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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
BAO §115 Abs1;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2002/16/0007Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde 1.) des PS und
2.) der DS, beide in R und vertreten durch Dr. Gerhard Thaler und Mag. Josef Kunzenmann, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Leopoldstraße 16/I, gegen die Bescheide des Berufungssenates VI der Region Linz bei der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 12. November 2001, zu 1.) Zl. ZRV111/1-L6/01 und zu
2.) Zl. ZRV112/1-L6/01, betreffend Eingangsabgaben, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Der Erstbeschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- und die Zweitbeschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 291,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheiden vom 13. Mai 1998 schrieb das Hauptzollamt Innsbruck (HZA) den beschwerdeführenden Parteien die gemäß Art. 202 Abs. 1 lit. a und Abs. 3 dritter Anstrich Zollkodex (ZK) in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Zollrechts-Durchführungsgesetz (ZollR-DG) für 784 Stangen (156.800 Stück) Zigaretten verschiedener Marken entstandenen Eingangsabgaben im Gesamtbetrag von S 278.670,-- vor. Dies mit der Begründung, die beschwerdeführenden Parteien hätten im Zeitraum März 1997 bis April 1998 insgesamt 784 Stangen Zigaretten verschiedener Marken, die von einem Unbekannten in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht worden seien, durch Ankauf an sich gebracht, obwohl ihnen die ausländische Herkunft bekannt gewesen sei.
Gegen diese Bescheide erhoben die beschwerdeführenden Parteien Berufungen, in denen sie vorbrachten, es habe sich um maximal 200 Stangen Zigaretten gehandelt. Die Aussage des näher bezeichneten Zeugen sei unrichtig. Die Person, die angeblich die Schmuggeltransporte durchgeführt habe, sei nicht einvernommen worden.
Mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 3. Dezember 1999 wurden die beschwerdeführenden Parteien schuldig erkannt, in der Zeit von März 1997 bis Ende April 1998, in der Absicht sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, eine näher bezeichnete Person dadurch zum vorschriftswidrigen Verbringen eingangsabgabepflichtiger Waren in das Zollgebiet der Europäischen Gemeinschaften bestimmt zu haben, dass sie diese um Durchführung von Schmuggeltransporten von 784 Stangen Zigaretten ausländischer Herkunft mittels Reisebussen ersuchten und ihr dafür einen Fuhrlohn bezahlten. Die beschwerdeführenden Parteien hätten dadurch das Finanzvergehen des gewerbsmäßigen Schmuggels nach den §§ 11 zweite Alternative, 35 Abs. 1 lit. a und 38 Abs. 1 lit. a FinStrG sowie das Finanzvergehen des vorsätzlichen Eingriffs in die Rechte des Tabakmonopols nach den §§ 11 zweite Alternative und 44 Abs. 1 lit. b FinStrG begangen. Das Landesgericht Innsbruck stellte in der Begründung seines Urteils fest, dass sie diese Menge auch erhalten haben.
Das Oberlandesgericht Innsbruck gab den Berufungen der beschwerdeführenden Parteien keine Folge und erhöhte auf Grund der Berufung der Staatsanwaltschaft die verhängten Geldstrafen.
Mit Berufungsvorentscheidungen vom 18. Juli 2000 wies das HZA die von den beschwerdeführenden Parteien erhobenen Berufungen als unbegründet ab.
