TE Vwgh Erkenntnis 2003/4/10 2003/18/0061

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Veröffentlicht am 10.04.2003
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Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
41/02 Staatsbürgerschaft;
82/02 Gesundheitsrecht allgemein;

Norm

FrG 1997 §35 Abs3 Z1;
FrG 1997 §36 Abs1 Z1;
FrG 1997 §36 Abs1 Z2;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
FrG 1997 §38 Abs1 Z3;
MRK Art8 Abs2;
SMG 1997;
StbG 1985 §10 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des D, (geboren 1959), vertreten durch Dr. Elmar Kresbach LL.M., Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schottengasse 4/4. Stock, Tür 29, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 22. Jänner 2003, Zl. SD 15/03, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 22. Jänner 2003 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen jugoslawischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer, der sich seit 1986 im Bundesgebiet befinde und über einen unbefristeten Aufenthaltstitel verfüge, sei mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 8. November 2001 nach § 28 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 4 Z 3 des Suchtmittelgesetzes (SMG) zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren rechtskräftig verurteilt worden. Diesem Urteil sei zugrunde gelegen, dass der Beschwerdeführer am 18. Februar 2001 eine übergroße Menge Heroin mit einem geliehenen PKW von Ungarn nach Österreich geschmuggelt habe. Das Suchtgift, 8 Kilogramm gestrecktes Heroin "(entspricht vier Kilogramm reines Heroin)", sei in Hohlräumen des Fahrzeuges versteckt gewesen. Der Beschwerdeführer, der als Transporteur angeheuert worden sei, hätte das Suchtgift von einem bekannten Suchtgifthändler in Budapest zu nicht ausgeforschten Hintermännern nach Österreich bringen sollen. Wie das Gericht festgestellt habe, sei der Beschwerdeführer von der Menge und dem Wert des transportierten Suchtgifts in Kenntnis gewesen. Die genannte Verurteilung erfülle zweifelsfrei den im § 36 Abs. 2 Z 1 FrG normierten Sachverhalt. Es könne kein Zweifel daran bestehen, dass das dargestellte Fehlverhalten des Beschwerdeführers die öffentliche Ordnung und Sicherheit in gravierender Weise gefährde, sodass die Voraussetzungen zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes - vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 37 und 38 FrG - im Grund des § 36 Abs. 1 leg. cit. gegeben gewesen seien.

Der Beschwerdeführer sei verheiratet, der Ehe entstamme ein Sohn, für den jedoch keine Sorgepflichten mehr bestünden. Zweifelsfrei sei von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers auszugehen, dieser Eingriff sei jedoch zulässig, weil er zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier: zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen, insbesondere der Suchtgiftkriminalität, sowie zum Schutz der Gesundheit Dritter - dringend geboten sei. Gerade der Suchtgiftkriminalität hafte nicht nur eine hohe Sozialschädlichkeit, sondern auch eine überaus große Wiederholungsgefahr an. Insbesondere im Hinblick auf die überaus große Menge Suchtgift, hinsichtlich der die Tathandlung begangen worden sei, sei die vom Beschwerdeführer ausgehende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit als besonders hoch einzuschätzen. Wer sich, wie der Beschwerdeführer, zur Begehung eines derart schwerwiegenden Verbrechens aus einer - wie behauptet - schlechten finanziellen Situation heraus bereit erkläre, lasse eine außerordentlich geringe Rechtsverbundenheit erkennen, die einer positiven Verhaltensprognose entgegenstehe. Die vom Beschwerdeführer ausgehende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit sei von derartigem Gewicht, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes dringend geboten und sohin zulässig im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG erscheine. Bei der gemäß § 37 Abs. 2 leg. cit. durchzuführenden Interessenabwägung sei zunächst auf die aus der Dauer des inländischen Aufenthaltes ableitbare Integration des Beschwerdeführers Bedacht zu nehmen gewesen. Diese erweise sich als zweifelsfrei gewichtig. Zu bedenken sei jedoch, dass die einer jeglichen Integration zugrunde liegende soziale Komponente durch das schwerwiegende strafbare Verhalten des Beschwerdeführers entsprechend an Gewicht gemindert werde. Unter gleichzeitiger Bedachtnahme auf die zweifelsfrei erheblichen familiären Bindungen des Beschwerdeführers sei das ihm insgesamt zuzuschreibende private Interesse an einem Weiterverbleib in Österreich zweifelsohne gewichtig, in einem entscheidenden Punkt jedoch merklich relativiert. Dem stehe das überaus große öffentliche Interesse an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität und am Schutz der Gesundheit Dritter gegenüber. Bei Abwägung dieser Interessenlagen sei die belangte Behörde zur Auffassung gelangt, dass die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers nicht schwerer wögen, als das in seinem Fehlverhalten gegründete große öffentliche Interesse an der Erlassung der vorliegenden fremdenpolizeilichen Maßnahme. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes erweise sich daher auch im Sinn des § 37 Abs. 2 FrG als zulässig.

