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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
BAO §183 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Fuchs, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der C Grundstücksverwaltungsgesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Doralt Seist Csoklich, Rechtsanwalts-Partnerschaft in 1090 Wien, Währinger Straße 2-4, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 4. Juli 1997, Zl. 11- 97/109/-/07, betreffend Aufhebung des Körperschaftsteuerbescheides 1994 gemäß § 299 BAO, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von 936,34 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Bei der Beschwerdeführerin wurde eine Buch- und Betriebsprüfung gemäß § 147 BAO für die Jahre 1988 bis 1993 durchgeführt, worüber die Prüfer in ihrem Bericht vom 30. Juni 1995 unter Tz 11 feststellten, dass an der Beschwerdeführerin die V AG zu 50 % am Stammkapital von 500.000 S beteiligt sei. Unter Tz 16 gingen die Prüfer zum Bereich der Körperschaftsteuer von verdeckten Ausschüttungen in den geprüften Jahren aus, wobei sie auf die Ausführungen in der Niederschrift (zu ergänzen: über die Schlussbesprechung) verwiesen. Die Niederschrift über die Schlussbesprechung vom 13. Juni 1995 enthält unter Punkt 1 (verdeckte Ausschüttung):
"Im Jahr 1989 wurde der Gesellschaft von der V AG ein mittelbarer Gesellschafterkredit (unverzinslich mit einer Laufzeit bis 30.9.2009) sowie ein mittelbares Gesellschafterdarlehen (unverzinslich mit einer Laufzeit bis 30.9.2009) eingeräumt. Ab dem Jahr 1991 erfolgte eine teilweise Verzinsung der Gesellschaftermittel. Diese Verzinsung stellt eine verdeckte Ausschüttung dar."
In der am 3. Mai 1996 beim Finanzamt eingelangten Körperschaftsteuererklärung für 1994 erklärte die Beschwerdeführerin negative Einkünfte aus Gewerbebetrieb und legte u. a. den Jahresabschluss zum 31. Dezember 1994 vor. Neben Verbindlichkeiten gegenüber der C-Bank, Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen sowie sonstigen Verbindlichkeiten finden sich unter den Verbindlichkeiten in der Bilanz "sonstige Kredite und Darlehen" in Höhe von 7,498.327 S. Als "Kreditgeber" wird die Ö AG angeführt und unter näher bezeichneten Kontonummern werden ein "mittelbarer Gesellschafterkredit" von 1,449.999 S und ein "mittelbares Gesellschafterdarlehen" von 6,048.328 S aufgeschlüsselt.
Der der Abgabenerklärung ebenfalls angeschlossenen Gewinn- und Verlustrechnung für 1994 sind unter Punkt 7 (Zinsen und ähnliche Aufwendungen) "Darlehenszinsen" in Höhe von 846.634 S sowie Bankzinsen zu entnehmen.
Das Finanzamt setzte mit Bescheid vom 3. Juli 1996 die Körperschaftsteuer erklärungsgemäß fest.
Mit Schreiben vom 20. Juni 1997 richtete das Finanzamt an die belangte Behörde ein Ersuchen um aufsichtsbehördliche Behebung des Körperschaftsteuerbescheides 1994, weil die in der Gewinn- und Verlustrechnung 1994 enthaltenen Darlehenszinsen bei Ermittlung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb nicht als verdeckte Ausschüttung zugerechnet worden seien (die Veranlagung 1994 sei als "Soforteingabefall" durchgeführt worden).
