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63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;Norm
BDG 1979 §14 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Germ und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lamprecht, über die Beschwerde der M in G, vertreten durch Dr. Karl Claus und Mag. Dieter Berthold, Rechtsanwaltspartnerschaft in 2130 Mistelbach, Hauptplatz 1, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 7. Oktober 2002, Zl. K4- L-1308/5, betreffend Abweisung eines Antrages auf Versetzung in den Ruhestand, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die 1961 geborene Beschwerdeführerin steht als Volksschuloberlehrerin in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Niederösterreich. Ihre Dienststelle ist die Volksschule L.
Mit Schreiben vom 7. März 2001 an den Landesschulrat für Niederösterreich beantragte sie "aus gesundheitlichen Gründen" ihre vorzeitige Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit nach § 12 LDG 1984 mit 1. September 2001. Dem Antrag waren drei ärztliche Befundberichte angeschlossen.
Mit Schreiben vom 16. August 2001 forderte der Bezirksschulrat K. die Beschwerdeführerin "auf Grund ihres anhaltenden Krankenstandes" (Anm.: auf dem Aktenstück befindet sich ein handschriftlicher Vermerk "krank ab 13.9.2000 lfd") auf, am 21. August 2001 beim Amtsarzt der Bezirkshauptmannschaft K. zur amtsärztlichen Untersuchung zu erscheinen. Der Amtsarzt Dr. G. kam in seinem Gutachten vom 4. September 2001 auf Grund der Diagnose "Chron. recidivierendes Cervikal- und Lumbalsyndrom; Diskusprotrusion C 5/6; reaktive Depression" zu dem Ergebnis, dass die Beschwerdeführerin "weiterhin nicht dienstfähig" sei. Nach dem bisherigen Verlauf sei nicht zu bestimmen, ob bzw. wann mit der Wiedererlangung ihrer Dienstfähigkeit zu rechnen sei.
Aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt sich weiters, dass die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 3. Oktober 2001 beim Bezirksschulrat K. einen Devolutionsantrag hinsichtlich ihres Ansuchens um vorzeitige Pensionierung wegen Dienstunfähigkeit vom 7. März 2001 stellte, in dem sie vorbrachte, sie habe innerhalb von sechs Monaten keine Vorladung zur amtsärztlichen Untersuchung betreffend die Pensionierung erhalten. Es seien lediglich Überprüfungen ihres Gesundheitszustandes wegen der Fortdauer ihres "Krankenstandes" erfolgt. Bis dato sei auch kein Bescheid ausgestellt worden bzw. seien ihre Ansuchen vom 20. April und 20. September 2001 (Anm.: diese erliegen nicht in den vorgelegten Verwaltungsakten) ohne Angabe von Gründen abgewiesen worden. Dieser Antrag wurde der belangten Behörde vorgelegt.
Den Verwaltungsakten ist weiters zu entnehmen, dass die Beschwerdeführerin am 19. Februar 2002 vom Amtssachverständigen Dr. Sch. einer Untersuchung zur Klärung der Frage, ob sie "infolge
ihrer körperlichen und geistigen Verfassung ihre dienstlichen Aufgaben nicht erfüllen und ihr kein mindestens gleichwertiger Arbeitsplatz zugewiesen werden kann", unterzogen wurde. Dr. Sch. gelangte zusammenfassend zum Ergebnis, dass die Beschwerdeführerin an (näher dargestellten) Beschwerden der gesamten Wirbelsäule leide. Diese Beschwerden könnten derzeit zu jährlichen "Krankenständen" von etwa drei Wochen führen. Die Therapiemöglichkeiten seien noch nicht ausgeschöpft, sodass eine Besserung der HWS-Symptomatik möglich sei und die funktionellen Beschwerden hintangehalten werden könnten. Die psychische Belastungssymptomatik stelle einen wesentlichen Risiko- und Auslösefaktor für die vorliegenden - durchaus glaubhaften - Beschwerden dar. Aus medizinischer Sicht sei eine dauernde Dienstunfähigkeit nicht gegeben. Die derzeitige Unfähigkeit werde durch die für die Beschwerdeführerin belastende Arbeitssituation prolongiert.
Zu diesem Sachverständigengutachten nahm die (anwaltlich vertretene) Beschwerdeführerin am 21. März 2002 unter Vorlage eines orthopädischen Gutachtens des Sachverständigen Primarius Dr. R. vom 3. Dezember 2001 Stellung. (Dieses Gutachten lag auch bereits dem Amtssachverständigen Dr. Sch. vor bzw. wurde von diesem als eines der ihm zur Verfügung gestellten Gutachten erwähnt.) In der Zusammenfassung seines Gutachtens führte Primarius Dr. R. aus, dass die Beschwerdeführerin aus orthopädischer Sicht "für den Beruf der Volksschullehrerin nicht mehr geeignet" sei. Ihr Schmerzkomplex sei bereits chronifiziert, mit einer Besserung sei unter der berufsbedingten Belastung nicht zu rechnen. Unter beruflichen Stress sei mit einer Zunahme der Beschwerden zu rechnen, sodass auch mit Krankenständen über acht Wochen im Jahr zu rechnen wäre.
