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62 Arbeitsmarktverwaltung;Norm
AlVG 1977 §12 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des R in W, vertreten durch Dr. Edgar Kollmann, Rechtsanwalt in 1160 Wien, Ottakringer Straße 57, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 17. April 2000, Zl. LGSW/Abt. 10-AlV/1218/56/1999-397, betreffend Widerruf und Rückforderung von Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich der Rückforderung des empfangenen Arbeitslosengeldes wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben; im Übrigen (hinsichtlich des Widerrufes der Zuerkennung des Arbeitslosengeldes) wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer beantragte am 7. Juli 1998 mit dem hiefür aufgelegten Formblatt die Zuerkennung von Arbeitslosengeld. Im Antrag bejahte er die Frage nach einem Anspruch auf Urlaubsentschädigung und bezifferte ihn mit 25 Werktagen. Nach der dem Antrag beigegebenen Arbeitsbescheinigung habe das vom 11. September 1989 bis 30. Juni 1998 dauernde Beschäftigungsverhältnis durch Kündigung durch den Dienstnehmer geendet. Die Bezüge seien bis 28. Juli 1998 ausbezahlt worden; Kündigungsentschädigung sei nicht bezahlt worden, weil der Anspruch strittig sei, Urlaubsabfindung bzw. -entschädigung sei für 24 Werktage bezahlt worden.
Mit Bescheid vom 14. August 1998 sprach die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice aus, der Anspruch des Beschwerdeführers auf Arbeitslosengeld ruhe im Zeitraum vom 7. Juli 1998 bis 28. Juli 1998 gemäß § 16 Abs. 1 lit. l AlVG wegen des Bezuges von Urlaubsabfindung bzw. Urlaubsentschädigung. Ab 29. Juli 1998 bis 31. Dezember 1998 bezog der Beschwerdeführer Arbeitslosengeld von täglich S 273,40.
Am 4. Dezember 1998 wurde mit dem Beschwerdeführer bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice eine Niederschrift betreffend Meldung einer selbständigen Erwerbstätigkeit aufgenommen. Diese lautet wie folgt:
"Ich erkläre: Meine selbständige Erwerbstätigkeit hat am 16.9.1998 begonnen. Die Tätigkeit übe ich als Einzelunternehmer mit Gewerbeschein aus.
Genaue Beschreibung der Tätigkeit (Was wird gemacht?):
Versicherungsagent
Für diese Tätigkeit wende ich pro Tag 7 Stunden nach freier
Zeiteinteilung und pro Woche 60 Stunden durchschnittlich auf.
Die Tätigkeit wird im Rahmen eines Geschäftes mit folgenden
Geschäftsöffnungszeiten ausgeführt: 9-20 Uhr Mo-Fr
Ich wurde darüber informiert, dass ich monatlich eine
Erklärung über meinen erzielten Umsatz und mein erzieltes Einkommen beim Arbeitsmarktservice Versicherungsdienste abgeben muss. Über den Anspruch kann erst entschieden werden, wenn die jeweilige Erklärung abgegeben wurde.
Außerdem wurde ich aufgeklärt, dass ich den Einkommen- und den Umsatzsteuerbescheid (innerhalb von 14 Tagen nach Erlassung) für jedes Jahr erbringen muss, indem ich eine Leistung aus der Arbeitslosenversicherung bezogen habe."
Die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice forderte mit Schreiben vom 19. Jänner 1999 den Beschwerdeführer auf, zur Klärung seines Anspruches auf Arbeitslosengeld vorzusprechen und den Gewerbeschein mitzubringen.
Nach dem Gewerbeschein des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 16. Bezirk, vom 3. November 1998, wird bescheinigt, dass vom Beschwerdeführer das Gewerbe Versicherungsagenten (§ 124 Z. 17 GewO 1994) angemeldet worden ist; Tag der Gewerbeanmeldung ist der 16. September 1998.
Mit Bescheid vom 8. Februar 1999 widerrief die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice gemäß § 24 Abs. 2 AlVG die Zuerkennung des Arbeitslosengeldes vom 16. September 1998 bis 31. Dezember 1998 und verpflichtete den Beschwerdeführer gemäß § 25 Abs. 1 leg. cit. zur Rückzahlung des unberechtigt empfangenen Arbeitslosengeldes im Betrag von S 29.254,--. In der Begründung ist dazu nach Gesetzeszitaten zu lesen, der Beschwerdeführer habe die Leistung aus der Arbeitslosenversicherung für den Zeitraum 16. September 1998 bis 31. Dezember 1998 zu Unrecht bezogen, weil er "laufend selbständig erwerbstätig" sei.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung. Darin führte er wörtlich aus:
"Ihrem Bescheid entnehme ich als Begründung für die Rückzahlung des Arbeitslosengeldes meine laufende selbständige Erwerbstätigkeit.
