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E000 EU- Recht allgemein;Norm
31989L0104 Marken-RL 01te Art3 Abs1 litb;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Gruber, Dr. Stöberl, Dr. Blaschek und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde der Societe des Produits N in V (Schweiz), vertreten durch Dr. Maximilian Eiselsberg, Dr. Dieter Natlacen, Dr. Georg Waldersdorff, Dr. Raimund Cancola, Mag. Claudia Steegmüller, Mag. Wolfgang Kapek, Dr. Martin Prohaska-Marchried und Mag. Martin Eckel, Rechtsanwälte in 1030 Wien, Schwarzenbergplatz 7, gegen den Bescheid des Österreichischen Patentamtes, Beschwerdeabteilung, vom 26. Jänner 2001, Zl. Bm 7/98-2 IR 12/97, betreffend Verweigerung des Schutzes nach dem Markenschutzgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Österreichischen Patentamtes, Beschwerdeabteilung, vom 26. Jänner 2001 wurde der von der beschwerdeführenden Partei am 19. Juli 1995 beim Internationalen Büro der Weltorganisation für geistiges Eigentum in Genf hinterlegten Marke Nr. 640 843 für Waren der Klasse 30 (Pastilles ou dragees de confiserie ou de sucreries fourrees de chocolat), deren Inhaberin die beschwerdeführende Partei ist, der Schutz in Österreich verweigert. Begründend wurde nach Darstellung des Verfahrensganges und der angewendeten Rechtsvorschriften im Wesentlichen ausgeführt, es handle sich um eine dreidimensionale Marke; dargestellt sei eine zylindrische Form, wobei zwei Seiten desselben Körpers abgebildet seien. Nun hätten Behältnisse nicht die generelle Vermutung für sich, vom Verkehr als Marken angesehen zu werden. Behältnisformen könnten lediglich dann als Unternehmenshinweis angesehen werden, wenn in der betreffende Branche die Übung, mit der Form dieses Behältnisses die Herkunft aus einem Unternehmen zu kennzeichnen und die Akzeptanz dieser Übung durch die Zeichenadressaten glaubhaft gemacht werden könnten. Dreidimensionale Zeichen könnten umso weniger herkunftshinweisend sein, je näher sie der Grundform vergleichbarer anderer Verpackungsformen auf dem jeweiligen Warengebiet kämen. Eine Bescheinigung der Verkehrsgeltung könne ausnahmsweise nur dort entfallen, wo die Form des Behältnisses sich überdeutlich von den in der Branche üblichen Formen unterscheidet, besonders eigenartig sei und nicht technischfunktionell bedingt. Die in der in Rede stehenden Marke dargestellte Rolle habe demgegenüber keine Auffälligkeiten an sich, die von den beteiligten Verkehrskreisen anders als technischfunktionell bedingt angesehen würden bzw. als nicht herkunftshinweisende bloße Verzierungen oder Designs. Ein nach Auffassung der beschwerdeführenden Partei "durchaus charakteristisches Element" an den Enden des Rollenkörpers könne nicht erkannt werden; der in das Körperinnere zurückgezogene Verschluss sei jedenfalls rein technisch-funktionell bedingt, weil nicht zu ersehen sei, wie man eine Röhre verstopfen könnte, ohne einen Stopfen in die Röhre hineinragen zu lassen. Die Abbildung linsenförmiger Formen auf dem Zylinder werde von den beteiligten Kreisen im Hinblick auf die im Warenverzeichnis angeführten schokoladegefüllten Pastillen bzw. Dragees lediglich als sofort erkennbarer Hinweis aufgefasst werden, dass die vorliegende Verpackung solche Waren - üblicher Weise auch als Schoko- oder Schokolade-Linsen bezeichnet - enthalte. Auch durch die Färbigkeit des Deckels des Röhrchens (gelb) sowie durch die Färbigkeit der Linsendarstellungen (rot, gelb, grün, braun, orange, violett, rosa bzw. blau) werde keinerlei herkunftsunterscheidende Charakteristik begründet. Ein Verkehrsgeltungsnachweis sei von der beschwerdeführenden Partei in keiner Phase des erstinstanzlichen Verfahrens angeboten worden. Selbst bei Zulassung eines von der beschwerdeführenden Partei im Instanzenzug vorgelegten demoskopischen Gutachtens wäre für die beschwerdeführende Partei aber nichts gewonnen, weil dieses - wie näher dargelegt - zum Nachweis einer österreichweiten Verkehrsgeltung am Prioritätstag der beschwerdegegenständlichen internationalen Marke (21. Februar 1995) absolut ungeeignet sei. Da dieser internationalen Marke somit jegliche Unterscheidungskraft i. S.d. § 4 Abs. 1 Z. 3 Markenschutzgesetz fehle und ein Nachweis der Verkehrsgeltung i.S.d. § 4 Abs. 2 Markenschutzgesetz nicht habe nachgeholt werden können, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah im Übrigen aber von der Erstattung einer Gegenschrift ab.