TE Vwgh Erkenntnis 2003/5/15 2002/01/0274

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Veröffentlicht am 15.05.2003
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Pelant als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Nichtowitz, über die Beschwerde des M in Wien, geboren 1969, vertreten durch Dr. Claudia Patleych, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Mariahilferstraße 45/5/36, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 20. März 2002, Zl. 225.616/0-VIII/23/02, betreffend §§ 7 und 8 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein der albanischen Volksgruppe angehörender Staatsbürger von Mazedonien, reiste gemäß seinen Behauptungen am 23. Mai 2001 in das Bundesgebiet ein und beantragte die Gewährung von Asyl. Im Zuge seiner Einvernahme durch das Bundesasylamt am 29. November 2001 begründete er seinen Asylantrag im Wesentlichen damit, dass er in seinem Dorf Vorsitzender der albanisch-demokratischen Partei (PDSH) gewesen sei. Er habe sich gemeinsam mit anderen Parteimitarbeitern verpflichtet, im Fall eines Krieges "für die Albaner zu kämpfen". (Zwar) sei das "eine freiwillige Unterschrift" gewesen, er (der Beschwerdeführer) habe jedoch nicht kämpfen wollen und sei deswegen ausgereist. Er habe Angst vor den anderen Albanern, die gekämpft hätten. Seiner Frau habe man mitgeteilt, dass er im Fall einer Rückkehr erschossen werde.

Das Bundesasylamt wies den Asylantrag des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 13. Dezember 2001 gemäß § 7 AsylG ab (Spruchpunkt I.). Außerdem sprach es aus, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Mazedonien gemäß § 8 AsylG zulässig sei (Spruchpunkt II.). Es führte aus, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers unglaubwürdig sei, und gelangte nach Feststellungen zur Situation in Mazedonien zu dem Ergebnis, dass bezüglich des Beschwerdeführers "keine akute Gefährdung ... erheblicher Intensität von staatlicher Seite erkannt werden kann". "In eventu" werde bezüglich des nicht glaubwürdigen Vorbringens des Beschwerdeführers, seitens Parteiangehöriger bedroht zu werden, angefügt, dass die insoweit befürchteten Übergriffe durch Private die Flüchtlingseigenschaft nicht zu begründen vermöchten. Auch eine dem Beschwerdeführer in Mazedonien drohende Gefahr nach § 57 Abs. 1 FrG sei - so das Bundesasylamt in seiner Begründung zum Ausspruch nach § 8 AsylG - nicht zu erkennen.

Die gegen den Bescheid des Bundesasylamtes erhobene Berufung wies die belangte Behörde mit Bescheid vom 20. März 2002 gemäß §§ 7 und 8 AsylG ab. Sie erklärte, hinsichtlich Sachverhalt, Beweiswürdigung und rechtlicher Beurteilung vollinhaltlich auf die zutreffenden Ausführungen im Bescheid des Bundesasylamtes zu verweisen und fügte dem im Wesentlichen rechtlich betrachtend nur hinzu, dass in concreto die Bestimmung "des Art. 1 lit. D Z 5 Genfer Flüchtlingskonvention" (gemeint: Art. 1 Abschnitt C Z 5 FlKonv) verwirklicht sei, weil sich die Umstände im Herkunftsland des Beschwerdeführers im Hinblick auf das Friedensabkommen zwischen den Bevölkerungsgruppen, die Selbstauflösung und Entwaffnung der UCK und die daran anschließende Amnestierung der entwaffneten Kämpfer derart geändert hätten, dass dem Beschwerdeführer eine Rückkehr nach Mazedonien möglich sei.

Über die gegen den Berufungsbescheid der belangten Behörde erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:

In seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid ist der Beschwerdeführer der Beweiswürdigung des Bundesasylamtes mit verschiedenen Argumenten entgegengetreten. Unter anderem hat er der Berufung eine Bestätigung in albanischer Sprache vom 17. Dezember 2001 (in Telefaxform) angeschlossen, derzufolge er - wie von ihm behauptet und vom Bundesasylamt in Abrede gestellt - Parteivorsitzender der örtlichen PDSH sei. Darüber ist die belangte Behörde stillschweigend hinweggegangen und hat sich, ohne die Argumente in der Berufung auch nur zu erwähnen, mit einem Verweis auf die erstinstanzliche Beweiswürdigung begnügt. Damit hat die belangte Behörde einerseits ihre Begründungspflichten verletzt, andererseits wäre sie - schon wegen der vorgelegten Bestätigung - zur Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung verpflichtet gewesen (vgl. zu beiden Gesichtspunkten etwa das hg. Erkenntnis vom 18. Februar 2003, Zl. 2002/01/0321).

Die aufgezeigten Verfahrensmängel sind relevant, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass die belangte Behörde im Fall des Zutreffens der Tatsachenbehauptungen des Beschwerdeführers zu einem für diesen günstigen Ergebnis hätte gelangen müssen. Die - durch Verweis auch auf die rechtlichen Ausführungen des Bundesasylamtes übernommene - Eventualbegründung betreffend "Übergriffe durch Private" ist schon deshalb nicht stichhaltig, weil sie sich mit dem Berufungsvorbringen, die mazedonischen Sicherheitskräfte seien nicht daran interessiert, "sich in - aus ihrer Sicht - inneralbanische Konflikte einzumischen", nicht auseinander setzt (vgl. zur Asylrelevanz "nicht-staatlicher Verfolgung" im Übrigen die hg. Erkenntnisse vom 6. März 2001, Zl. 2000/01/0056, und - grundlegend - vom 26. Februar 2002, Zl. 99/20/0509).

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Im Hinblick darauf konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG von der Durchführung der beantragten Verhandlung abgesehen werden.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.

Wien, am 15. Mai 2003

Schlagworte

Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2002010274.X00

Im RIS seit

20.06.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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