Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AsylG 1997 §7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Köller und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Nichtowitz, über die Beschwerde des K, geboren 1977, vertreten durch Dr. Wolfgang Vacarescu, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Jakominiplatz 16/II, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 9. Jänner 2001, Zl. 216.836/0- III/07/00, betreffend §§ 7 und 8 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, seinen Angaben zufolge ein Staatsangehöriger der Demokratischen Republik Kongo, reiste am 23. November 1999 in das Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf Gewährung von Asyl.
Bei seinen Einvernahmen beim Bundesasylamt am
24. November 1999 und am 28. Jänner 2000 gab der Beschwerdeführer
zu seinem Fluchtgrund befragt unter Anderem an (F bzw. V = Beamter
des Bundesasylamtes, A = Beschwerdeführer):
"F: Warum haben Sie Ihre Heimat verlassen?
A: Ich wurde gezwungen, der Armee beizutreten.
F: Welcher Armee?
A: Der Infanterie, der Armee des Landes.
F: Meinen Sie damit, dass Sie Ihren Militärdienst hätten
ableisten müssen?
A: Ich machte den Militärdienst und floh.
F: Gibt es in DR Kongo die Wehrdienstpflicht?
A: Nein, aber junge Männer werden zwangsweise rekrutiert, aber
nicht alle. Ich
wurde dazu verpflichtet, weil ich Chauffeur zwischen Kinshasa
und Bas Kongo
war.
F: Wann war das?
A: Am 3. Oktober 1999, als ich auf der Fahrt von Bas-Kongo nach
Kinshasa war, als
ich gerade in der Mitte der Strecke war, wurde ich verhaftet und musste mit
meinem LKW viele Leute transportieren. Auf Befragen gebe ich an, dass ich von
bewaffneten Armeeangehörigen verhaftet wurde. Sie suchten sich junge Leute
von den vielen Leuten aus dem LKW aus, wir wurden dann nach
Mbanza-Ngungu gebracht.
F: Was transportierten Sie mit dem LKW gewöhnlicherweise?
A: Ich transportierte Leute, die zum Einkaufen gefahren sind.
F: Wo liegt Bas-Kongo?
A: Im Osten des Landes, ich weiß nicht genau, wo Norden und Süden ist, es ist
jedenfalls in der Nähe von Angola. Ich weiß nicht, wie weit von Kinshasa
entfernt, man braucht mit einem guten LKW 2 Tage, wenn er
nicht so gut ist,
3 Tage.
Auf Befragen gebe ich an, dass Mbanza-Ngungu im Bas Kongo
liegt, wir fuhren etwa einen Tag dorthin.
F: Was geschah anschließend?
A: Dort blieben wir 2 Tage, dann wurden wir zu einem anderen Camp
der Armee
gebracht. Dort wurde uns gesagt, dass wir der Armee beitreten müssen und dann in
den Osten des Landes geschickt, wo der Krieg ist.
F: In welches Camp wurden Sie nach den 2 Tagen gebracht?
A: Nach Base-Kitona, das ist auch in Bas-Kongo. In disem Lager wurden wir
ausgebildet. Diese Ausbildung dauerte etwa einen Monat. Dann wurden wir
geschickt, um Lebensmittel einzukaufen, nach Boma. Wir fuhren mit einem MilitärLKW, kauften ein, fuhren zurück. Mein LKW war auch dabei, das Geld
befand sich in einem Kuvert unter dem Fahrersitz meines LKWs.
F: Wer hat das Geld dorthin gegeben?
A: Mein Arbeitgeber gab mir das Geld, um Sachen einzukaufen, ich habe es unter
dem LKWSitz versteckt, das war noch vor meiner Verschleppung.
Die Armeeleute
wußten das nicht.
Jedenfalls wurden wir einige Tage wieder nach Boma zum Einkaufen geschickt. Ich habe alles für meine Flucht vorbereitet. Ich bin dann mit den Soldaten nach Boma gefahren, ich habe so getan, als müßte ich zur Toilette in Boma. Die anderen haben die Waren vom Lager in den LKW geladen. Ich bin von Boma nach Matadi gegangen, die Marsch dauerte 2 Tage, ich ging mitten durch den Wald, das Geld hatte ich bei mir.
