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L22003 Landesbedienstete Niederösterreich;Norm
AlVG 1977 §26 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Köller und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der L in L, vertreten durch Dr. Edeltraud Fichtenbauer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kärntner Ring 10, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Niederösterreich vom 3. Mai 2001, Zl. LGS NÖ/JUR/12181/2001, betreffend Weiterbildungsgeld, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Am 25. August 2000 stellte die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Zuerkennung von Weiterbildungsgeld ("Bildungskarenzurlaub").
Laut Arbeitsbescheinigung des Amtes der NÖ Landesregierung vom 28. August 2000 habe die Beschwerdeführerin Sonderurlaub vom 4. September 2000 bis 2. September 2001. Laut Bescheinigung des Amtes der NÖ Landesregierung vom 17. März 2000 sei dieser Sonderurlaub unter Entfall der Bezüge zum Besuch der Pädagogischen Akademie gemäß § 49 Abs. 2 Landesvertragsbedienstetengesetz (NÖ-LVBG) bewilligt worden.
Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vom 26. September 2000 wurde dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Zuerkennung des Weiterbildungsgeldes gemäß § 26 Abs. 1 und 5 AlVG iVm § 11 Abs. 1 Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz 1993 (AVRAG) mangels Vorliegens einer gleichartigen landesgesetzlichen Regelung keine Folge gegeben. Begründend wurde ausgeführt, die Bestimmungen des § 49 Abs. 2 NÖ-LVBG könnten nicht als gleichartig angesehen werden, weshalb die Voraussetzungen gemäß § 26 AlVG nicht erfüllt seien.
In ihrer Berufung gegen diesen Bescheid führte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen aus, sie sei als Kindergärtnerin beim Land Niederösterreich als Landesvertragsbedienstete angestellt. Neben dieser Beschäftigung besuche sie bereits seit einiger Zeit die Pädagogische Akademie Krems mit dem Ziel, eine "Hauptschulausbildung für Religion und Mathematik" zu absolvieren. Das Amt der NÖ Landesregierung habe ihr gemäß § 49 Abs. 2 NÖ-LVBG für die Zeit vom 4. September 2000 bis einschließlich 2. September 2001 einen Sonderurlaub unter Entfall der Bezüge zum Zweck der Fortsetzung und des Abschlusses der Ausbildung an der Pädagogischen Akademie bewilligt. Ein Sonderurlaub nach § 49 NÖ-LVBG könne zwar zu unterschiedlichen Zwecken gewährt werden, jedenfalls aber auch zu Zwecken einer Fort- bzw. Weiterbildung. Somit seien die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung von Weiterbildungsgeld erfüllt.
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung der Beschwerdeführerin keine Folge. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, für die Zuerkennung des Anspruches müsse entweder das AVRAG anwendbar sein oder gemäß § 26 Abs. 5 AlVG eine dem § 11 AVRAG entsprechende gleichartige bundes- bzw. landesgesetzliche Regelung betreffend eine Bildungskarenz bestehen. Von einer gleichartigen Regelung könne nur dann gesprochen werden, wenn folgende Bestimmungen vorgesehen seien: eine Karenzierung ausdrücklich für Bildungszwecke, eine Karenzierungsdauer höchstens bis zu einem Jahr, eine Mindestbeschäftigungsdauer von drei Jahren und dem AVRAG entsprechende Kündigungsschutzregelungen. § 49 NÖ-LVBG enthalte weder die Bestimmung über eine Mindestbeschäftigungsdauer von drei Jahren noch über die ausdrückliche Karenzierung für Bildungszwecke. Die Kündigungsbestimmungen des NÖ-LVBG sähen zwar bestimmte Kündigungsgründe vor, diese seien jedoch nur dann erforderlich, wenn das Dienstverhältnis bereits ein Jahr gedauert habe. Für die Vereinbarung eines Sonderurlaubes gemäß § 49 NÖ-LVBG sei jedoch keine Mindestbeschäftigungsdauer erforderlich, sodass auch keine dem AVRAG entsprechenden Kündigungsschutzregelungen vorlägen. Das NÖ-LVBG enthalte somit keine dem § 11 AVRAG gleichartige Regelung einer Bildungskarenz, weshalb die gesetzlichen Voraussetzungen für den Anspruch auf Weiterbildungsgeld nicht erfüllt seien.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird, mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 26 AlVG in den hier zeitraumbezogen anzuwendenden Fassungen BGBl. I Nr. 179/1999 und Nr. 142/2000 hat auszugsweise folgenden Wortlaut:
"Leistungen zur Beschäftigungsförderung Weiterbildungsgeld
§ 26. (1) Personen, die eine Bildungskarenz gemäß § 11 oder eine Freistellung gegen Entfall des Arbeitsentgeltes gemäß § 12 des Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes (AVRAG), BGBl. Nr. 459/1993, in Anspruch nehmen und die Anwartschaft erfüllen, gebührt für diese Zeit ein Weiterbildungsgeld in der Höhe des Karenzgeldes gemäß § 7 KGG bei Erfüllung der nachstehenden Voraussetzungen:
1. Bei einer Bildungskarenz gemäß § 11 AVRAG muß die Teilnahme an einer Weiterbildungsmaßnahme nachgewiesen werden.
2. Bei einer Freistellung gegen Entfall des Arbeitsentgeltes gemäß § 12 AVRAG muß die Einstellung einer nicht nur geringfügig beschäftigten Ersatzarbeitskraft, die zuvor Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe bezogen hat, nachgewiesen werden.
