TE Vwgh Erkenntnis 2003/4/25 2000/21/0051

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Veröffentlicht am 25.04.2003
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z2;
FrG 1997 §37;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kletzer, über die Beschwerde des R in Faschina, vertreten durch Dr. Eva Schneider, Rechtsanwältin in 6700 Bludenz, Bahnhofstraße 8a, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 23. Februar 2000, Zl. Fr 4250a-158/99, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 23. Februar 2000 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen der ehemaligen Republik Jugoslawien, gemäß § 36 Abs. 1 und 2 Z 2 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot in der Dauer von sechs Jahren erlassen.

Begründend verwies die belangte Behörde auf folgende im "Verwaltungsstrafregister" aufscheinende rechtskräftige Bestrafungen des Beschwerdeführers:

"X-2344-1999

§ 107 Abs.1 Z.4 i.V.m. § 31/1 FrG vom 18.2.1999 zu ATS 3.000,--

§ 22 Abs.1 Z.1 i.V.m. §§ 4/1 und 7/1 Meldegesetz vom 18.2.1999 zu ATS 1.500,--

X-24644-1997

§ 82/1 Z.4 i.V.m. § 15/1 Z.2 und 3 FrG vom 9.1.1998 zu ATS 2.000,--

X-17457- 1997

§§ 5 Abs.1 und 99/1 lit.a StVO vom 15.9.1997 zu ATS 10.000,--

X-11857-1997

§§ 52 lit.a Z.10a und 99/3 lit.a StVO vom 11.9.1997 zu ATS 1.500,--

X-4141-1997

§§ 102 Abs.1 und 27 Abs.1 KFG 1967 vom 11.3.1997 zu ATS 500,--

§ 102 Abs.10 KFG 1967 vom 11.3.1997 zu ATS 100,--

§ 102 Abs.10 KFG 1967 vom 11.3.1997 zu ATS 100,--

X-27022-1995

§§ 52 lit.a Z.10a und 99/3 lit.a StVO vom 21.3.1996 zu ATS 1.100,--"

Auf Grund der zwei Übertretungen nach dem Fremdengesetz und jener nach dem Meldegesetz seien die Tatbestandsvoraussetzungen des § 36 Abs. 2 Z 2 FrG erfüllt und es sei deshalb gemäß § 36 Abs. 1 FrG die Annahme gerechtfertigt, dass der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährde oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderlaufe. Verstärkt werde diese Annahme dadurch, dass der Beschwerdeführer mit Urteil des Bezirksgerichtes Feldkirch vom 17. April 1997 wegen des Vergehens nach § 36 Abs. 1 und 5 Waffengesetz zu einer bedingt nachgesehenen Geldstrafe verurteilt worden sei. Dem liege zugrunde, dass der Beschwerdeführer im Zeitraum August bis September 1996 "nacheinander" zwei Faustfeuerwaffen und Patronen in Bosnien erworben und nach Österreich eingeführt, bei sich zu Hause verwahrt und im Oktober 1996 eine Waffe wieder nach Bosnien ausgeführt habe, ohne im Besitz waffenrechtlicher Dokumente gewesen zu sein. Überdies sei der Beschwerdeführer - bereits davor - von dem genannten Gericht mit Urteil (richtig: Strafverfügung) vom 14. Februar 1997 wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Geldstrafe verurteilt worden. Dieser Verurteilung liege zugrunde, dass der Beschwerdeführer am 15. Dezember 1996 einem Anderen durch Schläge und Tritte Prellungen im Gesicht, im Brustbereich und am Oberschenkel zugefügt habe.

Unter dem Gesichtspunkt des § 37 FrG stellte die belangte Behörde fest, der Beschwerdeführer lebe seit 4. Oktober 1990 in Österreich und gehe hier einer Beschäftigung nach. Seine Eltern lebten in "Jugoslawien", ein Bruder in Skandinavien. Der Beschwerdeführer habe seit Beginn seines Aufenthaltes - ausgenommen wenige Tage im Februar 1993 - bis zum 20. August 1997 "durchgehend" über einen Sichtvermerk verfügt. Seit dem zuletzt genannten Zeitpunkt halte sich der Beschwerdeführer in Österreich unrechtmäßig auf.