Mit dem angefochtenen Bescheid hob die belangte Behörde den Körperschaftsteuerbescheid 1994 des Finanzamtes "wegen unrichtiger Sachverhaltsfeststellung sowie inhaltlicher Rechtswidrigkeit gem. § 299 Abs. 1 lit. b und Abs. 2 BAO" auf. Die Beschwerdeführerin sei einer die Jahre 1988 bis 1993 umfassenden Betriebsprüfung unterzogen worden, wobei u.a. laut Punkt 1 der Niederschrift über die Schlussbesprechung festgestellt worden sei, dass der Beschwerdeführerin im Jahr 1989 von ihrer zu 50 % beteiligten Gesellschafterin, der V AG, ein mittelbarer Gesellschafterkredit sowie ein mittelbares Gesellschafterdarlehen über deren Alleingesellschafterin Ö AG jeweils unverzinslich mit einer Laufzeit bis zum 30. September 2009 eingeräumt worden seien. Diese Gesellschaftermittel, welche von der Beschwerdeführerin teilweise selbst (z.B. im Darlehensvertrag vom 7. September 1989) als verdecktes Stammkapital behandelt worden seien, seien ab dem Jahr 1991 verzinst worden. Die ab dem Jahr 1991 angefallenen Zinsaufwendungen, die entgegen der vertraglichen Vereinbarung und ohne ersichtlichen Grund verrechnet worden seien, seien von der Betriebsprüfung als verdeckte Gewinnausschüttung behandelt worden. In der Körperschaftsteuererklärung 1994 seien die geltend gemachten Zinsaufwendungen laut Gewinn- und Verlustrechnung für den "in der Bilanz" aushaftenden mittelbaren Gesellschafterkredit sowie für das aushaftende Gesellschafterdarlehen in der Körperschaftsteuererklärung 1994 nicht dem Gewinn hinzugerechnet worden. "..... im Zuge der Veranlagung zur Körperschaftsteuer 1994 als Soforteingabefall unterblieb irrtümlich die Hinzurechnung dieser Zinsen als verdeckte Gewinnausschüttung."
"Die Verzinsung eines von der Alleingesellschafterin als bis zum Jahre 2009 mittelbar über die 50 %ige Gesellschafterin" der Beschwerdeführerin unverzinslich gewährten Darlehens bzw. Kredites sei eine Vorteilsgewährung an die Gesellschafter, die einem Fremdvergleich nicht standhalte, unabhängig davon, ob das Darlehen bzw. der Kredit als verdecktes Stammkapital zu beurteilen sei oder nicht. Auch nach dem Vermerk auf dem Darlehensvertrag "verdecktes Stammkapital" und nach der Tilgung bis zum 30. September 2009, welche nur nach der wirtschaftlichen und finanziellen Lage des Darlehensnehmers vorzunehmen sei, sei eine Dauerwidmung dieser Mittel anzunehmen, was für das Vorliegen von verdecktem Stammkapital spreche.
Durch die Nichtberücksichtigung der entsprechenden als Aufwand in der Gewinn- und Verlustrechnung verrechneten Zinsen als verdeckte Gewinnausschüttung bei der Veranlagung zur Körperschaftsteuer 1994 sei dem Körperschaftsteuerbescheid 1994 ein unrichtig festgestellter Sachverhalt zugrunde gelegt worden. Er sei daher auch inhaltlich rechtswidrig, womit die Gründe für eine Aufhebung dieses Bescheides im Sinne des § 299 Abs. 1 lit. b und Abs. 2 BAO vorlägen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 299 BAO in der Fassung vor dem Abgaben-Rechtsmittel-Reformgesetz BGBl. I Nr. 97/2002 lautet auszugsweise:
"(1) In Ausübung des Aufsichtsrechtes kann ein Bescheid von der Oberbehörde aufgehoben werden,
a)
...
b)
wenn der dem Bescheid zugrunde liegende Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt unrichtig festgestellt oder aktenwidrig angenommen wurde, oder
c) wenn Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden oder eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben können.
(2) Ferner kann ein Bescheid von der Oberbehörde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden."
Die belangte Behörde hat im Beschwerdefall von zwei Aufhebungsgründen Gebrauch gemacht, zum einen von § 299 Abs. 1 lit. b BAO und zum anderen von Abs. 2 leg. cit. Im Beschwerdefall ist der erstgenannte Aufhebungsgrund von vornherein nicht gegeben, weil der aufgehobene Bescheid des Finanzamtes über die Festsetzung der Körperschaftsteuer als Begründung lediglich die Aussage enthält, dass für die nächsten Veranlagungsjahre 15.000 S als verrechenbare Mindestkörperschaftsteuer zur Verfügung stünden, und keinerlei Sachverhaltsfeststellungen trifft. Bei völligem Fehlen von Sachverhaltsfeststellungen kann nicht davon gesprochen werden, dass der dem aufgehobenen Bescheid zugrunde liegende Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt unrichtig festgestellt worden wäre (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 2. März 1992, 91/15/0091, und vom 25. Juni 1990, 89/15/0075). Auch eine aktenwidrige Sachverhaltsannahme scheidet aus, wenn im aufgehobenen Bescheid überhaupt keine Sachverhaltsfeststellungen getroffen wurden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. November 1988, 87/14/0198).
