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19/05 Menschenrechte;Norm
FinStrG §214;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Reinisch, über die Beschwerde des J in S, vertreten durch Dr. Wolfgang Zankl, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Thumeggerbezirk 7, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Salzburg als Finanzstrafbehörde II. Instanz vom 10. Mai 1999, Zl. RV 120/1-6/98, betreffend eine Finanzordnungswidrigkeit, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 41,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer war bis zum 3. Mai 1993 Geschäftsführer der A GmbH. Im Zuge einer im Oktober 1992 durchgeführten Umsatzsteuerprüfung wurde durch den Prüfer festgestellt, dass für drei Bauvorhaben, bei denen die A GmbH als Generalunternehmerin tätig geworden sei, von dieser Schlussrechnungen unter Ausweis der Umsatzsteuer gelegt worden seien. Die ausgewiesene Umsatzsteuer sei von der A GmbH nicht abgeführt worden. Dies betreffe die Bauvorhaben "S-Gasse 7" (Rechnung vom 2. September 1991), "B-Straße" (Rechnung vom 8. Jänner 1992) und "S-Straße" (Rechnung vom 13. April 1992).
Auf Grund dieses Sachverhaltes erstattete die Finanzstrafbehörde Anzeige wegen Verdachtes der vorsätzlichen Abgabenverkürzung nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG. Mit Urteil vom 28. April 1998 wurde der Beschwerdeführer vom Landesgericht vom Vorwurf der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG freigesprochen. In der Begründung wurde festgestellt, dass zwar Indizien für den Tatbestand nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG vorlägen, dass diese aber nicht ausreichten, um den nach der zitierten Gesetzesstelle geforderten qualifizierten Vorsatz zu begründen, sodass im Zweifel davon auszugehen sei, dass der Angeklagte nicht wissentlich gehandelt habe.
Die Zuständigkeit des Gerichtes zur Ahndung des Finanzvergehens sei nicht mehr gegeben, da diese nur bei Vorsatzdelikten in Frage komme. Die Frage, inwieweit der Beschwerdeführer fahrlässig gehandelt bzw. eine Finanzordnungswidrigkeit begangen habe, sei im Finanzstrafverfahren durch das Finanzamt zu behandeln. Es wurde daher ein Freispruch wegen Unzuständigkeit des Gerichtes nach § 214 FinStrG ausgesprochen.
Hinsichtlich des qualifizierten Vorsatzes (Wissentlichkeit) des Beschwerdeführers wurde vom Landesgericht Salzburg ausgeführt, dass es keine stichhältigen Beweise dafür gebe, dass der Beschwerdeführer den Auftrag erteilt habe, die Rechnungen nicht in die Umsatzsteuervoranmeldung einzubeziehen oder dass er ohne Wissen der Bürokräfte die Rechnungen aus den Ordnern entfernt habe. Die Argumentation, der Angeklagte hätte aus den bestehenden Jahresumsätzen eindeutig erkennen müssen, dass die "Rechnungen des großen Anteils des Jahresumsatzes" nicht erfasst seien, sei nicht stichhältig. Man müsse davon ausgehen, dass der Angeklagte für insgesamt drei Firmen verantwortlich gewesen sei und dass der Überblick über die Jahresumsätze 1991 erst im Laufe des Jahres 1992 und jener über 1992 frühestens im Jahr 1993 anzunehmen wäre. Daher müsse der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Prüfung im Oktober 1992 noch nicht mit Sicherheit einen Überblick über die gesamten Umsätze des Jahres seiner drei Firmen gehabt haben. Ein "hätte wissen müssen" reiche aber für die Vorsatzform der Wissentlichkeit nicht aus.
Mit Erkenntnis des Spruchsenates der Finanzstrafbehörde erster Instanz wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, er habe vorsätzlich Selbstbemessungsabgaben, nämlich Vorauszahlungen an Umsatzsteuer für September 1991, Jänner 1992 und April 1992 in der Gesamthöhe von rund S 7 Mio nicht spätestens am fünften Tag nach Fälligkeit entrichtet bzw. abgeführt. Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Finanzordnungswidrigkeit nach § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG begangen. Über den Beschuldigten werde hiefür nach § 49 Abs. 2 FinStrG als Zusatzstrafe zu einer am 2. Juni 1995 verhängten Geldstrafe von S 30.000,-- eine weitere Geldstrafe in Höhe von S 470.000,-- verhängt.
