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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
FrG 1997 §10 Abs2 Z3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des D, geboren 1946, vertreten durch Dr. Eva Roland und Dr. Manfred Roland, Rechtsanwälte in 1130 Wien, Eitelbergergasse 7, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 17. September 2002, Zl. 305.471/9-III/11/02, betreffend Versagung einer Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 17. September 2002 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 18. Oktober 2001 auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "unselbständige Erwerbstätigkeit" gemäß § 14 Abs. 2 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, abgewiesen.
Der Beschwerdeführer habe von 28. November 1990 bis 30. August 1993 - mit Unterbrechungen - über Wiedereinreisesichtvermerke und von 31. August 1993 bis 31. August 1995 über eine Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz verfügt. Der Verlängerungsantrag vom 28. Juli 1994 sei am 7. März 1996 rechtskräftig abgewiesen worden. Der Beschwerdeführer verfüge somit seit 1. September 1995 nicht mehr über einen Aufenthaltstitel und habe einen solchen bis zum 18. September 2001 - also während eines mehr als sechsjährigen Zeitraumes - auch nicht beantragt.
Seit 2. Oktober 1996 sei der Beschwerdeführer in Österreich weder erwerbstätig noch sozialversichert. Eine private Krankenversicherung bestehe erst wieder seit 1. März 2002. Der Beschwerdeführer beziehe seit 2. Oktober 1996 lediglich eine Versehrtenrente, zuletzt in der Höhe von EUR 160,05, die monatlich auf ein Bankkonto überwiesen werde. Diese Rente reiche zur Bestreitung der Lebenshaltungskosten jedoch nicht aus.
Im Akt befinde sich die Ablichtung eines Meldezettels, wonach der Beschwerdeführer am 3. Jänner 1997 als "verzogen nach JUG."
abgemeldet worden sei. In weiterer Folge seien von der österreichischen Botschaft in Belgrad lediglich drei Visa C - also Einreisetitel - für den Beschwerdeführer ausgestellt worden. Diese Visa seien von 7. August 1997 bis 25. August 1997, von 30. Jänner 2000 bis 9. Februar 2000 und von 23. Februar 2001 bis 19. März 2001 gültig gewesen. Hätte der Beschwerdeführer seinen Niederlassungswillen aufrecht erhalten, hätte nichts entgegengestanden, anstatt dieser Visa oder zusätzlich die Erteilung eines Aufenthaltstitels zu beantragen. Der Argumentation des Beschwerdeführers, er hätte versucht, durch die Erlangung der Visa eine "Teillegalisierung" seines Aufenthalts herbeizuführen, sei nicht zu folgen. Vielmehr sei auf Grund des gegebenen Sachverhalts davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer seinen Niederlassungswillen tatsächlich aufgegeben und lediglich Besuchsreisen unternommen habe. Die Behauptung des Beschwerdeführers, nach Ablauf des letzten Aufenthaltstitels bis zur nunmehrigen Antragstellung im Bundesgebiet niedergelassen geblieben zu sein, entbehre daher der erforderlichen Glaubwürdigkeit, zumal es dem Beschwerdeführer nicht möglich gewesen sei, dafür zwingende Beweise zu führen. Beispielsweise widerspreche es der Lebenserfahrung, dass Bewohner eines Hauses mit dauerhafter Regelmäßigkeit einander nahezu täglich begegneten, wie dies etwa im Rahmen eines Dienstverhältnisses innerhalb der Kollegenschaft oder im Verlauf des Schulbesuchs zwischen Schülern einer Klassengemeinschaft üblich sei. Ebenso widerspreche es der Lebenserfahrung, dass ein Gebäudeverwalter in vergleichbaren zeitlichen Abständen Nachschau halte, ob eine Person ein Objekt tatsächlich bewohne.
Beim Antrag des Beschwerdeführers handle es sich somit um einen Erstantrag, der gemäß § 14 Abs. 2 FrG vor der Einreise vom Ausland gestellt werden müsse. Da der Beschwerdeführer den Antrag vom Inland aus gestellt habe, sei er gemäß § 14 Abs. 2 FrG abzuweisen gewesen, wobei eine Ermessensentscheidung gemäß § 8 Abs. 1 leg. cit. nicht in Betracht komme.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. § 23 Abs. 1 FrG ordnet an, dass Fremden, die nach Ablauf der Gültigkeitsdauer ihrer Niederlassungsbewilligung auf Dauer niedergelassen bleiben, bei Bestehen der sonstigen Voraussetzungen, auf Antrag - der gemäß § 14 Abs. 2 leg. cit. vom Inland aus gestellt werden kann - eine weitere Niederlassungsbewilligung mit demselben Zweckumfang zu erteilen ist. Dies gilt nicht bloß dann, wenn der Fremde den Antrag auf Erteilung einer weiteren Niederlassungsbewilligung gemäß § 31 Abs. 4 FrG rechtzeitig vor Ablauf der Geltungsdauer des ihm zuletzt erteilten Aufenthaltstitels beantragt; vielmehr ist auch bei späterer Antragstellung unter der Voraussetzung, dass der Fremde - wenn auch ohne Bewilligung - nach Ablauf der Gültigkeitsdauer seiner Niederlassungsbewilligung auf Dauer niedergelassen bleibt, eine weitere Niederlassungsbewilligung zu erteilen. Auf das Ausmaß der Fristversäumung kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Dies gilt gemäß der Übergangsbestimmung des § 112 FrG auch für Fälle, in denen der Fremde bisher nicht über eine Niederlassungsbewilligung nach dem FrG, sondern über einen nach früher geltenden Bestimmungen erteilten Titel verfügt hat, der ihn zur dauernden Niederlassung berechtigte. (Vgl. das hg. Erkenntnis, Zlen. 98/19/0195, 0196.)
Ein Verfahren zur Erteilung einer weiteren Niederlassungsbewilligung ist selbst dann zu führen, wenn ein Fremder, der früher zur dauernden Niederlassung berechtigt war, trotz eines rechtskräftig über ihn verhängten Aufenthaltsverbots auf Dauer niedergelassen geblieben ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1999, Zl. 98/19/0230).
Ein Fremder kann jedoch nicht durch bloße Aufrechterhaltung seines Niederlassungswillens eine Niederlassung im Bundesgebiet auf Dauer beibehalten; maßgebend ist vielmehr, dass er seine tatsächliche Niederlassung, sei es auch mit kurzfristigen Unterbrechungen seiner körperlichen Anwesenheit, aufrecht erhält (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 8. September 2000, Zl. 99/19/0119).
2.1. Da der Beschwerdeführer unstrittig zuletzt bis 31. August 1995 über eine - zur dauernden Niederlassung berechtigende - Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz verfügte, kommt es für die Qualifikation des verfahrensgegenständlichen Antrages als Antrag auf Erteilung einer weiteren Niederlassungsbewilligung, der vom Inland aus gestellt werden kann, darauf an, ob der Beschwerdeführer nach Ablauf dieses Titels im Sinn der dargestellten Judikatur auf Dauer im Bundesgebiet niedergelassen geblieben ist.
2.2. Die belangte Behörde hat dazu ausgeführt, dass der Beschwerdeführer nach der bei den Akten erliegenden Kopie eines Meldezettels von seiner Wiener Adresse am 3. Jänner 1997 als nach Jugoslawien verzogen abgemeldet worden sei. In der Folge habe er lediglich dreimal über ein jeweils nur für wenige Wochen gültiges Visum C verfügt.
Sie vertrat im Rahmen der Beweiswürdigung die Ansicht, dass der Beschwerdeführer bei tatsächlich weiterhin bestehendem Niederlassungswillen (auch) die Erteilung eines Aufenthaltstitels hätte beantragen können und kam zu dem Ergebnis, dass der Beschwerdeführer nicht in Österreich niedergelassen geblieben sei, sondern nur - auf Grund der erteilten Visa C - "Besuchsreisen" nach Österreich unternommen habe.
2.3. Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren vorgebracht, dass er nach Ablauf der ihm zuletzt erteilten Aufenthaltsbewilligung in Österreich - rechtswidrig - niedergelassen geblieben sei. In seiner Heimat habe er sich nur in den Jahren 1997, 2000 und 2001 jeweils kurzfristig auf Besuch befunden, wobei er jedes Mal noch von Österreich aus die Erteilung eines "Touristensichtvermerkes" beantragt habe, damit er in das Bundesgebiet zurückkehren könne.
Die Erstbehörde hat zwei vom Beschwerdeführer zum Beweis für dieses Vorbringen geführte Zeugen vernommen. Die Zeugin D. hat bei der niederschriftlichen Einvernahme am 11. Februar 2002 ausgesagt, den Beschwerdeführer, der mit ihr sehr weitschichtig verwandt sei, schon lange zu kennen. Ihres Wissens lebe der Beschwerdeführer seit 1992 ununterbrochen in Österreich. Er besuche sie seit etwa sieben Jahren monatlich in ihrer Wiener Wohnung. Aus seinen Erzählungen wisse sie, dass er hin und wieder nach Jugoslawien zu seiner Familie reise.
Der Zeuge K. hat bei seiner niederschriftlichen Vernehmung am 13. Februar 2002 ausgeführt, seit 1991 ohne Unterbrechung in Österreich zu leben. Den Beschwerdeführer, mit dem er seit 1993 befreundet sei, treffe er seit 1995 etwa monatlich, manchmal auf Grund einer Verabredung und manchmal zufällig. Seines Wissens lebe der Beschwerdeführer die meiste Zeit des Jahres in Österreich, mache aber auch Besuche bei seiner Familie in Jugoslawien.
In der Berufung hat der Beschwerdeführer vorgebracht, nur aus Rechtsunkenntnis bisher die - erst seit Inkrafttreten des Fremdengesetzes 1997 mögliche - Erteilung einer weiteren Niederlassungsbewilligung nicht beantragt zu haben. Eine Abmeldung von seiner Wiener Wohnung ab 3. Jänner 1997 habe er nie vorgenommen. Er sei nach wie vor in dieser Wohnung aufhältig, dort allerdings wegen eines anhängigen Gerichtsverfahrens jetzt nicht mehr gemeldet. Dazu hat er eine Bestätigung einer Gebäudeverwaltung vom 22. Juli 2002, wonach er seit 12. November 1990 an der genannten Adresse wohnhaft sei, sowie eine Meldebestätigung des Magistrats der Stadt Wien vorgelegt, aus der sich ergibt, dass er an dieser Adresse von 12. November 1990 bis 4. März 2002 gemeldet war.
Weiters hat er in der Berufung vorgebracht, alle Bewohner des Hauses, in dem sich seine Wohnung befinde, als Zeugen für seinen durchgehenden Aufenthalt nennen zu können.
2.4. Die belangte Behörde hat dazu lediglich ausgeführt, es widerspreche der Lebenserfahrung, dass Bewohner eines Hauses einander regelmäßig nahezu täglich begegneten und ein Hausverwalter in vergleichbaren zeitlichen Abständen Nachschau halte, ob ein Objekt tatsächlich bewohnt werde.
Eine Begründung, warum den Aussagen der Zeugen D. und K., wonach der Beschwerdeführer diese Personen in den letzten Jahren jeweils in monatlichen Abständen im Inland getroffen habe - was jedenfalls ein Indiz für den durchgehenden Inlandsaufenthalt darstellt -, nicht geglaubt werde, enthält der angefochtene Bescheid nicht. Ebenso fehlt eine Auseinandersetzung mit der mit der Berufung vorgelegten Meldebestätigung des Magistrates der Stadt Wien betreffend die durchgehende Meldung von November 1990 bis 4. März 2002.
Schon aus diesen Gründen hält die Beweiswürdigung der belangten Behörde einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof nicht Stand (vgl. zum Umfang der diesbezüglichen Überprüfungsbefugnis insbesondere das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053).
3. Da die belangte Behörde somit Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen hat, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
4. Für das fortzusetzende Verfahren sei Folgendes hinzugefügt:
Sollte der gegenständliche Antrag als Antrag auf Erteilung einer weiteren Niederlassungsbewilligung zu qualifizieren sein, könnte auf Grund des jahrelangen unrechtmäßigen Aufenthalts des Beschwerdeführers der Versagungsgrund gemäß § 10 Abs. 2 Z. 3 FrG verwirklicht sein und zur Ausweisung des Beschwerdeführers durch die gemäß § 15 leg. cit. befasste Fremdenpolizeibehörde gemäß § 34 Abs. 1 Z. 2 leg. cit. führen (vgl. die Erläuterungen zu § 23 der RV betreffend ein Fremdengesetz, 685 BlgNR 20. GP, 70).
5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Das über den pauschalierten Schriftsatzaufwandersatz in der Höhe von EUR 908,-- und den Ersatz der Gebühr gemäß § 24 Abs. 3 VwGG in der Höhe von EUR 180,-- hinausgehende Begehren war abzuweisen.
Wien, am 9. Mai 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2002180273.X00Im RIS seit
25.06.2003Zuletzt aktualisiert am
19.02.2009