TE Vwgh Erkenntnis 2003/4/29 2001/11/0400

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Veröffentlicht am 29.04.2003
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Index

90/02 Führerscheingesetz;

Norm

FSG 1997 §8 Abs2 idF 1999/I/134;
FSG-GV 1997 §17 idF 1998/II/138;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf, Dr. Gall, Dr. Pallitsch und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des F in G, vertreten durch Dr. Ulrich O. Daghofer, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Albrechtgasse 3, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 1. Februar 2000, Zl. 11-39-648/99-4, betreffend Erteilung einer Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit mündlich verkündetem Bescheid vom 16. September 1993 erteilte die Bundespolizeidirektion Graz dem Beschwerdeführer eine bis zum 16. September 1998 befristete Lenkerberechtigung für die Gruppen A und B.

Am 6. August 1998 beantragte der Beschwerdeführer bei der Bundespolizeidirektion Graz die Erteilung (Verlängerung) der Lenkberechtigung für die Klassen A und B.

Der Beschwerdeführer legte daraufhin der Bundespolizeidirektion Graz einen Befund des Institutes für medizinische und chemische Laboratoriumsdiagnostik vom 19. August 1998 vor. Nach diesem Befund beträgt sein CDT-Wert 5,2 %, wobei der Referenzbereich mit 0 bis 6 % angegeben wird. Der YGT-Wert beträgt laut diesem Befund 17 U/l bei einem Referenzbereich von 6 bis 28 U/l.

