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65 Pensionsrecht für BundesbediensteteNorm
B-VG Art18 Abs2Leitsatz
Feststellung der Gesetzwidrigkeit einer Wortfolge in der Pensionssicherungsbeitragsverordnung 1996 nach Aufhebung der gesetzlichen Grundlagen im Pensionsgesetz und im Nebengebührenzulagengesetz mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes; Anlaßfallwirkung im weiteren Sinn auch für die Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer VerordnungSpruch
Die in §1 Z1 der Pensionssicherungsbeitragsverordnung 1996, BGBl. Nr. 72, enthaltene Wortfolge "dem Pensionsgesetz 1965, BGBl. Nr. 340, dem Nebengebührenzulagengesetz, BGBl. Nr. 485/1971," war gesetzwidrig.
Die Bundesregierung ist verpflichtet, diesen Ausspruch unverzüglich im Bundesgesetzblatt II kundzumachen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Unter Berufung auf (u.a.) §13a Abs2 PensionsG 1965 und §5a NebengebührenzulagenG (beide idF des Pensionsreform-Gesetzes 1993, BGBl. 334) erließ die Bundesregierung (in dem am 23. Mai 1995 ausgegebenen 109. Stück des Bundesgesetzblattes des Jahrganges 1995 unter Nr. 354) die 2. Pensionssicherungsbeitragsverordnung 1995 mit folgendem Wortlaut:
"§1. Die Höhe des Pensionssicherungsbeitrages wird
1. für Leistungen nach dem Pensionsgesetz 1965, BGBl. Nr. 340, dem Nebengebührenzulagengesetz, BGBl. Nr. 485/1971, dem Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, BGBl. Nr. 302/1984, dem Land- und forstwirtschaftlichen Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, BGBl. Nr. 296/1985, der Bundesforste-Dienstordnung 1986, BGBl. Nr. 298, dem Dorotheumsgesetz, BGBl. Nr. 66/1979, dem Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, BGBl. Nr. 333, und dem Bundestheaterpensionsgesetz, BGBl. Nr. 159/1958, soweit die zugrundeliegenden Ansprüche nicht auf Ballettmitglieder, Bläser und Solosänger zurückgehen, mit 1,62%,
2. für Leistungen nach dem Bundestheaterpensionsgesetz, soweit die zugrundeliegenden Ansprüche auf Ballettmitglieder, Bläser und Solosänger zurückgehen, mit 1,99%, und
3. für Leistungen nach dem Bezügegesetz, BGBl. Nr. 273/1972, und dem Verfassungsgerichtshofgesetz, BGBl. Nr. 85/1953, mit 5,61%
festgesetzt.
§2. Diese Verordnung tritt mit 1. Mai 1995 in Kraft."
2. In gleicher Weise erließ die Bundesregierung für den Geltungszeitraum ab 1. Jänner 1996 die - am 13. Feber 1996 im Bundesgesetzblatt des Jahrganges 1996 unter Nr. 72 kundgemachte - Pensionssicherungsbeitragsverordnung 1996 mit folgenden Wortlaut:
"§1. Die Höhe des Pensionssicherungsbeitrages wird
1. für Leistungen nach dem Pensionsgesetz 1965, BGBl. Nr. 340, dem Nebengebührenzulagengesetz, BGBl. Nr. 485/1971, dem Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, BGBl. Nr. 302/1984, dem Land- und forstwirtschaftlichen Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, BGBl. Nr. 296/1985, der Bundesforste-Dienstordnung 1986, BGBl. Nr. 298, dem Dorotheumsgesetz, BGBl. Nr. 66/1979, dem Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, BGBl. Nr. 333, und dem Bundestheaterpensionsgesetz, BGBl. Nr. 159/1958, mit 1,5%, und
2. für Leistungen nach dem Bezügegesetz, BGBl. Nr. 273/1972, und dem Verfassungsgerichtshofgesetz, BGBl. Nr. 85/1953, mit 5,49%
festgesetzt.
§2. Diese Verordnung tritt mit 1. Jänner 1996 in Kraft."
3. Aus Anlaß einer bei ihm (unter B1063/96) protokollierten Beschwerde leitete der Verfassungsgerichtshof gemäß Art140 Abs1 B-VG bzw. 139 Abs1 B-VG von Amts wegen Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §13a Abs3 PensionsG 1965 sowie des §5a NebengebührenzulagenG (jeweils idF des Pensionsreform-Gesetzes 1993) bzw. der Gesetzmäßigkeit der 2. Pensionssicherungsbeitragsverordnung 1995, BGBl. 354, ein und sprach mit Erkenntnis vom 13. Dezember 1999, G139,140/99, V78/99, aus, daß die in Prüfung gezogenen Gesetzesbestimmungen verfassungswidrig und die in §1 Z1 der
2. Pensionssicherungsbeitragsverordnung 1995, BGBl. 354, enthaltene Wortfolge "dem Pensionsgesetz 1965, BGBl. Nr. 340, dem Nebengebührenzulagengesetz, BGBl. Nr. 485/1971," gesetzwidrig waren.
