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62 Arbeitsmarktverwaltung;Norm
AlVG 1977 §10 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des D in K, vertreten durch Dr. Gunther Nagele, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Südtiroler Platz 8/1, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Tirol vom 17. Juli 1998, Zl. LGSTi/V/1212/4238 14 12 66-704/1998, betreffend Verlust des Anspruches auf Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice nahm am 4. Mai 1998 mit dem Beschwerdeführer eine Niederschrift über die Nichtannahme bzw. das Nichtzustandekommen einer zugewiesenen Beschäftigung auf. Demnach sei dem Beschwerdeführer am 24. bzw. 27. März 1998 eine Beschäftigung als Koch in G. mit einer Entlohnung nach Vereinbarung, auf alle Fälle nach dem Kollektivvertrag, zuzüglich Unterkunft und Verpflegung bei einem Arbeitsantritt am 1. April 1998 zugewiesen worden. Der Beschwerdeführer habe erklärt:
"Trotz Belehrung über die Rechtsfolgen ... habe ich die Beschäftigung nicht angenommen. (...) ich wollte beim S.-Wirt jederzeit beginnen, allerdings sagte ich, dass ich in ca. 2 - 3 Wochen wieder im elterlichen Betrieb arbeite, dieser Zeitraum war Herrn H. zu kurz, er lehnte daraufhin eine Einstellung ab."
Die Niederschrift sei vorgelesen worden und von dem Leiter der Amtshandlung Günther L. sowie von dem amtlichen Organ Christoph A. unterschrieben worden. Der Beschwerdeführer habe die Unterschrift verweigert.
Nach einer Stellungnahme des einstellungsbereiten Dienstgebers S.-Wirt vom 24. März 1998 sei der Beschwerdeführer nicht eingestellt worden, weil er "nur für kurze Zeit verfügbar" sei. Am 30. März 1998 teilte der Beschwerdeführer der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice mit, er habe bereits einen Arbeitsvertrag für die Sommersaison unterschrieben und es seien daher keine weiteren Stellenangebote nötig.
Mit dem Bescheid vom 19. Mai 1998 sprach die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice aus, dass der Beschwerdeführer den Anspruch auf Arbeitslosengeld gemäß § 10 AlVG für die Zeit vom 1. April bis zum 12. Mai 1998 verloren habe, weil er die Arbeitsaufnahme bei der Firma S.-Wirt ohne triftigen Grund verweigert habe.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung, in der er Folgendes vorbrachte:
"Ich habe die Arbeitsaufnahme bei der Firma Hotel S. keinesfalls verweigert. Die Darlegung der Sachlage in Ihrem Bescheid muß auf einem Irrtum beruhen.
Vielmehr habe ich Herrn H. gegenüber ausdrücklich betont, daß ich jederzeit ein Arbeitsverhältnis eingehen kann. Ich habe heute (25. Mai) Herrn H. diesbezüglich telefonisch kontaktiert. Herr H. hat mir gegenüber bestätigt, daß dies der Wahrheit entspricht.
In diesem Zusammenhang möchte ich auch noch betonen, daß ich große Anstrengungen unternommen habe um meine Zwischensaison-Arbeitslosigkeit zu beenden. (Inserate: Rolling Pin, Hotel und Tourismus Revue; 2 Arbeitsagenturen; persönliche Bewerbung)
Es ist für mich unverständlich,
1.
Wie es zum Verlust des Anspruches kommen konnte.
2.
Daß ich erst jetzt davon in Kenntnis gesetzt werde.
3.
Es ist mir auch nicht verständlich, warum meine erste Arbeitsbescheinigung, die ich per Einschreiben geschickt habe, nicht am Arbeitsamt aufliegt.
Ich ersuche um nochmalige Überprüfung."
Mit Schreiben vom 30. Juni 1998 nahm der Dienstgeber, dem der Beschwerdeführer zugewiesen worden ist, auf ein entsprechendes Ersuchen der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vom 29. Juni 1998 wie folgt Stellung:
"Meiner Rückantwort entsprechend wurde (der Beschwerdeführer) deshalb nicht bei uns eingestellt, da für mich absehbar war, daß er nicht lange verfügbar ist.
Auf meine Anfrage hin sagte mir (der Beschwerdeführer), daß er im elterlichen Betrieb arbeitet. Selbstverständlich war dadurch für mich naheliegend, daß er nach Saisonbeginn nicht mehr verfügbar sein würde. Somit habe ich ihn nicht eingestellt.
Richtig ist, daß (der Beschwerdeführer) von sich aus bereit gewesen wäre, bei uns zu arbeiten, was ich auch nicht bestritten habe."
Die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice nahm mit Schreiben vom 7. Juli 1998 zur Berufung des Beschwerdeführers wie folgt Stellung:
"(Der Beschwerdeführer) ist gelernter Koch und war zuletzt im Gastbetrieb seiner Eltern beschäftigt. Nach einer kurzen Wintersaison (Arbeitsbeginn 15.1.1998, Anmeldung zum Arbeitslosengeld bereits wieder am 13.3.1998) wurde ihm am 24.3.1998 eine Jahresstelle beim Hotel S. angeboten. (Der Beschwerdeführer) stellte sich beim Betrieb (Hrn. H.) vor und erklärte jederzeit eine Beschäftigung aufnehmen zu wollen. Im Lauf des Vorstellungsgespräches legte (der Beschwerdeführer) aber auch offen, daß seine Eltern einen Gastgewerbebetrieb haben, und er auch dort wieder arbeiten werde. Damit war Herrn H. klar, daß (der Beschwerdeführer) mit Saisonbeginn wieder in den elterlichen Betrieb wechseln würde, aus diesem Grund kam eine Einstellung nicht zustande.