Mit den angefochtenen Bescheiden wies die belangte Behörde die gegen die Berufungsvorentscheidungen erhobenen Beschwerden an den Berufungssenat als unbegründet ab. In der Begründung der angefochtenen Bescheide heißt es, nach dem im Zeitraum der Einbringung der Zigaretten geltenden Recht für die Gestellung von Waren hätte die erforderliche Mitteilung bei der Zollstelle mündlich, schriftlich oder durch Vorlage von Begleitpapieren erfolgen müssen. Eine solche Gestellung in dieser Form sei anlässlich der Einbringung der Zigaretten in das Zollgebiet der Gemeinschaft nicht erfolgt. Es sei eine vorschriftswidrige Verbringung im Sinne des Art. 202 Abs. 1 Buchstabe a ZK vorgelegen und die Vorschreibung der Eingangsabgabenschuld auf Grundlage dieser Bestimmung sei zu Recht erfolgt. Ein die angefochtenen Bescheide mit Rechtswidrigkeit behaftender Verfahrensmangel liege nicht vor. Dem Einwand der beschwerdeführenden Parteien, die Rechtsansicht hinsichtlich der Bindungswirkung an das strafrechtliche Urteil sei unrichtig, sei entgegenzuhalten, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine bindende Wirkung an das Urteil des Strafgerichtes insoweit bestehe, als es sich auf die im Spruch festgelegten Tatsachen erstrecke. Es bestehe aber nicht nur eine Bindung an den Spruch des Strafurteils, sondern auch an die die Grundlage des Spruches bildenden Feststellungen. Die Abgabenbehörde sei zur Übernahme der strafgerichtlichen Ermittlungsergebnisse in das Abgabenverfahren berechtigt, ohne dass gegen die Ermittlungspflicht verstoßen werde. Die im Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 3. Dezember 1999 enthaltenen Sachverhaltsfeststellungen seien mit dem von den beschwerdeführenden Parteien dargelegten, in der Niederschrift des HZA vom 28. April 1998 festgehaltenen Sachverhalt deckungsgleich. Es sei als erwiesen anzunehmen, dass die beschwerdeführenden Parteien an der Einbringung der Zigaretten nach Österreich beteiligt gewesen seien, und diese vom Einbringer direkt übernommen und veräußert hätten. Der Zollschuldtatbestand des Art. 202 Abs. 1 Buchstabe a iVm Abs. 3 dritter Anstrich ZK stelle auf den Erwerb bzw. den Besitz einer vorschriftswidrig in das Zollgebiet verbrachten Ware und darauf ab, dass der Erwerber im Zeitpunkt des Erwerbes oder Erhalts der Ware vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass diese vorschriftswidrig in das Zollgebiet verbracht worden seien. Das Ansichbringen und die Veräußerung der Zigaretten hätten die beschwerdeführenden Parteien nicht in Abrede gestellt. Auf Grund der Menge und der Aufmachung der Zigaretten hätten die beschwerdeführenden Parteien wissen müssen, dass diese vorschriftswidrig in das Zollgebiet verbracht worden seien. Die Verbringung der Zigaretten sei durch die beschwerdeführenden Parteien nicht persönlich im Reiseverkehr erfolgt, sodass die Voraussetzungen für die Eingangsabgabenbefreiung für Reisegut nicht in Frage komme.
Gegen diese Bescheide richten sich die Beschwerden, mit denen sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Die beschwerdeführenden Parteien erachten sich in ihrem Recht auf Nichtgeltendmachung der Eingangsabgaben verletzt.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete Gegenschriften, in denen sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat die beiden Rechtssachen zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und darüber erwogen:
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entfaltet ein rechtskräftiges Strafurteil bindende Wirkung hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen, auf denen sein Spruch beruht, wozu jene Tatumstände gehören, aus denen sich die jeweilige strafbare Handlung nach ihren gesetzlichen Tatbestandsmerkmalen zusammensetzt. Ein vom bindenden Strafurteil abweichendes Abgabenverfahren würde zu Lasten der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes einer Durchbrechung der materiellen Rechtskraft und einer unzulässigen Kontrolle der Organe der Rechtsprechung durch die Verwaltung gleichkommen; die Bindungswirkung erstreckt sich auf die vom Gericht festgestellten und durch den Spruch gedeckten Tatsachen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. März 2000, Zl. 99/16/0141).