Nachstehend erkläre ich Ihnen den Sachverhalt:
Am 16.09.1998 holte ich mir meinen Gewerbeschein ab. Bis zum heutigen Datum habe ich keine Einkünfte aus meiner Selbständigkeit beziehen können, da ich aus privaten Gründen meiner Frau (sie ist seit kurzem zu 50 % behindert) half und meiner Tätigkeit daher nicht nachgehen konnte. Ich meldete diese Umstände sogleich telefonisch meiner AMS-Betreuerin, welche nicht zugegen war, und ich einen Betreuer bekam, welcher antwortete, dass mir das Arbeitslosengeld solange zusteht, solange ich keine Einkünfte aus meiner Selbständigkeit beziehe. Ich möge zu meinem vereinbarten Termin mit Unterlagen kommen. Am 28.09.1998 nahm ich diesen Termin wahr, wo ich abermals meine Tätigkeit nicht verschwieg, sondern den Gewerbeschein vorlegte. Wieder bekam ich die selbe Antwort. Am 5.12.1998 gab ich meine geringfügige Beschäftigung in der Trafik bekannt. Welche nach Aussage der Betreuerin keine Auswirkung auf den Bezug des Arbeitslosengeldes nach sich zieht. Mein nächster Termin wäre der 1.02.99 gewesen. In der Zwischenzeit (19.01.99) bekam ich ein Schreiben, ich möge am 2.02.99 persönlich erscheinen. Nach Wahrnehmung dieses Termines wurde ich beschuldigt, die Meldepflicht verletzt zu haben.
Wie Sie aus meinem Schreiben ersehen, habe ich die Meldepflicht nicht verletzt, denn ich gab sofort allfällige Änderungen bekannt.
Ich hielt mich an die mir gegebenen Auskünfte der AMS-Betreuerinnen."
Durch den Auszug aus der zentralen Datenspeicherung des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger vom 29. Juni 1999 wurde bekannt, dass der Beschwerdeführer vom 1. Juli bis 4. November 1998 Urlaubsabfindung bzw. -entschädigung bezogen habe, ab 1. September 1998 einer GSVG-Pflichtversicherung unterliege und ab 18. November 1998 in einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis stehe.
Über Aufforderung der belangten Behörde legte der Beschwerdeführer eine Erklärung über das Bruttoeinkommen sowie den Umsatz vor. Darin führte er aus, im September 1998 ein Bruttoeinkommen von öS - 7.476,20, Umsatz von S 0,--, Oktober 1998 Bruttoeinkommen öS - 3.176,94, Umsatz S 0,--, November 1998 Bruttoeinkommen öS 158,--, Umsatz öS 3.830,--, und im Dezember 1998 ein Bruttoeinkommen von öS 609,54, bei einem Umsatz von öS 2.756,30 gehabt zu haben. Dieser Erklärung war eine Einnahmen- und Ausgabenaufstellung vom 6. Juli 1999 sowie Monatsabrechnungen einer näher beschriebenen KG für September bis Dezember 1998 beigelegt.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. In der Begründung wurde nach Gesetzeszitaten das Verwaltungsgeschehen dargestellt. Anschließend daran wurde in Ergänzung des unstrittigen - eingangs dargestellten - Sachverhaltes ausgeführt, während des Leistungsbezuges sei eine Kontaktaufnahme des Beschwerdeführers mit dem Arbeitsmarktservice am 17. November 1998 feststellbar. Hiebei sei es um die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit mit einem in der Anfangsphase geringfügigen Einkommen in der von der Ehefrau des Beschwerdeführers neu übernommenen Trafik gegangen. Dem Beschwerdeführer sei mitgeteilt worden, dass eine Aufnahme in das "Unternehmergründerprogramm" nicht mehr möglich sei, weil der Gewerbeschein bereits angemeldet worden sei. Gesprächsgegenstand sei weiters die erforderliche Vermittlungsbereitschaft und eine aufzunehmende Niederschrift, die für den 3. Dezember 1998 vereinbart worden war, gewesen. Am 4. Dezember 1998 habe der Beschwerdeführer niederschriftlich erklärt, mit 16. September 1998 eine selbständige Erwerbstätigkeit als Einzelunternehmer mit Gewerbeschein aufgenommen zu haben. Es handle sich dabei um eine Tätigkeit eines Versicherungsagenten. Hiefür wende er nach freier Zeiteinteilung pro Tag sieben Stunden, pro Woche 60 Stunden, auf. Die Tätigkeit werde im Rahmen eines Geschäftes mit Geschäftsöffnungszeiten von 9 Uhr bis 20 Uhr von Montag bis Freitag ausgeübt.
