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L92059 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe Wien;Norm
B-VG Art18 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Binder-Krieglstein, über die Beschwerde des NN in W, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 24. Oktober 2002, Zl. MA 15-II-J 81/2002, betreffend Sozialhilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aus der Beschwerde, der dieser angeschlossenen Ausfertigung des angefochtenen Bescheides und weiteren Beilagen ergibt sich im Wesentlichen folgender Sachverhalt:
Der im Jahre 1955 geborene Beschwerdeführer steht seit mehreren Jahren im Bezug der Sozialhilfe. Mit Schreiben vom 19. Juni 2002 beantragte er beim Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 12 - Sozialamt, die Übernahme der Kosten für einen Besuch im "Kulturhistorischen Museum" in Höhe von insgesamt EUR 32,--. Neben dem Eintrittspreis von EUR 9,-- und Fahrtkosten von EUR 3,-- machte er Kosten für die Betreuung seiner drei Kinder in der Dauer von vier Stunden in Höhe von EUR 20,-- geltend. Seiner Auffassung nach seien diese Aufwendungen, die zum Lebensunterhalt zählten, nicht im laufenden Richtsatz enthalten, weshalb sie nach § 13 Abs. 4 bzw. 6 des Wiener Sozialhilfegesetzes (WSHG) zu gewähren seien.
Mit Bescheid vom 11. Juli 2002 wies die Magistratsabteilung 12 - Sozialamt den Antrag des Beschwerdeführers gemäß §§ 12, 13 Abs. 3 und 4 WSHG sowie der §§ 1, 4 und 5 der Verordnung der Wiener Landesregierung vom 27. Februar 1973, LGBl. Nr. 13/1973 (Richtsatzverordnung), ab. Nach der Begründung erhalte der Beschwerdeführer monatlich eine Unterstützung zur Sicherung des Lebensunterhaltes, wobei der Berechnung seines Sozialhilfeanspruches ein erhöhter Richtsatz gemäß § 13 Abs. 4 WSHG (ein Erwachsener und drei Kinder) zu Grunde gelegt werde. Ein Museumsbesuch stelle eine Teilnahme am kulturellen Leben nach § 13 Abs. 3 WSHG dar. Die dafür aufgewendeten Kosten seien bereits im Richtsatz enthalten, weshalb keine zusätzliche Unterstützung zu gewähren sei.
In der dagegen erhobenen Berufung vertrat der Beschwerdeführer im Wesentlichen die Auffassung, die Behauptung der Behörde erster Instanz, dass die von ihm beantragten Kosten bereits im Richtsatz enthalten seien, entbehre jeder sachlichen Grundlage und sei keiner Verifizierung zugänglich. Da die von ihm beantragten Kosten für einen Museumsbesuch nicht monatlich gleichmäßig anfielen, könnten sie im regelmäßigen monatlichen Richtsatz gar nicht enthalten sein. Der Richtsatz sei nicht so bemessen, dass er gemäß § 13 Abs. 3 WSHG den monatlichen Bedarf an Nahrung, Körperpflege, Wäschereinigung sowie in angemessenem Ausmaß den Aufwand für die Pflege der Beziehungen zur Umwelt und die Teilnahme am kulturellen Leben decke. Es liege vielmehr eine willkürliche Richtsatzfestsetzung vor. Die im "Normalfall" bedarfsdeckende Leistung reiche bei ihm nicht aus, da seine Situation eine besondere, atypische sei. Sein Bedarf sei durch den Richtsatz nicht gedeckt und der Richtsatz objektiv zu niedrig bemessen. Im Übrigen könne der Richtsatz nach § 13 Abs. 4 bzw. Abs. 6 WSHG überschritten werden.