Für das Veranlagungsjahr 1994 lag dem Finanzamt die Abgabenerklärung samt Beilagen vor. Der daraus entnehmbare Sachverhalt, dass für einen mittelbaren Gesellschafterkredit und ein mittelbares Gesellschafterdarlehen von zusammen rund 7,5 Millionen S Darlehenszinsen von rund 850.000 S aufgewendet worden seien, führt für sich allein noch nicht zu einer Rechtswidrigkeit der Annahme, diese Darlehenszinsen seien als Betriebsausgaben abziehbare Aufwendungen. Dass dem Finanzamt für das Veranlagungsjahr 1994 weitere Unterlagen vorgelegen wären, ist den Verwaltungsakten nicht zu entnehmen und ist dem angefochtenen Bescheid, der von einem "Soforteingabefall" spricht, nicht zu entnehmen. Die belangte Behörde führt in der Gegenschrift zutreffend aus, dass dem Finanzamt keinesfalls erkennbar gewesen sei, inwieweit der mit der Körperschaftsteuererklärung 1994 geltend gemachte Zinsaufwand dem Gewinn als verdeckte Ausschüttung wieder hätte hinzugerechnet werden müssen.
Darauf, dass die belangte Behörde dem Finanzamt die Vernachlässigung der abgabenbehördlichen Ermittlungspflicht des § 115 BAO vorwerfen wollte und solcherart die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen vom Finanzamt zu treffen gewesen wären, die Behebung des Bescheides durch die Oberbehörde sohin auf § 299 Abs. 1 lit. c BAO gestützt werden könnte (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 28. März 2000, 95/14/0133), weist der angefochtene Bescheid in keiner Weise hin. Ebensowenig kann sich die belangte Behörde darauf stützen, dass das Finanzamt wegen einer unrichtigen Rechtsansicht weitere Ermittlungen und Sachverhaltsfeststellungen unterlassen habe, was die belangte Behörde zur Aufhebung des Bescheides gemäß § 299 Abs. 2 BAO berechtigt hätte, ohne den maßgeblichen Sachverhalt selbst zu ermitteln (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 26. November 2002, 98/15/0204).
Mit dem angefochtenen Bescheid traf die belangte Behörde selbst Feststellungen, aus denen sie die inhaltliche Rechtswidrigkeit des gemäß § 299 Abs. 2 BAO aufgehobenen Bescheides des Finanzamtes ableitete. Wenn ein - gegenüber dem vom Finanzamt festgestellten oder von ihm zu Grunde gelegten Sachverhalt - neuer Sachverhalt angenommen wird, hat die Oberbehörde vor Aufhebung eines Bescheides Parteiengehör (§ 183 Abs. 4 BAO) zu gewähren (vgl. abermals das erwähnte hg. Erkenntnis vom 26. November 2002). Das von der belangten Behörde beweiswürdigend gefundene Ergebnis, die Verzinsung eines von der Alleingesellschafterin bis zum Jahr 2009 mittelbar gewährten unverzinslichen Darlehens bzw. Kredites halte einem Fremdvergleich nicht stand, hat sie der Beschwerdeführerin vor Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht zur Kenntnis gebracht und ihr keine Gelegenheit geboten, sich dazu zu äußern. Das Vorbringen in der Beschwerde, die Zinsaufwendungen seien auf der Grundlage einer Neufassung des Kreditvertrages vom 9. Oktober 1991 verrechnet worden und nach einer solchen Umschuldung wäre eine eigenständige Betrachtung des neu gewährten Kredites anzustellen gewesen, verstößt deshalb - entgegen der von der belangten Behörde in der Gegenschrift vertretenen Ansicht - nicht gegen das vor dem Verwaltungsgerichtshof bestehende Neuerungsverbot. Die Verfahrensrüge der Beschwerdeführerin erweist sich somit als begründet.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 30. April 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:1997130165.X00Im RIS seit
18.06.2003Zuletzt aktualisiert am
03.09.2009