Am 30.3.98 richtet (der Beschwerdeführer) ein Schreiben an das AMS K., und weist darauf hin, daß er bereits eine Stelle für die Sommersaison habe und weitere Stellenangebote an ihn nicht mehr nötig sind.
Nach Auffassung des AMS erklärt damit (der Beschwerdeführer), ihm genüge eine Saisonbeschäftigung, die Beendigung der ständigen Saisonarbeitslosigkeit liegt nicht in seinem Interesse."
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. Sie ging von folgendem Sachverhalt aus:
"Das Arbeitsmarktservice K. war am 19.5.1998 in der Lage, Sie als Koch zum 'S. Wirt' in G. mit zumindest kollektivvertraglicher Entlohnung nach Vereinbarung, Unterkunft plus Verpflegung, zu vermitteln, deren Annahme laut Ihren niederschriftlichen Angaben vom 4.5.1998 deshalb nicht zustande kam, weil Sie beim Vorstellungsgespräch deponiert gehabt hatten, daß Sie in ca. 2 bis 3 Wochen wiederum im elterlichen Betrieb arbeiten wollten und dieser Zeitraum dem S.-Wirt zu kurz gewesen sei."
Beweiswürdigend führt die belangte Behörde Folgendes aus:
"Laut Stellungnahme des Arbeitsmarktservice K. wurden Sie deshalb nicht eingestellt, da Sie gerade darauf verwiesen hatten, lediglich drei Wochen zur Verfügung zu stehen. Es habe sich um eine Jahresstelle gehandelt, welche Ihnen vermittelt worden war, während Ihre Stelle im elterlichen Betrieb eine saisonale Stelle darstelle."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Wenn sich der Arbeitslose weigert, eine ihm von der regionalen Geschäftsstelle zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, so verliert er nach § 10 Abs. 1 AlVG in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung für die Dauer der Weigerung, jedenfalls aber für die Dauer der auf die Weigerung folgenden sechs Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld.
Das Nichtzustandekommen eines den Zustand der Arbeitslosigkeit beendenden (zumutbaren) Beschäftigungsverhältnisses kann vom Arbeitslosen unter anderem dadurch verschuldet werden, dass der Arbeitslose den Erfolg seiner (nach Außen zutage getretenen) Bemühungen durch ein Verhalten, welches nach allgemeiner Erfahrung geeignet ist, den potenziellen Dienstgeber von der Einstellung des Arbeitslosen abzubringen, zunichte macht, verschuldet werden (vgl. zum Beispiel das hg. Erkenntnis vom 20. November 2002, Zl. 2002/08/0209). Stünde auf Grund eines mängelfrei geführten Verfahrens und einer schlüssigen Beweiswürdigung fest, dass der Beschwerdeführer sich in der von der belangten Behörde angenommenen Weise geäußert hätte, so würde dies ausreichen, um als Vereitelung im Sinne der dargestellten Rechtsprechung qualifiziert zu werden.
Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 45 Abs. 2 AVG) schließt nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Kontrolle in der Richtung nicht aus, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind. Der Verwaltungsgerichtshof hat insbesondere zu prüfen, ob die Behörde im Rahmen ihrer Beweiswürdigung alle in Betracht kommenden Umstände vollständig berücksichtigt hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 1993, Zl. 92/08/0133, mit Hinweisen auf Vorjudikatur).
Die belangte Behörde hat ihren Feststellungen über das Verhalten des Beschwerdeführers beim Vorstellungsgespräch ausschließlich die von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice wiedergegebenen Angaben des Beschwerdeführers vom 4. Mai 1998 zu Grunde gelegt, wonach der Beschwerdeführer gesagt hätte, "dass ich in ca. zwei bis drei Wochen wieder im elterlichen Betrieb arbeite". Die anders lautenden Angaben des Beschwerdeführers in seiner Berufung vom 5. Mai 1998, die anders lautenden Ausführungen des zugewiesenen Dienstgebers H. in der Stellungnahme vom 30. Juni 1998 (in der von einer Ankündigung des Beschwerdeführers, wieder im elterlichen Betrieb zu arbeiten, keine Rede ist, und wonach es sich bei der erwarteten Arbeitsaufnahme im Betrieb der Eltern des Beschwerdeführers in Anbetracht der Wendung "selbstverständlich war dadurch für mich nahe liegend ..." um eine Vermutung des zugewiesenen Dienstgebers gehandelt haben könnte) und der Umstand, dass der Beschwerdeführer bereits am 30. März 1998 mitgeteilt hatte, dass er "einen Arbeitsvertrag für die Sommersaison unterschrieben" hatte (er sohin nicht bei seinen Eltern eine Beschäftigung gefunden hatte), werden im angefochtenen Bescheid nicht erwähnt. Auf Grund dieses Verfahrensmangels ist dem Verwaltungsgerichtshof die Überprüfbarkeit der Beweiswürdigung durch die belangte Behörde entzogen, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 23. April 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:1998080264.X00Im RIS seit
28.05.2003