II. 1. Mit Bescheid vom 6. März 1996 stellte das Bundesrechenamt (nunmehr: Bundespensionsamt) fest, daß vom Ruhegenuß und der Nebengebührenzulage des Beschwerdeführers, eines Bundesbeamten des Ruhestandes, gemäß §13b Abs1 und 2 PensionsG 1965 und gemäß §5a NebengebührenzulagenG ein Pensionssicherungsbeitrag einbehalten werde, der zum 1. Jänner 1996 1,5 v.H. betrage. Die dagegen an das Bundesministerium für Finanzen erhobene Berufung blieb erfolglos. Der Bundesminister begründete seinen abweisenden Bescheid (vom 14. Mai 1996) im Hinblick darauf, daß der Beschwerdeführer die Erhöhung des Pensionssicherungsbeitrages ab 1. Mai 1995 um 1,5 % (auf 1,62 %) und die Festsetzung ab 1. Jänner 1996 mit 1,5 % als gesetzwidrig kritisierte, im wesentlichen unter Bezugnahme auf §13a Abs3 des PensionsG 1965 (idF des Pensionsreform-Gesetzes 1993) damit, daß bei der Festsetzung der Höhe des Pensionssicherungsbeitrages sehr wohl auch eine Veränderung der Höhe des Pensionsbeitrages gemäß §22 des GehaltsG 1956 zu berücksichtigen sei, soweit dessen Höhe 10,25 überschreite. Der Pensionsbeitrag sei mit Wirkung vom 1. Mai 1995 von 10,25 % um 1,5 Prozentpunkte auf 11,75 % erhöht worden. Diese Veränderung habe vom Beirat für die Gleichwertigkeit der Pensionssysteme, der nach §13c PensionsG 1965 beim Bundeskanzleramt einzurichten sei, berücksichtigt werden müssen; der Beirat habe sein Gutachten über die Höhe des Pensionssicherungsbeitrages unter Bedachtnahme auf die Erhöhung des Pensionsbeitrages um 1,5 Prozentpunkte erstellt; in dem dem Bundeskanzler vorgelegten Gutachten sei daher der Pensionssicherungsbeitrag mit Wirksamkeit vom 1. Mai 1995 mit 1,62 angeführt worden. Die Bundesregierung habe sodann auf Antrag des Bundeskanzlers gemäß §13a des PensionsG 1965 und unter Bedachtnahme auf das Gutachten des Beirates durch Verordnung im Einvernehmen mit dem Hauptausschuß des Nationalrates die Höhe des Pensionssicherungsbeitrages festgesetzt, und zwar für Leistungen nach dem PensionsG 1965 mit 1,62 %. Unter Berücksichtigung der zum 1. Jänner 1996 erfolgten Anhebung der Pensionen in der gesetzlichen Sozialversicherung habe die Bundesregierung sodann aufgrund eines neuen Gutachtens des Beirates für die Gleichwertigkeit der Pensionssysteme mit der am 1. Jänner 1996 in Kraft getretenen Verordnung, BGBl. 72/1996, die Höhe des Pensionssicherungsbeitrages mit 1,5 festgesetzt. Das Bundesrechenamt habe somit aufgrund der erlassenen Verordnungen völlig zu Recht die Höhe des Pensionssicherungsbeitrages festgestellt.
2. Gegen diesen Berufungsbescheid des Bundesministers für Finanzen richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte (am 5. Juli 1996 beim Verfassungsgerichtshof eingebrachte) Beschwerde, in welcher der Beschwerdeführer die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte behauptet und insbesondere die Verordnungen BGBl. 354/1995 und BGBl. 72/1996 im Zusammenhang mit der Einführung des §13a im PensionsG 1965 durch das Pensionsreform-Gesetz 1993 als gesetzwidrig kritisiert.
3. Der Bundesminister für Finanzen erstattete unter Aktenvorlage eine Gegenschrift, in welcher er die Abweisung der Beschwerde begehrt.
