDF gibt an, dass eine solche Jugendsektion nicht existiert.
zu Frage 2: Ja. Am 15.4.1998 fand eine nationale Versammlung der SDF statt, in deren Verlaufe es zu Ausschreitungen kam und auch Personen verhaftet wurden. Zu Verbrennungen von Fahnen oder Zerstörung von Bildern des Präsidenten sei es dabei jedoch nicht gekommen.
zu Frage 3: Ein T. J. (Anm.: namensgleich mit dem Vater des Beschwerdeführers) ist Mitglied und Aktivist der SDF in Menka. Er wurde 1997 aus Gründen, die nicht eruiert werden konnten, verhaftet und befand sich bis 10.2.2001 im Zentralgefängnis Yaounde. Er befindet sich nach Angaben des SDF-Führung in Freiheit, jedoch bei schlechter Gesundheit.
Ob der Beschwerdeführer ident mit dem Sohn des T. J. selben Namens ist, konnte nicht zweifelsfrei festgestellt werden."
In der Berufungsverhandlung vom 19. April 2002 wurde der Beschwerdeführer mit dem Inhalt des Schreibens der österreichischen Botschaft Lagos konfrontiert, dessen Richtigkeit er in Abrede stellte. Zum Nachweis seiner Abstammung von J. T. legte er eine Geburtsurkunde vor. Im weiteren gab der Beschwerdeführer an (VL = Verhandlungsleiter, BW = Beschwerdeführer):
"VL: In der letzten Berufungsverhandlung haben Sie mitgeteilt, dass Flaggen verbrannt wurden und das Bild des Präsidenten von Kamerun zerstört wurde. In der Stellungnahme der Botschaft wird jedoch mitgeteilt, dass es nicht zu Verbrennungen von Fahnen oder der Zerstörung von Bildern des Präsidenten gekommen ist.
BW: Die Personen, die Ihr Antwortschreiben verfasst haben, haben nur Lügen geschickt, die damit beginnen, dass ich angeblich nicht der SDF Jugendführer gewesen wäre.
VL: Was glauben, warum lügen diese Personen?
BW: Seit ich in Österreich bin, habe ich festgestellt, dass in der hiesigen Politik etwas einmal weiß aber dann gleich wieder grün ist. Die Politiker erzählen Lügen. Die Beamten der Botschaft tun das Gleiche. Es ist nicht richtig, dass mein Vater entlassen wurde, widrigenfalls er über unsere Organisation mit mir Kontakt aufgenommen und mein hiesiges Studium weiter unterstützt hätte.
VL: Sind Sie damit einverstanden, dass Ihre Geburtsurkunde, Ihre Bestätigung über die Mitgliedschaft der SDF und das vorgelegte Privatdokument der Botschaft zur Überprüfung übermittelt werden?
BW: Nein, ich bin nicht einverstanden. Ich war schon einmal damit einverstanden, dass alle vom Amt gewünschten Überprüfungen durchgeführt werden und habe darum gebeten, dass der UBAS ein SDF-Mitglied, das in Wien lebt kontaktiert und nach mir befrägt. Dies ist nicht geschehen. Die aus Kamerun eingeholten Ergebnisse sind zur Gänze unrichtig. Ich wünsche keine weitere Überprüfungstätigkeit und beantrage das mir der UBAS durch das zuständige Mitglied am heutigen Tag einen negativen Bescheid zukommen lässt, wenn dies der Wille des verantwortlichen Senatsmitglieds ist. Ich habe genug von der Prozedur und will auch zu keiner weiteren Verhandlung erscheinen, das alles stört mich.
VL: Wollen Sie Dokumente bezüglich die politische Situation in Kamerun vorlegen?
Dargetan und erörtert werden folgende Unterlagen:
...
Vereinbart wird eine Stellungnahmefrist von 2 Wochen bezüglich der vorgelegten Urkunden betreffend die politische Situation in Kamerun.