In der Begründung wurde ausgeführt, es sei unbestritten, dass der Beschwerdeführer zumindest zwei der drei Rechnungen mit Umsatzsteuerausweis selbst diktiert und ebenso wie die Umsatzsteuervoranmeldungen unterzeichnet habe. Auch bei ungeordneter Buchhaltung und turbulenten geschäftlichen Verhältnissen widerspreche es wohl jeglicher Lebenserfahrung, anzunehmen, er habe bis zur abgabenbehördlichen Prüfung am 20. Oktober 1992 nie die Notwendigkeit der Abfuhr der in Millionenhöhe ausgewiesenen Umsatzsteuer erkannt. Zudem seien von der Gesellschaft in den Umsatzsteuervoranmeldungen für Jänner 1991 bis August 1992 bis auf einige ganz geringfügige Umsätze nur Vorsteuern aus den gegenständlichen umsatzsteuerpflichtigen Bauleistungen, und zwar in erheblichem Ausmaß, geltend gemacht worden. Gemäß den Jahresabschlüssen sei 1991 nur ein einziges abgeschlossenes Bauvorhaben, nämlich "S-Gasse 7", ersichtlich. 1992 seien entsprechend der Jahresabschlüsse Bruttoumsätze in Höhe von rund S 54,5 Mio getätigt worden. Davon seien S 35,6 Mio, nämlich die beiden gegenständlichen Bauvorhaben "B-Straße" und "S-Straße", steuerpflichtig gewesen. Es seien somit sämtliche von der Gesellschaft erbrachten steuerpflichtigen Generalunternehmerleistungen nicht der Umsatzsteuer unterworfen, die diesbezüglichen Vorsteuern seien jedoch lukriert worden. Dass sich der Beschuldigte sehr wohl mit der Umsatzsteuer auseinander gesetzt habe, ergebe sich aus seinen Angaben vor dem Untersuchungsrichter des Landesgerichtes am 22. Juni 1993, wonach die A GmbH gegründet worden sei, damit "mit dieser Firma gewerbliche Objekte durchgeführt werden sollten - dies als Generalunternehmer - sodass die Vorsteuerabzüge zu lukrieren gewesen wären".
Im Berufungsverfahren brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, dass er keineswegs vorsätzlich gehandelt habe, weil er es nicht für ernstlich möglich gehalten bzw. sich damit habe abfinden können, dass die von ihm routinemäßig unterschriebenen Rechnungen im Zuge der im Unternehmen bereits herrschenden Turbulenzen von einer Angestellten irrtümlich in die falsche Ablage gegeben worden seien. Er habe sich nach der Unterfertigung der Rechnungen nicht mehr um diese gekümmert, weil er im Unternehmen mit anderen Aufgaben befasst gewesen sei.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Die belangte Behörde führte in ihrer Begründung im Wesentlichen aus, dass zumindest bedingter Vorsatz des Beschwerdeführers angenommen werden könne. Von Jänner 1991 bis August 1992 seien bis auf ganz geringfügige Umsätze nur Vorsteuern aus den gegenständlichen umsatzsteuerpflichtigen Bauleistungen erklärt worden. In der Folge sei aber die Abfuhr der erheblichen Umsatzsteuervorauszahlungen unterblieben. Bei lebensnaher Betrachtung lasse dies nur den Schluss zu, dass der Beschwerdeführer dieses Missverhältnis habe bemerken müssen und auch bemerkt und somit vorsätzlich gehandelt habe.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG macht sich einer Finanzordnungswidrigkeit schuldig, wer vorsätzlich Abgaben, die selbst zu berechnen sind, unter anderem Vorauszahlungen an Umsatzsteuer, nicht spätestens am fünften Tag nach Fälligkeit entrichtet oder abführt, es sei denn, dass der zuständigen Abgabenbehörde bis zu diesem Zeitpunkt die Höhe des geschuldeten Betrages bekannt gegeben wird. Der in der Bestimmung des § 49 Abs. 1 FinStrG geforderte Vorsatz muss sich (bloß) auf die tatbildmäßig relevante Versäumung des Termins für die Entrichtung von Selbstbemessungsabgaben richten.
Dass dem Beschwerdeführer die Verpflichtung, zu bestimmten Zeitpunkten Umsatzsteuervoranmeldungen beim Finanzamt einzureichen und Umsatzsteuervorauszahlungen zu leisten, unbekannt gewesen wäre, behauptet er nicht. Der Beschwerdeführer bringt vor dem Verwaltungsgerichtshof erstmals vor, dass die Bauvorhaben noch nicht abgerechnet und von den Professionisten noch keine Schlussrechnungen gelegt worden seien. Da von der A GmbH noch keine Leistungen, die der Umsatzsteuerpflicht unterliegen würden, erbracht worden seien, habe auch keine Umsatzsteuer abgeführt werden müssen.
Da der Beschwerdeführer auf Verwaltungsebene keinerlei Behauptungen über diese Umstände aufgestellt hat, widerspricht dieses Vorbringen dem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren herrschenden, aus § 41 VwGG abzuleitenden Neuerungsverbot.
Der Beschwerdeführer rügt, er sei von der belangten Behörde trotz eines gerichtlichen Freispruches in derselben Sache für schuldig gesprochen worden.
