TE Vwgh Erkenntnis 2003/4/29 98/14/0037

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Veröffentlicht am 29.04.2003
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Index

21/01 Handelsrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

EStG 1988 §5;
EStG 1988 §9 idF 1993/818;
EStG 1988 §9;
HVertrG 1993 §24;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und den Senatspräsidenten Dr. Karger sowie die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn und Dr. Robl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Racek, über die Beschwerde der I C Vertriebsgesellschaft mbH als Rechtsnachfolgerin der I C Vertriebsgesellschaft mbH & Co in B, vertreten durch Dr. Michael Pallauf, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Petersbrunnstraße 9, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich, Berufungssenat I, vom 30. Dezember 1997, RV/078-07/TH/97, betreffend einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften für die Jahre 1993 bis 1995 sowie Gewerbesteuer für das Jahr 1993, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen von 332 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die ihren Gewinn gemäß § 5 EStG 1988 ermittelnde Beschwerdeführerin bildete in den Streitjahren Rückstellungen von rund 871.000 S, 175.000 S und 167.000 S für Ausgleichsansprüche im Sinn des § 24 HVertrG 1993 der für sie tätigen Handelsvertreter.

Strittig ist, ob diese Rückstellungen als nach § 9 Abs 3 EStG 1988 in der Fassung des Steuerreformgesetzes 1993 anzusehende Verbindlichkeitsrückstellungen steuerlich zu berücksichtigen sind.

Die belangte Behörde vertritt im Wesentlichen unter Hinweis auf die hg Erkenntnisse vom 10. Februar 1987, 86/14/0120, Slg Nr 6188/F, und vom 21. Juni 1994, 91/14/0165, die Ansicht, der Ausgleichsanspruch eines Handelsvertreters stelle ungeachtet der durch das HVertrG 1993 geänderten Rechtslage nach wie vor einen Wertausgleich für zukünftig entgehende Provisionen dar. Der Ausgleichsanspruch stehe somit nicht mit bereits abgelaufenen Wirtschaftsperioden im Zusammenhang, in denen das Vertragsverhältnis mit einem Handelsvertreter aufrecht gewesen sei. Die gebildeten Rückstellungen seien daher mangels Bestehens von Verbindlichkeiten zum jeweiligen Bilanzstichtag steuerlich nicht zu berücksichtigen.

Hingegen meint die Beschwerdeführerin im Wesentlichen unter Hinweis auf Bertl/Eberhartinger, Rückstellung für Ausgleichsansprüche des Handelsvertreters, RWZ 1997, Seite 377, der Ausgleichanspruch eines Handelsvertreters entstehe bereits mit Beginn des Vertragsverhältnisses. Es sei daher für sie als Zahlungspflichtige nicht wesentlich, ob es sich bei dem Ausgleichsanspruch aus der Sicht eines Handelsvertreters um zukünftig entgehende Provisionen handle oder um eine "Nachvergütung" für bereits erbrachte Leistungen. Auch wenn der Ausgleichsanspruch nach § 24 HVertrG 1993 erst bei Beendigung des Vertragsverhältnisses und bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen fällig sei, werde dieser Anspruch bereits während des aufrechten Vertragsverhältnisses mit einem Handelsvertreter geschaffen, weswegen sie handelsrechtlich verpflichtet sei, generell Rückstellungen für Ausgleichsansprüche zu bilden. Der Ausgleichsanspruch eines Handelsvertreters sei überdies mit dem Abfertigungsanspruch eines Arbeitnehmers vergleichbar, wobei es unbestritten sei, dass für den Abfertigungsanspruch handelsrechtlich gebotene Rückstellungen zu bilden seien. Was für den Abfertigungsanspruch gelte, müsse daher auch für den Ausgleichsanspruch gelten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Wie der Verwaltungsgerichtshof in den Erkenntnissen vom 27. November 2001, 2001/14/0081, und vom 19. Dezember 2002, 2002/15/0146, unter Hinweis auf § 24 HVertrG 1993 sowie §§ 5 und 9 EStG 1988 ausgeführt hat, ist Voraussetzung für die Bildung einer Verbindlichkeitsrückstellung, dass im jeweiligen Einzelfall mit dem Vorliegen oder dem Entstehen einer wirtschaftlich in der Vergangenheit verursachten Verbindlichkeit ernsthaft zu rechnen ist. Die Verbindlichkeitsrückstellung ist ein Gewinnkorrektivum, das steuerlich in der Höhe zu berücksichtigen ist, in der der Erfolg des betreffenden Veranlagungszeitraumes voraussichtlich mit künftigen Ausgaben belastet werden wird. Da der Ausgleichsanspruch eines Handelsvertreters auf die Beendigung des Vertragsverhältnisses, die (während des aufrechten Vertragsverhältnisses erfolgte) Zuführung neuer Kunden (bzw die wesentliche Erweiterung bestehender Geschäftsverbindungen), die für einen Zahlungspflichtigen künftig zu erwartenden erheblichen Vorteile aus den Geschäftsbeziehungen zu den (neuen) Kunden und die Billigkeit unter Berücksichtigung der einem Handelsvertreter zukünftig entgehenden Provisionen abstellt, der Ausgleichsanspruch somit - aus der Sicht eines Handelsvertreters - mit dem Verlust künftiger Provisionen und - aus der Sicht eines Zahlungspflichtigen - mit zu erwartenden künftigen Vorteilen aus den Geschäftsbeziehungen mit von einem Handelsvertreter geworbenen Kunden zusammenhängt, liegt die wirtschaftliche Verursachung des Ausgleichsanspruches nicht in der Vergangenheit, sondern in der Zukunft, weshalb die Bildung einer Verbindlichkeitsrückstellung ausgeschlossen ist. Hinsichtlich weiterer Ausführungen wird gemäß § 43 Abs 2 zweiter Satz VwGG auf die genannten Erkenntnisse verwiesen.

Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich nicht veranlasst, von dieser Rechtsprechung abzugehen, die in ihren Grundzügen bereits in den von der belangten Behörde zur Stützung ihrer Ansicht zitierten (zur früheren Rechtslage ergangenen) hg Erkenntnissen dargestellt worden ist.

Da die Bildung von Rückstellungen für Ausgleichsansprüche im Sinn des § 24 HVertrG 1993 durch den steuerlichen Rückstellungsbegriff bzw ab dem Jahr 1994 durch § 9 EStG 1988 in der Fassung BGBl Nr 818/1993 ausgeschlossen ist (vgl nochmals das hg Erkenntnis vom 27. November 2001, 2001/14/0081), steht der angefochtene Bescheid schon deswegen nicht im Widerspruch zur vierten Richtlinie des Rates vom 25. Juli 1978, 78/660/EWG, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr L 222 vom 14. August 1978, Seite 11, in der Fassung vom 24. Juni 1994, betreffend den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen. Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich daher auch nicht veranlasst, dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften die vom Beschwerdeführer aufgeworfene Frage, ob der angefochtene Bescheid hinsichtlich seines Spruchbestandteiles für das Jahr 1995 zur eben erwähnten Richtlinie im Widerspruch steht, gemäß Art 234 EG zur Vorabentscheidung vorzulegen.

Die Beschwerde erweist sich als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl II Nr 501/2001.

Wien, am 29. April 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:1998140037.X00

Im RIS seit

13.06.2003

Zuletzt aktualisiert am

16.05.2013
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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