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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §45 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winter, über die Beschwerde des A in Oberperfuß, vertreten durch Dr. Friedrich Hohenauer, Rechtsanwalt in 6010 Innsbruck, Templstraße 16, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 30. Jänner 2001, Zl. uvs- 2000/20/169-1, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer vorgeworfen, er habe am 11. Februar 2000 um 7.50 Uhr in Innsbruck, in der Erlerstraße 10 in Fahrtrichtung Süden ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug ("KKW") gelenkt, und einem Fußgänger, der sich auf dem Schutzweg befunden habe, und einem Kind und einem Erwachsenen, welche diesen Schutzweg erkennbar hätten benützen wollen, das unbehinderte und ungefährdete Überqueren der Fahrbahn nicht ermöglicht. Dadurch habe er gegen § 9 Abs. 2 StVO 1960 verstoßen, über ihn wurde gemäß § 99 Abs. 3 lit. a leg. cit. eine Geldstrafe in der Höhe von S 1.500,-- (Ersatzarreststrafe im Fall der Uneinbringlichkeit in der Höhe von einem Tag) verhängt.
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, es sei im Beschwerdefall strittig, in wie weit sich der im Schuldvorwurf gefasste Sachverhalt tatsächlich so ereignet habe. In diesem Punkt würden die Ausführungen des Meldungslegers sowie jene des Beschwerdeführers weitgehend auseinandergehen. In seinem Einspruch gegen die von der Erstbehörde erlassene Strafverfügung (mit einem im Wesentlichen gleichlautenden Schuldvorwurf) habe der Beschwerdeführer u.a. ausgeführt, dass er sich dem Schutzweg genähert habe und dabei weder auf der rechten noch der linken Straßenseite erkennbar gewesen sei, dass ein oder mehrere Fußgänger die Fahrbahn am Schutzweg hätten überqueren wollen. In dem Moment, als er den Schutzweg passiert habe, hätten sich zwei Fußgänger von Westen kommend dem Schutzweg genähert, ferner seien zu diesem Zeitpunkt "am Gebäude ca. 2 m vor der Gehsteigkante (ein älterer Herr mit grauem Hut und eine Frau)" gewesen. Ca. 20 bis 30 m nach dem Passieren des Schutzweges habe der Beschwerdeführer im Rückspiegel gesehen, wie der Polizist (der Meldungsleger) in die Straßenmitte gegangen sei und dem Beschwerdeführer nachschauend eine Notiz aufgenommen habe. Der Beschwerdeführer sei dann nochmals zum Schutzweg gefahren und habe sich über die Situation erkundigt, ob er sich etwas zu Schulden habe kommen lassen. Dies habe der Polizist bejaht und gesagt, dass er einen Fußgänger gefährdet hätte. Auf die Antwort des Beschwerdeführers, dass er genau wüsste, dass ein älterer Herr mit Hut und eine Frau noch ca. 2 m von der Gehsteigkante entfernt gewesen wären, als er über den Schutzweg gefahren wäre, hätte der Polizist wie folgt geantwortet: "Ich kenne den Herrn und dieser wird bestätigen, dass er auf der Straße stand und von mir behindert wurde". In einem "Bericht" vom 5. Oktober 2000 habe der Meldungsleger zu diesem Einspruch Stellung genommen und seine Anzeige "inhaltlich voll aufrecht" erhalten. Es sei unbestritten, dass der Meldungsleger zum Tatzeitpunkt im Nahebereich des Schutzweges gestanden sei und dessen Aufgabe u.a. auch darin bestanden habe, das Verkehrsgeschehen im Bereich des Schutzweges zu beobachten. Einem geschulten Organ der Straßenaufsicht wie dem Meldungsleger müsse zugemutet werden, dass er beurteilen könne, ob und inwieweit einem Fußgänger das ungehinderte Überqueren eines Schutzweges nicht ermöglicht worden sei. Im vorliegenden Fall sei vom Meldungsleger die Beobachtung wiedergegeben worden, dass ein Kind und ein Erwachsener den dortigen Schutzweg überqueren hätten wollen und sich ein weiterer Erwachsener am Schutzweg befunden hätte. In dem genannten Bericht habe sich der Meldungsleger dabei auch auf seine Aufzeichnungen bezogen. Für die belangte Behörde ergebe sich kein Anhaltspunkt dafür, dass der Meldungsleger eine ihm unbekannte Person wahrheitswidrig belastet und in seinen Aufzeichnungen einen Sachverhalt niedergeschrieben hätte, welcher sich gar nicht zugetragen habe. Dabei sei darauf hinzuweisen, dass nach den Beobachtungen des Meldungslegers nicht nur ein Fußgänger, sondern insgesamt drei Fußgänger am Schutzweg behindert worden seien. Für die belangte Behörde ergebe sich kein Hinweis dafür, dass der Meldungsleger diesbezüglich einem Irrtum unterlegen wäre. Somit könne das Vorliegen eines Irrtums mit großer Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, es könne auch nicht von einer wissentlichen "Falschanzeige" ausgegangen werden, weshalb die belangte Behörde von der Richtigkeit des in der Anzeige umschriebenen Sachverhalts ausgehe. Insofern gebe die belangte Behörde der Sachverhaltsdarstellung durch den Meldungsleger den Vorzug gegenüber der Darstellung des Beschwerdeführers.
2. Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Akten des Verwaltungsstrafverfahrens erwogen:
2.1. Im vorliegenden Fall hat der im Verwaltungsstrafverfahren anwaltlich nicht vertretene Beschwerdeführer (wie die auszugsweise Wiedergabe des angefochtenen Bescheides oben zeigt) nicht bloß die ihm vorgehaltenen Ermittlungsergebnisse für unrichtig erklärt, sondern (von Anfang an und im wesentlichen gleichbleibend) eine konkrete Gegendarstellung zu dem vom Meldungsleger geschilderten Ablauf des Verkehrsgeschehens gegeben. Bei dieser Sachlage wäre es erforderlich gewesen, die Feststellungen zum maßgeblichen Sachverhalt nicht bloß auf die Anzeige und den im angefochtenen Bescheid genannten Bericht des Meldungslegers zu stützen, vielmehr wäre dieser jedenfalls auch - was im Verwaltungsstrafverfahren unterlassen wurde - als Zeuge einzuvernehmen gewesen, um seine Aussagen würdigen und den Aussagen des nach Ausweis der Verwaltungsstrafakten von der Erstbehörde einvernommenen Beschwerdeführers gegenüberstellen zu können (vgl. dazu das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 26. Juni 1978, Slg. Nr. 9602 A/1978); dazu hätte die belangte Behörde eine öffentliche mündliche Verhandlung (§ 51 e VStG) durchzuführen gehabt, zumal bei dieser die widersprüchlichen Angaben der Genannten unmittelbar geklärt hätten werden können. Insofern hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit einem wesentlichen Verfahrensmangel belastet, kann doch nicht ausgeschlossen werden, dass sie bei Unterlassen dieses Mangels zu einem anderen, für den Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis gelangt wäre.
2.2. Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
2.3. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 30. April 2003
Schlagworte
Beweismittel Zeugenbeweis Gegenüberstellung Beweismittel Zeugenbeweis Zeugenaussagen von Amtspersonen freie BeweiswürdigungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2001030081.X00Im RIS seit
02.06.2003