Gemäß § 53 Abs. 1 FinStrG ist das Gericht ua zur Ahndung von Finanzvergehen zuständig, wenn das Finanzvergehen vorsätzlich begangen wurde und der Wertbetrag, nach dem sich die Strafdrohung richtet (strafbestimmender Wertbetrag), 1 Million Schilling übersteigt oder wenn die Summe der strafbestimmenden Wertbeträge aus mehreren zusammentreffenden vorsätzlich begangenen Finanzvergehen 1 Mio Schilling übersteigt und alle diese Vergehen in die örtliche und sachliche Zuständigkeit derselben Finanzstrafbehörde fielen. Nach § 53 Abs. 5 FinStrG hat das Gericht Finanzordnungswidrigkeiten niemals zu ahnden.
§ 214 Abs. 1 FinStrG bestimmt, dass ein Freispruch wegen Unzuständigkeit der Gerichte zur Ahndung eines Finanzvergehens der Verurteilung wegen einer anderen strafbaren Handlung, derer sich der Angeklagte durch dieselbe Tat schuldig gemacht hat, nicht entgegensteht.
Gemäß § 54 Abs. 5 FinStrG hat die Finanzstrafbehörde das Finanzstrafverfahren fortzusetzen, wenn das gerichtliche Verfahren rechtskräftig durch eine Entscheidung, die auf der Ablehnung der Zuständigkeit beruht (Unzuständigkeitsentscheidung), beendet wird.
Im Beschwerdefall wurde das strafgerichtliche Verfahren gegen den Beschwerdeführer durch eine Unzuständigkeitsentscheidung gemäß § 214 FinStrG beendet. Die Fortsetzung des verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahrens nach Ergehen des gerichtlichen Unzuständigkeitsurteiles war demnach nicht rechtswidrig, sondern Pflicht der Behörde in Befolgung des in § 54 Abs. 5 FinStrG normierten Fortsetzungsgebotes.
Dem steht auch Art. 4 des Protokolls Nr. 7 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten nicht entgegen, wonach niemand wegen einer strafbaren Handlung, wegen der er bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht eines Staates rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren desselben Staates erneut vor Gericht gestellt oder bestraft werden darf, weil in einem auf § 214 Abs. 1 FinStrG gestützten Freispruch lediglich die Unzuständigkeit der Gerichte zur Ahndung eines Finanzvergehens ausgesprochen wird. Es handelt sich dabei um einen Freispruch eigener Art; weswegen im Urteil nur § 214 FinStrG, nicht aber § 259 StPO zu zitieren ist (Dorazil/Harbich, FinStrG, 637). Der Verwaltungsgerichtshof vermag daher die verfassungsrechtlichen Bedenken des Beschwerdeführers nicht zu teilen. Der Freispruch durch das Landesgericht hat ein Finanzvergehen nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG betroffen. Das finanzstrafbehördliche Erkenntnis ist jedoch zu einer Finanzordnungswidrigkeit gemäß § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG ergangen.
Der Beschwerdeführer bringt weiters vor, dass sich aus dem Urteil des Landesgerichtes ergebe, dass kein Vorsatz des Beschwerdeführers auf die Abgabenverkürzung sowie den Verkürzungserfolg vorgelegen sei. Auch die Feststellungen der belangten Behörde reichten nicht hin, um schuldhaftes vorwerfbares Handeln mit Vorsatz zu unterstellen.
Dem Beschwerdevorbringen ist entgegen zu halten, dass in dem Urteil des Landesgerichtes ausgesprochen wurde, es lägen zwar Indizien für den Tatbestand nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG vor, dass diese Indizien aber nicht ausreichten, um den nach der zitierten Gesetzesstelle geforderten qualifizierten Vorsatz zu begründen, sodass im Zweifel davon auszugehen sei, dass der Angeklagte die von ihm bewirkte Abgabenverkürzung nicht für gewiss gehalten habe. Die belangte Behörde hingegen hat lediglich einen (zumindest bedingten) Vorsatz des Beschwerdeführers mit der Begründung angenommen, dass vom Unternehmen des Beschwerdeführers im Zeitraum Jänner 1991 bis August 1992 bis auf ganz geringfügige Umsätze ausschließlich Vorsteuern aus den gegenständlichen umsatzsteuerpflichtigen Bauleistungen erklärt worden seien, die Abfuhr der erheblichen Umsatzsteuervorauszahlungen jedoch unterblieben sei. Der Verwaltungsgerichtshof vermag es nicht als rechtswidrig zu erkennen, wenn die belangte Behörde, der Beweiswürdigung des Spruchsenates folgend, als erwiesen angenommen hat, dass der Beschwerdeführer von der Möglichkeit der Unrichtigkeit der von ihm verwerteten Zahlen und damit auch der von ihm unterschriebenen Umsatzsteuervoranmeldungen gewusst und diese trotzdem eingereicht habe, und die belangte Behörde daraus den Schluss gezogen hat, dass der Beschwerdeführer die Nichtabfuhr der Umsatzsteuervorauszahlungen (zumindest) ernstlich für möglich gehalten und sich mit ihr abgefunden hat (§ 8 Abs. 1 FinStrG).
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte aus den Gründen des § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Wien, am 8. Mai 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:1999150142.X00Im RIS seit
03.07.2003