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62 Arbeitsmarktverwaltung;Norm
AlVG 1977 §21 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Köller und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der Reinhild S in W, vertreten durch Dr. Wolfram Themmer u.a., Rechtsanwälte in 1010 Wien, Biberstraße 15, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 11. April 2000, Zl. LGSW/Abt. 10-AlV/1218/56/1999-2575, betreffend Höhe des Arbeitslosengeldes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist folgender Sachverhalt unbestritten:
Die Beschwerdeführerin beantragte am 27. Mai 1999 die Gewährung von Arbeitslosengeld per 1. Juni 1999. Nach der vorgelegten Arbeitsbescheinigung war sie vom 1. Jänner 1992 bis 31. Mai 1999 beschäftigt. Nach dem Ergebnis der Abfrage vom 14. Juni 1999 der beim Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger gespeicherten Daten bezog sie vom 23. November 1993 bis 25. Mai 1995 Karenzurlaubsgeld, vom 26. Mai bis 15. September 1995 bezog sie einerseits Wochengeld und andererseits vom Arbeitgeber den Ergänzungsbetrag (die Differenz zwischen Wochengeld und dem vollen Bezug gemäß § 24 Abs. 8 VBG), vom 16. September 1995 bis 4. Juli 1997 bezog sie wiederum Karenzurlaubsgeld. Die Jahresbeitragsgrundlagen waren zum Abfragezeitpunkt für 1993 und 1995 gespeichert. Für 1995 wurde ein Betrag von S 55.877,-- (Ergänzungsbetrag gemäß § 24 Abs. 8 VBG) bei 113 Tagen, sohin eine monatliche Bemessungsgrundlage von S 14.835,-- ausgewiesen.
Die Beschwerdeführerin erhielt daraufhin die Mitteilung vom 14. Juni 1999, dass ihr Arbeitslosengeld vom 1. Juni 1999 bis 18. Oktober 1999 im Ausmaß von täglich S 225,-- gewährt werde. Mit Schreiben vom 29. Juli 1999 begehrte sie daraufhin die Ausstellung eines "Lohnklassen-Feststellungsbescheides".
Das Arbeitsmarktservice Versicherungsdienste Wien sprach daraufhin mit Bescheid vom 4. August 1999 aus, dass der Beschwerdeführerin ab 1. Juni 1999 Arbeitslosengeld im Ausmaß von täglich S 225,-- gebühre. In der Begründung wurde dazu ausgeführt, der Anspruch auf Arbeitslosengeld sei per 1. Juni 1999 erfolgreich geltend gemacht worden. Für die Festsetzung der Lohnklasse sei daher das Entgelt aus den beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger gespeicherten Jahresbeitragsgrundlagen für 1995 heranzuziehen gewesen. Die daraus resultierende durchschnittliche Monatsbeitragsgrundlage von S 15.384,-- ergebe gemäß § 21 Abs. 3 AlVG eine Zuordnung zur Lohnklasse 50 und somit einen Grundbetrag des Arbeitslosengeldes in Höhe von S 225,-- täglich.
Die Beschwerdeführerin erhob Berufung. Darin führte sie aus, sie habe vom 26. Mai 1995 bis 15. September 1995 (113 Tage) Wochengeld und vom Dienstgeber den Wochengeld-Differenzbetrag auf ihr Gehalt in Höhe von S 55.877,-- bezogen. Dieser Zeitraum habe gemäß § 21 Abs. 1 AlVG bei der Berechnung des für die Festsetzung der Lohnklasse maßgebenden Entgelts außer Betracht zu bleiben, weil sie infolge Schwangerschaft nicht das volle Entgelt bezogen habe. Nach Rücksprache mit dem ehemaligen Dienstgeber sei ihr ab 16. September 1995 der Urlaub nachbezahlt worden. Ihr damaliges Bruttogehalt habe ohne Sonderzahlungsanteile S 22.858,-- betragen. Um die richtige Jahresbeitragsgrundlage 1995 festzustellen, sei dieses Entgelt durch die Zahl der Versicherungstage, die sich aus dem Urlaub ergäben, zu teilen und mit 30 zu vervielfachen. Das Ergebnis sei mit dem Aufwertungsfaktor gemäß § 108 Abs. 4 ASVG von 1995 aufzuwerten.