...
(3) Bei Vorliegen einer Beschäftigung oder einer selbständigen Erwerbstätigkeit gebührt kein Weiterbildungsgeld, es sei denn, daß § 12 Abs. 6 lit. a, b, c, d oder e (Geringfügigkeit) zutrifft.
...
(5) Eine Bildungskarenz nach gleichartigen bundes- oder landesgesetzlichen Regelungen ist wie eine Bildungskarenz gemäß § 11 AVRAG zu behandeln. Eine Freistellung gegen Entfall des Arbeitsentgeltes nach gleichartigen bundes- oder landesgesetzlichen Regelungen ist wie eine Freistellung gegen Entfall des Arbeitsentgeltes gemäß § 12 AVRAG zu behandeln. Die Zahlung eines Zuschusses zu den Weiterbildungskosten durch den Arbeitgeber steht der Gewährung von Weiterbildungsgeld nicht entgegen.
..."
§ 11 AVRAG in den hier maßgebenden Fassungen BGBl. I Nr. 179/1999 und Nr. 44/2000 lautet auszugsweise wie folgt:
"Bildungskarenz
§ 11. (1) Sofern das Arbeitsverhältnis ununterbrochen drei Jahre gedauert hat, kann zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber eine Bildungskarenz gegen Entfall des Arbeitsentgeltes unter Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitnehmers und auf die Erfordernisse des Betriebes für die Dauer von mindestens drei Monaten bis zu einem Jahr vereinbart werden. In Betrieben, in denen ein für den Arbeitnehmer zuständiger Betriebsrat errichtet ist, ist dieser auf Verlangen des Arbeitnehmers den Verhandlungen beizuziehen. Eine neuerliche Bildungskarenz kann erst drei Jahre nach Rückkehr aus einer Bildungskarenz vereinbart werden.
..."
§ 12 AVRAG in der hier maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 139/1997 lautet wie folgt:
"Freistellung gegen Entfall des Arbeitsentgeltes
§ 12. Eine Freistellung gegen Entfall des Arbeitsentgeltes für die Dauer von mindestens sechs Monaten bis zu einen Jahr, für die eine Förderung aus Mitteln der Arbeitslosenversicherung oder des Arbeitsmarktservice in Anspruch genommen wird, ist zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu vereinbaren. Im übrigen gilt § 11 Abs. 2 bis 4."
§ 49 NÖ-LVBG in der hier maßgebenden Fassung vor der Novelle
LGBl. 2300-29 lautet auszugsweise wie folgt:
"§ 49
Sonderurlaub
(1) Soferne nicht wesentliche Interessen entgegenstehen, kann dem Vertragsbediensteten ein Sonderurlaub unter Entfall der Bezüge gewährt werden. Liegt die Gewährung des Sonderurlaubes überdies im Interesse des Landes oder liegen berücksichtigungswürdige Gründe vor, kann ein Sonderurlaub auch unter Fortzahlung der Bezüge, jedoch längstens für die Dauer eines Jahres gewährt werden. Für einen im dienstlichen Interesse gelegenen Sonderurlaub zur Fortbildung oder zum Erwerb einer Zusatzausbildung können die hiefür nachgewiesenen Kosten ganz oder teilweise ersetzt werden.
(2) Bei Gewährung eines Sonderurlaubes gemäß Abs. 1 kann verfügt werden, dass die Zeit dieses Urlaubes für Rechte, die von der Dauer des Dienstverhältnisses oder von der Dauer einer bestimmten Dienstzeit abhängen, unberücksichtigt bleibt. Dies ist zu verfügen, wenn der Sonderurlaub schon ein Jahr gedauert hat; es sei denn, dass eine weitere Beurlaubung im Interesse des Landes liegt. Mehrere Sonderurlaube gelten für die Berechnung der einjährigen Urlaubsdauer als ein Sonderurlaub, solange sie nicht durch eine Dienstleistung unterbrochen werden, die mindestens halb so lang ist wie der unmittelbar vorangegangene Sonderurlaub.
..."
Im vorliegenden Fall ist ausschließlich strittig, ob die Regelung des § 49 NÖ-LVBG eine gleichartige landesgesetzliche Regelung im Sinne des § 26 Abs. 5 AlVG darstellt.