Dem BW wird auf dessen Verlangen der Originalausweis der SDF sowie die Originale der Schreiben vom 10.12.1999 sowie vom 19.3.2000 überreicht. Der BW war während der ganzen Verhandlung sehr aufgebracht und wurde immer wieder aufgefordert sich zu beruhigen.
Die Beweisaufnahme wird geschlossen."
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 7 AsylG ab und sprach gemäß § 8 AsylG in Verbindung mit § 57 des Fremdengesetzes 1997 die Feststellung aus, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Kamerun zulässig sei. Nach Darstellung des Verfahrensganges und der in der Berufungsverhandlung vom 19. April 2002 erörterten Urkunden begründete sie ihre Entscheidung zusammengefasst damit, der vom Beschwerdeführer angegebene Fluchtgrund (Mitgliedschaft bei der SDF) und eine daraus resultierende Verfolgung würden mangels Glaubwürdigkeit nicht der Entscheidung zu Grunde gelegt. Er sei nicht Führer der SDF Jugendsektion in Molyko-Buea. Die Führung der SDF gebe an, dass eine solche Jugendsektion nicht existiere. Am 15. April 1998 habe eine nationale Versammlung der SDF stattgefunden, wo es zu Ausschreitungen gekommen sei. Es seien Personen verhaftet worden, zu Verbrennungen von Fahnen oder der Zerstörung von Bildern des Präsidenten sei es nicht gekommen. T. J. sei Mitglied und Aktivist der SDF in Menka und 1997 aus Gründen, die nicht hätten eruiert werden können, verhaftet worden. Er habe sich bis 10. Februar 2001 im Zentralgefängnis Yaounde befunden. Ob der Beschwerdeführer der Sohn von T. J. sei, könne nicht festgestellt werden. Zur Lage in Kamerun wurden nachstehende Feststellungen getroffen:
"Paul Biya ist nach wie vor Staatsoberhaupt Kameruns. Die Regierung wies erneut Forderungen der Opposition nach einer unabhängigen Wahlkommission zurück. ...
Die SDF ist die wichtigste Oppositionspartei in Kamerun. ... Die politischen Ziele dieser Partei sind zufolge den Statuten im Wesentlichen die Errichtung einer gerechten, freien und demokratischen Gesellschaft, die Zurückverdrängung aller Formen von Unterdrückung, die Forderung der wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und sprachlichen Entwicklung Kameruns und die Normierung und Erhaltung der Grund- und Menschenrechte (siehe SDF-Statuten in der Homepage der Partei: http://www.sdfparty.org).
Hinsichtlich der Ereignisse um den Wahltermin ist in mehreren Quellen beschrieben, dass es im Vorfeld der Wahlen im Mai 1997 und danach zu zahlreichen Verhaftungen sowie teilweise massiven Übergriffen gegenüber SDF-Mitgliedern gekommen ist, die teilweise von der 'mukete-gang', teilweise von Leuten des Gouverneurs der Südprovinz ausgeführt wurden (siehe dazu z.B. ai, September 1997, Institut für Africa Kunde, Afrika Jahrbuch 1997, ai-Länderbericht 1998, Kamerun, Seite 313, dazu auch Asylfact v. 30.12.1999, Beilage C.).
Im Kampf gegen das Verbrechen begingen die Sicherheitskräfte Berichten zufolge mehrere hundert extralegale Hinrichtungen. Eine unabhängige Untersuchung dieser oder anderer in der Vergangenheit begangener Tötungen fand nicht statt. Nach wie vor fanden Folterungen und Misshandlungen statt, die Haftbedingungen waren lebensgefährlich. Der UN-Sonderberichterstatter über Folter bestätigte, dass die Folter verbreitet und systematisch angewandt wurde. Mitglieder der politischen Opposition und Journalisten wurden ohne Anklageerhegung oder Gerichtsverfahren in Haft gehalten. Auch Gefangene, die 1999 in unfairen Prozessen verurteilt worden waren, blieben inhaftiert, einige politische Langzeithäftlinge kamen hingegen frei.