Die Bestimmungen über die Aufenthaltsverfestigung gemäß § 38 FrG seien angesichts der Art und Höhe der genannten Verurteilung der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht entgegengestanden. Mangels besonderer zugunsten des Beschwerdeführers sprechender Umstände habe die belangte Behörde zudem keine Veranlassung gesehen, von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand zu nehmen. Angesichts der Strafhöhe stünde eine solche Ermessensübung nicht mit Sinn und Zweck des FrG in Übereinstimmung.

Was die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes betreffe, so erscheine der unbefristete Ausspruch durch die Erstbehörde auch nach Auffassung der belangten Behörde gerechtfertigt. Angesichts der Schwere des vom Beschwerdeführer begangenen Verbrechens sei auch unter Bedachtnahme auf seine privaten Lebensumstände nicht vorhersehbar, wann die für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Gründe weggefallen sein würden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht seine im angefochtenen Bescheid festgestellte rechtskräftige gerichtliche Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Jahren. Entgegen dem Beschwerdeführer nahm die belangte Behörde daher zu Recht an, dass in seinem Fall die Voraussetzungen des § 36 Abs. 2 Z 1 (erster Fall) FrG vorliegen.

Sein Einwand, er sei an der von ihm begangenen Straftat in einer sehr untergeordneten Form beteiligt gewesen, vermag an dieser Beurteilung nichts zu ändern, ist doch die belangte Behörde durch das besagte rechtskräftige Gerichtsurteil (vorbehaltlich einer allfälligen Wiederaufnahme) daran gebunden, dass der Beschwerdeführer seine strafbare Handlung entsprechend den konkreten Tatsachenfeststellungen des genannten Urteils rechtswidrig und schuldhaft begangen hat (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 2000, Zl. 2000/18/0133, mwH). Angesichts des gravierenden Fehlverhaltens des Beschwerdeführers - ihm liegt, wie die der besagten Verurteilung unstrittig zugrunde liegenden vom Beschwerdeführer übertretenen Bestimmungen des SMG zeigen, auch Suchtgifthandel zur Last - kann der belangten Behörde, wenn sie vorliegend die Annahme nach § 36 Abs. 1 FrG für gerechtfertigt hielt, in Anbetracht des großen öffentlichen Interesses an der Bekämpfung dieser gefährlichen Kriminalitätsform, das sowohl unter dem Blickwinkel der öffentlichen Ordnung und Sicherheit (§ 36 Abs. 1 Z 1 FrG) als auch unter dem Gesichtspunkt anderer in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannter öffentlichen Interessen - insbesondere des Schutzes der Gesundheit (§ 36 Abs. 1 Z 2 FrG) - gegeben ist, nicht entgegengetreten werden.

Wenn die Beschwerde meint, es bestünden "jedenfalls Zweifel" daran, dass der Beschwerdeführer auf Grund seines einmaligen Fehlverhaltens die öffentliche Ordnung und Sicherheit auch in Zukunft gefährden könnte, und es ließen sich "bis auf eine lediglich geringe Vorstrafe aus dem Jahre 1999" wegen fahrlässiger Körperverletzung "zu einer kleinen Geldstrafe ... keine Anhaltspunkte dafür gewinnen", dass von ihm auf Grund seines "nahezu 15-jährigen Wohlverhaltens" weitere Straftaten begangen werden könnten, und es stelle auch die nunmehrige Haftanhaltung eine einschneidende Maßnahme im Leben des Beschwerdeführers dar, was "mit hoher Wahrscheinlichkeit den Schluss" zulasse, dass er von weiteren strafbaren Handlungen ablasse, so ist ihr entgegenzuhalten, dass das gravierende Fehlverhalten des Beschwerdeführers nach dem SMG bei Erlassung des angefochtenen Bescheides noch nicht so lange zurücklag, dass ein Wegfall oder eine maßgebliche Verminderung der von ihm angesichts seines Handels mit Suchtgift ausgehenden Gefahr angenommen werden könnte.