Die regionale Geschäftsstelle stellte darauf anhand der Abmeldung der Beschwerdeführerin bei der Wiener Gebietskrankenkasse durch ihren ehemaligen Dienstgeber per 2. Oktober 1995 fest, dass ihr zuletzt bezogenes Entgelt monatlich S 18.432,-- betragen habe und die vorgesehene Aufwertung zu einem fiktiven Bezug von S 19.114,-- führe. Der per 9. September 1999 und per 15. Oktober 1999 eingeholte Auszug aus der zentralen Datenspeicherung des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger enthielt für 1995 - soweit hier relevant - die Eintragungen, "26.05.-02.10. ASVG-Pflichtv. Ang. BG S 55.877,-- mtl. Verr. ohne SZ" bzw. den Hinweis: "für Arbeitslosengeldbezug zu berücksichtigen: Beitragstage 130, Beitragssumme S 55.877,--, durchschnitt. Monatsbeitragsgrundlade S 12.895,--".
Mit Schreiben vom 3. November 1999 wies die Beschwerdeführerin darauf hin, dass ihr in der Berufung behauptetes Bruttogehalt von S 22.855,-- durch den (beiliegenden) Gehaltsauszug bestätigt werde. Sie habe nämlich für 17 Tage S 15.111,70 brutto erhalten, hochgerechnet ergebe das S 26.667,70, zufolge des Aufwertungsfaktors für 1995 errechne sich ein Betrag von S 27.654,41; dieses Entgelt entspreche der Lohnklasse 97, sodass sich ein tägliches Arbeitslosengeld von S 356,10 ergebe.
Mit Berufungsvorentscheidung gemäß § 64a Abs. 1 AVG vom 5. November 1999 behob die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice ihren Bescheid vom 4. August 1999. Sie stellte mit Bescheid vom 16. November 1999 fest, dass der Beschwerdeführerin ab 1. Juni 1999 Arbeitslosengeld im Ausmaß von täglich S 273,80 gebühre. Dazu wurde in der Begründung nunmehr ausgeführt, die heranzuziehende durchschnittliche Monatsbeitragsgrundlage von S 19.114,-- ergebe eine Zuordnung zur Lohnklasse 65 und somit einen Grundbetrag des Arbeitslosengeldes in Höhe von S 273,80.
Die Beschwerdeführerin stellte mit Schreiben vom 22. November 1999 den Antrag, die Berufung der Berufungsbehörde zur Entscheidung vorzulegen.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde der Berufung Folge gegeben und wie schon in der Berufungsvorentscheidung in Abänderung des erstinstanzlichen Bescheides ausgesprochen, dass der Beschwerdeführerin Arbeitslosengeld in der Höhe von S 273,80 täglich gebühre. Nach Gesetzeszitaten wurde dazu in der Begründung ausgeführt, bei einer Geltendmachung bis zum 30. Juni (hier: 27. Mai 1999), sei das Entgelt des vorletzten Kalenderjahres (hier: 1997) heranzuziehen. Liegen diese Jahresbeitragsgrundlagen nicht vor, so seien jeweils die letzten vorliegenden Jahresbeitragsgrundlagen eines vorhergehenden Jahres heranzuziehen. Nach dieser Bestimmung sei im vorliegenden Fall das Entgelt von 1995 heranzuziehen gewesen. Die Beschwerdeführerin sei bis 25. Mai 1995 in Karenzurlaubsgeldbezug gestanden. Vom 26. Mai 1995 bis 15. September 1995 habe sie Wochengeld von der Wiener Gebietskrankenkasse bezogen und von ihrem Dienstgeber den Wochengeld-Ergänzungsbetrag erhalten. Im Anschluss daran sei sie bis 2. Oktober 1995 im Gebührenurlaub gewesen und ab 3. Oktober 1995 habe sie wiederum Karenzurlaubsgeld bezogen.
Die durchschnittliche Monatsbeitragsgrundlage inklusive Sonderzahlungen für den Zeitraum vom 16. September 1995 bis 2. Oktober 1995 betrage S 18.432,--. Nach Vornahme der Aufwertung sei von einer Monatsbeitragsgrundlage von S 19.114,-- auszugehen. Dies führe zu einer Zuordnung zur Lohnklasse 65 und gebühre sohin ein Grundbetrag des Arbeitslosengeldes von S 273,80.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin macht, wie bereits im Verwaltungsverfahren, geltend, es sei das Entgelt des Jahres 1995, und zwar (nur) das im Zeitraum 16. September bis 2. Oktober 1995 erhaltene, heranzuziehen. Auf Grund einer Auszahlung von brutto S 15.111,70 errechne sich nach der Zahl der Versicherungstage hochgerechnet ein Bruttomonatsbezug von S 26.677,70; unter Beachtung des Aufwertungsfaktors ergebe sich ein der Lohnklasse 97 zuzuordnender Bezug und sohin ein tägliches Arbeitslosengeld von S 356,10.
