Index
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;Norm
EStG 1988 §20 Abs1 Z2 litd;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Karger und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Reinisch, über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Otto Galehr, Wirtschaftsprüfer in 6923 Lauterach, Alter Bahnhof, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg (Berufungssenat) vom 13. September 2000, Zl. RV 1007/1- V6/00, betreffend Einkommensteuer 1997 und 1998, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer bezog in den Streitjahren als Versicherungsvertreter Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist die Abzugsfähigkeit der geltend gemachten Kosten für ein Arbeitszimmer in Hinblick auf § 20 Abs. 1 Z 2 lit. d EStG 1988 strittig.
Nach den Ausführungen im angefochtenen Bescheid habe der Beschwerdeführer in der Berufung die Ansicht vertreten, es liege kein "Arbeitszimmer im Wohnungsverband" nach § 20 Abs. 1 Z 2 lit. d EStG 1988 vor, weil das im Kellergeschoss befindliche Arbeitszimmer über einen eigenen Eingang von außen verfüge und mit den übrigen Räumlichkeiten des Hauses nicht verbunden sei. Ein am 24. Mai 2000 durchgeführter Augenschein habe ergeben, dass sich zu diesem Zeitpunkt das Arbeitszimmer nicht mehr im Keller befunden habe. Die Räumlichkeiten des ehemaligen Arbeitszimmers im Keller seien mit einigen Akten, einem Aktenschrank und "allerlei Gerümpel" belegt und vom Wohntrakt durch eine Verbindungstür frei zugänglich gewesen. Nach der Aussage der Ehefrau des Beschwerdeführers habe der Zugang stets in der vorgefundenen Form bestanden. Mit dieser Aussage konfrontiert habe der Beschwerdeführer angegeben, ein Zugang vom Wohntrakt sei deswegen nicht möglich gewesen, weil er "einen Kasten vor die Tür gestellt habe, weil er die Kunden vom Wohntrakt habe fern halten wollen". In einer Stellungnahme zu den Ergebnissen des Augenscheines habe der Beschwerdeführer vorgebracht, die Büroräumlichkeiten im Keller verfügten über eine separate Außenstiege. Zum Zeitpunkt des Augenscheines habe sich das Büro vorübergehend in einem Raum im Wohnbereich befunden, weil der neue Bürozubau noch nicht fertig gestellt gewesen sei. Die Büroräumlichkeiten seien mit einer Tür mit den restlichen Kellerräumlichkeiten des Hauses verbunden. In der fraglichen Zeit sei die Verbindungstür stets durch einen Kasten verstellt gewesen. Erst ab dem Zeitpunkt, als der Keller für die Baumaßnahmen benötigt worden sei, sei die Durchgangstür wieder frei gemacht worden.
Im Erwägungsteil des angefochtenen Bescheides vertrat die belangte Behörde die Ansicht, für die Frage, ob das Arbeitszimmer dem Wohnungsverband zuzurechnen sei, habe es keine Bedeutung, ob das Arbeitszimmer vom (übrigen) Wohnbereich aus zugänglich gewesen sei oder nicht. Da sich der Wohnungsverband jeweils auf die gesamte "wirtschaftliche Einheit" erstrecke, zu dem das Eigenheim gehöre, sei jedenfalls davon auszugehen, dass es sich um ein im Wohnungsverband gelegenes Arbeitszimmer gehandelt habe. Unter diesen Voraussetzungen sei in einem weiteren Schritt zu prüfen gewesen, ob das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gewerblichen Tätigkeit des Beschwerdeführers gebildet habe. Dies sei jedoch schon deshalb zu verneinen, weil der Mittelpunkt der Tätigkeit eines Versicherungsagenten niemals im häuslichen Arbeitszimmer, sondern vielmehr im Außendienst liege. Hinzu komme, dass ungeachtet der Zugehörigkeit zu unterschiedlichen Einkunftsarten zwischen der Tätigkeit des Beschwerdeführers als selbständiger Versicherungsagent und nichtselbständiger Versicherungsangestellter ein derart enger inhaltlicher Zusammenhang bestehe, dass "in wirtschaftlicher Betrachtung" von einer Tätigkeit ausgegangen werden müsse, deren Schwerpunkt sowohl in zeitlicher als auch in finanzieller Hinsicht im nichtselbständigen Bereich liege, in dem vom Arbeitgeber Büroräumlichkeiten zur Verfügung gestellt würden. Aus diesen Erwägungen komme die belangte Behörde zu dem Ergebnis, dass die unter dem Titel "Arbeitszimmer" geltend gemachten Aufwendungen unter das Abzugsverbot des § 20 Abs. 1 Z 2 lit. d EStG 1988 fielen.
In der Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht verletzt, "Betriebsausgaben im Zusammenhang mit der Nutzung eines Arbeitszimmers für betriebliche Zwecke geltend machen zu können".
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 lit. d EStG 1988 idF BGBl. 201/1996 dürfen Aufwendungen oder Ausgaben für ein im Wohnungsverband gelegenes Arbeitszimmer und dessen Einrichtung sowie für Einrichtungsgegenstände in der Wohnung nicht bei den einzelnen Einkünften abgezogen werden. Bildet ein im Wohnungsverband gelegenes Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen, sind die darauf entfallenden Aufwendungen und Ausgaben einschließlich der Kosten seiner Einrichtung abzugsfähig. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist jedenfalls dann, wenn eine Einkunftsquelle den Aufwand für das Arbeitszimmer bedingt, die andere aber nicht, der Mittelpunkt im Sinn des § 20 Abs. 1 Z 2 lit. d EStG 1988 nur aus der Sicht der einen Einkunftsquelle zu bestimmen (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom 27. Mai 1999, 98/15/0100, und vom 27. Juni 2000, 98/14/0198).