In einer weiteren Stellungnahme vom 12. September 2002 beantragte die Beschwerdeführerin (mit detaillierter Fragenstellung) die Einholung eines ergänzenden orthopädischen Sachverständigengutachtens.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 7. Oktober 2002 wies die belangte Behörde das Ansuchen der Beschwerdeführerin um vorzeitige Pensionierung wegen Dienstunfähigkeit gemäß § 73 AVG iVm § 1 DVG und § 12 LDG 1984 ab. In der Begründung wird zunächst der Verfahrensgang und die maßgebliche Rechtsgrundlage dargestellt und anschließend die Zusammenfassung des Sachverständigengutachtens vom 22. Februar 2002 wiedergegeben. In weiterer Folge führt die belangte Behörde aus, dass bei der Erstellung dieses Gutachtens das von der Beschwerdeführerin beigebrachte Gutachten von Primarius Dr. R. vom 3. Dezember 2001 mit berücksichtigt worden sei. In dieser Begutachtung werde ausgeführt, dass trotz Behandlung zunehmende Kopf- und Nackenbeschwerden sowie Rückschmerzen mit Schlafstörungen und Konzentrationsstörungen sowie das Beschwerdebild einer reaktiven Depression bestünden. Sowohl vom Neurologen Dr. S. als auch vom Orthopäden Dr. P. werde eine Einschränkung der Belastungsfähigkeit und Arbeitsfähigkeit attestiert sowie die Möglichkeit, eine konstante und regelmäßige Leistung zu erbringen, in Frage gestellt. Weder in dem zitierten Gutachten von Dr. R. noch in den darauf aufgebauten Gutachten der Gesundheitsabteilung sei davon die Rede, dass bei der Beschwerdeführerin eine Dienstunfähigkeit vorliege. Auch Dr. R. gehe davon aus, dass bei beruflichem Stress mit einer Zunahme der Beschwerden zu rechnen sei, sodass auch mit "Krankenständen" über acht Wochen pro Jahr zu rechnen wäre. Hinsichtlich der von der Beschwerdeführerin an den Amtssachverständigen gerichteten Fragen sei darauf zu verweisen, dass das Gutachten der Abteilung Gesundheitswesen von einem dazu befugten Amtsorgan unter Berücksichtigung der vorliegenden Gutachten erstellt worden sei. Für die Behörde bestehe kein Anlass, an dem vorgelegten Gutachten zu zweifeln.
Unter Hinweis auf § 12 Abs. 3 LDG 1984 führt die belangte Behörde abschließend aus, diese Bestimmung bedeute, dass der Dienstgeber die Beschwerdeführerin auch auf einen gleichwertigen Arbeitsplatz zuweisen könne, wenn auf Grund ihres Gesundheitszustandes eine Verwendung als Volksschullehrerin nicht mehr möglich sein sollte.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
§ 12 Abs. 1 und 3 des Landeslehrer-Dienstrechtsgesetzes (LDG 1984), BGBl. Nr. 302, (Abs. 1 idF des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl. Nr. 201) lautet:
"(1) Der Landeslehrer ist von Amts wegen oder auf seinen Antrag in den Ruhestand zu versetzen, wenn er dauernd dienstunfähig ist.
...
(3) Der Landeslehrer ist dienstunfähig, wenn er infolge seiner körperlichen oder geistigen Verfassung seine dienstlichen Aufgaben nicht erfüllen und ihm kein mindestens gleichwertiger Arbeitsplatz zugewiesen werden kann, dessen Aufgaben er nach seiner körperlich und geistigen Verfassung zu erfüllen im Stande ist und der ihm mit Rücksicht auf seine persönlichen, familiären und sozialen Verhältnisse billigerweise zugemutet werden kann."