Nach einem in der Folge übermittelten Gewerbeschein vom 3. November 1998 habe der Beschwerdeführer mit 16. September 1998 das Gewerbe eines Versicherungsagenten angemeldet. Nach seinen Ausführungen in der Berufung bzw. den damit vorgelegten Unterlagen sei der Beschwerdeführer einerseits als Versicherungsagent (mit Gewerbeschein) bzw. als Finanzassistent (ohne Gewerbeschein) bei einer näher bezeichneten KG tätig geworden. Aus den vorgelegten Aufstellungen ergebe sich eine Kundenaufstellung ab September und ein Anfall von Provisionen im November und Dezember 1998.
Nach den beim Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger ersichtlichen Daten sei der Beschwerdeführer ab 18. November 1998 in der Tabak-Trafik seiner Ehegattin geringfügig beschäftigt. Aus diesen Daten ergebe sich auch, dass der Beschwerdeführer vom 1. Juli bis 4. November 1998 eine Urlaubsabfindung bzw. -entschädigung bezogen habe.
Die Ehefrau des Beschwerdeführers sei "zu 50 %" behindert und beziehe ab 27. April 1998 Karenzgeld. Der Beschwerdeführer unterstütze sie in einem Ausmaß und Umfang, dass er seiner selbständigen Tätigkeit nicht bzw. nur eingeschränkt nachgehen könne. Da die Tätigkeit eines Versicherungsagenten bzw. Finanzassistenten nach allgemeiner Erfahrung nicht im Rahmen eines Geschäftes mit Geschäftsöffnungszeiten von 9 Uhr bis 20 Uhr ausgeübt werde, könne sich die Angabe in der Niederschrift vom 4. Dezember 1998 zur Arbeitszeit nur auf die Tätigkeit des Beschwerdeführers in der Trafik seiner Ehefrau bezogen haben. Die tatsächlichen Gegebenheiten seien den Kontaktnahmen mit dem Arbeitsmarktservice während des Leistungsbezuges nicht zu entnehmen.
Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führte die belangte Behörde aus, der Arbeitslose habe Anspruch auf Arbeitslosengeld, wenn er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehe. Der Arbeitsvermittlung stehe zur Verfügung, wer eine Beschäftigung aufnehmen könne und dürfe und arbeitswillig sei. Eine Beschäftigung könne aufnehmen, wer sich zur Aufnahme und Ausübung einer auf dem Arbeitsmarkt üblicherweise angebotenen, den gesetzlichen und kollektivvertraglichen Vorschriften entsprechenden zumutbaren versicherungspflichtigen Beschäftigung bereithalte. Darunter sei im Wesentlichen eine Tagesbeschäftigung im Ausmaß von 35 bis 40 Wochenstunden zu verstehen.