In der Beschwerde wird vorgebracht, da das Arbeitszimmer über einen eigenen Eingang verfüge und in den betreffenden Jahren die Verbindungstür zur Wohnung durch einen Schrank versperrt gewesen sei, sei das Arbeitszimmer als nicht im Wohnungsverband gelegen anzusehen.
Ein Arbeitszimmer liegt dann im Wohnungsverband, wenn das Zimmer an sich nach der Verkehrsauffassung einen Teil der Wohnung (oder etwa des Einfamilienhauses) darstellt. Dafür spricht jedenfalls, wenn es von der Wohnung aus begehbar ist (vgl. Hofstätter/Reichel, EStG 1988 III, Tz 6.1 zu § 20). Wird eine solche Begehbarkeit lediglich temporär durch das "Versperren" mit einem vorgestellten Schrank verhindert, ist der Wohnungsverband nach der Verkehrsauffassung noch nicht aufgehoben. Dass das Arbeitszimmer auch über einen separaten Eingang von außen verfügt, ist dabei nicht von entscheidender Bedeutung.
Den Mittelpunkt der gewerblichen Tätigkeit des Beschwerdeführers als Versicherungsvertreter im Arbeitszimmer hat die belangte Behörde in erster Linie deshalb verneint, weil sie davon ausging, dass "der Mittelpunkt der Tätigkeit eines Versicherungsagenten nach der Verkehrsauffassung niemals im häuslichen Arbeitszimmer, sondern vielmehr im Außendienst liegt".
Der Mittelpunkt einer Tätigkeit ist nach ihrem materiellen Schwerpunkt zu beurteilen; im Zweifel wird darauf abzustellen sein, ob das Arbeitszimmer in zeitlicher Hinsicht für mehr als die Hälfte der Tätigkeit im Rahmen der konkreten Einkunftsquelle benützt wird (vgl. z.B. die ebenfalls Versicherungsvertreter betreffenden Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. November 2000, 99/14/0008, und vom 19. Dezember 2000, 99/14/0283). Die Prämisse, der Mittelpunkt der Tätigkeit eines Versicherungsvertreters könne nach der Verkehrsauffassung "niemals" im häuslichen Arbeitszimmer liegen, ist eine im angefochtenen Bescheid aufgestellte, nicht ohne weiteres nachvollziehbare Behauptung, die den angefochtenen Bescheid nicht zu tragen vermag. Zu Recht wirft der Beschwerdeführer der belangten Behörde in diesem Punkt auch eine ungenügende Ermittlung des Sachverhaltes vor (nach dem Vorbringen in der Replik zur Gegenschrift handle es sich beim Beschwerdeführer, der einen wesentlichen Teil seiner Arbeitszeit in seinen Büroräumlichkeiten verbringe, beispielsweise um keinen "Vertreter im landläufigen Sinn, der von Tür zu Tür geht, um seine Produkte anzupreisen"). Dass bei der Tätigkeit von Versicherungsvertretern die zeitliche Komponente der Nutzung eines Arbeitszimmers nicht außer Acht zu lassen ist, geht im Übrigen aus den beiden zitierten Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes hervor, die im zeitlich überwiegenden Ausmaß der Außendiensttätigkeit ein maßgebendes Kriterium für die Versagung der Abzugsfähigkeit geltend gemachter Aufwendungen für Arbeitszimmer im Sinn des § 20 Abs. 1 Z 2 lit. d EStG 1988 sahen.
Soweit die belangte Behörde den angefochtenen Bescheides weiters auf eine einheitliche Betrachtung mit den Einkünften aus der nichtselbständigen Tätigkeit des Beschwerdeführers als Angestellter einer Versicherungsanstalt zu stützen versucht (und damit offenbar die Notwendigkeit des häuslichen Arbeitszimmers verneint, weil vom Arbeitgeber Büroräumlichkeiten zur Verfügung gestellt würden), erhebt die Beschwerde zu Recht den Vorwurf, dass diese Annahme dem Beschwerdeführer nicht zur Äußerung vorgehalten worden sei. Dem Beschwerdeführer sei es daher im Verwaltungsverfahren nicht möglich gewesen, dazu Stellung zu nehmen und vor allem auf die tatsächliche Verschiedenartigkeit der angesprochenen Tätigkeitsbereiche (so sei er bei seiner nichtselbständigen Tätigkeit als Abteilungsleiter im Wesentlichen nur mit internen Führungsaufgaben befasst) hinzuweisen.
Der angefochtene Bescheid war damit wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften nach § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl II Nr. 501/2001. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft die
geltend gemachten "Barauslagen" von 33 S, die vom pauschalierten Schriftsatzaufwand nach § 48 Abs. 1 Z 2 VwGG umfasst sind.
Wien, am 8. Mai 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2000150176.X00Im RIS seit
03.07.2003Zuletzt aktualisiert am
16.05.2013