2. Auch das gegen die Beurteilung der belangten Behörde im Licht des § 37 FrG erstattete Beschwerdevorbringen ist nicht zielführend. Die belangte Behörde hat im Hinblick auf den inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides in der Dauer von etwa 17 Jahren, seine daraus ableitbare Integration und seine familiären Bindungen zutreffend einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in seine privaten und familiären Interessen an einem weiteren Aufenthalt in Österreich angenommen. Sie hat aber - unter Bedachtnahme auf diese persönlichen Interessen - ebenso zutreffend den Standpunkt vertreten, dass diese Maßnahme zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (hier: Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen (des Beschwerdeführers), Schutz der Rechte Dritter und Schutz der Gesundheit) dringend geboten und somit gemäß § 37 Abs. 1 FrG zulässig sei.

In der vom Beschwerdeführer (auch) in seiner Beschwerde auf seine (damalige) schlechte finanzielle Situation zurückgeführten Bereitschaft, das ihm zur Last liegende gravierende Suchtgiftdelikt zu begehen, manifestiert sich eine von ihm ausgehende massive Gefahr für die Allgemeinheit, zumal es sich bei der Suchtgiftkriminalität um eine besonders gefährliche Art der Kriminalität handelt, bei der die Wiederholungsgefahr erfahrungsgemäß besonders groß ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 10. Oktober 2002, Zl. 2002/18/0184, mwH). Im Licht dessen konnte auch die Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 2 FrG nicht zu Gunsten des Beschwerdeführers ausgehen. Die vom Beschwerdeführer erreichte Integration im Bundesgebiet hat in der für sie wesentlichen sozialen Komponente durch das von ihm begangene schwere Suchtgiftdelikt eine wesentliche Minderung erfahren. Wenngleich die für seinen Verbleib in Österreich sprechenden persönlichen Interessen beträchtlich sind, hat die belangte Behörde der durch sein gravierendes Fehlverhalten bewirkten Gefährdung der öffentlichen Interessen und damit den nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes - selbst wenn man (wie in der Beschwerde vorgebracht) berücksichtigt, dass der Beschwerdeführer für zwei Kinder sorgepflichtig und "auf Grund seiner beruflichen Tätigkeit in Österreich völlig sozial integriert" sei - zutreffend kein geringeres Gewicht beigemessen als den Auswirkungen dieser Maßnahme auf seine Lebenssituation und die seiner Familienangehörigen.

An dieser Beurteilung vermag das Vorbringen des Beschwerdeführers, dass ihm "auf Grund des bisherigen Lebenswandels ... und seiner 17-jährigen Integration" (offenbar gemeint: vor seinem gravierenden Fehlverhalten nach dem SMG) die österreichische Staatsbürgerschaft hätte verliehen werden können, nichts zu ändern. Im Übrigen kommt vorliegend § 38 Abs. 1 Z 3 FrG, wonach ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden darf, wenn dem Fremden vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhalts die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 verliehen hätte werden können, in Anbetracht der in Rede stehenden rechtskräftigen Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren nicht zum Tragen.

3. Soweit der Beschwerdeführer eine unrichtige Ermessensübung behauptet, ist ihm zu entgegen, dass eine auf einer Ermessenserwägung beruhende Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbots offensichtlich nicht im Sinn des Gesetzes erfolgen würde, wenn der Fremde - wie vorliegend - in einer dem § 35 Abs. 3 Z 1 FrG entsprechenden Weise rechtskräftig verurteilt worden ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 24. Juli 2002, Zl. 2002/18/0133, mwH).

4. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

5. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 10. April 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2003180061.X00

Im RIS seit

12.05.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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