III. 1. Aufgrund folgender Erwägungen beschloß der Verfassungsgerichtshof im geschilderten Beschwerdeverfahren, gemäß Art139 Abs1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit der in §1 Z1 der PensionssicherungsbeitragsV 1996, BGBl. 72, enthaltenen Wortfolge "dem Pensionsgesetz 1965, BGBl. Nr. 340, dem Nebengebührenzulagengesetz, BGBl. Nr. 485/1971," einzuleiten:
"Gemäß Art140 Abs7 B-VG ist eine als verfassungswidrig erkannte Gesetzesbestimmung auf die vor der Kundmachung der Feststellung verwirklichten Tatbestände weiterhin anzuwenden, sofern der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis nicht anderes ausspricht; dies scheint auch für eine darauf gestützte Verordnung zu gelten. Von dieser Wirkung ist nur der Anlaßfall, anläßlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahrens tatsächlich eingeleitet worden ist, ausgenommen. Einem Anlaßfall (im engeren Sinn) sind jedoch nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg. 10616/1985, 11711/1988) jene Fälle gleichzuhalten, die zu Beginn der mündlichen Verhandlung (bei deren Unterbleiben zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) im Gesetzesprüfungsverfahren bereits anhängig waren. Die nichtöffentliche Beratung im Gesetzes- und Verordnungsprüfungsverfahren G139,140/99, V78/99 begann am 13. Dezember 1999; die am 5. Juli 1996 eingebrachte Beschwerde war somit zu diesem Zeitpunkt bereits anhängig.
Der Verfassungsgerichtshof geht vorläufig davon aus, daß die Anlaßfallwirkung (im weiteren Sinn) auch für die Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung gilt, die ihre Grundlage in der als verfassungswidrig erkannten Gesetzesbestimmung hat (aber nicht Gegenstand des Normprüfungsverfahrens war). Auch für ein solches Verordnungsprüfungsverfahren scheint die Anwendbarkeit der als verfassungswidrig erkannten Norm beseitigt zu sein (vgl. VfSlg. 13010/1992). Geht man von dieser Annahme aus, so bestehen gegen die Gesetzmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Wortfolge in der Pensionssicherungsbeitragsverordnung 1996 grundsätzlich die gleichen Bedenken, welche zur Feststellung geführt haben, daß die gleichlautende Wortfolge in §1 Z1 der
2. Pensionssicherungsbeitragsverordnung 1995 gesetzwidrig war."
2. Die Bundesregierung sah unter Hinweis auf das Erkenntnis G139,140/99, V78/99 von einer Äußerung ab.
IV. Das Verordnungsprüfungsverfahren ist zulässig; es ist nämlich nichts hervorgekommen, was gegen die Zulässigkeit der Anlaßbeschwerde oder die Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Wortfolge sprechen würde.
Die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes erweisen sich auch als gerechtfertigt:
Mit der Feststellung des Verfassungsgerichtshofes vom 13. Dezember 1999 im Verfahren G139,140/99, V78/99, daß §13a Abs3 des Pensionsgesetzes 1965 sowie §5a des Nebengebührenzulagengesetzes (jeweils in der Fassung des Pensionsreform-Gesetzes 1993, BGBl. 334) verfassungswidrig waren (vgl. die Kundmachung durch den Bundeskanzler vom 8. Feber 2000 im BGBl. I 10/2000), ist auch der in Prüfung genommenen Wortfolge in §1 Z1 der PensionssicherungsbeitragsV 1996 die gesetzliche Grundlage entzogen. Wie im Prüfungsbeschluß näher dargelegt wurde, steht Art140 Abs7 B-VG dieser Rechtsfolge nicht entgegen. Die Anlaßfallwirkung (im weiteren Sinn) gilt nämlich auch für die Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung, die ihre Grundlage in einer als verfassungswidrig erkannten Gesetzesbestimmung hat, zwar nicht Gegenstand des betreffenden Normprüfungsverfahrens jedoch zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung zu diesem Verfahren bereits beim Verfassungsgerichtshof anhängig war. Es würde sonst in der Tat allein von Umständen im Bereich des Gerichtshofes abhängen, ob ein Beschwerdefall Anlaßfall eines Normprüfungsverfahrens wird (vgl. VfSlg. 13010/1992).
Die in Prüfung gezogene Wortfolge in §1 Z1 der PensionssicherungsbeitragsV 1996 ist somit aus demselben wie im Erkenntnis G139,140/99, V78/99 hinsichtlich der 2.
PensionssicherungsbeitragsV 1995 dargelegten Grund als gesetzwidrig zu beurteilen.
V. Im Hinblick auf das Außerkrafttreten der als gesetzwidrig erkannten Rechtsvorschrift durch das Strukturanpassungsgesetz 1996, BGBl. 201, hatte sich der Verfassungsgerichtshof auf den Ausspruch zu beschränken, daß die betreffende Bestimmung gesetzwidrig war.
VI. Diese Entscheidung wurde gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung gefällt.
Schlagworte
Dienstrecht, Ruhegenuß, Pensionssicherungsbeitrag, VfGH / Anlaßverfahren, VfGH / Aufhebung WirkungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2000:V4.2000Dokumentnummer
JFT_09999698_00V00004_00