In den weiteren Ausführungen verwies die belangte Behörde auf das "eminente" Interesse an einem geordneten Fremdenwesen und darauf, dass den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Befolgung durch die Normadressaten aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein sehr hoher Stellenwert zukomme. Auf Grund der Vielzahl der vom Beschwerdeführer begangenen strafbaren Handlungen und der darin zum Ausdruck kommenden Neigung, sich "beharrlich" über die Rechtsordnung hinwegzusetzen, sei auch weiterhin mit derartigen Verstößen zu rechnen. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes sei daher vor allem zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung sowie zur Verhinderung von strafbaren Handlungen dringend geboten.

Im Rahmen der Interessenabwägung (nach § 37 Abs. 2 FrG) sei der nahezu zehnjährige Aufenthalt des Beschwerdeführers sowie dessen langjährige Beschäftigung zu berücksichtigen. Diese integrationsbegründenden Umstände seien aber dadurch relativiert, dass der Beschwerdeführer sich derzeit unrechtmäßig in Österreich aufhalte und sein rechtmäßiger Aufenthalt "nur acht Jahre" gedauert habe. Weiters werde die "soziale Komponente der daraus ableitbaren Integration" durch sein strafbares Verhalten erheblich gemindert. In Bezug auf die gegenüberzustellenden öffentlichen Interessen sei zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer neben den Übertretungen nach dem Fremdengesetz und dem Meldegesetz auch andere schwere Verwaltungsübertretungen begangen habe, insbesondere wegen Fahrens in alkoholisiertem Zustand, das eine besondere Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer darstelle und als schwerwiegend zu bewerten sei. Das den angeführten Verwaltungsübertretungen und den erwähnten Gerichtsurteilen zugrunde liegende Gesamtverhalten lasse keine positive Zukunftsprognose zu. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers dränge daher unter Berücksichtigung aller Umstände und Abwägung der gegenläufigen Interessen das in hohem Maße bestehende öffentliche Interesse, den weiteren Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet zu untersagen, sein privates Interesse in den Hintergrund. Die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes wögen weit schwerer als dessen Auswirkungen auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Voraussetzung für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes ist gemäß § 36 Abs. 1 FrG die auf bestimmte Tatsachen gegründete Prognose, dass der (weitere) Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Z 2). Gemäß § 36 Abs. 2 Z 2 FrG gilt als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1, wenn der Fremde mehr als einmal (unter anderem) wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 99 Abs. 1 oder 2 der Straßenverkehrsordnung 1960 oder wegen einer schwerwiegenden Übertretung des Fremdengesetzes oder des Meldegesetzes 1991 rechtskräftig bestraft worden ist.

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass ausgehend von den festgestellten verwaltungsbehördlichen Bestrafungen vorliegend der zitierte Tatbestand des § 36 Abs. 2 FrG verwirklicht ist. Diese Beurteilung begegnet schon im Hinblick auf die zweimalige Bestrafung wegen unrechtmäßigen Aufenthaltes nach dem Fremdengesetz (vgl. dazu das Erkenntnis vom 21. September 2000, Zl. 2000/18/0095, und die daran anschließende Rechtsprechung) keinen Bedenken.

Mit dem Hinweis darauf, dass der Großteil der Bestrafungen das Jahr 1997 betreffe und der Beschwerdeführer danach nur noch (jeweils) einmal wegen Übertretung des Meldegesetzes und des Fremdengesetzes bestraft worden sei, wendet sich die Beschwerde aber im Ergebnis zu Recht gegen die von der belangten Behörde vorgenommene (negative) Prognosebeurteilung und betont in diesem Zusammenhang, aber auch unter dem Gesichtspunkt der Abwägung nach § 37 FrG, zutreffend den fast zehnjährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich und seine "vollständige" Integration.

Bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose ist im Grunde des - oben wiedergegebenen - § 36 Abs. 1 FrG das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahingehend vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die im Gesetz umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Dabei ist - anderes als bei der Frage, ob der Tatbestand des § 36 Abs. 2 (Z 1 oder jener der) Z 2 FrG erfüllt ist - nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zugrundeliegenden Straftaten und das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen (vgl. zuletzt das hg. Erkenntnis vom 18. März 2003, Zl. 99/21/0221).

