Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §66 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winter, über die Beschwerde des F in Mitterberghütten, vertreten durch Dr. Longin Josef Kempf und Dr. Josef Maier, Rechtsanwälte in 4722 Peuerbach, Steegenstraße 3, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 26. April 2001, Zl. uvs-2001/K6/021-5, betreffend Übertretung des Güterbeförderungsgesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird hinsichtlich des Schuldspruches als unbegründet abgewiesen. Im Übrigen, also hinsichtlich des Ausspruches über die verhängte Strafe und die diesbezüglichen Kosten des Berufungsverfahrens, wird der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, er habe als Lenker eines nach den Kennzeichen bestimmten Sattelkraftfahrzeuges am 24. August 2000 eine Transitfahrt durch das Gebiet der Republik Österreich auf der Strecke A 12 Inntalautobahn von Deutschland kommend und in Richtung Italien fahrend durchgeführt und dabei eine vorgeschriebene Ökokarte mit der erforderlichen Anzahl von geklebten und entwerteten Ökopunkten oder ein im Kraftfahrzeug eingebautes elektronisches Gerät, das eine automatische Entwertung der Ökopunkte ermögliche (Ecotag), auf Verlangen der Kontrollorgane des Landesgendarmeriekommandos für Tirol, Verkehrsabteilung Wiesing, am 24. August 2000 um 0.30 Uhr auf der
A 12 im Gemeindegebiet von Kundl, bei km 24,3, nicht zur Prüfung vorgelegt. Im gegenständlichen Sattelzugfahrzeug sei zwar ein Ecotag installiert gewesen, jedoch sei dieses unberechtigterweise auf ökopunktbefreite Fahrt gestellt gewesen, sodass eine automatische Abbuchung und Entwertung der erforderlichen Ökopunkte nicht möglich gewesen sei.
Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 23 Abs. 1 Z. 1 des Güterbeförderungsgesetzes 1995 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 und Abs. 2 der Verordnung (EG) 3298/94 idF der Verordnungen (EG) Nr. 1524/96 und Nr. 609/2000 begangen, über ihn wurde gemäß § 23 Abs. 1 Z. 8 iVm § 23 Abs. 2 zweiter Satz des Güterbeförderungsgesetzes 1995 und Art. 5 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 3298/94 eine Geldstrafe von S 20.000,-- (EUR 1.453,46), sowie eine Ersatzfreiheitsstrafe von fünf Tagen, verhängt.
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass nach einer mündlichen Berufungsverhandlung auf Grund des durchgeführten Beweisverfahrens feststehe, dass der Beschwerdeführer am Tattag die näher umschriebene ökopunktpflichtige Transitfahrt durchgeführt habe, wobei er den im LKW angebrachten Umweltdatenträger (Ecotag) auf ökopunktbefreite Fahrt gestellt habe, sodass es zu keiner Abbuchung von Ökopunkten gekommen sei. Vom Beschwerdeführer sei auch "keine für die konkrete Fahrt bezughabende Cemt-Genehmigung" mitgeführt worden. Dieser habe gegenüber dem kontrollierenden Gendarmeriebeamten angegeben, dass er "von der Firma" den Auftrag erhalten hätte, "so (gemeint ohne Entrichtung von Ökopunkten)" durch Österreich zu fahren, um sich die Ökopunkte zu sparen, wobei an sich genug Ökopunkte vorhanden gewesen wären. Diese Feststellungen ergäben sich auf der Grundlage der glaubwürdigen Aussagen des Meldungslegers, welcher einen guten und glaubwürdigen Eindruck hinterlassen habe, in Verbindung mit der von ihm erstatteten Anzeige vom 24. August 2000. Es hätten sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die in der Anzeige festgehaltenen Angaben unrichtig wären. Aus der Anzeige gehe hervor, dass vom Kontrollorgan die Frachtpapiere überprüft worden seien. Weiters gehe hervor, dass im Zuge der Kontrolle festgestellt worden sei, dass die Transitdeklaration bei der Einfahrt "ökopunktbefreite Fahrt" gewesen sei, und dem Beschwerdeführer diesbezüglich auch ein Vorhalt gemacht worden sei. Der Meldungsleger habe auch angegeben, dass die mit der Berufung vorgelegten Dokumente nicht ausreichend gewesen wären, um vom Vorliegen einer gültigen CEMT-Genehmigung auszugehen. Hiefür wäre ein Fahrtenberichtsheft notwendig gewesen, in welchem Anfangs- und Endpunkt der konkreten Fahrt anzuführen gewesen wären. Die in Kopie vorgelegten Dokumente stellten lediglich ein CEMT-Kontrolldokument für "Supergrüne und sichere Kraftfahrzeuge" sowie eine Jahresgenehmigung für das Jahr 2000 für die "T.R. und S P.G.m.b.h. in B.