Als ich in Matadi ankam, fuhr ich mit einem LKW bis nach Kinshasa, die Fahrt dauerte 2 Tage. Ich ging dort zu meinem Freund Cachala, er sagte mir, dass ich nicht nach Hause kann, denn dort wären Leute gewesen, die mich gesucht haben. Sie haben meinen Bruder verhaftet, sie haben gesagt, wenn sie mich finden, werden sie mich töten. So blieb ich bei Cachala. Er sagte, dass er jemanden kenne, der oft nach Europa fährt, er wird ihn kontaktieren. wenn ich Geld habe, könne er mir helfen, auch nach Europa zu kommen, so machte ich die Bekanntschaft von Michel.
...
F: Was befürchten Sie bei einer Rückkehr nach DR Kongo?
A: Ich habe Angst, da ich gesucht werde, von der kongolesischen Armee, damit
meine ich die Armee unter Kabila. Sie würden mich umbringen."
Nach einem vom Bundesasylamt angeforderten Untersuchungsbericht der Kriminaltechnischen Zentralstelle beim Bundesministerium für Inneres vom 3. April 2000 handelt es sich bei dem vom Beschwerdeführer vorgelegten Führerschein um eine Fälschung, während der Bericht zur - ebenfalls vorgelegten - Geburtsbestätigung des Beschwerdeführers festhält, dass hinsichtlich des Formulars und der Stempelabdrucke authentisches Vergleichsmaterial fehle, jedoch die "bei der Untersuchung erhaltenen Befunde (dafür) sprechen, dass es sich um ein nachgeahmtes Formular (allgemein schlechte Druckqualität) handelt."
Mit Bescheid vom 25. April 2000 wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG ab und stellte fest, dass seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die "DR Kongo" gemäß § 8 AsylG zulässig sei. Begründend führte die erstinstanzliche Behörde nach einer Wiedergabe des mit dem Beschwerdeführer aufgenommenen Protokolls aus, die Identität des Beschwerdeführers stehe nicht fest und es könne nicht festgestellt werden, dass ihm im Heimatland Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention drohe.
Beweiswürdigend begründete das Bundesasylamt dieses Ergebnis zunächst mit dem Umstand, dass die vom Beschwerdeführer vorgelegten Dokumente (Führerschein und Geburtsbestätigung) Nachahmungen seien. Da dem Beschwerdeführer dieser Umstand bereits vor der Untersuchung durch die Kriminaltechnische Zentralstelle vorgehalten worden sei, habe auf eine neuerliche Einvernahme nach Einlangen des Untersuchungsergebnisses verzichtet werden können. Der Beschwerdeführer habe die Orte auf der von ihm angeblich während eines Zeitraumes von zwei Jahren befahrenen Straße nicht nennen können und auch die Kennzeichentafeln seines Heimatlandes falsch beschrieben. Aus den unterschiedlichen Angaben über die Dauer einer Fahrt von Mbanza Ngungu nach Kinshasa (zwei bis drei Tage bzw. zwölf Stunden) ergebe sich, dass der Beschwerdeführer nicht wisse, wie lange diese Fahrt tatsächlich dauere. Demnach sei völlig unglaubwürdig, dass der Beschwerdeführer als LKW-Fahrer zwischen Kinshasa und Mbanza Ngungu tätig gewesen sei, weswegen es ebenso unglaubwürdig sei, dass er am 3. Oktober 1999 während einer solchen Fahrt zum Militärdienst verschleppt worden wäre. Die Unglaubwürdigkeit der Fluchtgeschichte ergebe sich auch aus den Angaben des Beschwerdeführers über seine Verhaftung, die einmal auf der Fahrt von Bas-Congo nach Kinshasa, ein anderes Mal auf der Fahrt von Kinshasa nach Bas-Congo erfolgt sei. Auch sei nicht einsichtig, weshalb bei einer Verhaftung in Mbanza Ngungu die Fahrt dorthin einen Tag gedauert haben sollte, wo es sich doch um denselben Ort handle. Zur angeblichen Ausbildung auf einer Waffe der Marke Uzi sei der Beschwerdeführer durch einen Beamten des Bundesasylamtes, der fünf Jahre eine solche Waffe als Dienstwaffe zur Verfügung gehabt habe, befragt worden. Dabei habe festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer offensichtlich nicht wisse, was eine "Uzi" sei. Insgesamt ergebe sich - so die erstinstanzliche Behörde -, dass dem Beschwerdeführer jegliche Glaubwürdigkeit abzusprechen sei, wegen der Vorlage gefälschter Dokumente seine Identität nicht feststünde, völlig ausgeschlossen sei, dass sein Beruf Lastwagenfahrer gewesen sei sowie dass er im Zuge seiner zahlreichen Fahrten zwischen Bas-Congo und Zaire zwangsweise zum Militärdienst einberufen und im Zuge seiner militärischen Ausbildung an einer "Uzi" ausgebildet worden sei.