Entgegen diesen Ausführungen hat sich die belangte Behörde bei ihren Feststellungen zu den dem Aufenthaltsverbot zugrunde gelegten verwaltungsbehördlichen Bestrafungen auf die Angabe der Aktenzahl, des Entscheidungsdatums und der Höhe der verhängten Geldstrafe sowie auf die Nennung der übertretenen Norm beschränkt. Es wurden weder die konkreten Tatzeitpunkte festgestellt, noch die näheren Umstände der einzelnen Tathandlungen beschrieben. Insbesondere fehlen auch Feststellungen zum Alkoholisierungsgrad bei der Bestrafung nach § 99 Abs. 1 StVO (vgl. dazu das Erkenntnis vom 26. Juni 2002, Zl. 98/21/0310) und eine Auseinandersetzung mit dem Einwand des Beschwerdeführers zu den Bestrafungen nach dem Fremdengesetz, der unrechtmäßige Aufenthalt resultiere lediglich aus einer nicht fristgerechten Antragstellung auf Verlängerung des Aufenthaltstitels. Ebenso wurden zu der von der belangten Behörde auch als ausschlaggebend angesehenen Übertretung des Meldegesetzes keine Feststellungen getroffen.

Derartige Feststellungen waren aber nicht schon deshalb entbehrlich, weil die verwaltungsbehördlichen Bestrafungen für sich genommen ausgereicht hätten, um eine negative Prognose im Sinne des § 36 Abs. 1 FrG treffen zu können. Zu Recht hat die Beschwerde nämlich darauf hingewiesen, dass der Großteil der Bestrafungen im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides mehr als zwei Jahre zurück lag, und es erfolgte lediglich in Bezug auf die Übertretung des Fremdengesetzes eine wiederholte Bestrafung. Der aufgezeigte Begründungsmangel wird aber auch nicht durch die Feststellungen hinsichtlich der den gerichtlichen Bestrafungen zugrunde liegenden Handlungen des Beschwerdeführers kompensiert. Abgesehen davon, dass die beiden Verurteilungen unter Bedachtnahme auf die §§ 31, 40 StGB als Einheit anzusehen sind, relativiert sich ihr Gewicht dadurch, dass diese Straftaten im Jahre 1996 begangen wurden. Angesichts dessen kommt diesem Fehlverhalten - wofür auch das Strafgericht jeweils nur bedingte Geldstrafen verhängt hat - auch für die im vorliegenden fremdenrechtlichen Verfahren anzustellende Prognose keine ausschlaggebende Bedeutung (mehr) zu.

Im Übrigen wären die erwähnten (von der belangten Behörde unterlassenen) Feststellungen auch im Hinblick auf die - durch seinen fast zehnjährigen, weitgehend rechtmäßigen Aufenthalt und die angenommene berufliche Integration in Österreich bewirkten - ausgeprägten privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich zur Nachvollziehbarkeit der Abwägung nach § 37 FrG erforderlich gewesen (vgl. zum Ganzen das bereits erwähnte Erkenntnis vom 18. März 2003, Zl. 99/21/0221, und auch das Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2000/21/0155).

Der angefochtene Bescheid war daher wegen der aufgezeigten Begründungsmängel gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001, wobei eine Umrechnung der nach § 24 Abs. 3 VwGG entrichteten Gebühr vorzunehmen war. Ein Ersatz der geltend gemachten Auslagen für Stempelmarken (für die der Beschwerde beigelegten Urkunden) war nicht zuzuerkennen, da diese im Hinblick auf die Regelung über die Eingabengebühr im § 24 Abs. 3 VwGG in der Fassung BGBl. I Nr. 88/1997 nicht zu entrichten gewesen wären (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 27. August 2002, Zl. 99/10/0019).

Wien, am 25. April 2003

Schlagworte

Begründung Begründungsmangel Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2000210051.X00

Im RIS seit

29.05.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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