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die beschwerdeführende Partei erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid im "Recht auf Zulassung der angemeldeten internationalen Marke IR 640 843 zur Registrierung im Österreichischen Markenregister verletzt". Sie bringt hiezu im Wesentlichen vor, auf Grund der Neufassung des § 1 durch die Markenrechtsnovelle 1999 könnten auch die Form oder Aufmachung einer Ware Zeichen und damit Gegenstand einer Marke i.S.d. § 1 Markenschutzgesetz sein. Von der Registrierung seien gemäß § 4 Abs. 1 Z. 3 Markenschutzgesetz lediglich solche Zeichen ausgeschlossen, die keine Unterscheidungskraft hätten. Die novellierte Bestimmung entspreche Art. 3 Abs. 1 lit. b der Richtlinie 89/104/EWG des Rates, wobei davon auszugehen sei, dass die Hauptfunktion der Marke darin bestehe, dem Verbraucher (Endabnehmer) die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Ware zu garantieren. Der Form der Verpackung einer Ware könne daher nicht bereits von sich aus jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden. Vielmehr müsse nur die Verpackung selbst eine hinreichend eigenartige und einprägsame Ausgestaltung aufweisen, also eine Originalität, die von der technisch oder ästhetische notwendigen oder der allgemein verwendeten Form abweiche. Der von der belangten Behörde angelegte Maßstab, die Form des Behältnisses müsse sich überdeutlich von den in der Branche üblichen Formen unterscheiden, stehe in einem krassen Widerspruch zur Rechtsprechung des Harmonisierungsamtes für den Binnenmarkt, wo der Maßstab für das Vorliegen von Unterscheidungskraft bedeutend niedriger angelegt worden sei. So sei in einem - näher bezeichneten - Fall ausgesprochen worden, dass eine plastische Form an sich dazu geeignet sein könne, in Verkehr Unterscheidungsfunktion auszuüben. Es reiche aus, wenn die dreidimensionale Form in einem beliebigen theoretisch vorstellbaren Fall zur Unterscheidung geeignet sei. Eine abstrakte Unterscheidungseignung könne einer Marke nur abgesprochen werden, wenn unter allen Umständen ausgeschlossen werden könne, dass das Zeichen in der Lage sei, als Hinweis auf die betriebliche Herkunft von Waren oder Dienstleistungen oder überhaupt zur Produktidentifikation zu dienen. Dass die in Rede stehende Marke der beschwerdeführenden Partei aber nicht in der Lage wäre, auf die betriebliche Herkunft der damit gekennzeichneten Waren (Smarties-Zuckerl) aus dem Unternehmen der beschwerdeführenden Partei hinzuweisen, könne nicht gesagt werden. Vielmehr ließen sich hier eindeutige Merkmale feststellen, die der Gestaltungsform der Verpackung herkunftshinweisende Funktion zukommen ließen. So zeige die Verpackung an den Körperenden jeweils einen in das Körperinnere zurückgezogenen Verschluss, der zwar, wie die meisten Verpackungen, auch funktionalen Charakter besitze. Der dadurch bewirkte Gesamteindruck diene jedoch dazu, die charakteristische Smarties-Verpackung von den Verpackungsformen der Mitbewerber zu unterscheiden. Überdies sei die Verpackung mit den darin vertriebenen Smarties-Zuckerln bedruckt. Dieser Aufdruck sei keineswegs eine bloß beschreibende Verzierung, sondern die für Smarties-Zuckerl aus dem Unternehmen der Markeninhaberin charakteristische Aufmachung der im abgebildeten Raum "gleichsam frei schwebenden" Smarties-Zuckerln. An Hand dieser charakteristischen Aufmachung würden schon Kleinkinder erkennen, dass es sich um die Verpackung von "Smarties-Zuckerln" handle.
Gemäß § 1 Markenschutzgesetz können alle Zeichen, die sich grafisch darstellen lassen, insbesondere Wörter einschließlich Personennamen, Abbildungen, Buchstaben, Zahlen und die Form oder Aufmachung der Ware, soweit solche Zeichen geeignet sind, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden, Marken sein.
Auch ein dreidimensionales Zeichen, die Aufmachung einer Ware, kann demnach eine Marke sein, vorausgesetzt, es lässt sich grafisch darstellen und es ist geeignet, die Ware als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen. Durch die Marke soll dem Verbraucher der Ware bzw. dem Empfänger der Dienstleistung ermöglicht werden, die Ware oder Dienstleistung ohne Verwechslungsgefahr von Waren oder Dienstleistungen anderer Herkunft zu unterscheiden (vgl. das Urteil des EuGH vom 18. Juni 2002 in der Rechtssache C-299/99, Philips, Slg. 2002, I- 05475, Rn 30).
Der Erwerb des Markenrechtes erfordert gemäß § 2 Abs. 1 Markenschutzgesetz die Eintragung der Marke in das Markenregister. Für Markenrechte, die für das Gebiet von Österreich auf Grund zwischenstaatlicher Vereinbarungen erworben werden, gilt gemäß § 2 Abs. 2 Markenschutzgesetz dieses Bundesgesetz sinngemäß.