Der Beschwerdeführer unterzog sich am 13. Oktober 1998 einer verkehrspsychologischen Untersuchung beim Kuratorium für Verkehrssicherheit in Graz. Die mit 20. Oktober 1998 datierte verkehrspsychologische Stellungnahme gemäß § 17 der Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung (FSG-GV) enthält Ausführungen über kraftfahrspezifische Leistungsfunktionen, von der Durchführung der Persönlichkeitstests (fahrverhaltensrelevante Einstellungen und Persönlichkeitsmerkmale) wurde auf Grund von Lese- und Verständnisschwierigkeiten Abstand genommen. Im Bereich der kraftfahrspezifischen Leistungsfunktionen wurde im Teilbereich "Beobachtungsfähigkeit" zur visuellen Auffassung des Beschwerdeführers die Bewertung "reduzierte Sorgfaltsleistung und deutlich reduziertes Arbeitstempo", zur Überblicksgewinnung "deutlich verminderte Leistung" angegeben. Im Teilbereich "Reaktionsverhalten" wurden zur Reaktionszeit "verlängerte mittlere Reaktionszeiten", zur Reaktionssicherheit "vermehrte Entscheidungsfehler" sowie zur Belastbarkeit "in allen drei Phasen vermehrte verzögerte Reaktionen und vermehrte Reaktionsauslassungen, in Phase 2 vermehrte Fehlreaktionen" angeführt. Im Teilbereich "Konzentrationsfähigkeit" ist von "deutlich reduziertem Arbeitstempo", im Teilbereich "Koordination der Muskelbewegungen" von "vermehrten Koordinationsfehlern sowohl bei vorgegebenem als auch bei selbst gewähltem Tempo", im Teilbereich "Intelligenz und Erinnerungsvermögen" von "im Durchschnittsbereich" die Rede. In der Zusammenfassung der verkehrspsychologischen Stellungnahme wird ausgeführt, die visuelle Auffassung (Labyrinth-Test) sei hinsichtlich des Arbeitstempos und der Sorgfaltsleistung beeinträchtigt. Die Überblicksgewinnung (Tachistoskoptest) sei vermindert. Die mit dem DR2 geprüften mittleren Reaktionszeiten seien deutlich verlängert, die Reaktionssicherheit sei durch vermehrte Entscheidungsfehler beeinträchtigt. Unter Belastungsbedingungen im Test mit dem Determinationsgerät (RST3) komme es in allen drei Phasen zu auffällig vermehrten verzögerten Reaktionen und zu vermehrten Reaktionsauslassungen; in Phase 2 komme es zu vermehrten Fehlreaktionen. Die Überprüfung der Konzentrationsfähigkeit (Q1- Test) habe ein deutlich reduziertes Arbeitstempo ergeben. Die sensomotorische Koordinationsfähigkeit (Wr. Fahrstand) sei durch vermehrte Koordinationsfehler sowohl bei selbst gewähltem als auch bei vorgegebenem Tempo gekennzeichnet. Es bestünden somit wesentliche Beeinträchtigungen in den Bereichen der Beobachtungsfähigkeit, der Konzentrationsfähigkeit, des Reaktionsverhaltens und der Sensomotorik. Seitens der Persönlichkeit des Untersuchten fänden sich im explorativen Gespräch Hinweise auf das Vorliegen wesentlicher kraftfahrspezifischer Fehleinstellungen. Es sei als äußerst problematisch zu beurteilen, dass der Untersuchte angebe, sich trotz einer Alkoholisierung von ca. 2 Promille in seiner Fahrtüchtigkeit nicht beeinträchtigt und nicht betrunken gefühlt zu haben. Im Zusammenhang mit dieser hohen Alkoholisierung erschienen auch die Angaben zu den Alkoholtrinkgewohnheiten einer sehr starken Dissimulationstendenz zu unterliegen. Die hohe Alkoholisierung spreche auch für eine deutlich erhöhte Alkoholverträglichkeit. Die psychologische Problematik der erhöhten Alkoholverträglichkeit bestehe darin, dass eine körpereigene Rückmeldung erst zu einem Zeitpunkt erfolge, in dem die Willenskontrolle durch die Alkoholwirkung bereits beeinträchtigt sei und somit die Gefahr bestehe, dass trotz verspürter Alkoholwirkung auf das Autofahren nicht verzichtet werde. Die Wahrscheinlichkeit neuerlicher alkoholassoziierter Auffälligkeit im Straßenverkehr sei daher wesentlich erhöht. Sowohl die deutlichen Beeinträchtigungen der kraftfahrspezifischen Leistungsfunktionen und die relativ hohe Spürgrenze (3 bis 4 Bier) sprächen eher für einen regelmäßig überhöhten Alkoholkonsum. Die Analyse der Vorgeschichte (zwei Vorfälle) zeige auch eine reduzierte Lernfähigkeit, da sich trotz negativer Verhaltenskonsequenzen keine nachhaltige Einstellungs- und Verhaltensänderung vollzogen habe. Auf Grund dieser Befunde seien somit ausreichende kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit und ausreichende Bereitschaft zur Verkehrsanpassung derzeit nicht gegeben. Der Beschwerdeführer sei daher aus verkehrspsychologischer Sicht zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klassen A und B derzeit nicht geeignet.

Aus dem im Verwaltungsakt erliegenden Gutachten des Amtsarztes der Bundespolizeidirektion Graz vom 10. November 1998 gemäß § 8 des Führerscheingesetzes (FSG) ergibt sich, dass der Beschwerdeführer als zum Lenken eines Kraftfahrzeuges der Gruppe 1 nicht geeignet befunden wurde. In der handschriftlichen Begründung wurde lapidar ausgeführt, beim Beschwerdeführer bestehe ein Zustand nach mehreren "Alkofahrten", zuletzt 1997 mit 2 Promille. Beim Beschwerdeführer bestünden erheblich eingeschränkte kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeiten in allen Bereichen, die die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen ausschlössen. Eventuell sei eine Verbesserung möglich.

