TE Vwgh Erkenntnis 2003/4/30 2000/03/0069

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Veröffentlicht am 30.04.2003
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Index

90/03 Sonstiges Verkehrsrecht;

Norm

GGBG 1998;
GGSt §22 Abs1 Z3;
GGSt §22 Abs1 Z7 lita;
GGSt §22 Abs1;
GGSt §42 Abs1 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Gall und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winter, über die Beschwerde des W in Feldkirchen bei Mattighofen, vertreten durch Dr. Peter Zumtobel, Dr. Harald Kronberger und Dr. Clemens Thiele, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Giselakai 51, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 2. Februar 2000, Zl. Senat-LF-99-011, betreffend Übertretungen des Bundesgesetzes über die Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße (GGSt), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird in seinem Spruchpunkt II wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Lilienfeld vom 2. März 1999 wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, folgende Verwaltungsübertretungen begangen zu haben:

"Tatzeit: 27.5.1998, um 13.10 Uhr

Tatort: Gemeindegebiet von 3180 Lilienfeld, auf der Werkstraße, aus der Richtung B 20 kommend, in Richtung Habernreitweg Fahrzeug: LKW, Kennzeichen (...)Tatbeschreibung:

I) Sie haben als handelsrechtlicher Geschäftsführer der (...)

Gesellschaft m.b.H., sohin als gem. § 9 VStG zur Vertretung nach außen Berufener, zu verantworten, dass die oben genannte Firma in ihrer Eigenschaft als Versender (§ 3 Abs. 1 Z. 8 GGSt) am 27.5.1998 Gefahrgut zur Beförderung auf öffentlichen Straßen übergab, obwohl er es unterlassen hatte,

1) dem Lenker (...) vor Antritt der Fahrt ein den Bestimmungen der Rn 2002 Abs. 3 Anlage A ADR entsprechendes Beförderungspapier zu übergeben, da auf der Seite 1 des Beförderungspapiers beim Produkt "Anti-Germ MC flüssig" (1814 Kaliumhydroxydlösung der Klasse 8, Ziffer 42b) ADR und auf Seite 2 des Beförderungspapiers bei dem Produkt 1805 Phosphorsäure der Klasse 8, Ziffer 17c) ADR die Angaben über die Beschreibung der Versandstücke bzw. des Großpackmittels fehlten. (...)

2) zu überprüfen, ob auf den Versandstücken (10 Kanister) mit 1814 Kaliumhydroxydlösung der Klasse 8, Ziffer 42b) ADR die entsprechenden Kennzeichnungsnummern (UN 1814) angebracht sind (Rn 2812 Abs. 1 Anlage A ADR), da auf keinem der Kanister mit dem Produkt "Anti-Germ MC flüssig" (1814 Kaliumhydroxydlösung der Klasse 8, Ziffer 42b) ADR) die Aufschriften mit der Kennzeichnungsnummer 1814 und den vorangestellten Buchstaben UN angebracht waren. (...)

II) Sie haben als handelsrechtlicher Geschäftsführer der (...) Gesellschaft m.b.H., sohin als gemäß § 9 VStG zur Vertretung nach außen Berufener, zu verantworten, dass die oben genannte Firma in ihrer Eigenschaft als Beförderer (§ 3 Abs. 1 Z. 10 GGSt) am 27.5.1998 Gefahrgut zur Beförderung auf öffentlichen Straßen übergab, obwohl er es unterlassen hatte,

1) dem Lenker (...) vor Antritt der Fahrt ein den Bestimmungen der Rn 2002 Abs. 3 Anlage A ADR entsprechendes Beförderungspapier zu übergeben, da auf der Seite 1 des Beförderungspapiers beim Produkt "Anti-Germ MC flüssig" (1814 Kaliumhydroxydlösung der Klasse 8, Ziffer 42b) ADR und auf Seite 2 des Beförderungspapiers bei dem Produkt 1805 Phosphorsäure der Klasse 8, Ziffer 17c) ADR die Angaben über die Beschreibung der Versandstücke bzw. des Großpackmittels fehlten. (...)