In rechtlicher Hinsicht schloss das Bundesasylamt aus der Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers auf das Fehlen asylrelevanter Verfolgung bzw. einer Gefahr im Sinne des § 57 FrG.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers, in der er sich auf Rechtsausführungen beschränkte, "gemäß § 7 AsylG" ab und stellte gemäß § 8 AsylG fest, dass seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Demokratische Republik Kongo zulässig sei. Begründend verwies die belangte Behörde - ohne selbst Feststellungen zu treffen oder Beweise zu würdigen - auf die Begründung des erstinstanzlichen Bescheides.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Der Beschwerdeführer macht in seiner Beschwerde geltend, die belangte Behörde hätte eine mündliche Verhandlung durchführen müssen, weil die Beweiswürdigung des Bundesasylamtes - und damit jene der belangten Behörde - mangelhaft sei. Mit diesen Argumenten ist der Beschwerdeführer im Recht:
Hält das Bundesasylamt fest, dass - neben dem Führerschein - auch die vom Beschwerdeführer vorgelegte Geburtsbestätigung eine Nachahmung sei, lässt sich dieser Umstand aus dem Untersuchungsbericht der Kriminaltechnischen Zentralstelle nicht in dieser Eindeutigkeit ableiten. Dort wird auf mangelndes Vergleichsmaterial verwiesen und - ohne überzeugende Begründung - eine Nachahmung lediglich vermutet. Nimmt das Bundesasylamt aber - auch ohne sich mit den entsprechenden Erklärungen des Beschwerdeführers auseinander zu setzen - mit Bestimmtheit eine Fälschung dieses Dokumentes an, ist diese Schlussfolgerung aus den vorliegenden Ermittlungsergebnissen nicht nachvollziehbar. Erklärt das Bundesasylamt in der Folge die Angaben des Beschwerdeführers über das Aussehen der Kfz-Kennzeichentafeln in seinem Heimatland für falsch, ist dieses Argument nicht überprüfbar, weil das Bundesasylamt nicht dargestellt hat, wie die Kennzeichen tatsächlich gestaltet sind und aus welchem Beweismittel dies zu erkennen wäre. Ebensowenig ist der Beweiswürdigung - zwecks Überprüfung der Richtigkeit der vom Bundesasylamt gezogenen Schlussfolgerung - zu entnehmen, welche vom Beschwerdeführer bei seiner Berufsausübung durchfahrenen Orte dieser hätte kennen müssen bzw. ob sie ihm, etwa wegen vorhandener Ortstafeln, überhaupt hätten bekannt sein müssen. Zudem wurde die Einschätzung, der Beschwerdeführer wisse nicht, was eine Waffe der Marke "Uzi" sei, nicht näher begründet und auch nicht dargelegt, welche Angaben des Beschwerdeführers nicht den Tatsachen entsprochen haben. Schließlich entbehrt es jeder Grundlage, wenn das Bundesasylamt dem Beschwerdeführer wegen der angeblich falschen Angaben zu den eben dargestellten Themen zur gesamten Fluchtgeschichte die Glaubwürdigkeit abspricht, ohne sich mit dieser in nachvollziehbarer Weise auseinander gesetzt zu haben. Nach dem Gesagten erweist sich die Beweiswürdigung des Bundesasylamtes und damit auch jene der belangten Behörde als unschlüssig, weshalb der angefochtene Bescheid mangelhaft ist.
Die belangte Behörde wäre daher verhalten gewesen, in einer mündlichen Verhandlung mit dem Beschwerdeführer - allenfalls nach neuerlicher Vernehmung - aufgetretene Ungereimtheiten seiner Aussage zu erörtern, um dann aufgrund eigener Anschauung die Beweisergebnisse selbst würdigen bzw. dem Beschwerdeführer auch die Ermittlungsergebnisse vorhalten zu können (vgl. die Erkenntnisse vom 8. Juni 2000, Zl. 99/20/0111-0113, und vom 19. April 2001, Zl. 99/20/0273).
Da die belangte Behörde nach dem Gesagten das Berufungsverfahren und den angefochtenen Bescheid mit relevanten Verfahrensmängeln belastet hat, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Von der Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG abgesehen werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.
Wien, am 8. April 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2001010078.X00Im RIS seit
18.07.2003