Mit Bescheid vom 17. Februar 1999 gab die Bundespolizeidirektion Graz dem Antrag des Beschwerdeführers auf Verlängerung der Gültigkeit seiner bis zum 16. September 1998 befristet gewesenen Lenkberechtigung für die Klassen A und B gemäß § 5 Abs. 4 i.V.m. § 8 Abs. 1 FSG mangels der gesundheitlichen Eignung keine Folge. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, laut amtsärztlichem Gutachten vom 10. November 1998, welches sich auf einen CDT-Wert des Instituts für medizinische und chemische Laboratoriumsdiagnostik vom 19. August 1998 und auf eine verkehrspsychologische Stellungnahme des Kuratoriums für Verkehrssicherheit vom 20. Oktober 1998 stütze, sei der Beschwerdeführer zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klassen A und B gesundheitlich nicht geeignet.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung.

Der Landeshauptmann von Steiermark holte daraufhin neuerlich ein amtsärztliches Gutachten ein. Die amtsärztliche Sachverständige verweist in ihrem Gutachten vom 16. Juli 1999 auf einen vom Beschwerdeführer beigebrachten psychiatrischen Facharztbefund vom 11. Jänner 1999, wonach psychiatrischerseits Substanzabhängigkeit mit periodischem Alkoholmissbrauch bestehe und sich beim Beschwerdeführer ferner eine Persönlichkeitsstörung mit einer Misstrauenshaltung und mit Hinweisen auf sensitive Charakterzüge finde. Die amtsärztliche Sachverständige führt schließlich aus, beim Beschwerdeführer liege psychiatrischerseits eine Substanzabhängigkeit mit periodischem Alkoholmissbrauch vor. Die vom Facharzt für Psychiatrie diagnostizierte Persönlichkeitsstörung mit Misstrauenshaltung könne auch im Rahmen der erstinstanzlichen und im Rahmen der zweitinstanzlichen amtsärztlichen Untersuchung im Sinne von Gedankensprüngen in Form von Gedankenflucht festgestellt werden. Im Rahmen der verkehrspsychologischen Tests festgestellte Beeinträchtigungen könnten auch im Rahmen der amtsärztlichen Untersuchung diagnostiziert werden (Verlangsamung, reduziertes Arbeitstempo). Zusammenfassend könne daher davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer derzeit zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klassen A und B gesundheitlich nicht geeignet sei.

Mit Bescheid vom 1. Februar 2000 wies der Landeshauptmann von Steiermark die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab. In der Begründung führte der Landeshauptmann von Steiermark nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und des amtsärztlichen Gutachtens vom 16. Juli 1999 im Wesentlichen aus, die belangte Behörde stimme mit diesem durchaus schlüssigen Gutachten, welches dem ausgewiesenen Vertreter des Beschwerdeführers zur Kenntnis gebracht worden sei, überein.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte - unvollständig (es fehlt der psychiatrische Facharztbefund vom 11. Jänner 1999, auf welchen sich die amtsärztliche Sachverständige in ihrem Gutachten vom 16. Juli 1999 bezieht) - die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

1.1. Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des FSG (in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 134/1999) lauten (auszugsweise):

"§ 3. (1) Eine Lenkberechtigung darf nur Personen erteilt werden, die:

...

3. gesundheitlich geeignet sind, ein Kraftfahrzeug zu lenken (§§ 8 und 9),

...

§ 8. (1) Vor der Erteilung einer Lenkberechtigung hat der Antragsteller der Behörde ein ärztliches Gutachten vorzulegen, dass er zum Lenken von Kraftfahrzeugen gesundheitlich geeignet ist. Das ärztliche Gutachten darf im Zeitpunkt der Entscheidung nicht älter als ein Jahr sein und ist von einem im örtlichen Wirkungsbereich der Behörde, die das Verfahren zur Erteilung der Lenkberechtigung durchführt, in die Ärzteliste eingetragenen sachverständigen Arzt für Allgemeinmedizin zu erstellen.

(2) Sind zur Erstattung des ärztlichen Gutachtens besondere Befunde oder im Hinblick auf ein verkehrspsychologisch auffälliges Verhalten eine Stellungnahme einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle erforderlich, so ist das ärztliche Gutachten von einem Amtsarzt zu erstellen; der Antragsteller hat diese Befunde oder Stellungnahmen zu erbringen. Wenn im Rahmen der amtsärztlichen Untersuchung eine sichere Entscheidung im Hinblick auf die gesundheitliche Eignung nicht getroffen werden kann, so ist erforderlichenfalls eine Beobachtungsfahrt anzuordnen.

..."

1.2. Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen der FSG-GV (in der Fassung der Novelle BGBl. II Nr. 138/1998) lauten (auszugsweise):

"§ 2.

...

(4) Bei der Erstellung des ärztlichen Gutachtens darf keine fachärztliche oder verkehrspsychologische Stellungnahme miteinbezogen werden, die älter als sechs Monate ist. Aktenkundige Vorbefunde sind jedoch heranzuziehen, um einen etwaigen Krankheitsverlauf beurteilen zu können. Zu diesem Zweck hat die Behörde dem Sachverständigen bei Nachuntersuchungen in diese Vorbefunde Einsicht zu gewähren.

...

§ 3. (1) Als zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer bestimmten Fahrzeugklasse im Sinne des § 8 FSG gesundheitlich geeignet gilt, wer für das sichere Beherrschen dieser Kraftfahrzeuge und das Einhalten der für das Lenken dieser Kraftfahrzeuge geltenden Vorschriften

1. die nötige körperliche und psychische Gesundheit besitzt,

...

4. aus ärztlicher Sicht über die nötige kraftfahrspezifische psychophysische Leistungsfähigkeit verfügt.

Kraftfahrzeuglenker müssen die für ihre Gruppe erforderlichen gesundheitlichen Voraussetzungen gemäß den nachfolgenden Bestimmungen erfüllen. Um die gesundheitliche Eignung nachzuweisen, ist der Behörde ein ärztliches Gutachten gemäß § 8 Abs. 1 oder 2 FSG vorzulegen.

...

§ 5. (1) Als zum Lenken von Kraftfahrzeugen hinreichend gesund gilt eine Person, bei der keine der folgenden Krankheiten festgestellt wurde:

...

4. schwere psychische Erkrankungen gemäß § 13 sowie:

a)

Alkoholabhängigkeit oder

b)

andere Abhängigkeiten, die das sichere Beherrschen des Kraftfahrzeuges und das Einhalten der für das Lenken des Kraftfahrzeuges geltenden Vorschriften beeinträchtigen könnten,

...

(2) Wenn sich aus der Vorgeschichte oder bei der Untersuchung zur Feststellung der Gesundheit gemäß Abs. 1 Z 1 ein krankhafter Zustand ergibt, der die Eignung zum Lenken eines Kraftfahrzeuges einschränken oder ausschließen würde, ist gegebenenfalls eine fachärztliche Stellungnahme einzuholen; bei Erkrankungen gemäß Abs. 1 Z 2, 3 und 4 ist eine entsprechende fachärztliche Stellungnahme einzuholen, die die kraftfahrspezifischen psychophysischen Leistungsfunktionen mitzubeurteilen hat. Bei Erkrankungen gemäß Abs. 1 Z 4 lit. a und b ist zusätzlich eine verkehrspsychologische Stellungnahme einzuholen.

...

§ 13. (1) Als ausreichend frei von psychischen Krankheiten im Sinne des § 3 Abs. 1 Z 1 gelten Personen, bei denen keine Erscheinungsformen von solchen Krankheiten vorliegen, die eine Beeinträchtigung des Fahrverhaltens erwarten lassen. Wenn sich aus der Vorgeschichte oder bei der Untersuchung der Verdacht einer psychischen Erkrankung ergibt, der die psychische Eignung zum Lenken eines Kraftfahrzeuges einschränken oder ausschließen würde, ist eine psychiatrische fachärztliche Stellungnahme beizubringen, die die kraftfahrspezifischen psychophysischen Leistungsfunktionen mitbeurteilt.

...