-4710 Lontzen" dar. Auch dies spreche dafür, dass eine vollständige, somit insbesondere das Fahrtenberichtsheft umfassende CEMT-Genehmigung, nicht vorhanden gewesen sei. In Anbetracht der glaubwürdigen Angaben des Meldungslegers in Verbindung mit den Ausführungen in der Anzeige, wonach der Beschwerdeführer offensichtlich auftragsgemäß ohne Vorliegen einer CEMT-Genehmigung - zum Einsparen von Ökopunkten - auf ökopunktbefreite Fahrt deklariert habe, sowie unter Bedachtnahme darauf, dass der Beschwerdeführer seiner Mitwirkungspflicht bislang nicht nachgekommen sei (die Behauptung, eine CEMT-Genehmigung mitgeführt zu haben, sei erstmals in der Berufung erhoben worden, weiters würden Anhaltspunkte dafür, dass auch ein Fahrtenberichtsheft mitgeführt worden sei, in welchem die konkrete Fahrt ordnungsgemäß eingetragen worden wäre, nicht bestehen), habe für die belangte Behörde keine Veranlassung bestanden, weitere Beweise aufzunehmen. In Bezug auf die namhaft gemachte Zeugin hätten sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass diese bei der Durchführung der Fahrt anwesend gewesen wäre und sie eine zuverlässige Angabe hinsichtlich des Mitführens der vollständigen CEMT-Genehmigung hätte machen können. Der Beschwerdeführer habe es auch nicht im Sinn des § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG glaubhaft zu machen vermocht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden treffe. Bei pflichtgemäßer Aufmerksamkeit hätte er die strafbare Handlung als solche erkennen können, müsse doch von einem eine Transitfahrt mit einem Lastkraftwagen durchführenden Lenker verlangt werden, dass er sich mit den einschlägigen Rechtsnormen vertraut mache. Der Beschwerdeführer habe die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung in subjektiver und objektiver Hinsicht zu verantworten.
2. Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Akten des Verwaltungsstrafverfahrens und der Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
2.1. Gemäß § 23 Abs. 1 Z. 8 Güterbeförderungsgesetz 1995 (in der Fassung BGBl. Nr. 17/1998) begeht eine Verwaltungsübertretung, wer unmittelbar anwendbare Vorschriften der Europäischen Union über den Güterverkehr auf der Straße verletzt, sofern dies nicht nach anderen Vorschriften zu bestrafen ist. Als solche Vorschriften der Europäischen Union kommen im Beschwerdefall die Regelungen in dem den EU-Beitrittsakten beigefügten Protokoll Nr. 9 über den Straßen- und Schienenverkehr sowie den kombinierten Verkehr in Österreich, BGBl. Nr. 45/1995 - mit dem die wesentlichen Regelungen des Transitabkommens, BGBl. Nr. 823/1992, übernommen wurden, das primärrechtlichen Rang hat und entspreche dem Art. 2 der EU-Beitrittsakte für Österreich und die anderen neuen Mitgliedstaaten das am 31. Dezember 1994 vorhandene Primärrecht modifizierte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1997, Zl. 96/03/0385) - und weiters die Verordnung (EG) Nr. 3298/94 der Kommission vom 21. Dezember 1994, in der Fassung der Verordnungen der Kommission vom 21. Dezember 1994, in der Fassung der Verordnungen der Kommission (EG) Nr. 1524/96 vom 30. Juli 1996 und (EG) Nr. 609/2000 vom 21. März 2000 in Betracht.
Gemäß Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 3298/94 der Kommission in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1524/96 der Kommission hat der Fahrer eines Lastkraftwagens im Hoheitsgebiet Österreichs "die nachstehend angeführten Unterlagen mitzuführen und diese auf Verlangen den Aufsichtsbehörden zur Prüfung vorzulegen, entweder:
a) ein ordnungsgemäß ausgefülltes Einheitsformular oder eine österreichische Bestätigung der Entrichtung von Ökopunkten für die betreffende Fahrt; ein Muster dieser als "Ökokarte" bezeichneten Bestätigung ist in Anhang A enthalten; oder
b) ein im Kraftfahrzeug eingebautes elektronisches Gerät, das eine automatische Entwertung der Ökopunkte ermöglicht und als "Umweltdatenträger" ("Ecotag") bezeichnet wird; oder
c) die in Artikel 13 aufgeführten geeigneten Unterlagen zum Nachweis darüber, dass es sich um eine Fahrt gemäß Anhang C handelt, für die keine Ökopunkte benötigt werden; oder
d) geeignete Unterlagen, aus denen hervorgeht, dass es sich nicht um eine Transitfahrt handelt und, wenn das Fahrzeug mit einem Umweltdatenträger ausgestattet ist, dass dieser für diesen Zweck eingestellt ist. ..."
Art. 1 Abs. 1a der Verordnung (EG) Nr. 3298/94 der Kommission in der Fassung der am 11. April 2000 in Kraft getretenen Verordnung (EG) Nr. 609/2000 der Kommission lautet:
"1a. Transitfahrten unter den in Anhang C genannten Bedingungen oder im Rahmen von im österreichischen Hoheitsgebiet gültigen CEMT-Genehmigungen sind von der Ökopunktregelung ausgenommen."