Strittig ist die Höhe des vom 1. Juni bis 18. Oktober 1999 gewährten Arbeitslosengeldes. Die Bemessung dieses Arbeitslosengeldes richtete sich nach § 21 Abs. 1 AlVG i.d.F. BGBl. I Nr. 148/1998. Diese Bestimmung lautet:
"Der Grundbetrag des Arbeitslosengeldes wird nach Lohnklassen bemessen. Für die Festsetzung der Lohnklasse ist bei Geltendmachung bis 30. Juni das Entgelt des vorletzten Kalenderjahres aus den beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger gespeicherten Jahresbeitragsgrundlagen aus arbeitslosenversicherungspflichtigem Entgelt, mangels solcher aus anderen für Zwecke der Sozialversicherung gespeicherten Jahrsbeitragsgrundlagen heranzuziehen. Bei Geltendmachung nach dem 30. Juni ist das Entgelt des letzten Kalenderjahres heranzuziehen. Liegen die nach den vorstehenden Sätzen heranzuziehenden Jahresbeitragsgrundlagen nicht vor, so sind jeweils die letzten vorliegenden Jahresbeitragsgrundlagen eines vorhergehenden Jahres heranzuziehen. Zeiten, in denen der Arbeitslose infolge Erkrankung (Schwangerschaft) nicht das volle Entgelt oder wegen Beschäftigungslosigkeit kein Entgelt bezogen hat sowie Zeiten des Bezuges einer Lehrlingsentschädigung, wenn es für den Arbeitslosen günstig ist, bleiben bei der Heranziehung der Beitragsgrundlagen außer Betracht. In diesem Fall ist das Entgelt durch die Zahl der Versicherungstage zu teilen und mit 30 zu vervielfachen. Jahresbeitragsgrundlagen, in denen eine Herabsetzung der Arbeitszeit im Sinne des § 27 Abs. 1 oder der Bezug von Karenz(Urlaubs)geld bei Teilzeitbeschäftigung oder eine Beschäftigung neben einer Gleitpension (§ 253c ASVG) vorliegt, bleiben außer Betracht. Sind die heranzuziehenden Jahresbeitragsgrundlagen zum Zeitpunkt der Geltendmachung des Arbeitslosengeldes älter als ein Jahr, so sind diese mit dem/den Aufwertungsfaktor/en gemäß § 108 Abs. 4 ASVG des betreffenden Jahres / der betreffenden Jahre aufzuwerten."
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 10. November 1998, 98/08/0245, und seither in ständiger Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis vom 4. April 2002, 97/08/0484) ausgeführt hat, ist maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung, ob beim Hauptverband bereits Beitragsgrundlagen des letzten Kalenderjahres vorliegen, der erste Tag der Arbeitslosigkeit als frühestmöglicher Zeitpunkt der rechtlich wirksamen Geltendmachung des Arbeitslosengeldes. Im Beschwerdefall endete das Beschäftigungsverhältnis der Beschwerdeführerin am 31. Mai 1999. Der erste Tag der Arbeitslosigkeit war der 1. Juni 1999. Nach der Aktenlage waren zum Zeitpunkt der Datenabfrage beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger am 14. Juni 1999 die Beitragsgrundlagen für die Jahre 1993 und 1995 gespeichert.
Für das Jahr 1995 ist lediglich der Bezug des Wochengeldes und im gleichen Zeitraum der Erhalt des Ergänzungsbetrages (Differenz zwischen Wochengeld und vollem Bezug gemäß § 24 Abs. 8 VBG) vorgemerkt. Die Beitragsgrundlage wird aber nur aus dem genannten Ergänzungsbetrag gebildet. Eine solche Beitragsgrundlage ist - wie die Beschwerdeführerin zutreffend erkennt - als Teilentgelt nach dem fünften Satz des zitierten § 21 Abs. 1 AlVG nicht zu berücksichtigen. Die belangte Behörde hätte daher (da im maßgeblichen Zeitraum das Urlaubsentgelt noch nicht vorgemerkt gewesen ist) die Beitragsgrundlage für das Jahr 1993 (§ 21 Abs. 1 vierter Satz) heranziehen müssen. Da die belangte Behörde dies verkannt hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 23. April 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2000080083.X00Im RIS seit
18.07.2003