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90/01 Straßenverkehrsordnung;Norm
FSG 1997 §4 Abs3 idF 2001/I/025;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf, Dr. Gall, Dr. Pallitsch und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des C in W, vertreten durch Mag. Thomas Koller, Rechtsanwalt in 1180 Wien, Aumannplatz 1/Währinger Straße 162, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 29. Juni 2001, Zl. MA 65 - 8/81/2001, betreffend Anordnung einer Nachschulung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Aus einer Anzeige von Beamten des Gendarmeriepostens Y. vom 20. Mai 2000 geht hervor, dass der Beschwerdeführer als Inhaber eines "Probeführerscheines" am 20. Mai 2000 um 16.10 Uhr einen nach Marke und Kennzeichen näher bezeichneten Pkw im Ortsgebiet von Y. auf der G-Straße an einer näher bezeichneten Stelle mit einer Geschwindigkeit von 104 km/h gelenkt habe. Die an dieser Stelle festgesetzte erlaubte Höchstgeschwindigkeit betrage 50 km/h, womit sich eine Geschwindigkeitsüberschreitung von (abzüglich 3 km/h bzw. 3 %) 50,8 km/h ergebe. Die Geschwindigkeitsübertretung sei mit einem Laser-Messgerät festgestellt worden.
Mit rechtskräftigem Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Amstetten vom 8. August 2000 wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, er sei am 20. Mai 2000 um
16.10 Uhr im Ortsgebiet von Y. auf der G-Straße an einer näher bezeichneten Stelle mit einem nach dem Kennzeichen bestimmten Pkw schneller als die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h gefahren. Er habe dadurch eine Übertretung gemäß § 20 Abs. 2 StVO 1960 begangen. Über den Beschwerdeführer wurde gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO 1960 eine Geldstrafe in der Höhe von S 4.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 96 Stunden) verhängt.
Mit Bescheid vom 30. Jänner 2001 ordnete die Bundespolizeidirektion Wien gemäß § 4 Abs. 3 des Führerscheingesetzes (FSG) an, dass sich der Beschwerdeführer innerhalb von vier Monaten ab Zustellung dieses Bescheides einer Nachschulung (allgemeines Einstellungs- und Verhaltenstraining) zu unterziehen habe. Mit der Anordnung der Nachschulung verlängere sich gemäß § 4 Abs. 3 FSG die Probezeit um ein weiteres Jahr. Der Beschwerdeführer habe gemäß § 4 Abs. 3 FSG den am 19. Juli 1999 von der Bundespolizeidirektion Wien für die Klassen A und B ausgestellten Führerschein binnen drei Tagen ab Zustellung des Bescheides im Verkehrsamt der Bundespolizeidirektion Wien zur Eintragung der Verlängerung der Probezeit abzugeben. Einer eventuellen Berufung wurde gemäß § 4 Abs. 3 FSG die aufschiebende Wirkung aberkannt.
