TE Vwgh Erkenntnis 2003/4/23 98/08/0390

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.04.2003
beobachten
merken

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §34 Abs1 idF 1997/I/078;
B-VG Art140 Abs1;
B-VG Art140 Abs7;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der E in W, vertreten durch Dr. Olaf Borodajkewycz, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Jakobergasse 4, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 27. August 1998, Zl. LGSW/Abt. 10-AlV/1218/56/1998-1280, betreffend Anspruch auf Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 2. Juli 1998 wies die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice den Antrag der Beschwerdeführerin vom 28. Juni 1998 auf Gewährung der Notstandshilfe gemäß § 33 Abs. 2 iVm § 34 AlVG mangels Zugehörigkeit zum berechtigten Personenkreis ab, weil die Beschwerdeführerin keine der im § 34 Abs. 1 AlVG (idF BGBl. I Nr. 78/1997) genannten Voraussetzungen erfülle. Der dagegen erhobenen Berufung gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge. Die Beschwerdeführerin habe ihren Anspruch auf Karenzurlaubsgeld am 27. Juni 1998 erschöpft. Gemäß § 79 Abs. 40 AlVG (idF BGBl. I Nr. 55/1998) seien daher die mit 1. April 1998 in Kraft getretenen Regelungen (§ 34 AlVG idF BGBl. I Nr. 78/1997) anzuwenden. Die Beschwerdeführerin habe in den letzten zehn Jahren vor der Geltendmachung des Anspruches auf Karenzurlaubsgeld (am 23. August 1996) lediglich 1.943 Tage (5 Jahre, 16 Wochen und 6 Tage) arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigungen nachgewiesen. Sie sei nicht in Österreich geboren und habe bei der Geltendmachung des Arbeitslosengeldes sowohl das 25. Lebensjahr bereits vollendet als auch weniger als die halbe Lebenszeit, nämlich seit rund 15 Jahren, ihren Hauptwohnsitz bzw. ordentlichen Wohnsitz in Österreich. Sie erfülle daher keine der im § 34 Abs. 1 AlVG genannten Voraussetzungen. Eine Prüfung, ob die anzuwendenden Gesetzesbestimmungen verfassungswidrig seien, stehe der Behörde nicht zu.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhalts geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

§ 34 Abs. 1 AlVG idF BGBl. I Nr. 78/1997 lautet:

" Voraussetzung für den Anspruch auf Notstandshilfe ist, daß der (die) Arbeitslose

1. in den letzten zehn Jahren vor Geltendmachung des Anspruches auf Arbeitslosengeld oder Karenzurlaubsgeld bzw. Karenzgeld arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigungen von 416 Wochen nachweist oder

2. bei Geltendmachung des Anspruches auf Arbeitslosengeld oder Karenzurlaubsgeld bzw. Karenzgeld vor Vollendung des 25. Lebensjahres die Schulpflicht zumindest zur Hälfte im Bundesgebiet erfüllt und auch beendet hat oder

3.

in Österreich geboren wurde oder

4.

vor Geltendmachung des Anspruches auf Arbeitslosengeld oder Karenzurlaubsgeld bzw. Karenzgeld zumindest die halbe Lebenszeit den Hauptwohnsitz bzw. ordentlichen Wohnsitz im Sinne der jeweils geltenden Vorschriften in Österreich gehabt hat."

Gemäß § 79 Abs. 40 AlVG idF BGBl. I Nr. 55/1998 traten die §§ 33 Abs. 2 und 34 AlVG idF BGBl. I Nr. 78/1997 mit 1. April 1998 in Kraft und gelten für Fälle, in denen der Arbeitslosengeld- oder Karenz(Urlaubs)geldanspruch frühestens mit Ablauf des 31. März 1998 erschöpft war. Da der Anspruch der Beschwerdeführerin auf Karenzurlaubsgeld unbestritten am 27. Juni 1998 erschöpft war, hat die belangte Behörde die Gewährung der Notstandshilfe nicht auf Grund des § 79 Abs. 40 AlVG versagt (vgl. § 79 Abs. 47 AlVG und das hiezu ergangene hg. Erkenntnis vom 19. Jänner 1999, Zl. 98/08/0350), sondern wegen Nichterfüllung der im § 34 Abs. 1 AlVG genannten Voraussetzungen.

Diese gesetzliche Grundlage ist jedoch nicht mehr anzuwenden. Mit Erkenntnis vom 9. Juni 1999, Slg. 15.506, hat der Verfassungsgerichtshof § 34 Abs. 1 AlVG 1977, BGBl. Nr. 609, idF BGBl. I Nr. 78/1997 als verfassungswidrig aufgehoben und ausgesprochen, dass die aufgehobene Bestimmung nicht mehr anzuwenden ist und frühere Vorschriften nicht wieder in Wirksamkeit treten. Diese Aussprüche wurden am 27. August 1999 im BGBl. I Nr. 193/1999 vom Bundeskanzler kundgemacht.

Die Erstreckung der Anlassfallwirkung insbesondere auf die beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Fälle bewirkte, dass die bereinigte Rechtslage auch in jenen Fällen anzuwenden ist, in denen sie ohne die genannte Erstreckung ansonsten nicht anzuwenden wäre. Die belangte Behörde wird daher den Anspruch der Beschwerdeführerin auf Notstandshilfe auf Grund der zeitraumbezogen anzuwendenden Bestimmungen - jedoch ohne Heranziehung des § 34 Abs. 1 AlVG idF BGBl. I Nr. 78/1997 - zu beurteilen haben.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 23. April 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:1998080390.X00

Im RIS seit

28.05.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten