TE Vwgh Erkenntnis 2003/4/25 2002/12/0070

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Veröffentlicht am 25.04.2003
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §66 Abs4;
AVG §73 Abs1;
AVG §73 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Germ und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lamprecht, über die Beschwerde des am 10. Juni 1971 geborenen G in L, vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh, Rechtsanwalt in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 25. September 1998, Zl. 114.469/6-III/11/98, betreffend Zurückweisung einer Berufung (Spruchpunkt 1) und Zurückweisung von Devolutionsanträgen (Spruchpunkt 2), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 41,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, beantragte am 13. Mai 1997 mit an die Bezirkshauptmannschaft Dornbirn gerichtetem Schreiben seines Rechtsvertreters "festzustellen, dass der antragstellenden Partei das assoziationsrechtliche Aufenthaltsrecht zugestanden wird, auf welchem Wege und mit welcher Rechtskonstruktion immer".

Daraufhin richtete die Bezirkshauptmannschaft Dornbirn folgendes, mit 22. Mai 1997 datiertes, Schreiben an den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers:

"Betrifft: G.A. (Name des Beschwerdeführers), geb. am

10.06.1971,

türk. StAng., Antrag auf Erteilung der Aufenthaltsbewilligung Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt!

Die gemäß § 2 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes festgelegte Anzahl von Bewilligungen für das Jahr 1997 ist erreicht, wir dürfen daher keine weiteren Bewilligungen erteilen. Die Entscheidung über den anhängigen Antrag vom 16.05.1997, betreffend G. A. (Name des Beschwerdeführers), geb. am 10.06.1971, wird auf Grund des ausgeschöpften Kontingentes, gemäß § 9 Abs. 3 des Aufenthaltsgesetzes auf das kommende Kalenderjahr verschoben.

Mit freundlichen Grüßen

Der Bezirkshauptmann

im Auftrag

..."

In seiner Stellungnahme vom 27. Mai 1997 brachte der Beschwerdeführer vor, er habe einen auf gemeinschaftsrechtliches Assoziationsrecht gestützten Feststellungsantrag und nicht einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nach innerstaatlichem Aufenthaltsrecht eingebracht. Die Bezirkshauptmannschaft Dornbirn werde auch ausschließlich über diesen zu entscheiden haben. Es werde daher noch einmal beantragt "festzustellen, dass der antragstellenden Partei das assoziationsrechtliche Aufenthaltsrecht zugestanden wird, auf welchem Wege und mit welcher Rechtskonstruktion immer".

Am 23. April 1998 richtete die Bezirkshauptmannschaft Dornbirn an den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers folgendes Schreiben:

     "Betrifft:        G.A. (Name des Beschwerdeführers), geb. am

10.06.1971,

     türk. StAng., Erstniederlassungsbewilligung im Rahmen des

Familiennachzuges;

      Bezug:        Antrag vom 16.05.1997;

Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt!

Eine quotenpflichtige Erstniederlassungsbewilligung darf nur erteilt werden, wenn die für den Fremden samt dem Familiennachzug nach § 21 Abs. 2 des Fremdengesetzes 1997 erforderlichen Bewilligungen noch zur Verfügung stehen. Die Anzahl, der für das Bundesland Vorarlberg vorgesehenen Niederlassungsbewilligungen, ist für das Jahr 1998 bereits ausgeschöpft. Die Entscheidung über den Antrag des G. A. (Name des Beschwerdeführers), geb. 10.06.1971, wird bis zur nachfolgenden Niederlassungsverordnung aufgeschoben.

Mit freundlichen Grüßen

Der Bezirkshauptmann

im Auftrag

..."

In seiner Eingabe vom 8. Mai 1998 erhob der Beschwerdeführer zunächst Berufung. Er brachte vor, dass die erstinstanzliche Behörde mit der letztgenannten Erledigung vom 23. April 1998 dezidiert und unwiderruflich anordne, "dass sie die weitere Behandlung des von ihr im Übrigen pflichtwidrig umgedeuteten Antrags vorerst aussetzt, zunächst bis zum Jahr 1999." Am Bescheidcharakter dieser Erledigung könne kein Zweifel bestehen. Der Bescheid sei rechtswidrig, weil Gegenstand des Verfahrens nach seinem unmissverständlichen Antrag ausschließlich die Frage sei, ob ihm ein Aufenthaltsrecht nach Gemeinschafts-, insbesondere nach Assoziationsrecht, in Österreich zukomme oder nicht. Da die erstinstanzliche Behörde über einen nicht gestellten Antrag entschieden habe, liege offenkundig eine Unzuständigkeit der Erstbehörde vor, weshalb die Aufhebung des Bescheides beantragt werde.

Gleichzeitig, so heißt es in dieser Eingabe weiters, sei die Bezirkshauptmannschaft Dornbirn mit ihrer Entscheidung über den Feststellungsantrag vom 13. Mai 1997 säumig, weshalb gemäß § 73 Abs. 2 AVG der Antrag auf Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung "auf die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg oder das Bundesministerium für Inneres als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde" gestellt werde. Diese Eingabe werde, "weil die Frage bedenkenswert ist, welche der beiden angeführten Behörden in der gegenständlichen Angelegenheit als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde zur Entscheidung berufen ist" bei beiden eingebracht.

Am 6. Juli 1998 langte beim Bundesminister für Inneres ein direkt an diesen gerichteter Devolutionsantrag ein.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 25. September 1998 wies der Bundesminister für Inneres zu Spruchpunkt 1 die Berufung gegen die Mitteilung der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn vom 23. April 1998 gemäß § 66 Abs. 4 AVG und zu Spruchpunkt 2 die Devolutionsanträge vom 8. Mai und 6. Juli 1998 gemäß § 73 Abs. 1 und 2 jeweils als unzulässig zurück.

Zur Zurückweisung der Berufung führte sie aus, das Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn vom 23. April 1998 weise keinerlei Bescheidcharakter auf, weshalb es auch keinesfalls als Bescheid zu werten gewesen sei. Eine Verfahrensanordnung sei nicht durch Einbringung eines Rechtsmittels bekämpfbar. Erst der das Verfahren finalisierende - abweisliche oder stattgebende - Bescheid im Bezug auf das zu erteilende Aufenthaltsrecht könne wirksam im Verwaltungsverfahren durch eine Berufung bekämpft werden.

Zur Zurückweisung der Devolutionsanträge führte sie aus, es stehe fest, dass der Beschwerdeführer - wie dies auch von seinem Rechtsvertreter ausdrücklich betont werde - einen Antrag auf Feststellung des assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrechtes gestellt habe, der keinesfalls als Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung zu deuten gewesen sei. Für einen derartigen Feststellungsantrag sei die belangte Behörde nach den einschlägigen fremdenrechtlichen Bestimmungen nicht die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde, weshalb die Devolutionsanträge als unzulässig zurückzuweisen gewesen seien.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und - unter Abstandnahme von der Erstattung einer Gegenschrift - die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Zu Spruchpunkt 1 des angefochtenen Bescheides:

Strittig ist im Beschwerdefall, ob das in der Sachverhaltsdarstellung wiedergegebene Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn vom 23. April 1998 an den Beschwerdeführer einen Bescheid darstellt, sodass die belangte Behörde über die Berufung des Beschwerdeführers in der Sache zu entscheiden gehabt hätte.

Der Beschwerdeführer wendet gegen die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid vertretene Auffassung im Wesentlichen ein, die Verfügung der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn nehme bereits in ihrem Betreff auf eine "Erstniederlassungsbewilligung" Bezug, stütze sich im Weiteren ganz klar auf § 21 Abs. 2 FrG 1997, ziehe die dortige Quote zur Entscheidungsfindung heran und verfüge infolge "maximaler Ausschöpfung" der verfügbaren Quote die Verschiebung der Entscheidung auf das Folgejahr, weshalb (zusammengefasst) eindeutig eine bescheidmäßige Aussetzung (Unterbrechung) des Verfahrens durch die Bezirkshauptmannschaft als delegierte Behörde vorliege.

Bei dieser vom Beschwerdeführer seiner Berufungserhebung zu Grunde gelegten Deutung der Erledigung vom 23. April 1998 als einem von der hiezu vom Landeshauptmann ermächtigten Bezirksverwaltungsbehörde in Angelegenheit Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung erlassenen verfahrensrechtlichen Bescheid war die belangte Behörde jedenfalls funktionell zur Entscheidung über die Berufung zuständig.

Für die Beurteilung der Bescheidqualität der genannten Erledigung kann zunächst dahinstehen, ob mit dem Antrag vom 13. Mai 1997 tatsächlich (auch) ein solcher auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung gestellt wurde. Dieser Frage käme erst im Fall der Bejahung des Vorliegens eines Bescheides Bedeutung zu, weil die Frage, ob ein Bescheid vorliegt, von jener zu trennen ist, ob ein Bescheid überhaupt hätte ergehen dürfen.

Nach ständiger, auf den Beschluss eines verstärkten Senates vom 15. Dezember 1977, Zlen. 934 und 1223/1973, Slg. NF Nr. 9458/A, gestützter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dann, wenn eine an eine bestimmte Person gerichtete Erledigung die Bezeichnung der Behörde, den Spruch und die Unterschrift oder auch die Beglaubigung enthält, das Fehlen der ausdrücklichen Bezeichnung als Bescheid für den Bescheidcharakter der Erledigung unerheblich. Auf die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid kann aber nur dann verzichtet werden, wenn sich aus dem Spruch eindeutig ergibt, dass die Behörde nicht nur einen individuellen Akt der Hoheitsverwaltung gesetzt hat, sondern auch, dass sie normativ, also entweder rechtsgestaltend oder rechtsfeststellend, eine Angelegenheit des Verwaltungsrechtes entschieden hat. Der normative Inhalt muss sich aus der Formulierung der behördlichen Erledigung, also in diesem Sinne auch aus der Form der Erledigung ergeben; bloße Schlüsse aus der Erledigung in Verbindung mit den Verwaltungsakten und den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen reichen nicht aus, um einer Erledigung den Charakter eines Bescheides zu geben (vgl. auch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. April 1988, Zl. 87/12/0097, und die do. zitierte Rechtsprechung). Die Wiedergabe einer Rechtsansicht, von Tatsachen, der Hinweis auf Vorgänge des Verfahrens, Rechtsbelehrung und dgl., können nicht als verbindliche Erledigung, also nicht als Spruch im Sinne des § 58 Abs. 1 AVG 1950, gewertet werden.

Die auf ihre Bescheidqualität zu prüfende Erledigung der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn ist im Beschwerdefall weder als Bescheid bezeichnet, noch weist sie sonst den Aufbau eines Bescheides (Begründung, Rechtsmittelbelehrung) auf. Sie beginnt und endet jeweils mit einer im (allgemeinen) Schriftverkehr üblichen Höflichkeitsfloskel. Inhaltlich handelt es sich um eine im Wesentlichen dem Gesetzeswortlaut des § 22 dritter Satz FrG 1997 entsprechende Mitteilung. Der Erledigung der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn vom 23. April 1998 kommt daher entgegen der vom Beschwerdeführer vertretenen Ansicht nicht Bescheidcharakter im obigen Sinn zu, sie ist vielmehr nur als informelles Schreiben anzusehen.

Die in Spruchpunkt 1 des angefochtenen Bescheides erfolgte Zurückweisung der Berufung kann demnach nicht als rechtswidrig erkannt werden.

2. Zu Spruchpunkt 2:

Der Beschwerdeführer hat - wie eingangs dargestellt - einen Antrag auf Feststellung gestellt, ihm möge das assoziationsrechtliche Aufenthaltsrecht zugestanden werden, auf welchem Wege und mit welcher Rechtskonstruktion immer. Dass er damit keinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung bzw. (nach dem Inkrafttreten des FrG 1997) Erstniederlassungsbewilligung gestellt hat, wurde von ihm bereits in seinem Devolutionsantrag betont und wird auch in der Beschwerde wiederholt. Der Beschwerdeführer hat vielmehr seinen Antrag als Feststellungsantrag bezeichnet, dass er "nach dem Assoziationsabkommen EWG-Türkei bzw. dem hiezu ergangenen ARB Nr. 1/80 in Österreich aufenthaltsberechtigt ist".

Gemäß § 88 Abs. 1 FrG 1997 ist Behörde im Sinn dieses Bundesgesetzes, sofern nicht anderes bestimmt ist, die Bezirksverwaltungsbehörde, im örtlichen Wirkungsbereich einer Bundespolizeibehörde diese. Ein Fall des § 89 Abs. 1 FrG 1997 in der Stammfassung dieser Gesetzesbestimmung lag nicht vor, weil nach dem Vorgesagten kein Antrag in Behandlung stand, der auf die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gerichtet war. Gemäß § 94 Abs. 1 leg. cit. entscheidet über Berufungen gegen Bescheide nach diesem Bundesgesetz, sofern nicht anderes bestimmt ist, die Sicherheitsdirektion in letzter Instanz. Die Rechtsprechung versteht unter "sachlich in Betracht kommende Oberbehörde" im Verständnis des § 73 Abs. 2 AVG jedenfalls zunächst eine im Instanzenzug übergeordnete Behörde (vgl. Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht 6, 1995 (Rz 642)). Der Bundesminister für Inneres, an den der Beschwerdeführer seinen ersten Devolutionsantrag (auch) richtete bzw. den er bei diesem direkt einbrachte und in der Folge dort wiederholte, war nicht die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde im Bezug auf den konkret gestellten Antrag. Der Verwaltungsgerichtshof geht weiters nach der Begründung des angefochtenen Bescheides davon aus, dass der Antrag vom 8. Mai 1998, soweit er den Übergang der Entscheidungspflicht auf die Sicherheitsdirektion für Vorarlberg geltend machte (und offenbar auch bei dieser direkt eingebracht wurde), nicht Gegenstand der hier in Beschwerde gezogenen Zurückweisung war. Letztere kann demnach gleichfalls nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen werden. Art. 6 Abs. 2 MRK steht dem nicht entgegen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 25. April 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2002120070.X00

Im RIS seit

16.06.2003

Zuletzt aktualisiert am

26.06.2017
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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