Mit Bescheid vom 29. Juni 2001 gab der Landeshauptmann von Wien der dagegen erhobenen Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge und bestätigte den angefochtenen Bescheid. In der Begründung führte der Landeshauptmann von Wien nach Wiedergabe der einschlägigen Rechtsvorschriften aus, dem angefochtenen Bescheid liege zugrunde, dass der Beschwerdeführer mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Amstetten vom 8. August 2000 wegen einer Übertretung nach § 20 Abs. 2 StVO 1960 rechtskräftig bestraft worden sei, weil er am 20. Mai 2000 die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h (um 50,8 km/h) überschritten habe. Hinsichtlich der Bindungswirkung sei auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, der zufolge kein Verfahrensmangel vorliege, wenn die Kraftfahrbehörde ihre Bindung an den im Verwaltungsstrafverfahren ergangenen rechtskräftigen Bescheid beachte und nicht neuerlich ein Ermittlungsverfahren betreffend jene Übertretung durchführe, die bereits Gegenstand des Verwaltungsverfahrens gewesen sei. Da die Bindungswirkung hinsichtlich des Ausmaßes der Geschwindigkeitsüberschreitung nicht bestehe, sei es Aufgabe der Führerscheinbehörde zu prüfen, in welchem Ausmaß die angelastete Überschreitung erfolgt sei. Im gegenständlichen Fall sei es als erwiesen anzusehen, dass auf Grund der Messung mittels Laser-Messgerät auf jeden Fall von einer Überschreitung von mehr als 20 km/h im Ortsgebiet ausgegangen werden könne, habe doch der Beschwerdeführer auch keine konkreten Angaben zum Ausmaß der Überschreitung gemacht. Ein Defekt des Messgerätes bzw. eine fehlerhafte Messung sei aus der Aktenlage nicht erkennbar und würden vom Beschwerdeführer solche Umstände auch nicht behauptet. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, ein Verstoß gegen § 20 StVO 1960 sei im Katalog des § 4 Abs. 6 Z. 1 FSG nicht enthalten, sei entgegenzuhalten, dass gemäß § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. a FSG jede Überschreitung der ziffernmäßig festgesetzten erlaubten Höchstgeschwindigkeit im Ausmaß von mehr als 20 km/h im Ortsgebiet als schwerer Verstoß gemäß § 4 Abs. 3 FSG zu gelten habe, weshalb dieses Vorbringen ins Leere gehen habe müssen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
1.1. Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des FSG (in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 25/2001) lauten (auszugsweise):
"§ 4. (1) Lenkberechtigungen für die Klassen A, B, C und D oder die Unterklasse C1, die Personen erteilt werden, die vorher keine in- oder ausländische Lenkberechtigung für eine dieser Klassen besessen haben, gelten auf zwei Jahre befristet (Probezeit). Diese Befristung ist in den Führerschein nicht einzutragen.
...
(3) Begeht der Besitzer der Lenkberechtigung innerhalb der Probezeit einen schweren Verstoß (Abs. 6) oder verstößt er gegen die Bestimmung des Abs. 7, so ist von der Behörde unverzüglich eine Nachschulung anzuordnen, wobei die Rechtskraft der Bestrafung wegen eines schweren Verstoßes abzuwarten ist. Berufungen gegen die Anordnung der Nachschulung haben keine aufschiebende Wirkung. Mit der Anordnung einer Nachschulung verlängert sich die Frist nach Abs. 1 jeweils um ein weiteres Jahr oder es beginnt eine neuerliche Probezeit von einem Jahr, wenn die Probezeit in der Zeit zwischen der Deliktsetzung und der Anordnung der Nachschulung abgelaufen ist; die Verlängerung oder der Neubeginn der Probezeit ist von der Wohnsitzbehörde dem Zentralen Führerscheinregister (§ 17) zu melden und in den Führerschein einzutragen. Der Besitzer des Probeführerscheines hat diesen der Wohnsitzbehörde zwecks Eintragung vorzulegen.
...
(6) Als schwerer Verstoß gemäß Abs. 3 gelten
...
2. mit technischen Hilfsmitteln festgestellte Überschreitungen einer ziffernmäßig festgesetzten erlaubten Höchstgeschwindigkeit im Ausmaß von
a) mehr als 20 km/h im Ortsgebiet ...
..."
1.2. Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen der StVO 1960 (in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 134/1999) lauten (auszugsweise):
"§ 20. ...
(2) Sofern die Behörde nicht gemäß § 43 eine geringere Höchstgeschwindigkeit erlässt oder eine höhere Geschwindigkeit erlaubt, darf der Lenker eines Fahrzeuges im Ortsgebiet nicht schneller als 50 km/h, auf Autobahnen nicht schneller als 130 km/h und auf den übrigen Freilandstraßen nicht schneller als 100 km/h fahren.
...
§ 99. ...
(3) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe bis zu 10.000 S, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu zwei Woche, zu bestrafen,
a) wer als Lenker eines Fahrzeuges, als Fußgänger, als Reiter oder als Treiber oder Führer von Vieh gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt und das Verhalten nicht nach den Abs. 1, 1a, 1b, 2, 2a, 2b oder 4 zu bestrafen ist.
..."