§ 12 Abs. 1 und 3 LDG 1984 ist im Wesentlichen inhaltsgleich mit § 14 Abs. 1 und 3 BDG 1979, weshalb die zu dieser Bestimmung ergangene Rechtsprechung übertragen werden kann. Unter der bleibenden Unfähigkeit eines Beamten (hier: Landeslehrers), seine dienstlichen Aufgaben ordnungsgemäß zu versehen, ist demnach alles zu verstehen, was seine Eignung, diese Aufgaben zu versehen, dauernd aufhebt. Die Frage, ob eine dauernde Dienstunfähigkeit vorliegt oder nicht ist nach ständiger Rechtsprechung eine Rechtsfrage, die nicht der ärztliche Sachverständige, sondern die Dienstbehörde zu entscheiden hat. Aufgabe der ärztlichen Sachverständigen ist es, an der Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes mitzuwirken, in dem er in Anwendung seiner Sachkenntnisse Feststellungen über den Gesundheitszustand des (hier:) Landeslehrers trifft und die Auswirkungen bestimmt, die sich aus festgestellten Leiden oder Gebrechen auf die Erfüllung dienstlicher Aufgaben ergeben. Dabei ist, um der Dienstbehörde eine Beurteilung des Kriteriums "dauernd" zu ermöglichen, auch eine Prognose zu stellen. Die Dienstbehörde hat anhand der dem Gutachten zu Grunde gelegten Tatsachen die Schlüssigkeit des Gutachtens kritisch zu prüfen und einer sorgfältigen Beweiswürdigung zu unterziehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. September 2002, Zl. 2001/12/0220).
Die Beschwerdeführerin wendet mit Recht ein, dass die belangte Behörde gegen die Begründungspflicht gemäß § 58 Abs. 2 und § 60 AVG verstoßen habe.
Die belangte Behörde begnügte sich in der Begründung ihres Bescheides mit der Wiedergabe der Zusammenfassung des Gutachtens vom 22. Februar 2002 und dem Hinweis, dass für sie kein Anlass bestehe, an dem vorgelegten Gutachten zu zweifeln und dass das von der Beschwerdeführerin beigebrachte Gutachten vom 3. Dezember 2001 mit berücksichtigt worden sei. Weder in diesem Gutachten noch in dem darauf aufgebauten Gutachten vom 22. Februar 2002 sei - so die belangte Behörde weiter - davon die Rede, dass bei der Beschwerdeführerin eine Dienstunfähigkeit vorliegen würde.
Diesen Ausführungen ist zunächst entgegenzuhalten, dass - wie eingangs dargelegt - das Vorliegen der (dauernden) Dienstunfähigkeit nicht vom ärztlichen Sachverständigen zu entscheiden ist. Ob daher der amtliche Gutachter oder der private Gutachter das Vorliegen der Dienstfähigkeit bejaht haben oder nicht, ist nicht entscheidend. Sollten die Ausführungen der belangten Behörde demgegenüber so zu verstehen sein, dass die wiedergegebene Zusammenfassung des Ergebnisses des Gutachtens als Feststellungen übernommen werden und davon ausgehend das Vorliegen der Dienstfähigkeit (von der Behörde im Rahmen der ihr obliegenden Beurteilung) bejaht wird, weist die Beschwerdeführerin wie bereits im Verwaltungsverfahren zutreffend darauf hin, dass sich die belangte Behörde nur unzureichend mit dem Privatgutachten Dris. R. auseinander gesetzt hat. Richtig ist zwar, dass in diesem Gutachten von Dr. R. die Frage der Dienstunfähigkeit (zutreffend) nicht beurteilt wird, doch übergeht die Behörde - ebenso wie der amtliche Gutachter - die Ausführungen Dris. R. am Ende seiner Zusammenfassung, dass die Beschwerdeführerin aus näher dargestellten Gründen (insbesondre chronifizierter Schmerzkomplex) "für den Beruf der Volksschullehrerin nicht mehr geeignet" sei. Auf Grund der unterschiedlichen Beweisergebnisse hätte die belangte Behörde zunächst - wie dies auch von der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren beantragt worden war - auf eine Aufklärung der Widersprüche zwischen den Sachverständigen bzw. auf eine Klarstellung ihrer Gutachten (wobei die Durchführung einer Verhandlung sinnhaft erscheint) hinwirken müssen und sodann schlüssig und nachvollziehbar darlegen müssen, ob auf Grund des festgestellten Gesundheitszustandes der Beschwerdeführerin (auch unter Berücksichtigung der Schmerzproblematik - vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 1998, Zl. 97/12/0125) Dienstunfähigkeit vorliegt, bejahendenfalls wäre sodann weiters die Verweisungsmöglichkeit zu prüfen gewesen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 26. Februar 1997, Zl. 96/12/0242, Slg. 14.625/A).
Da die belangte Behörde dies unterließ, ist ihr Bescheid mit einem wesentlichen Begründungsmangel behaftet, sodass die Überprüfung des Bescheides auf die Rechtmäßigkeit seines Inhaltes durch den Verwaltungsgerichtshof gehindert wurde.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Neben dem pauschalierten Ersatz des Schriftsatzaufwandes kann ein Ersatz weiterer Kosten unter dem Titel von Umsatzsteuer jedoch nicht zugesprochen werden.
Wien, am 25. April 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2003120004.X00Im RIS seit
16.06.2003Zuletzt aktualisiert am
23.04.2012