§ 14. (1) Personen, die von Alkohol, einem Sucht- oder Arzneimittel abhängig oder den Konsum dieser Mittel nicht so weit einschränken können, dass sie beim Lenken eines Kraftfahrzeuges nicht beeinträchtigt sind, darf, soweit nicht Abs. 4 anzuwenden ist, eine Lenkberechtigung weder erteilt noch belassen werden. Personen, bei denen der Verdacht einer Alkohol-, Suchtmittel- oder Arzneimittelabhängigkeit besteht, haben eine fachärztliche psychiatrische Stellungnahme beizubringen.

...

§ 18.

...

(2) Für die Überprüfung der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit sind insbesondere folgenden Fähigkeiten zu überprüfen:

1.

Beobachtungsfähigkeit sowie Überblicksgewinnung,

2.

Reaktionsverhalten, insbesondere die Geschwindigkeit und Sicherheit der Entscheidung und Reaktion sowie die Belastbarkeit des Reaktionsvermögens,

3.

Konzentrationsvermögen,

4.

Sensomotorik und

5.

Intelligenz und Erinnerungsvermögen.

..."

              2.              Die Begründung der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid, die ihrer Entscheidung das amtsärztliche Gutachten vom 16. Juli 1999 zu Grunde gelegt hat, erschöpft sich im Wesentlichen darin, dass sie mit diesem "durchaus schlüssigen Gutachten" übereinstimme. Die amtsärztliche Sachverständige hat in der Begründung ihres Gutachtens vom 16. Juli 1999 die Annahme der mangelnden gesundheitlichen Eignung des Beschwerdeführers vor allem darauf gestützt, dass bei ihm eine "Substanzabhängigkeit mit periodischem Alkoholmissbrauch" und eine "Persönlichkeitsstörung mit Misstrauenshaltung" bestehe, und hat sich dabei auf den vom Beschwerdeführer beigebrachten psychiatrischen Facharztbefund vom 11. Jänner 1999 bezogen. Dies ist jedoch mit § 2 Abs. 4 FSG-GV, wonach bei der Erstellung des ärztlichen Gutachtens keine fachärztliche Stellungnahme miteinbezogen werden darf, die älter als sechs Monate ist, nicht vereinbar (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Mai 2002, Zl. 2000/11/0242).

Der angefochtene Bescheid ist darüber hinaus in weiteren Punkten mit wesentlichen Verfahrensmängeln behaftet.

Wenn die amtsärztliche Sachverständige die Annahme der mangelnden gesundheitlichen Eignung des Beschwerdeführers auf eine "Substanzabhängigkeit mit periodischem Alkoholmissbrauch" stützt, so geht aus dieser Formulierung und auch aus dem Gutachten nicht hervor, von welcher Substanz der Beschwerdeführer in concreto abhängig sein soll. Das amtsärztliche Gutachten enthält keine Feststellungen, dass der Beschwerdeführer alkoholabhängig im Sinne des § 14 Abs. 1 erster Fall FSG-GV sei. Gegen das Vorliegen einer Alkoholabhängigkeit spricht im Übrigen auch der vom Beschwerdeführer vorgelegten Befund des Institutes für medizinische und chemische Laboratoriumsdiagnostik vom 19. August 1998, welcher dem Beschwerdeführer einen im Referenzbereich liegenden CDT-Wert bescheinigt. Dem amtsärztlichen Gutachten liegt kein aktueller Befund zu Grunde, der einen erhöhten CDT-Wert enthält. Für die Annahme, dass der Beschwerdeführer den Konsum von Alkohol nicht so weit einschränken kann, dass er beim Lenken eines Kraftfahrzeuges nicht beeinträchtigt ist (§ 14 Abs. 1 zweiter Fall FSG-GV), fehlt es im amtsärztlichen Gutachten ebenfalls an jeglichen Feststellungen.