Der Beschwerdeführer legte seiner Berufung eine Aufstellung seiner monatlichen Ausgaben für Körperpflege, Haushalts- und Reinigungsartikel, "sonstige Kosten", Instandsetzung der Bekleidung und Wäschereinigung sowie Pflege der Beziehung zur Umwelt und Teilnahme am kulturellen Leben bei. Der von ihm errechnete Aufwand überstieg den monatlichen Richtsatz für einen Erwachsenen, sodass der Bedarf an Nahrung nach seiner Berechnung ungedeckt blieb.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung keine Folge gegeben und der Bescheid der Behörde erster Instanz bestätigt. Nach der Begründung sei bei der Berechnung des Sozialhilfeanspruches des Beschwerdeführers der Richtsatz für einen Erwachsenen und drei Kinder in Höhe von EUR 788,93 zu Grunde gelegt worden. Dieser Richtsatz sei ein gemäß § 13 Abs. 4 WSHG erhöhter Richtsatz, der bei Familien mit Kindern im Einzelfall herangezogen werden könne. Nach Auffassung der belangten Behörde decke der Richtsatz die im Antrag geltend gemachten Kosten für einen Museumsbesuch, da gemäß § 13 Abs. 3 WSHG der Richtsatz so zu bemessen sei, dass er den monatlichen Bedarf an Nahrung, Beleuchtung, Kochfeuerung, Instandsetzung der Bekleidung, Körperpflege, Wäschereinigung sowie in angemessenem Ausmaß den Aufwand für die Pflege der Beziehungen zur Umwelt und die Teilnahme am kulturellen Leben decke. Dieser Bedarf sei bereits bei der Richtsatzbemessung berücksichtigt und folglich nicht durch anlassbezogene Einzelleistungen zu finanzieren. § 13 Abs. 6 WSHG, der den nicht durch den Richtsatz gedeckten Bedarf an Lebensunterhalt zum Inhalt habe, sei daher nicht anzuwenden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Beschwerdefall sind folgende Bestimmungen des Wiener Sozialhilfegesetzes, LGBl. Nr. 11/1973, von Bedeutung:
"Aufgaben und Leistungen der Sozialhilfe
§ 1. (1) Die Sozialhilfe hat jenen Menschen die Führung eines menschenwürdigen Lebens zu ermöglichen, die dazu der Hilfe der Gemeinschaft bedürfen.
...
Rechtsanspruch
§ 7. Auf die Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes hat der Hilfe Suchende einen Rechtsanspruch. Die Zuerkennung hat durch Bescheid zu erfolgen.
Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes
Anspruch
§ 8. (1) Anspruch auf Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes hat nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen dieses Abschnittes, wer den Lebensbedarf für sich und die mit ihm in Familiengemeinschaft lebenden unterhaltsberechtigten Angehörigen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln beschaffen kann und ihn auch nicht von anderen Personen oder Einrichtungen erhält.
...
Einsatz der eigenen Mittel
§ 10. (1) Hilfe ist nur insoweit zu gewähren, als das Einkommen und das verwertbare Vermögen des Hilfe Suchenden nicht ausreichen, um den Lebensbedarf (§ 11) zu sichern.
...
Lebensbedarf
§ 11. (1) Zum Lebensbedarf gehören
1. Lebensunterhalt,
...
Lebensunterhalt
§ 12. Der Lebensunterhalt umfasst insbesondere Unterkunft, Nahrung, Bekleidung, Körperpflege, Hausrat, Beheizung, Beleuchtung, Kochfeuerung und andere persönliche Bedürfnisse. Zu den persönlichen Bedürfnissen gehört auch die Pflege der Beziehungen zur Umwelt und die Teilnahme am kulturellen Leben in angemessenem Ausmaß.
Geldleistungen
§ 13. (1) Die Bemessung von Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes hat unter Anwendung von Richtsätzen zu erfolgen. Die Richtsätze sind durch Verordnung der Landesregierung festzusetzen.