2. Unstrittig ist im Beschwerdefall, dass der Beschwerdeführer wegen der Geschwindigkeitsüberschreitung am 20. Mai 2000 mit rechtskräftigem Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Amstetten vom 8. August 2000 gemäß § 20 Abs. 2 in Verbindung mit § 99 Abs. 3 lit. a StVO 1960 bestraft worden ist.
In seiner Beschwerde wendet der Beschwerdeführer gegen die Anordnung der Nachschulung ein, der angefochtene Bescheid gehe aktenwidrigerweise davon aus, dass er wegen einer Verwaltungsübertretung bestraft worden sei, die unter den Katalog des § 4 Abs. 6 FSG falle. Die belangte Behörde habe wohl die Strafverfügung, nicht aber das Straferkenntnis, das in Rechtskraft erwachsen und somit allein maßgeblich sei, verwertet. Im Gegensatz zur Strafverfügung enthalte das Straferkenntnis keine ziffernmäßige Festlegung der Geschwindigkeit. Das rechtskräftige Straferkenntnis entfalte jedoch eine Bindungswirkung.
Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer jedoch keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bezieht sich die bindende Wirkung eines rechtskräftigen Straferkenntnisses bei den in § 4 Abs. 6 Z. 2 FSG aufgezählten Verstößen (mit technischen Hilfsmitteln festgestellte qualifizierte Geschwindigkeitsüberschreitungen) lediglich auf den Umstand, dass der Beschwerdeführer eine Geschwindigkeitsüberschreitung begangen hat, im gegebenen Zusammenhang somit schneller als 50 km/h im Ortsgebiet gefahren ist. Hinsichtlich des Ausmaßes der Geschwindigkeitsüberschreitung jedoch bewirkt eine rechtskräftige Bestrafung wegen Übertretung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit nach § 20 Abs. 2 StVO 1960 keine Bindung der Kraftfahrbehörde. Es obliegt daher der Kraftfahrbehörde, auf einer unbedenklichen Beweiswürdigung beruhende Feststellungen zum Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung zu treffen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Februar 2001, Zl. 98/11/0306).
Die belangte Behörde stützte sich im angefochtenen Bescheid hinsichtlich des Umstandes, dass der Beschwerdeführer eine Geschwindigkeitsüberschreitung begangen hat, also im Ortsgebiet schneller als 50 km/h gefahren ist, ausdrücklich auf das rechtskräftige Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Amstetten vom 8. August 2000. Was das von der belangten Behörde festgestellte Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung (50,8 km/h) betrifft, so hat der Beschwerdeführer weder in seiner Berufung noch in der Beschwerde vorgebracht, zum maßgeblichen Zeitpunkt im Ortsgebiet von Y. mit einer Geschwindigkeit von weniger als 104 km/h gefahren zu sein. Angesichts fehlender Bestreitung des Ausmaßes der in Rede stehenden Geschwindigkeitsüberschreitung sowie eines konkreten Beschwerdevorbringens, das geeignet wäre, Zweifel an der - unstrittig - mit einem Laser-Messgerät durchgeführten Messung der Geschwindigkeit entstehen zu lassen, kann die Qualifikation der Geschwindigkeitsüberschreitung als schwerer Verstoß im Sinne des § 4 Abs. 3 FSG durch die belangte Behörde und ihre darauf gestützte Anordnung der Nachschulung durch den angefochtenen Bescheid nicht als rechtswidrig erkannt werden.
Wenn der Beschwerdeführer schließlich vorbringt, der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Berufung sei rechtswidrig gewesen, so ist zwar einzuräumen, dass Berufungen gegen die Anordnung einer Nachschulung gemäß § 4 Abs. 3 FSG schon ex lege (§ 4 Abs. 3 zweiter Satz FSG) keine aufschiebende Wirkung haben, ein Ausschluss derselben durch die Behörde daher nicht vorgesehen ist. Durch den von der belangten Behörde bestätigten, von der Behörde erster Instanz dennoch ausgesprochenen Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Berufung gegen den Anordnungsbescheid wurde der Beschwerdeführer aber nicht in Rechten verletzt.
Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
3. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001, BGBl. II Nr. 501.
Wien, am 29. April 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2001110287.X00Im RIS seit
26.06.2003