Was die "Persönlichkeitsstörung mit Misstrauenshaltung" anlangt, so bezieht sich die amtsärztliche Sachverständige dabei offensichtlich auf die Bestimmung des § 13 FSG-GV. Gemäß § 13 Abs. 1 FSG-GV gelten als ausreichend frei von psychischen Krankheiten im Sinne des § 3 Abs. 1 Z. 1 FSG-GV Personen, bei denen keine Erscheinungsformen von solchen Krankheiten vorliegen, die eine Beeinträchtigung des Fahrverhaltens erwarten lassen. Dass es sich bei der festgestellten "Persönlichkeitsstörung mit Misstrauenshaltung" um eine solche psychische Krankheit handelt, die eine Beeinträchtigung des Fahrverhaltens erwarten lässt, wird im Gutachten nicht dargelegt.

Wenn die amtsärztliche Sachverständige schließlich die gesundheitliche Eignung des Beschwerdeführers auch wegen der bei den verkehrspsychologischen Tests festgestellten Beeinträchtigungen (Verlangsamung, reduziertes Arbeitstempo) verneint, so geht sie offensichtlich von einer mangelnden kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit aus. Dabei ist aber für den Verwaltungsgerichtshof nicht nachvollziehbar, auf welche verkehrspsychologischen Tests sich die amtsärztliche Sachverständige überhaupt bezieht. Sollte sich die amtsärztliche Sachverständige aber auf die verkehrspsychologische Stellungnahme vom 20. Oktober 1998 stützen, so wäre dies mit § 2 Abs. 4 FSG-GV, wonach bei der Erstellung des ärztlichen Gutachtens keine verkehrspsychologische Stellungnahme miteinbezogen werden darf, die älter als sechs Monate ist, nicht vereinbar. Im Übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof, was den Aspekt der ausreichenden kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit anlangt, schon in seiner bisherigen Judikatur die Auffassung vertreten, dass im Einzelfall nachvollziehbar sein muss, warum Testergebnisse eines Probanden nach Auffassung der verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle außerhalb der Norm liegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Mai 2002, Zl. 2002/11/0061). Im vorliegenden Fall waren Grundlage der Beurteilung der kraftfahrspezifischen Leistungsfunktionen des Beschwerdeführers offenbar die bei den einzelnen Tests erzielten Testwerte in den Teilbereichen Beobachtungsfähigkeit, Reaktionsverhalten, Konzentrationsfähigkeit und Koordination der Muskelbewegungen. Die darauf abgeleiteten Beurteilungen der einzelnen Leistungsfunktionen sind allerdings mangels Angabe der jeweiligen der Beurteilung zu Grunde gelegten, nach dem Erkenntnisstand der Verkehrspsychologie maßgebenden Grenzwerte nicht nachvollziehbar. Hinzu tritt, dass den beigefügten Bewertungen wie "reduzierte Sorgfaltsleistung und deutlich reduziertes Arbeitstempo", "deutlich verminderte Leistung", "verlängerte mittlere Reaktionszeiten", "vermehrte Entscheidungsfehler", "in allen drei Phasen vermehrte verzögerte Reaktionen und vermehrte Reaktionsauslassungen, in Phase 2 vermehrte Fehlreaktionen", "deutlich reduziertes Arbeitstempo", "vermehrte Koordinationsfehler sowohl bei vorgegebenem als auch bei selbst gewähltem Tempo" mangels Bezugnahme auf den jeweiligen Grenzwert nicht entnehmbar ist, ob (und in welchem Ausmaß) dieser erreicht oder verfehlt wurde. Darüber hinaus lässt die zusammenfassende Beurteilung nicht erkennen, auf Grund welchen Erfahrungswissens davon auszugehen ist, dass bei Personen, die Testwerte wie der Beschwerdeführer erreichen, von einer Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen bereits nicht mehr gesprochen werden kann.

Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

              3.              Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001, BGBl. II Nr. 501.

Wien, am 29. April 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2001110400.X00

Im RIS seit

26.06.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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