2) zu überprüfen, ob auf den Versandstücken (10 Kanister) mit 1814 Kaliumhydroxydlösung der Klasse 8, Ziffer 42b) ADR die entsprechenden Kennzeichnungsnummern (UN 1814) angebracht sind (Rn 2812 Abs. 1 Anlage A ADR), da auf keinem der Kanister mit dem Produkt "Anti-Germ MC flüssig" (1814 Kaliumhydroxydlösung der Klasse 8, Ziffer 42b) ADR) die Aufschriften mit der Kennzeichnungsnummer 1814 und den vorangestellten Buchstaben UN angebracht waren. (...)"

Dadurch habe der Beschwerdeführer Verwaltungsübertretungen zu I/1gemäß § 42 Abs. 1 Z. 3 i.V.m. § 22 Abs. 3 Z. 2, zu I/2 gemäß § 42 Abs. 1 Z. 3 i.V.m. § 22 Abs. 3 Z. 1, zu II/1 gemäß § 42 Abs. 1 Z. 1 i.V.m. § 22 Abs. 1 Z. 7 lit. a und zu II/2 gemäß § 42 Abs. 1 Z. 1 i.V.m. § 22 Abs. 1 Z. 3 GGSt begangen, für welche er mit Geldstrafen in der Höhe von je S 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe je 5 Tage) bestraft wurde.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung hinsichtlich der Punkte I)1) und I)2) des Straferkenntnisses wegen Unzuständigkeit der Bezirkshauptmannschaft Lilienfeld Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid hinsichtlich dieser Punkte aufgehoben. Eine Einstellung des Verfahrens wurde nicht verfügt (Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides). Der Berufung gegen die Punkte II)1) und II)2) des Straferkenntnisses wurde hingegen keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid in diesen Punkten vollinhaltlich bestätigt (Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides).

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinen Rechten "insoferne verletzt, entgegen den Bestimmungen des Verwaltungsstrafgesetzes und des Gefahrengutbeförderungsgesetz - Straße (GGSt) nicht bestraft zu werden, insbesondere nicht der Verwaltungsübertretungen gem. § 42 iVm § 22 GGSt iVm § 9 VStG, für schuldig erkannt und hierfür bestraft zu werden; sowie auf fehlerfreie Handhabung des bei der Festlegung der Strafe auszuübenden Ermessens gem. § 19 VStG, insbesondere unter Anwendung des § 21 VStG".

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß der hg. Judikatur (vgl. u.a. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 19. September 1984, VwSlg. Nr.  11525/A) kommt dem Beschwerdepunkt im Sinne des § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG bei der Prüfung des angefochtenen Bescheides entscheidende Bedeutung zu. Der Verwaltungsgerichtshof hat nach der Anordnung des § 41 Abs. 1 VwGG nicht zu prüfen, ob irgendein subjektives Recht des Beschwerdeführers, sondern nur ob jenes verletzt wurde, dessen Verletzung er behauptet. Durch den Beschwerdepunkt wird der Prozessgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens festgelegt und der Rahmen abgesteckt, an den der Verwaltungsgerichtshof bei der Prüfung des angefochtenen Bescheides gebunden ist (vgl. aus neuerer Zeit das hg. Erkenntnis vom 29. April 2002, Zl. 2002/03/0083). Es ist daher zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer den hier in Rede stehenden Bescheid - wie er durch Darlegung des Beschwerdepunktes zum Ausdruck gebracht hat - nur insoweit bekämpft hat, als er mit ihm der Übertretung von Delikten für schuldig erkannt und hiefür bestraft wurde, also bloß in Ansehung des Spruchpunktes II des angefochtenen Bescheides. Ein Eingehen auf Fragen, die den Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides betreffen - mit dem die Bestrafung des Beschwerdeführers wegen der Begehung von Delikten als handelsrechtlicher Geschäftsführer des Versenders ohne gleichzeitige Einstellung des Verfahrens aufgehoben wurde -, ist dem Verwaltungsgerichtshof somit zufolge der klaren und unmissverständlichen Bezeichnung des Beschwerdepunktes, welche diesen Spruchpunkt nicht erfasst, verwehrt.