Der Beschwerdeführer sei als Versicherungsagent bzw. als Finanzassistent tätig, darüber hinaus, zumindest in einem Teilzeitraum, stehe er in einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis. Daneben werde er nach seinen eigenen Angaben in erheblichem Umfang für das Unternehmen seiner Ehefrau tätig. Dass der Beschwerdeführer in dieser Situation gleichzeitig zur Aufnahme einer Vollarbeit im Rahmen eines weiteren Dienstverhältnisses zur Verfügung stehe, könne nicht angenommen werden. Da es bei dieser Beurteilung nur auf die zeitliche Inanspruchnahme ankomme, habe kein Anspruch auf eine Leistung aus der Arbeitslosenversicherung bestanden. Nachdem der volle Sachverhalt erst nachträglich zu Tage getreten sei, entspreche der Widerruf der Zuerkennung der Leistung und die Rückforderung der für den Zeitraum vom 16. September bis 31. Dezember 1998 ausbezahlten Beträge der Sach- und Rechtslage. Darüber hinaus stelle sich eine Anspruchsberechtigung auf Arbeitslosengeld auch aus dem Titel des Bezuges der Urlaubsabfindung bzw. -entschädigung für den Zeitraum bis 4. November 1998 in Frage.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Für den Beschwerdefall ist zusätzlich zum dargestellten Sachverhalt auch der sich aus dem hg. Erkenntnis vom 15. November 2000, 2000/08/0145, ergebende von Bedeutung. Demnach wurde mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 21. Juli 2000 die Zuerkennung des Arbeitslosengeldes vom 29. Juli bis 15. September 1998 widerrufen und der Beschwerdeführer verpflichtet, das in diesem Zeitraum empfangene Arbeitslosengeld zurückzuzahlen. Dieser Bescheid wurde mit dem genannten Erkenntnis vom 15. November 2000 hinsichtlich des Ausspruches der Rückforderung des empfangenen Arbeitslosengeldes wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben; hinsichtlich des Widerrufes der Zuerkennung des Arbeitslosengeldes wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof ging davon aus, dass der Zeitraum, für den der Beschwerdeführer Urlaubsentschädigung und -abfindung bezogen hatte, im Auszug des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger mit 1. Juli bis 4. November 1998 angeführt ist. Der Beschwerdeführer hatte im Verwaltungsverfahren den Zeitraum der Gewährung einer Urlaubsentschädigung oder Urlaubsabfindung mit 109 Tagen angegeben. Ausgehend von diesem Sachverhalt erwies sich nach den Ausführungen in diesem Erkenntnis der verfügte Widerruf des Arbeitslosengeldes als begründet.
Auch im nunmehrigen Verfahren gründet die belangte Behörde den Widerruf der Zuerkennung des Arbeitslosengeldes und die Rückforderung des erhaltenen Betrages u.a. darauf, dass der Beschwerdeführer im Zeitraum 16. September 1998 bis 4. November 1998 Urlaubsentschädigung bzw. Urlaubsabfindung erhalten habe.
Der Beschwerdeführer bestreitet weder die diesbezüglichen tatsächlichen Feststellungen noch wendet er sich gegen die darauf basierenden rechtlichen Ausführungen der belangten Behörde. Damit ist aber auch im Zeitraum 16. September 1998 bis einschließlich 4. November 1998 der Widerruf der Zuerkennung des Arbeitslosengeldes jedenfalls begründet.
Die belangte Behörde stützte den Widerruf der Zuerkennung des Arbeitslosengeldes im gesamten Streitzeitraum darüber hinaus aber auch auf die mangelnde Verfügbarkeit des Beschwerdeführers auf Grund seiner Tätigkeiten als Versicherungsagent bzw. Finanzassistenz und seiner geringfügigen Beschäftigung im Betrieb seiner Ehefrau.
Nach § 7 Abs. 3 Z. 1 AlVG i.d.F. BGBl. Nr. 201/1996, kann und darf eine Beschäftigung aufnehmen, wer sich zur Aufnahme und Ausübung einer auf dem Arbeitsmarkt üblicherweise angebotenen, den gesetzlichen und kollektivvertraglichen Vorschriften entsprechenden zumutbaren versicherungspflichtigen Beschäftigung bereithält. Wie der Verwaltungsgerichtshof in den Erkenntnissen vom 22. Dezember 1998, 97/08/0106, vom 16. Februar 1999, 97/08/0584 und 98/08/0057, sowie vom 1. Juni 1999, 97/08/0443, auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, näher dargestellt und begründet hat, erfordert die Verfügbarkeit des Arbeitslosen im Sinne des § 7 Abs. 3 Z. 1 AlVG nicht dessen Vermittelbarkeit für eine "Vollbeschäftigung". Die Bereitschaft des Arbeitslosen, nicht nur eine die Arbeitslosigkeit ausschließende Beschäftigung, sondern im Falle einer entsprechenden Vermittlung auch eine "Vollbeschäftigung" anzunehmen, ist erst im Zusammenhang mit der Voraussetzung der Arbeitswilligkeit im Sinne des § 9 AlVG im Falle einer konkreten Zuweisung, nicht aber schon bei der Prüfung der Verfügbarkeit im Sinne des § 7 Abs. 3 Z. 1 AlVG zu beurteilen. Der Mangel der Verfügbarkeit knüpft an Umstände an, bei deren Vorliegen die unwiderlegliche Vermutung des Gesetzes besteht, dass die betreffende Person während dieser Zeit nicht an einer neuen Beschäftigung im Sinne des § 12 Abs. 1 AlVG, sondern an anderen Zielen interessiert ist.
Vor diesem rechtlichen Hintergrund erweist sich der Widerruf der Zuerkennung der Leistung ab 5. November 1998 als begründet.