...
Aus dem ganzen Land gibt es Meldungen über Folterungen und Misshandlungen auf Polizei- und Gendarmeriestationen sowie in Gefängnissen. Die Haftbedingungen in den Gefängnissen des Landes blieben weiterhin extrem hart und kamen grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung gleich. Politische Gefangene wurden ohne Kontakt zur Außenwelt in Haft gehalten. Medizinische Versorgung wurde ihnen verweigert, was zu zahlreichen Krankheits- und Todesfällen führte.
Im Februar veröffentlichte der UN-Sonderberichterstattet über Folter einen Bericht, in dem er die Folterpraxis in Kamerun als 'systematisch und weit verbreitet' bezeichnet. Bei seinem Besuch in Kamerun im Mai 1999 war ihm der Zugang zum Haftzentrum der brigade anti-gang in Maroua, Provinz Äußerster Norden, verweigert worden. Im November 2000 bestätigte der UN-Ausschuss gegen Folter die Einschätzung des UN-Sonderberichterstatters über Folter und verlangte eine gründliche Untersuchung sämtlicher Vorwürfe über Menschenrechtsverletzungen und Folterungen sowie die Erstellung eines öffentlich zugänglichen Haftregisters.
Führende Oppositionspolitiker aus den englischsprachigen Regionen Kameruns wurden wegen vermeintlicher Sezessionsbestrebungen ohne Anklageerhebung oder Gerichtsverfahren in Haft gehalten. Von 36 im Oktober 1999 verurteilten Gefangenen befanden sich noch 18 in Haft, und zwar alle im Zentralgefängnis von Nkondengui in Yaounde. Die ihnen zur Last gelegten Straftaten, unter anderem Mord und Raubüberfall, standen im Zusammenhang mit bewaffneten Anschlägen in der Nordwest-Provinz vom März 1997, bei denen zehn Menschen zu Tode gekommen waren. Die Behörden schrieben die Angriffe dem SCNC zu, konnten dies aber vor Gericht nicht durch Beweise erhärten. Die Angeklagten hatten sich in einem unfairen Verfahren vor einem Militärgericht verantworten müssen und konnten keine Rechtsmittel vor einem höheren oder einem unabhängigen Gericht einlegen. Auf Grund medizinischer Vernachlässigung erkrankten einige von ihnen schwer."
Die Feststellungen gründeten sich auf folgende Beweiswürdigung: Als dem Beschwerdeführer die Stellungnahme der österreichischen Botschaft in Lagos vom 18. Oktober 2001 vorgelegt worden sei, habe dieser ein äußerst aufbrausendes Verhalten an den Tag gelegt. Als er danach gefragt worden sei, ob er damit einverstanden wäre, dass der Botschaft die Geburtsurkunde und die Bestätigung der Mitgliedschaft zur SDF zur Überprüfung übermittelt würde, habe er mitgeteilt, keine weitere Überprüfungstätigkeit mehr zu wünschen, und die Übermittlung eines negativen Bescheides beantragt. Er hätte genug und er wollte zu keiner weiteren Verhandlung erscheinen. Aus diesem Grund habe auch von der beantragten Einvernahme des Zeugen Abstand genommen werden können. Zusammenfassend könne somit festgehalten werden, dass die belangte Behörde das vom Beschwerdeführer erstattete Vorbringen für unglaubwürdig erachte. Rechtlich Folge daraus, dass der Beschwerdeführer die von ihm vorgebrachten Fluchtgründe nicht habe glaubhaft machen können und demnach der Berufung gegen die Abweisung des Asylantrages nicht Folge zu geben gewesen sei. Zum Ausspruch nach § 8 AsylG in Verbindung mit § 57 FrG habe der Beschwerdeführer in concreto keine Indizien aufgezeigt, die die Annahme rechtfertigen könnten, dass er Gefahr liefe, in Kamerun für den Fall der Rückkehr einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden. Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass er in Kamerun einer konkret seine Person betreffenden Gefährdung ausgesetzt sein könne. Aus den Feststellungen zur allgemeinen Situation in Kamerun ergebe sich im Übrigen kein Anhaltspunkt, dass jeder dorthin abgeschobene Fremde einer Gefahr im Sinn des § 57 Abs. 1 oder 2 FrG ausgesetzt wäre.
Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Der Beschwerdeführer sieht die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vorweg darin, die belangte Behörde wäre verpflichtet gewesen, den maßgeblichen Sachverhalt amtswegig zu ermitteln und hiezu die erforderliche Beweiserhebung zu pflegen. Wohl treffe den Antragsteller eine Mitwirkungspflicht, dies enthebe die Behörde jedoch nicht von der Verpflichtung, vorhandene Ermittlungsergebnisse voll auszuschöpfen und alle ihr sonst greifbaren Beweismittel heranzuziehen. Die belangte Behörde hätte keinesfalls auf die Einvernahme des vom Beschwerdeführer namhaft gemachten Zeugen M.N.M. verzichten dürfen, weil dieser das Vorbringen des Beschwerdeführers hätte bestätigen können.
Gemäß § 37 AVG in Verbindung mit § 39 Abs. 2 AVG sind die Verwaltungsbehörden verpflichtet, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen. Diese Ermittlungspflicht wurde mit § 28 AsylG zwar für das Asylverfahren konkretisiert, inhaltlich wurde damit aber keine über den Rahmen der angeführten Vorschriften hinausgehende Ermittlungspflicht begründet (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Oktober 1998, Zl. 98/01/0222).
Soweit die belangte Behörde ihre Abstandnahme von der Einvernahme des vom Beschwerdeführer beantragten Zeugen - zum Beweis der Mitgliedschaft des Beschwerdeführers zur SDF und der Gefahr einer Verfolgung auf Grund dieser Mitgliedschaft in Kamerun - mit der - im angefochtenen Bescheid verkürzt wiedergegebenen - Äußerung des Beschwerdeführers in der Berufungsverhandlung vom 19. April 2002 begründete, vermag sich der Verwaltungsgerichtshof dieser Erwägung nicht anzuschließen. Die vom Beschwerdeführer bekundete Ablehnung weiterer Überprüfungstätigkeit bezog sich im damaligen Zusammenhang auf die in Erörterung stehende Überprüfung seiner Geburtsurkunde, der Bestätigung seiner Mitgliedschaft zur SDF und des von ihm vorgelegten Privatdokuments durch die (österreichische) Botschaft, sodass daraus keine weitergehende Einschränkung der Ermittlungspflicht der belangten Behörde abgeleitet werden konnte. Auch lag in der ablehnenden Haltung des Beschwerdeführers keine Weigerung einer notwendigen Mitwirkung an Ermittlungsschritten, weil die Ladung und Einvernahme des beantragten Zeugen durch die belangte Behörde - somit ohne sein Zutun, auch in seiner weiteren Abwesenheit - zu erfolgen hatte (vgl. die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, unter E 118 ff zu § 39 AVG wiedergegebene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes).
Weder die Erklärung, zu keiner weiteren Verhandlung (vor der belangten Behörde) mehr erscheinen zu wollen, noch der Wunsch, "am heutigen Tag einen negativen Bescheid" zu erhalten, wenn dies der Wille des verantwortlichen Senatsmitglieds (der belangten Behörde) sei, führten daher zu einer Einschränkung der Pflicht der belangten Behörde zur weiteren amtswegigen Ermittlung des Sachverhaltes in Ansehung des Antrages auf Einvernahme des vom Beschwerdeführer namhaft gemachten Zeugen. Durch die Unterlassung der Einvernahme dieses Zeugen hat die belangte Behörde Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen, für den Beschwerdeführer günstigeren Bescheid hätte gelangen können. Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.
Wien, am 8. April 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2002010522.X00Im RIS seit
28.05.2003