2.2. Der Beschwerdeführer stellt nicht in Abrede, dass er die in Rede stehende Transitfahrt ohne Entwertung von Ökopunkten durchgeführt habe. Er wendet gegen den angefochtenen Bescheid indes vor allem ein, dass er diese Transitfahrt im Rahmen einer im österreichischen Hoheitsgebiet gültigen und dabei mitgeführten CEMT-Genehmigung durchgeführt habe, weshalb die Transitfahrt von der Ökopunktregelung ausgenommen gewesen sei. Dieses Vorbringen ist nicht zielführend. Die im angefochtenen Bescheid vorgenommene, auf eingehende Überlegungen gestützte Beweiswürdigung der belangten Behörde bezüglich der Feststellung, dass bei der in Rede stehenden Kontrolle am 24. August 2000 eine für das österreichische Hoheitsgebiet gültige CEMT-Genehmigung nicht mitgeführt worden sei, erweist sich (im Ergebnis) als schlüssig und begegnet daher im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof diesbezüglich zukommenden Kontrolle (vgl. insbesondere das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) keinen Bedenken, zumal sich ein mit den einschlägigen Vorschriften vertrauter eine Transitfahrt durchführender Fahrer eines Lastkraftwagens bei dieser Kontrolle wohl kaum - wie der Beschwerdeführer - damit verantwortet hätte, dass er "von der Firma den Auftrag erhalten habe, so durch Österreich zu fahren, um sich ÖKO-Punkte zu sparen", sondern eine tatsächlich mitgeführte gültige CEMT-Genehmigung vorgelegt hätte. Von daher geht die Rüge fehl, die belangte Behörde hätte den Beschwerdeführer sowie eine näher genannte Disponentin der Speditionsgesellschaft S zur Frage der Vorlage der mitgeführten CEMT-Genehmigung zu vernehmen gehabt. Dass die Disponentin zu unmittelbaren eigenen Wahrnehmungen über letztere Frage in der Lage gewesen wäre, hat der Beschwerdeführer nicht behauptet.
2.3. Wenn der Beschwerdeführer kritisiert, die belangte Behörde hätte im angefochtenen Bescheid "erst nach Eintritt der Verjährung" die Übertretungsnorm im erstinstanzlichen Straferkenntnis geändert, ist er darauf hinzuweisen, dass die belangte Behörde dadurch, dass sie neben dem Art. 1 Abs. 1 zusätzlich den Art. 2 Abs. 1 der oben unter 1. genannten gemeinschaftsrechtlichen Verordnung zitiert hat, bezüglich der vom Beschwerdeführer übertretenen Normen lediglich eine Präzisierung vornahm, zu der sie im Übrigen auch verpflichtet war. Dadurch erfolgte weder eine Änderung der Tatumschreibung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 2000, Zl. 2000/03/0294) noch eine Auswechslung wesentlicher Teile des Sachverhaltes (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 12. Dezember 2001, Zl. 99/03/0006) nach Ablauf der Verjährungsfrist.
2.4. In seinem Erkenntnis vom 14. Dezember 2001, G 181/01, hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, dass die Wortfolge "und Z. 7 bis 9" im zweiten Satz des § 23 Abs. 2 des Güterbeförderungsgesetzes 1995, BGBl. Nr. 593, idF BGBl. I Nr. 17/1998, verfassungswidrig war. Im genannten Erkenntnis, kundgemacht im Bundesgesetzblatt am 8. Februar 2002 unter BGBl. I Nr. 37, hat der Verfassungsgerichtshof ferner - gestützt auf Art. 140 Abs. 7 zweiter Satz B-VG - Folgendes ausgesprochen:
"(2) Die verfassungswidrige Bestimmung ist insofern nicht mehr anzuwenden, als sie sich auf die Z. 8 bezieht."
Da der zuletzt genannte Ausspruch des Verfassungsgerichtshofes die Anwendung der als verfassungswidrig festgestellten gesetzlichen Bestimmung auch im vorliegenden Beschwerdefall ausschließt (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 17. Dezember 1979, Slg. Nr. 9994/A), erweist sich der Ausspruch über die im Beschwerdefall gemäß § 23 Abs. 2 zweiter Satz des Güterbeförderungsgesetzes 1995 verhängte Mindeststrafe von S 20.000,-- als inhaltlich rechtswidrig.
2.5. Von daher war der angefochtene Bescheid in dem im Spruch genannten Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, im Übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
2.6. Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 509/2001. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die Vorlage des der Beschwerde anzuschließenden angefochtenen Bescheides (vgl. § 28 Abs. 5 VwGG) von der Eingabengebühr gemäß § 24 Abs. 3 VwGG erfasst wird und eine gesonderte "Bogengebühr" hiefür nicht zusteht.
Wien, am 30. April 2003
Schlagworte
Berufungsbescheid Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme VerwaltungsstrafrechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2001030248.X00Im RIS seit
30.05.2003