Nach der dargelegten Rechtslage ist nur zu prüfen, ob die vom Beschwerdeführer ausgeübte Tätigkeit der Aufnahme einer die Arbeitslosigkeit ausschließenden Beschäftigung im Wege steht oder nicht. Verfügbarkeit im Sinne des § 7 Abs. 3 Z. 1 AlVG ist entsprechend der angegebenen Judikatur dann gegeben, wenn keine Bindung rechtlicher oder faktischer Art vorliegt, die erst beseitigt werden müsste, um auch nur eine die Arbeitslosigkeit beendende Beschäftigung aufzunehmen. Bei der Beurteilung der Verfügbarkeit reicht es aber nicht aus, die Arbeitswilligkeit dadurch zu bekunden, dass die Bereitschaft erklärt wird, jede vom Arbeitsmarktservice vermittelte Beschäftigung anzunehmen, wenn auf Grund konkreter Umstände Grund zur Annahme besteht, dass im Hinblick auf die anzunehmende zeitliche Beanspruchung des Arbeitslosen nicht die Eingliederung in den Arbeitsmarkt, sondern (z.B.) die Gründung und Betreibung des eigenen Unternehmens bzw. die Mitarbeit im Rahmen eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses im Betrieb des Ehepartners das von ihm verfolgte Ziel ist. Das Ausmaß der Inanspruchnahme des Arbeitslosen hängt von den im Einzelnen festzustellenden Umständen des jeweiligen Falles ab. Wesentlich ist, ob der Arbeitslose nach den Umständen seiner Tätigkeit der Arbeitsvermittlung in so ausreichendem Ausmaß zur Verfügung gestanden ist, dass eine Vermittlung für eine die Arbeitslosigkeit beendende Tätigkeit jederzeit möglich gewesen wäre.
Dies hat die belangte Behörde zu Recht verneint. Sie konnte die Angaben des Beschwerdeführers, denen gemäß er seine Auslastung in zeitlicher Hinsicht mit 60 Stunden pro Woche beschrieben hat, ihrer rechtlichen Beurteilung zu Grunde legen. Bei einem derartigen Ausmaß der zeitlichen Inanspruchnahme des Beschwerdeführers - wobei es nicht entscheidend ist, ob diese durch die selbständige Erwerbstätigkeit als Versicherungsagent allein oder nur in Verbindung mit der (geringfügigen) unselbständigen Beschäftigung in der Trafik seiner Ehefrau herrührt - hat die belangte Behörde zutreffend den Schluss gezogen, dass der Beschwerdeführer nicht eine Vermittlung auf dem Arbeitsmarkt, sondern die Betreibung seines eigenen Geschäftes bzw. die Unterstützung seiner Ehefrau in deren Trafik beabsichtigt.
Dass der Verpflichtung zum Ersatz der vom Beschwerdeführer behauptete gutgläubige Verbrauch des Empfangenen nicht entgegensteht, wurde bereits im zitierten Erkenntnis vom 15. November 2000, 2000/08/0145, ausgesprochen. Es genügt daher, gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf dieses Erkenntnis zu verweisen.
Die von der belangten Behörde ausgesprochene Verpflichtung zum Ersatz des empfangenen Arbeitslosengeldes hält aber einer Überprüfung nicht stand. Die belangte Behörde hat nämlich keinerlei Sachverhaltsfeststellungen zu den Rückforderungstatbeständen des § 25 Abs. 1 erster Satz AlVG getroffen, sodass ihre im Spruch geäußerte Auffassung, die Rückforderung des unberechtigt empfangenen Arbeitslosengeldes gründet sich auf § 25 Abs. 1 AlVG, in der Begründung des Bescheides keine Grundlage findet. Dieser Begründungsmangel hindert insofern eine Überprüfung des angefochtenen Bescheides, weil nicht erkennbar ist, auf welchen der Rückforderungstatbestände die belangte Behörde sich stützte.
Die belangte Behörde hat somit den angefochtenen Bescheid hinsichtlich der Verpflichtung zum Ersatz des im gesamten Streitzeitraum empfangenen Arbeitslosengeldes mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet; der Bescheid war daher insoweit aufzuheben; im Übrigen war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Die Umrechnung der entrichteten Stempelgebühren beruht auf § 3 Abs. 2 Z. 2 Eurogesetz, BGBl. I Nr. 72/2000.
Wien, am 23. April 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2000080084.X00Im RIS seit
26.06.2003