Mit dem rechtskräftig gewordenen Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 3. Dezember 1999 wurden die beschwerdeführenden Parteien des gewerbsmäßigen Schmuggels und des vorsätzlichen Eingriffes in die Rechte des Tabakmonopols hinsichtlich einer Menge von 784 Stangen Zigaretten als Bestimmungstäter schuldig erkannt. Mit der Rechtskraft dieses Strafurteils bestand für die Abgabenbehörde - und auch für den Verwaltungsgerichtshof (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 1985, Zl. 83/16/0093) - Bindungswirkung betreffend die Menge der eingeschmuggelten Zigaretten.
Auch soweit die beschwerdeführenden Parteien die angefochtenen Bescheide mit den Argumenten bekämpfen, die festgestellte Menge von 784 Stangen Zigaretten sei unrichtig, es seien Zeugen nicht einvernommen worden bzw. nicht glaubwürdig, es liege eine unrichtige Beweiswürdigung vor, es seien Ermittlungsergebnisse außer Acht gelassen und die Zigaretten seien gestellt worden, übersehen sie die Bindungswirkung des genannten Urteils des Landesgerichtes Innsbruck. Die belangte Behörde hatte auf Grund dieser Bindungswirkung von einer Menge von 784 Stangen Zigaretten auszugehen.
Gemäß Art. 202 Abs. 1 lit. a ZK entsteht eine Einfuhrzollschuld, wenn eine einfuhrabgabepflichtige Ware vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht wird.
Zollschuldner sind nach Art. 202 Abs. 3 ZK (erster Anstrich) die Person, welche die Ware vorschriftswidrig in dieses Zollgebiet verbracht hat; (zweiter Anstrich) die Personen, die an diesem Verbringen beteiligt waren, obwohl sie wussten oder vernünftigerweise hätten wissen müssen, dass sie damit vorschriftswidrig handeln; (dritter Anstrich) die Personen, welche die betreffende Ware erworben oder im Besitz gehabt haben, obwohl sie in dem Zeitpunkt des Erwerbs oder Erhalts der Ware wussten oder vernünftigerweise hätten wissen müssen, dass diese vorschriftswidrig in das Zollgebiet verbracht worden war.
Die belangte Behörde stellte in den angefochtenen Bescheiden fest und dies wird in den Beschwerden nicht konkret in Abrede gestellt, dass die beschwerdeführenden Parteien die Zigaretten an sich gebracht haben und vernünftigerweise wissen mussten, dass diese Zigaretten vorschriftswidrig in das Zollgebiet verbracht worden sind. Auf Grund dieses Verhaltens sind die beschwerdeführenden Parteien Zollschuldner nach Art. 203 Abs. 3 dritter Anstrich ZK für die nach Art 203 Abs. 1 ZK vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbrachten einfuhrabgabepflichtige Zigaretten.
Auf Grund des rechtskräftigen Strafurteiles besteht - wie bereits dargelegt - eine Bindungswirkung der belangten Behörde an die Menge der geschmuggelten Zigaretten. In einem solchen Fall kann, entgegen der Ansicht der beschwerdeführenden Parteien, im Abgabenverfahren die Menge der geschmuggelten Zigaretten mit der Behauptung, darunter hätte sich auch eingangsabgabenbefreites Reisegut befunden, nicht verringert werden, weil nur die geschmuggelten und nicht die eingangsabgabenbefreiten Zigaretten Gegenstand des Gerichtsurteils waren.
Die Beschwerden zeigten eine Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide nicht auf und waren daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Der Vorlageaufwand war auf Grund der gemeinsamen Aktenvorlage nur einmal zuzusprechen.
Wien, am 30. April 2003
Schlagworte
Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Entscheidungsrahmen und Überprüfungsrahmen des VwGH Allgemein Individuelle Normen und Parteienrechte Bindung der Verwaltungsbehörden an gerichtliche Entscheidungen VwRallg9/4European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2002160006.X00Im RIS seit
24.06.2003