Zur Rechtslage nach § 34 der Wiener Vertragsbedienstetenordnung, der der Bestimmung des § 49 NÖ-LVBG vergleichbar ist, hat der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 20. Juni 2001, Slg.Nr. 16.207, u.a. Folgendes ausgeführt:
"Daß Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung nicht nach unsachlichen Kriterien gewährt oder versagt werden können, bedarf keiner näheren Darlegung. § 26 Abs 1 AlVG knüpft für das Weiterbildungsgeld in seiner Stammfassung an das AVRAG an. Mit diesem Gesetz wurden arbeitsvertragsrechtliche Bestimmungen an das Gemeinschaftsrecht angepaßt. Aus kompetenzrechtlichen Überlegungen wurden dabei Arbeitsverhältnisse zu Ländern, Gemeindeverbänden und Gemeinden ausgenommen. Indem allerdings das AlVG wiederum an das AVRAG anknüpfte, nahm es diese Beschränkung des Geltungsbereiches für das Weiterbildungsgeld, also für eine Leistung der auch die Vertragsbediensteten von Ländern, Gemeindeverbänden und Gemeinden erfassenden Arbeitslosenversicherung, mit auf. Aus dem Blickwinkel des Arbeitslosenversicherungsrechts müßte eine solche Ausnahme aber aus besonderen Gründen sachlich gerechtfertigt sein.
Eine solche Rechtfertigung ist nicht zu sehen. Es liegt auf der Hand, daß der im Vertragsbedienstetenrecht (zB § 29b VBG oder eben § 34 Wiener VBO) vorgesehene Karenzurlaub denselben Zweck verfolgen (und dasselbe Ausmaß annehmen) kann wie die im allgemeinen Arbeitsrecht durch § 11 AVRAG gewährleistete Bildungskarenz. Dort wie da wird das Nähere durch Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestimmt. Der Maßgeblichkeit einer solchen Vereinbarung in Dienstverhältnissen zu einem Land, einem Gemeindeverband oder einer Gemeinde könnte nur der Umstand entgegenstehen, daß § 26 Abs 1 AlVG nur von der 'Bildungskarenz gemäß § 11 ... (AVRAG)' spricht. Das Gesetz läßt nach Wortlaut und Zweck aber ohne weiteres die Auslegung zu, daß es sich um eine Bildungskarenz handeln muß, wie § 11 AVRAG sie gewährleistet. Eine Vereinbarung, wie sie § 11 AVRAG vor Augen hat, ist nämlich auch nach den Bestimmungen des Vertragsbedienstetenrechtes möglich. Es fehlt jeder Anhaltspunkt, daß der Gesetzgeber das Weiterbildungsgeld unter Verstoß gegen den Gleichheitssatz nur für jene Karenzierungsvereinbarungen zu Weiterbildungszwecken gewähren wollte, die unter förmlicher Berufung auf § 11 AVRAG oder bloß im Geltungsbereich dieses Gesetzes getroffen werden. Das bedenkliche Ergebnis scheint vielmehr ausschließlich die Folge einer unzulänglichen Gesetzestechnik zu sein. Der Hinweis auf § 11 AVRAG kann - und muß daher - in verfassungskonformer Auslegung als Umschreibung jenes Typus von Vereinbarungen gelesen werden, den § 26 Abs 1 AlVG (bei Erfüllung der weiteren dort bestimmten Voraussetzungen) als Bildungskarenz vor Augen hat."
Auch der im § 49 NÖ-LVBG vorgesehene Karenzurlaub kann denselben Zweck verfolgen und dasselbe Ausmaß annehmen wie die im allgemeinen Arbeitsrecht durch § 11 AVRAG gewährleistete Bildungskarenz. Der Verwaltungsgerichtshof teilt die Auffassung des Verfassungsgerichtshofes, dass der Hinweis auf § 11 AVRAG im § 26 AlVG verfassungskonform als Umschreibung jenes "Typus" von Vereinbarungen gelesen werden muss, den § 26 Abs. 1 AlVG (bei Erfüllung der weiteren in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen) als Bildungskarenz vor Augen hat. Dies bedeutet aber, dass landesgesetzliche Regelungen, die dem Typus der Vereinbarung entsprechen, aber in Details von ihm abweichen, der Gleichartigkeit im Sinne des § 26 Abs. 5 AlVG nicht entgegenstehen können. Die belangte Behörde hat aber ihren Bescheid auf Unterschiede in den gesetzlichen Regelungen gestützt, die nur Details betreffen.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Von einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Die Umrechnung der entrichteten Stempelgebühren erfolgte gemäß § 3 Abs. 2 Z 2 Eurogesetz, BGBl. I Nr. 72/2000. Das Mehrbegehren war abzuweisen, da die Umsatzsteuer in den in der genannten Verordnung festgesetzten Pauschalbeträgen bereits enthalten ist.
Wien, am 23. April 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2002080022.X00Im RIS seit
29.05.2003Zuletzt aktualisiert am
07.10.2008