(2) In der Verordnung über die Festsetzung der Richtsätze sind folgende Arten von Richtsätzen vorgesehen:
1. Richtsatz für den Alleinunterstützten,
2. Richtsatz für den Hauptunterstützten,
3. Richtsatz für den Mitunterstützten.
Der in Z. 1 bezeichnete Richtsatz hat im Umfang des Abs. 3 den Lebensunterhalt eines Hilfe Suchenden zu decken, der keine mit ihm in Familiengemeinschaft lebenden unterhaltsberechtigten Angehörigen hat. Die in Z. 2 und 3 bezeichneten Richtsätze haben zusammen den Lebensunterhalt eines Hilfe Suchenden, seines Ehegatten oder Lebensgefährten und der sonst mit ihm in Familiengemeinschaft lebenden unterhaltsberechtigten Angehörigen im Umfange des Abs. 3 zu decken. Bezieht ein mit dem Hilfe Suchenden in Familiengemeinschaft lebender unterhaltsberechtigter Angehöriger von einem außerhalb der Familiengemeinschaft lebenden Dritten eine Unterhaltsleistung, die die Höhe des Richtsatzes für einen Mitunterstützten übersteigt, so ist dieser Angehörige bei der Bedarfsermittlung nicht zu berücksichtigen. Dies gilt sinngemäß auch für Lehrlingsentschädigungen oder für ein allfälliges sonstiges Einkommen dieses Angehörigen.
(3) Der Richtsatz ist so zu bemessen, dass er den monatlichen Bedarf an Nahrung, Beleuchtung, Kochfeuerung, Instandsetzung der Bekleidung, Körperpflege, Wäschereinigung sowie in angemessenem Ausmaß den Aufwand für die Pflege der Beziehungen zur Umwelt und die Teilnahme am kulturellen Leben deckt.
(4) Der Richtsatz kann im Einzelfall überschritten werden, wenn infolge der persönlichen oder familiären Verhältnisse des Hilfe Suchenden ein erhöhter Bedarf besteht. Dies gilt insbesondere bei alten, kranken oder behinderten Menschen sowie bei Familien mit Kindern. ...
...
(6) Der nicht durch den Richtsatz gedeckte Bedarf im Rahmen des Lebensunterhaltes, insbesondere die Unterkunft, Bekleidung, Hausrat und Beheizung ist durch zusätzliche Geld- oder Sachleistungen zu decken, deren Ausmaß nach den Erfordernissen des einzelnen Falles zu bemessen ist. Bei alten oder erwerbsunfähigen Beziehern wiederkehrender monatlicher Geldleistungen zur Sicherung des Lebensbedarfes kann dieser Bedarf durch einen Zuschlag zum Richtsatz pauschal abgedeckt werden.
..."
Dem angefochtenen Bescheid liegt die Auffassung zu Grunde, Aufwendungen für kulturellen Bedarf seien bereits im allgemeinen Richtsatz nach § 13 Abs. 3 WSHG enthalten und nicht durch "anlassbezogene Einzelleistungen" zu finanzieren.
In der Beschwerde wird - wie bereits im Verwaltungsverfahren -
im Wesentlichen die Auffassung vertreten, die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Aufwendungen für kulturellen Bedarf seien im Richtsatz nicht enthalten. Der Beschwerdeführer habe dies durch eine rechnerische Aufstellung seiner Ausgaben nachgewiesen, mit denen sich die belangte Behörde jedoch nicht auseinander gesetzt habe. Der Beschwerdeführer habe einen Rechtsanspruch darauf, dass im Rahmen seines Lebensunterhaltes die Teilnahme am kulturellen Leben in angemessenem Ausmaß finanziert werde.
§ 1 Abs. 1 WSHG legt fest, dass die Sozialhilfe jenen Menschen die Führung eines menschenwürdigen Lebens zu ermöglichen hat, die dazu der Hilfe der Gemeinschaft bedürfen. Auf welche Weise dies erreicht wird, konkretisiert sich in den weiteren Bestimmungen des Gesetzes bzw. auf Verordnungsebene. In diesem Zusammenhang ist auf § 12 WSHG zu verweisen, der eine Aufzählung der maßgebenden Bestandteile des Lebensunterhaltes enthält. Schon allein daraus ist erkennbar, dass Sozialhilfeleistungen lediglich existenzielle Grundbedürfnisse zu befriedigen haben (vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom 19. Oktober 1993, Zl. 93/08/0181), zu denen allerdings - im Gegensatz zum früheren Armenrecht - in einem angemessenem Ausmaß auch die Pflege der Beziehungen zur Umwelt und die Teilnahme am kulturellen Leben gehört; insofern geht der Lebensunterhalt hier also über die Sicherung des physischen Existenzminimums hinaus (vgl. dazu die Erläuternden Bemerkungen zum Entwurf eines Landesgesetzes über die Regelung der Sozialhilfe, Beilage Nr. 17/72).