Gemäß § 4 Abs. 1 Z. 3 Markenschutzgesetz sind Zeichen, die keine Unterscheidungskraft haben, von der Registrierung ausgeschlossen.
Dem angefochtenen Bescheid liegt die Auffassung zu Grunde, die verfahrensgegenständliche, dreidimensionale Marke, ein die Abbildung linsenförmiger Formen aufweisender Zylinder weise keine Auffälligkeiten auf, die vom Konsumenten als herkunftshinweisend aufgefasst werden könnten; es mangle dem Zeichen somit i.S.d. § 4 Abs. 1 Z. 3 Markenschutz an der erforderlichen Unterscheidungskraft.
Nun ist die Unterscheidungskraft einer Marke zum einen im Hinblick auf die Waren oder Dienstleistungen, für die sie angemeldet worden ist, und zum anderen im Hinblick auf die Anschauung der beteiligten Verkehrskreise zu beurteilen, die sich aus den Verbrauchern der Waren bzw. Empfänger der Dienstleistungen zusammensetzen. Diese Beurteilung hat darauf abzustellen, wie die Maßstabfigur des durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers die in Rede stehende Kategorie von Waren oder Dienstleistungen vermutlich wahrnimmt (vgl. nochmals das Urteil Philips, Rn 63).
Die Kriterien für die Beurteilung der Unterscheidungskraft dreidimensionaler Marken, die aus der Aufmachung von Waren bestehen, unterscheiden sich nicht von denjenigen, die auf andere Kategorien von Marken Anwendung finden. § 4 Abs. 1 Z. 3 Markenschutzgesetz unterscheide nämlich ebenso wie Art. 3 Abs. 1 lit. b der Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 über die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Marken (ABl. 1989, L 40, S 1) in diesem Punkt nicht zwischen verschiedenen Kategorien von Marken. Es ist bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft dreidimensionaler Marken daher kein strengerer Maßstab anzulegen als bei anderen Markenformen (vgl. dazu auch das Urteil des EuGH vom 8. April 2003 in den Rechtssachen C-53/01 sowie C-55/01).
Von dieser Rechtslage ausgehend ist die beschwerdeführenden Partei zwar mit ihrer Auffassung im Recht, es dürften für die Annahme von Unterscheidungskraft keine überdeutlichen Unterscheidungsmerkmale von in der Branche üblichen Formen bzw. eine besondere Eigenart des angemeldeten Zeichens gefordert werden. Dies führt in Ansehung der von der belangten Behörde als ohne jede Auffälligkeit beurteilten Rolle bzw. des als rein technisch funktionell erforderlich beurteilten, in das Körperinnere dieser Rolle zurückgezogenen Verschlusses jedoch zu keinem anderen Ergebnis. Es ist nämlich der Auffassung der beschwerdeführenden Partei, der Verschluss bewirke unbeschadet seines funktionalen Charakters einen Gesamteindruck der Verpackung, der diese als eine für die Waren der beschwerdeführenden Partei charakteristische und von Verpackungen der Mitbewerber unterscheidbare Verpackungsform erkennen lasse, nicht zu folgen. Ausgehend davon, dass - wie die belangte Behörde zu Recht betont - nicht zu ersehen ist, wie man eine Röhre verstopfen könne, ohne einen Stopfen in die Röhre hineinragen zu lassen, entsprechen die wesentlichen Merkmale des dargestellten Verschlusses der technischen Funktion, die Röhre zu verschließen. Mangels sonstiger Auffälligkeiten dieses Verschlusses im Vergleich zu sonstigen Stopfen, die dem Verschluss von Röhren dienen, kann dieser daher zur Unterscheidung der in Rede stehenden Verpackung von sonstigen röhrenförmigen Verpackungen nichts beitragen.
Hingegen kann dem vorliegenden Aufdruck färbiger linsenförmiger Körper auf den erwähnten Röhrchen die Eignung, den Verbraucher auf die Herkunft der solcher Art aufgemachten Ware hinzuweisen, nicht abgesprochen werden. Ist von einem durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Käufer von Waren der in Betracht kommenden Klasse doch zu erwarten, dass er in dieser Darstellung nicht bloß einen Hinweis darauf sieht, die Verpackung enthalte Schokolade-Linsen schlechthin, sondern als Hinweis, es handle sich hier um ganz bestimmte, als "Smarties" bezeichnete Schokolade-Linsen.
Ist solcher Art aber davon auszugehen, dass die in Rede stehende Marke von den beteiligten Verkehrskreisen als Hinweis auf die Herkunft der damit aufgemachten Waren verstanden werde, kann ihr die Unterscheidungskraft im Sinne des § 4 Abs. 1 Z. 3 Markenschutzgesetz nicht abgesprochen werden.
Der angefochtene Bescheid erweist sich daher als mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, was gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG zu seiner Aufhebung zu führen hatte.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 23. April 2003
Gerichtsentscheidung
EuGH 61999J0299 Philips VORABSchlagworte
Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2001040105.X00Im RIS seit
19.06.2003Zuletzt aktualisiert am
04.11.2011