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid die Auffassung vertreten, dass als Tatort der Delikte, die der Beschwerdeführer als handelsrechtlicher Geschäftsführer des Beförderers begangen habe, jeder der von der Beförderung berührten Orte in Betracht komme, weshalb die Erstbehörde, in deren Bereich die Beförderung kontrolliert und beanstandet worden sei, für die Ahndung der in den Punkten II/1 und II/2 angelasteten Übertretungen zuständig sei. Damit hat sie jedoch die Rechtslage verkannt.

Gemäß § 22 Abs. 1 Z. 3 Gefahrgutbeförderungsgesetz-Straße, BGBl. Nr. 209/1979, in der bis zum Inkrafttreten von BGBl. I Nr. 145/1998 geltenden Fassung (GGSt), darf ein gefährliches Gut nur dann befördert werden, wenn die Verwendung der Verpackung als Versandstück gemäß § 4, insbesondere hinsichtlich der Kennzeichnung, zulässig ist.

Gemäß § 22 Abs. 1 Z. 7 lit. a leg. cit. darf ein gefährliches Gut nur dann befördert werden, wenn dem Lenker für jede Beförderungseinheit die im ADR vorgeschriebenen Begleitpapiere übergeben worden sind.

§ 42 Abs. 1 GGSt lautet:

"Wer

1. als Beförderer ein gefährliches Gut entgegen § 22 Abs. 1 befördert,

2. als Absender ein gefährliches Gut entgegen § 22 Abs. 2 zur Beförderung übergibt,

3. als Versender ein gefährliches Gut entgegen § 22 Abs. 3 befördern lässt oder

4. Lenker besonders ausbildet (§ 40), ohne vom Landeshauptmann dazu ermächtigt zu sein,

begeht, sofern die Tat nicht nach einer anderen Bestimmung mit strengerer Strafe bedroht ist, eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis 600.000 S zu bestrafen."

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits zur vergleichbaren Rechtslage des Gefahrgutbeförderungsgesetzes-GGBG in seinem Erkenntnis vom 20. September 2000, Zlen. 2000/03/0071, 0072, auf das gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, erkannt hat, stellen - im Gegensatz zur Auffassung der belangten Behörde - auch Delikte wie die hier in Rede stehenden - dem Beschwerdeführer als zur Vertretung befugtes Organ des Beförderers angelastete - Unterlassungsdelikte dar, und ist bei solchen Delikten der Tatort dort anzunehmen, wo der Täter hätte handeln sollen; wenn solche Unterlassungen im Zusammenhang mit dem Betrieb eines Unternehmens erfolgt sind, ist dies der Ort, an dem das Unternehmen seinen Sitz hat. Diese Rechtsprechung ist auch auf Übertretungen der hier noch anzuwendenden Bestimmungen des GGSt (§ 42 Abs. 1 Z 1 iVm § 22 Abs. 1) zu übertragen.

Unbestritten ist, dass das als Beförderer tätig gewordene Unternehmen, dessen handelsrechtlicher Geschäftsführer der Beschwerdeführer ist, seinen Sitz nicht im Sprengel der Bezirkshauptmannschaft Lilienfeld, sondern in 5202 Neumarkt hat.

Indem die belangte Behörde diese Unzuständigkeit nicht wahrgenommen hat, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, weshalb der angefochtene Bescheid in dem aus dem Spruch ersichtlichen Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 30. April 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2000030069.X00

Im RIS seit

28.05.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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