Nach dem oben wiedergegebenen § 13 Abs. 1 WSHG hat die Bemessung von Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes unter Anwendung von Richtsätzen zu erfolgen, die durch Verordnung der Landesregierung (Richtsatzverordnung) festzusetzen sind.
Gemäß Abs. 3 dieser Gesetzesstelle ist der Richtsatz so zu bemessen, dass er den monatlichen - im Gesetz näher umschriebenen, bestimmte Bereiche des Lebensunterhaltes betreffenden - Bedarf deckt.
In der Verordnung der Wiener Landesregierung betreffend die Festsetzung der Richtsätze in der Sozialhilfe vom 27. Februar 1973, LGBl. Nr. 13/1973 (Richtsatzverordnung), werden die Richtsätze zur Sicherung des Lebensunterhaltes mit monatlichen Geldbeträgen festgesetzt (vgl. § 1 Abs. 1). Die Richtsätze sollen somit den in § 13 Abs. 3 WSHG näher umschriebenen monatlichen (Durchschnitts-)Bedarf decken. Hievon kann unter den in Abs. 4 (Richtsatzüberschreitung) und Abs. 5 (Richtsatzunterschreitung) dieser Gesetzesstelle genannten Voraussetzungen abgegangen werden. Der nicht durch den Richtsatz gedeckte Bedarf im Rahmen des Lebensunterhaltes, also der in § 13 Abs. 3 WSHG nicht im Einzelnen aufgezählte Bedarf, kann gemäß § 13 Abs. 6 WSHG als Sonderbedarf geltend gemacht werden.
Die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Aufwendungen sind dem Aufwand für die Teilnahme am kulturellen Leben zuzurechnen, der im Sinne des § 13 Abs. 3 WSHG bei der Richtsatzbemessung berücksichtigt ist. Nun kommt eine Richtsatzüberschreitung nach § 13 Abs. 4 WSHG nur in Betracht, wenn auf Grund konkreter Umstände in persönlicher oder familiärer Hinsicht beim Hilfe Suchenden eine Situation besteht, die sich von der im Allgemeinen bei Hilfe Suchenden bestehenden Bedarfslage deutlich unterscheidet und solcherart einen erhöhten Bedarf begründet. Dass dies im Falle des Beschwerdeführers so wäre und daher bei ihm auf Grund seiner persönlichen Verhältnisse ein (im Vergleich zu anderen Sozialhilfebeziehern) erhöhter Bedarf nach Teilnahme am kulturellen Leben bestünde, ist nicht ersichtlich und wird von ihm auch nicht behauptet. Für eine Richtsatzüberschreitung nach § 13 Abs. 4 WSHG besteht daher kein Raum.
Eine Berücksichtigung kultureller Ausgaben als Sonderbedarf nach § 13 Abs. 6 WSHG entspräche nicht dem Gesetz, da es sich nach § 13 Abs. 3 dabei um einen durch den Richtsatz zu deckenden Bedarf handelt.
Mit dem Vorbringen, der Beschwerdeführer habe durch eine Aufstellung seiner persönlichen Ausgaben nachgewiesen, dass sein kultureller Bedarf durch den Richtsatz nicht gedeckt sei, kann eine Gesetzwidrigkeit der Richtsatzverordnung nicht dargetan werden (vgl. zur ausreichenden verfassungsgesetzlichen Determinierung des Verordnungsinhaltes das den Beschwerdeführer betreffende Erkenntnis vom 31. März 2003, Zl. 2002/10/0050).
Da bereits der Inhalt der vorliegenden Beschwerde erkennen lässt, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Bei Abweisung der Beschwerde nach § 35 VwGG kann von der Erteilung eines Mängelbehebungsauftrages abgesehen werden (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, auf Seite 524 wiedergegebene Rechsprechung).
Wien, am 5. Mai 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2003100017.X00Im RIS seit
20.06.2003Zuletzt aktualisiert am
11.08.2011