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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
VwGG §46 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über den Antrag des J in K, vertreten durch Dr. Sebastian Mairhofer und Mag. Martha Gradl, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Spittelwiese 8, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Behebung von Mängeln der Beschwerde gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 30. Oktober 2002, Zl. SV(SanR)-410996/1-2002- Ruc/May, betreffend rückwirkende Herstellung des gesetzlichen Zustandes (vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit) gemäß § 101 ASVG (mitbeteiligte Partei:
Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich Hillegeist Straße 1), den Beschluss gefasst:
Spruch
Dem Antrag wird stattgegeben.
Begründung
Mit Berichterverfügung vom 8. Jänner 2003, 2002/08/0291-2, war dem Antragsteller die gegen den obzitierten Bescheid eingebrachte Beschwerde gemäß § 34 Abs. 2 VwGG zur Behebung von Mängeln zurückgestellt worden. Mit hg. Beschluss vom 13. Februar 2003 wurde das Verfahren über die genannte Beschwerde infolge Unterlassung der Behebung von Mängeln gemäß § 33 Abs. 1 i. V.m. § 34 Abs. 2 VwGG eingestellt. Der Einstellungsbeschluss wurde am 27. Februar 2003 zugestellt.
Am 4. März 2003 langte der am 28. Februar 2003 zur Post gegebene, mit 21. Jänner 2003 datierte Mängelbehebungsschriftsatz ein.
Mit am 10. März 2003 zur Post gegebener Eingabe vom 7. März 2003 begehrte der Antragsteller die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Behebung von Mängeln. Er führte aus, der Mängelbehebungsschriftsatz sei am 21. Jänner 2003 von seinem Vertreter unterfertigt und an die für die Kuvertierung und Aufgabe der Poststücke zuständige Mitarbeiterin übergeben worden. Diese Mitarbeiterin habe täglich die ausgehenden Schriftsätze und Briefe zu kuvertieren und am Ende des Arbeitstages zu dem in der Nähe der Kanzlei gelegenen Postamt zu bringen. Die Mitarbeiterin sei seit 11. Februar 2002 in der Kanzlei beschäftigt gewesen und in diesen Aufgabenbereich eingeschult worden. Während der Einschulungszeit sei nie irgendeine Unregelmäßigkeit aufgefallen. Sie habe daher diesen Aufgabenbereich übertragen erhalten.
Es habe sich herausgestellt, dass diese Mitarbeiterin die von ihr am 21. und 23. Jänner 2003 zur Post zu gebenden Briefe nicht zur Aufgabe gebracht habe. Sie habe - nach Zustellung des Einstellungsbeschlusses befragt - zugegeben, mehrere Briefe am 21. Jänner 2003 nicht zur Post gegeben zu haben, sondern diese erst am 28. Februar 2003 aufgegeben zu haben. Dieses pflichtwidrige Vorgehen der Mitarbeiterin sei nicht vorhersehbar gewesen.
Der Antrag ist fristgerecht und auch begründet:
Wenn eine Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist gemäß § 46 Abs. 1 VwGG dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich dabei nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. Das Versehen eines Kanzleiangestellten eines bevollmächtigten Rechtsanwaltes stellt dann ein Ereignis gemäß § 46 Abs. 1 VwGG dar, wenn der Anwalt der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht seinen Bediensteten gegenüber nachgekommen ist, wobei hinzuzufügen ist, dass rein manipulative Vorgänge, wie etwa das Kuvertieren oder die Postaufgabe, in einen Bereich fallen, der grundsätzlich der Erledigung der Kanzlei überlassen werden kann (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung etwa den hg. Beschluss vom 19. März 2003, 2003/08/0029).
Der Verwaltungsgerichtshof erachtet das - schlüssige und anhand der Aktenlage nachvollziehbare - Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag als glaubhaft und legte es seiner Entscheidung zu Grunde. Demnach hat die Mitarbeiterin des Vertreters des Antragstellers den Mängelbehebungsschriftsatz weisungswidrig nicht zur Post gegeben. Die Kontrolle, ob eine bis dahin zuverlässige Kanzleikraft rein manipulative Tätigkeiten auch tatsächlich ausführt, ist dem Rechtsanwalt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht zumutbar, will man nicht seine Sorgfaltspflicht überspannen (vgl. etwa den Beschluss vom 22. November 1994, 94/08/0251).
Da dem Antragsteller und seinem bevollmächtigten Vertreter jedenfalls ein einen minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden an der Versäumung der Frist somit nicht vorgeworfen werden kann, war dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattzugeben. Eine das Beschwerdeverfahren selbst betreffende Verfügung wird gesondert ergehen.
Wien, am 23. April 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2003080050.X00Im RIS seit
02.10.2003